L 5 KR 63/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 KR 45/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 63/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.02.2000 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Gewährung von Krankengeld.

Die 1943 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war von 1965 bis 1973 und dann wieder ab 1992 als Haushaltshilfe tätig. Dieses Beschäftigungsverhältnis endete am 31.08.1998.

Die Klägerin - versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten - war ab 29.04.1998 arbeitsunfähig. Nach einer Arthroskopie des rechten Kniegelenkes, die nach zwei im Frühjahr 1998 während der Beschäftigung erlittenen Umknicktraumen durchgeführt worden war, bestanden persistierende Beschwerden. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalles wurde von der zuständigen Berufsgenossenschaft bestandskräftig abgelehnt.

Dr. T ... vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) stellte in einem Gutachten vom 23.10.1998 eine weitere Arbeitsunfähigkeit für die letzte Tätigkeit als Haushaltshilfe wegen Kniebeschwerden rechts bei Zustand nach Arthroskopie fest. Auf Nachfrage der Beklagten, die auf das beendete Beschäftigungsverhältnis hinwies, wurde vom MDK unter dem 05.11.1998 Arbeitsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert.

Mit Bescheid vom 06.11.1998 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das Krankengeld werde zum 10.11.1998 eingestellt. Arbeitsunfähig sei ein Versicherter, der die zuletzt ausgeübte oder eine andere zumutbare Tätigkeit nicht mehr verrichten könne. Die Zumutbarkeit ergebe sich aus der gesetzlichen Regelung des § 121 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Da nach den Feststellungen des MDK Arbeitsfähigkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe, liege keine Arbeitsunfähigkeit mehr vor.

Die Klägerin legte mit ihrem Widerspruch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes Dr. D ... vom 17.11.1998 vor, in der Dr. D ... unter Hinweis auf eine Magnetresonanztomographie des rechten Kniegelenkes die Auffassung vertrat, es bestehe Arbeitsunfähigkeit auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten vom MDK ein. Dr. S ... kam in seinem Gutachten vom 04.12.1998 zu dem Ergebnis, eine Tätigkeit als Haushaltshilfe sei der Klägerin weiterhin nicht zumutbar. Möglich seien vollschichtig vorwiegend bzw. ausschließlich sitzende Tätigkeiten.

Mit Bescheid vom 10.12.1998 hielt die Beklagte zunächst uneingeschränkt an ihrer Entscheidung vom 06.11.1998 fest. Mit Bescheid vom 28.01.1999 half sie dem Widerspruch (ohne Begründung) teilweise ab. Sie gewährte Krankengeld bis 03.12.1998 und wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.1999 den Widerspruch im übrigen zu rück. Ihre Entscheidung wurde damit begründet, dass Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vorliege, weil die Klägerin nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden könne.

Das Arbeitsamt I ..., bei dem die Klägerin am 14.12.1998 die Gewährung von Arbeitslosengeld beantragt hatte, lehnte diesen Antrag mit bestandskräftigem Bescheid vom 11.01.1999 ab, da sich die Klägerin als arbeitsunfähig bezeichnet habe und daher der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.

Im Klageverfahren hat die Klägerin unter Hinweis auf weitere gesundheitliche Einschränkungen, die aufgrund früherer Unfälle bestünden, geltend gemacht, sie könne nicht mehr vollschichtig arbeiten.

Nach Einholung eines Befundberichtes von dem behandelnden Arzt Dr. D ... (Bericht vom 03.08.1999) hat die Beklagte vom MDK (Dr. S ...) ein weiteres Gutachten nach Aktenlage eingeholt. In seinem Gutachten vom 03.10.1999, bei dem Dr. S ... auch ein im Rentenverfahren der Klägerin eingeholtes orthopädisches Gutachten von Dr. K ... vom 03.05.1999 verwertete, ist er zu dem Ergebnis gelangt, für die Tätigkeit als Haushaltshilfe habe durchgehende Arbeitsunfähigkeit bestanden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien vollschichtig leichte, überwiegend/ausschließlich sitzende Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des rechten Armes möglich gewesen. Aus medizinischer Sicht bestehe für die Tätigkeit als Haushaltshilfe weiter Arbeitsunfähigkeit. Die Klägerin hat den Entlassungsbericht der W ...-Rehaklinik ... vom 04.01.2000 über eine vom 09.11. bis 14.12.1999 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme vorgelegt. Darin werden bei der sozialmedizinischen Beurteilung noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten idealerweise in wechselnder Körperhaltung mit überwiegendem Sitzen ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Arbeiten auf unebenen Böden und ohne häufiges Treppensteigen oder Knien für zumutbar erachtet. Dabei sei eine bestehende Störung der Feinmotorik der rechten Hand zu beachten; Tätigkeiten, die den kraftvollen Einsatz der Hände erforderlich machten, sollten vermieden werden.

