L 5 KR 71/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (2) KR 181/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 71/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.02.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für eine Behandlung mittels Pulsierender Signaltherapie (PST).

Der 1921 geborene Kläger ist freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Er beantragte mit einem Attest des Orthopäden Dr. F ... vom 05.05.1998 die Kostenübernahme für die PST wegen einer Varusgon- und Retropatellararthrose beidseits. Nach dem Attest sollten 9 Therapiesitzungen zu einem Pauschalpreis von 1.300,-- DM durchgeführt werden. Der Kläger hat sich dieser Behandlung vom 27.04. bis 07.05.1998 unterzogen.

Der von der Beklagten befragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) führte in einer Stellungnahme vom 22.05.1998 aus, bei der PST handele es sich um eine Variante der Magnetfeldtherapie, die keine anerkannte Behandlungsmethode sei. Die Wirksamkeit der PST sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen, sie sei medizinisch nicht zu empfehlen.

Mit Bescheid vom 12.06.1998 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme unter Hinweis auf die Stellungnahme des MDK ab. Der Kläger machte mit seinem Widerspruch geltend, ohne die Behandlung wäre eine Operation mit erheblich höheren Kosten erforderlich gewesen. Dank der durchgeführten Behandlung könne er wieder ohne Gehstock laufen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13.10.1998 zurück.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, die Behandlung sei erfolgreich gewesen. Das im Frühjahr 1998 behandelte linke Knie sei schmerzfrei, er habe jetzt deshalb auch im Oktober des Jahres das rechte Knie mittels PST behandeln lassen. Vor der streitigen Behandlung habe er erfolglos andere Ärzte konsultiert. Es sei ihm unverständlich, dass eine erfolgreiche Methode nicht bezahlt werde. Neue Methoden müssten zumindest in aussichtsreichen Fällen erprobt werden. Zum Nachweis des Erfolges hat sich der Kläger auf ein Attest des behandelnden Orthopäden Dr. F ... vom 27.10.1998 bezogen.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. F ... sowie eine Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen eingeholt. In der Auskunft vom 31.08.1999 weist der Bundesauschuss darauf hin, daß die PST mit Beschluss vom 24.04.1998 in die Anlage 2 (Nicht anerkannte Behandlungsmethoden) der "Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V" aufgenommen worden sei. Bei der Beschlussfassung seien weder Unterlagen vorgelegt worden, die den Nutzen der Methode belegten, noch habe inzwischen eine antragsberechtigte Partei den Antrag gestellt, erneut über die Methode zu beraten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Klage auf die Erstattung der Kosten für zwei weitere Behandlungszyklen erweitert, die vom 19.10. bis 28.10.1998 und vom 29.07. bis 07.08.1999 stattgefunden haben. Pro Behandlungszyklus hat der Kläger 1.300,-- DM gezahlt.

Mit Urteil vom 17.02.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren wiederholt der Kläger im wesentlichen seinen bisherigen Vortrag, er verweist auf den Erfolg der Therapie und die erheblich geringeren Kosten. Wenn die Entscheidung des Bundesausschusses abgewartet werden müsse, bevor die Methode als Leistung zur Verfügung stehe, würden gerade älteren Menschen wirksame Methoden vorenthalten. Der Kläger ist ferner unter Hinweis auf vorgelegte Unterlagen der PST GmbH München der Auffassung, die Wirksamkeit der Behandlungsmethode sei mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 17.02.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.1998 zu verurteilen, die Kosten der Behandlung mittels pulsierender Signaltherapie in Höhe von 3.900,-- DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da der Kläger in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Da der Kläger dem Senat nicht mitgeteilt hatte, dass er an dem Termin teilnehmen wolle, sich aber verspäten werde, durfte der Senat die Verhandlung auch zur festgesetzten Terminsstunde durchführen. Das persönliche Erscheinen des Klägers war nur angeordnet worden, um ihm die Rechtslage zu erläutern.

Die nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der drei Behandlungszyklen mittels PST.

Unabhängig davon, ob sich der Kostenerstattungsanspruch auf § 13 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB V stützt, scheidet eine Kostenerstattung aus zwei voneinander unabhängigen Gründen aus. Zum einen sind dem Kläger keine erstattungsfähigen Kosten entstanden (1), zum anderen zählt die PST nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen(2).

(1) Der Kläger war keiner durchsetzbaren Vergütungsforderung von Dr. F ... ausgesetzt. Dieser hat die Behandlungszyklen nach einem Pauschalhonorar von jeweils 1.300,-- DM abgerechnet. Ein Vergütungsanspruch des Arztes gegen den Patienten besteht jedoch nur, wenn eine Abrechnung nach den Vorschriften der GOÄ erteilt worden ist. Nach § 1 Abs. 1 GOÄ sind alle Ärzte verpflichtet, die Vergütungen nach der GOÄ zu berechnen. Dabei sind die ärztlichen Leistungen in einem Gebührenverzeichnis erfasst (§ 4 Abs. 1 GOÄ), soweit Leistungen nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind, darf der Arzt nach § 6 Abs. 2 GOÄ das Honorar einer gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses abrechnen. Erst mit Erteilung einer den Vorschriften der GOÄ entsprechenden Rechnung wird die Vergütung fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ). Ein Pauschalhonorar ist ohne Bezugnahme auf das Leistungsverzeichnis der GOÄ auch nicht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOÄ zulässig (vgl. König NJW 1992, 778; siehe auch BVerfG NJW 1992, 737). Da mangels ordnungsgemäßer Abrechnung keine Zahlungspflicht des Klägers bestand, ist somit auch dann ein Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen, wenn er die Rechnung tatsächlich bezahlt hat. Die Kosten sind ihm durch eigenes Verhalten entstanden, ein Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse kann nicht dadurch ausgelöst werden, dass der Versicherte freiwillig oder in Erfüllung einer vermeintlichen Rechtspflicht dem Leistungserbringer etwas zugewendet hat, das diesem von Rechts wegen nicht zusteht (BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 17).

