L 5 KR 14/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 11 KR 40/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 14/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.11.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Anspruch des Klägers auf Behandlung einer Erkrankung des rechten Schultergelenkes mittels der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) besteht.

Der Kläger, der bei der beklagten Krankenkasse versichert ist, leidet etwa seit Mitte 1997 an einer Verkalkung im Bereich des rechten Schultergelenkes, die eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung bewirkt.

Der behandelnde Orthopäde Dr. S ..., teilte der Beklagten mit Schreiben vom 03.06.1998 mit, daß die beim Kläger durchgeführten umfangreichen konservativen Therapiemaßnahmen ein schließlich Bewegungstherapie, Röntgenreizbestrahlung und lokaler Infiltrationsbehandlung die Beschwerdesymptomatik des rechten Schultergelenks nicht hätten lindern können. Aufgrund der Dauer und der Intensität der Beschwerdesymptomatik sei nunmehr eigentlich eine Narkosemobilisation und eine Spülung des Schultergelenkes indiziert. Vor einem solchen Eingriff sehe er jedoch die Indikation zur ESWT im hochenergetischen Bereich für gegeben an, da sich hierdurch in aller Regel ein operativer Eingriff vermeiden lasse.

Durch Bescheid vom 23.07.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten der ESWT ab. Zur Begründung verwies sie da rauf, dass es sich bei der ESWT um eine Außenseitermethode handele, die von den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ausgeschlossen worden sei.

Den dagegen am 25.01.1999 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 19.07.1999 zurück.

Der Kläger hat am 23.07.1999 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die ESWT sei kostengünstiger als eine operative Maßnahme, die zudem auch noch regelmäßig eine längere Zeit der Arbeitsunfähigkeit hervorrufe. Auch sei diese Behandlungsmethode ohne Nebenwirkungen und garantiere einen Heilerfolg in 70 % bis 80 % aller Fälle. Die Therapie werde inzwischen von zahlreichen Ärzten angewandt und habe auch in der medizinischen Diskussion breite Resonanz gefunden. Demgegenüber beruhe der Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, der die ESWT zu den nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen zähle, auf veralteten Unterlagen. Der Kläger hat die Ablichtung eines Zeitungsartikels (TV Hören und Sehen) vom 08.01.1999 und die Stellungnahme der DGST/ IGESTO e.V. zum Fragenkatalog des Bundesausschusses für Ärzte und Kranken kassen vom 20.02.1998 vorgelegt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.1999 zu verurteilen, die Kosten einer extra korporalen Stoßwellentherapie im Bereich der rechten Schulter zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.

Das Sozialgericht Münster hat die Klage durch Urteil vom 23.11.1999 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihm am 08.01.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.01.2000 Berufung eingelegt und darauf hingewiesen, dass seit der Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Jahre 1998 eine Vielzahl von Behandlungen mittels ESWT vorgenommen worden sei. Er meint, dass der Bundesausschuss deshalb verpflichtet gewesen sei, deshalb eine Aktualisierung seiner Entscheidung aus dem Jahre 1998 vorzunehmen. Er ist ferner der An sicht, die Behandlung mittels ESWT sei zweckmäßig und wirtschaftlich.

Der Kläger, der im Termin zur mündlichen Verhandlung weder persönlich erschienen noch vertreten gewesen ist, beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 23.11.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.1998 und des Widerspruchsbescheides vom 19.07.1999 zu verurteilen, ihm eine Behandlung des rechten Schultergelenkes mittels der extrakorporalen Stoßwellentherapie zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der - ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25.05.2000 - ordnungsgemäß von dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.06.2000 benachrichtigte Kläger in der Terminsmitteilung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23.07.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.1999, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger die Behandlung der bestehenden Gesundheitsstörung an der rechten Schulter mittels der ESWT zu gewähren, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Krankenbehandlung nach den §§ 11 Absatz 1 Satz 1 Nr.4, 27 Absatz 1 Satz 1, 12 Absatz 1 Satz 2 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Der Einsatz der EWST bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen zählt vielmehr zu den Methoden, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (§§ 2 Absatz 1, 12 Absatz 1, 28 Absatz 1, 70 Absatz 1 und 72 Absatz 2 SGB V) nicht erforderlich sind. Das ergibt sich aus § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) in der Fassung vom 10.12.1999, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr.56 vom 21.03.2000, in Kraft getreten am 22.03.2000, Anlage B ("nicht an erkannt") Nr.23. Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um unter gesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs.1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind. Diese Richtlinien sind nicht nur von den Vertragsärzten zu beachten, sie legen vielmehr auch zwischen Versicherten und Krankenkassen verbindlich fest, was zum Leistungsumfang gehört (BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 32/95, SozR 3 2500 § 135 SGB V Nr. 5). In der Anlage B, die Behandlungsmethoden auflistet, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, ist die ESWT unter Nr.23 ausdrücklich aufgeführt.

Ein Anspruch auf Behandlung mittels ESWT ist hier auch nicht etwa deshalb gegeben, weil die fehlende Anerkennung dieser Behandlungsmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Zwar hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Anspruch auf eine bisher nicht vom Bundesausschuss anerkannte Behandlungsmethode ausnahmsweise dann bestehen kann, wenn z.B. das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung erforderlichen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht zeit gerecht durchgeführt oder sonst durch sachfremde Erwägungen geprägt wird (vergl. BSG SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr.4). Hier kann der Kläger jedoch nicht erfolgreich geltend machen, die Entscheidungsfindung des Bundesausschusses sei vorliegend rechtsfehlerhaft bzw. die Entscheidung nahezu willkürlich getroffen worden. Denn der Bundesausschuss hat ausweislich seines zusammenfassenden Berichts vom 22.07.1999 über die Beratungen des Jahres 1998 zur Bewertung der ESWT die eingeholten Stellungnahme und die neue wissenschaftliche Literatur beraten. Sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich. Die Auffassung des Klägers, die Entscheidung des Bundesausschusses sei veraltet, ist ebenfalls nicht zutreffend. Der Kläger hat keinerlei Anhaltspunkte dafür genannt, inwieweit die medizinische Wissenschaft hier zwischenzeitlich neue Erkenntnisse bezüglich der ESWT gewonnen hätte; solche sind auch sonst nicht, insbesondere nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Zeitungsartikel, ersichtlich. Derartige neue Erkenntnisse liegen ferner auch nicht allein deshalb vor, weil - wie der Kläger behauptet - eine Vielzahl von Behandlungen seit dem Jahre 1998 mittels ESWT vorgenommen worden sei. Nach allgemeiner Erfahrung erscheint ein Zeitraum von rund 2 Jahren auch als eher kurz, um aufgrund umfangreicher klinischer Studien die Wirksamkeit einer neuen Therapie zu erforschen.

Auch soweit sich der Kläger zwischenzeitlich die begehrte Behandlung mittels ESWT auf eigene Kosten beschafft haben sollte, besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Absatz 3 SGB V nicht. Voraussetzung für einen derartigen Anspruch wäre es nämlich, daß die Beklagte die Erbringung der ESWT zu Unrecht abgelehnt hat. Dies ist jedoch - wie dargelegt - gerade nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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