Mit Urteil vom 07.02.2000 hat das Sozialgericht die Beklagte an tragsgemäß zur Weitergewährung von Krankengeld über den 03.12.1998 hinaus verurteilt.

Im Berufungsverfahren hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, dass die Klägerin auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes habe verwiesen werden können. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe sich hinsichtlich der Verweisbarkeit erkrankter Arbeitnehmer an der früheren Zumutbarkeitsanordnung im Arbeitsförderungsrecht orientiert. Insoweit sei jetzt die neue Regelung in § 121 SGB III zu beachten, diese Kriterien seien entsprechend im Rahmen des Krankenversicherungsrechts anzuwenden. Bei Verlust des Arbeitsplatzes sei die Interessenlage eines gesunden Arbeitslosen und eines arbeitsunfähig Erkrankten gleich geartet, da beide sich beruflich neu orientieren müssten. Daher müsse auch die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit nach den gleichen Kriterien beurteilt werden. Von daher sei die Entscheidung des BSG vom 08.02.2000 im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie zur früheren Rechtslage ergangen sei. Die Beklagte meint ferner, sie sei zur Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht verpflichtet, da dies Sache des Arbeitsamtes sei. Aus ihrer Sicht sei der Klägerin aber beispielsweise noch eine Tätigkeit als Telefonistin möglich gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.02.2000 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Es sei nicht ersichtlich, wie sie unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen eine ähnlich geartete Tätigkeit wie die früher verrichtete als Haushaltshilfe habe ausüben können. Daher stehe ihr Krankengeld bis zur Höchstanspruchsdauer, die am 20.10.1999 ende, zu. § 121 SGB III sei nicht einschlägig, es bestehe keine Gesetzeslücke, die die Anwendung dieser Vorschrift im Krankenversicherungsrecht erlaube.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat sie zu Recht zur Gewährung von Krankengeld über den 03.12.1998 hinaus verurteilt.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB V besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig ist. Arbeitsunfähig ist ein Versicherter, der seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlich gearteten Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, nachgehen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BSGE 19, 179, 181; 26, 288, 290; USK 90186). Diese gesetzlichen Voraussetzungen haben auch nach dem 03.12.1998 vorgelegen.

Aufgrund der Kniegelenkbeschwerden kann die Klägerin auf Dauer nicht mehr als Haushaltshilfe arbeiten. Dies steht aufgrund der Gutachten von Dr. S ..., die durch den Entlassungsbericht der ...-Rehaklinik bestätigt werden, fest. Danach kann die Klägerin nur noch leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen (mit weiteren Einschränkungen) verrichten. Es ist allgemeinkundig, dass eine Haushaltshilfe ganz oder jedenfalls überwiegend im Stehen arbeiten muss, so dass der Klägerin diese Tätigkeit gesundheitlich nicht mehr zumutbar ist. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Die Klägerin war ab 03.12.1998 nicht etwa deshalb arbeitsfähig, weil sie andere ihr zumutbare Tätigkeiten verrichten konnte. Zwar ändert sich nach dem Verlust des letzten Arbeitsplatzes nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit der Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit dahingehend, dass nicht mehr die konkreten Verhältnisse des letzten Arbeitsplatzes maßgebend sind, sondern abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Tätigkeit abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf andere Tätigkeiten verwiesen werden, die den Bedingungen des bisherigen Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisses im wesentlichen entsprechen. Wegen der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes ist aber der Kreis möglicher "Verweisungstätigkeiten" jedenfalls in der ersten Blockfrist sehr eng zu ziehen. Der Versicherte kann zumutbar nur auf ähnliche oder gleichgeartete Tätigkeiten verwiesen werden, die nach den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie der Entlohnung der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit im wesentlichen entsprechen.

Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf verrichtet, ist eine Verweisung auf Tätigkeiten außerhalb dieses Berufs grundsätzlich ausgeschlossen. Selbst innerhalb des Ausbildungsberufs müssen sich die zuletzt verrichtete und die "Verweisungstätigkeit" im wesentlichen gleichen, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht. Diese Bedingungen gelten auch bei ungelernten Arbeiten, hier ist das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten nur insoweit größer, als die Grenzen eines Ausbildungsberufs nicht gelten. Gleichwohl ist auch bei Ungelernten zu prüfen, ob die Verweisungstätigkeit in ihren wesentlichen Merkmalen und der Höhe der Entlohnung (maximal 10 % Lohnverlust) der zuletzt verrichteten Tätigkeit entspricht (grundlegend BSGE 61, 66, 71 ff; s.a. BSG USK 93103; zuletzt BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/99 R -).