(2) Zum anderen zählt die PST nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen. Dies folgt aus § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erlassenen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (zur Zeit der Behandlung: Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen gemäß § 135 Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V (Bundesanzeiger Nr. 243 vom 31.12.1997); jetzt: Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) (Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21.03.2000)). Da die PST nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung ist, handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Solche neuen Methoden dürfen zu Lasten der Krankenkassen in der vertragsärztlichen Versorgung nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens abgegeben hat. Eine solche Empfehlung des Bundesausschusses liegt nicht vor, vielmehr hat der Bundesausschuss beschlossen, die PST in die Anlage 2 (jetzt Anlage B) der Richtlinien aufzunehmen (a.a.O. Nr. 24).

Bei den Richtlinien handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des BSG (grundlegend BSGE 78, 70; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7; SozR 3-2500 § 135 Abs. 4), der der Senat folgt (siehe etwa Senatsurteil vom 24.01.2000 - L 5 KR 63/98; Urteil vom 14.03.2000 - L 5 KR 89/99), um untergesetzliche Rechtsnormen, die auch für die Versicherten verbindlich festlegen, welche Leistungen Bestand teil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Ein Versicherter, der sich eine nach den Richtlinien ausgeschlossene Leistung beschafft, kann im Kostenerstattungsverfahren nicht einwenden, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam gewesen (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 60; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 Satz 20).

Ein Kostenerstattungsanspruch kommt auch nicht deshalb in Betracht, weil dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen Verfahrensfehler vorzuwerfen wären. Seine Entscheidung ist nicht zu beanstanden.

Da es sich bei den Richtlinien um untergesetzliche Rechtsnormen handelt, besteht für den Bundesausschuss wie für jeden Normgeber ein eigener Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Die Gerichte sind auf die Überprüfung beschränkt, ob die Richtlinien in einem rechtsstaatlichen Verfahren formal ordnungsgemäß zustande gekommen sind und mit dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung in Einklang stehen. Eine darüber hinausgehende Inhaltskontrolle ist ihnen verwehrt (BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7 S. 60).

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Bundesausschusses fehlerhaft wäre. Die zur Zeit seiner Beschlussfassung zugänglichen Unterlagen hat der Ausschuss berücksichtigt und bewertet. Den vom Kläger eingereichten Unterlagen der PST GmbH ist zu entnehmen, dass lediglich drei weitere Studien vorliegen, die aber noch nicht veröffentlicht sind und ferner weitere Studien laufen. Eine dieser Studien ist im Dezember 1999 abgeschlossen worden, der vorläufige Endbericht ist nur für interne Zwecke bestimmt. Die Unterlagen belegen also nicht, dass im Zeitpunkt der streitigen Behandlung die Entscheidung des Bundesausschusses fehlerhaft gewesen wäre, weil tatsächlich die Wirksamkeit der Methode schon wissenschaftlich ausreichend nachgewiesen war. Maßgebend sind nämlich die im Behandlungszeitpunkt verfügbaren medizinischen Erkenntnisse. Nach § 135 Abs. 1 SGB V sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden solange von der Abrechnung zu Lasten der Krankenkasse ausgeschlossen, bis der Bundesausschuss sie als zweckmäßig anerkennt (BSGE 81, 54, 59). Die Empfehlung hat rechtsgestaltende Entscheidung, sie kann somit grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft abgegeben werden. Erweist sich eine zunächst abgelehnte Methode aufgrund späterer Erkenntnisse oder Erfahrungen doch als sinnvoll, so ist dem für zukünftige Behandlungsfälle durch eine entsprechende Empfehlung Rechnung zu tragen; für bereits abgeschlossene Behandlungen kann sich dadurch am Abrechnungsverbot nichts ändern (BSG, Beschluss vom 08.02.2000 - B 1 KR 18/99 B).

Wie dargelegt, ergibt sich aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen, dass selbst zur Zeit des dritten Behandlungszyklus (Juli 1999) keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit der PST vorlagen, so dass die Entscheidung des Bundesausschusses verbindlich ist. Ob neue Erkenntnisse vorliegen, die Anlass zu einer Revidierung der Entscheidung des Bundesausschusses geben können, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Der Kläger sei insoweit darauf hingewiesen, dass er sein erklärtes Ziel, die Anwendung der Methode für andere Versicherte zu erstreiten, in diesem Verfahren nicht erreichen kann, weil es nur um die Kostenerstattung für in der Vergangenheit liegende Behandlungen geht und insoweit die zum damaligen Zeitpunkt bekannten medizinischen Erkenntnisse maßgeblich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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