Nach diesen Grundsätzen, die der Senat für zutreffend hält, war die Klägerin auch nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses arbeitsunfähig. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, die über keine Ausbildung verfügt, zuletzt ungelernte Arbeiten verrichtet hat. Gleichwohl kommen "Verweisungstätigkeiten" wie die einer Telefonistin oder Pförtnerin nicht in Betracht. Für beide Tätigkeiten ist allgemein kundig, dass sie sowohl physisch wie psychisch mit völlig anderen Belastungen verbunden sind als die Tätigkeit einer Haushaltsgehilfin. Während bei einer Aushilfshilfe praktische Arbeiten dominieren, steht bei den genannten "Verweisungstätigkeiten" die Kommunikation mit anderen im Vordergrund. Die Unterschiede sind so groß, dass sich die Klägerin erheblich umstellen müsste, so dass von ähnlich gearteten Tätigkeiten keine Rede mehr sein kann. Sonstige in Betracht kommende "Verweisungstätigkeiten" sind nicht ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der Beklagten entfiel die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab 03.12.1998 nicht deshalb, weil sie auf alle nach dem Recht der Arbeitsförderung zumutbaren Beschäftigungen (§ 121 SGB III) verwiesen werden konnte. Davon abgesehen, dass die Beklagte schon die differenzierenden Regelungen in § 121 Abs. 3, 4 SGB III nicht beachtet und die Klägerin lediglich pauschal auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweist, können weder die Bestimmungen des Arbeitsförderungsrechts im Krankenversicherungsrecht angewandt noch kann die (alleinige) Zuständigkeit der Bundesanstalt für Arbeit auch für erkrankte Arbeitnehmer bei Verlust ihres Arbeitsplatzes angenommen werden. § 121 SGB III definiert die Zumutbarkeit von Beschäftigungen für den Arbeitslosen. Die Regelung ist vor allem für die Frage bedeutsam, ob der Arbeitslose subjektiv und objektiv der Arbeitsverwaltung zur Verfügung steht und deshalb Arbeitslosengeld oder Ar beitslosenhilfe beziehen kann. Ferner ist sie von Bedeutung im Rahmen des § 144 Abs. 1 SGB III, ob ein wichtiger Grund für die Ablehnung einer angebotenen Beschäftigung oder die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses bestand hat (vgl. Steinmeyer in: Gagel, SGB III, § 121 Rdn. 1). Schon diese Zweckbestimmung der Regelung spricht gegen ihre Anwendung im Krankenversicherungsrecht.

Die Behauptung der Beklagten, die bisherige Rechtsprechung des BSG habe sich hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Verweisung "offen sichtlich" an der bis zum 31.03.1997 geltenden Zumutbarkeits-Anordnung (vom 16.03.1982, ANBA S. 523 (Zumutbarkeits-AO)) orientiert, ist nicht nachzuvollziehen. Die Rechtsprechung des BSG bietet hierfür keine Hinweise, im Gegenteil ist offenkundig, dass die oben genannten Grundsätze für die Verweisbarkeit erkrankter Arbeitnehmer anderen Maßstäben folgen. Bereits aus der Entscheidung des BSG vom 03.11.1993 (SozR 3-2500 § 48 Nr. 5) ergibt sich, dass das BSG zwischen der Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf und der Verfügbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts (die sich nach den zumutbaren - gegebenenfalls sogar unterwertigen - Beschäftigungen bestimmt) unterschieden hat. Die in dem genannten Urteil vorgenommene Differenzierung wäre unsinnig, wenn tatsächlich der Bezugspunkt für die Bestimmung der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr die bisherige Tätigkeit, sondern die i.S.d. Arbeitsförderungs rechts zumutbaren Beschäftigungen gewesen wäre. Auch die Rechtsprechung, wonach eine bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht entfällt, wenn sich der Versicherte mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt, solange er nicht tatsächlich eine neue berufliche Tätigkeit aufgenommen hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.), ist nur verständlich, wenn die Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf unabhängig von der Verfügbarkeit (und damit der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts) ist. Die Arbeitsunfähigkeit kann nämlich nur weiter bestehen, wenn die für die Vermittlung in Frage kommenden zumutbaren Beschäftigungen keine i.S.d. Krankenversicherungsrechts zu mutbaren "Verweisungstätigkeiten" sind.

Ebenso zeigt der inhaltliche Vergleich mit den Kriterien der Zumutbarkeits-AO die Unrichtigkeit der Behauptung der Beklagten. Die Zumutbarkeits-AO ging von Qualifikationsstufen aus, wobei sich der Arbeitslose nach längeren erfolglosen Vermittlungsbemühungen auf Beschäftigungen der nächst niedrigeren Stufe verweisen lassen musste ( §§ 9, 12 a.a.O.). Außerdem war eine Beschäftigung schon in der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit zumutbar, wenn das Arbeitsentgelt der neuen Beschäftigung 80 % der früheren Entlohnung erreichte (§ 10 a.a.O.); in der weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit genügte es dann sogar, wenn das Nettoentgelt die Höhe des Arbeitslosengeldes erreichte. Es liegt auf der Hand, dass die oben genannten Grundsätze zur Verweisung von erkrankten Versicherten nichts mit diesen Kriterien der Zumutbarkeitsanordnung zu tun haben. Bestätigt wird die Unterscheidung zwischen der Verfügbarkeit und der Zumutbarkeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts und der Zumutbarkeit einer Verweisung in Zusammenhang mit dem Krankengeldbezug durch die "Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien" des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (in der Fassung vom 03.09.1991, BArbBl. Nr. 11 vom 31.10.1991). Diese bezeichnen ausdrücklich den Tätigkeitsbereich, der für die Vermittlung des Arbeitslosen in Betracht kommt und nicht die vor der Arbeitslosigkeit ausgeübte Tätigkeit nur bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nach der Arbeitslosmeldung als Maßstab für die Arbeitsunfähigkeit (Nr. 4 a.a.O.).

Es gibt auch keinen sachlichen Grund, für ihren bisherigen Berufarbeitsunfähige Versicherte wegen des Verlusts ihres Arbeitsplatzes an die Bundesanstalt für Arbeit zu verweisen. Die Beklagte meint, der kranke Versicherte müsse sich bei einem Verlust des Arbeitsplatzes ohnehin beruflich neu orientieren, so dass es der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Sozialleistungsträgern entspreche, ihn mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen an das Arbeitsamt zu verweisen. Diese Argumentation wird schon dem möglichen Umstand nicht gerecht, dass sich der Gesundheitszutand und damit das Leistungsvermögen des Versicherten verbessern können, so dass eine Weitergewährung von Krankengeld gerade dessen Zweckbestimmung entspricht. Im übrigen muss es dem Versicherten überlassen bleiben, sich ungeachtet der weiterbestehenden Arbeitsunfähigkeit für den bisherigen Beruf arbeitslos zu melden und sich - insbesondere bei nicht besserungsfähigem Gesundheitszustand - mit dem Restleistungsvermögen zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitsverwaltung könnte dann Vermittlungsmöglichkeiten prüfen. Ein Verlust des aus der bisherigen Beschäftigung erworbenen Krankengeldanspruchs kann damit aber nicht verbunden sein, die Arbeitsunfähigkeit entfällt vielmehr erst bei tatsächlicher Aufnahme einer neuen Tätigkeit (BSG SozR 2200 §§ 182 Nr. 34, 96; USK 8309; SozR 4100 § 158 Nr. 6; Urteil vom 08.02.2000, a.a.O.).

Das Argument der Beklagten, wenn man die Arbeitsunfähigkeit nach der zuletzt verrichteten Tätigkeit bestimme, werde bei Verlust des Arbeitsplatzes ein erkrankter Versicherter besser gestellt als ein gesunder Versicherter, der sich arbeitslos gemeldet habe, geht fehl. Die Beklagte übersieht, dass nach der Systematik des Systems der sozialen Sicherung bei erkrankten Arbeitnehmern allein der Krankenversicherungsträger zuständig ist, die nach den für ihn geltenden Vorschriften vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Weshalb dieser Anspruch wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes entfallen und die Zuständigkeit eines anderen Trägers begründen soll, leuchtet nicht ein. Die Rechtsprechung trägt der Tatsache, dass eine Rückkehr des erkrankten Arbeitnehmers auf den konkreten Arbeitsplatz nicht möglich ist, hinreichend Rechnung. Wie oben dargelegt, ändert sich der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit dahingehend, dass nunmehr auf die abstrakte Art der Beschäftigung abgestellt wird. Ferner setzt eine "Verweisung" auf eine andere Beschäftigung nicht voraus, dass ein offener Arbeitsplatz nachgewiesen wird, es genügt, wenn es eine hinreichende Zahl von Arbeitsplätzen für solche Beschäftigungen gibt (vgl. BSGE 61, 66, 74). Demgegenüber kann bei weiter bestehendem Beschäftigungsverhältnis die Arbeitsunfähigkeit nur entfallen, wenn der Arbeitgeber dem erkrankten Arbeitnehmer konkret im Rahmen seines Direktionsrechts einen anderen Arbeitsplatz anbietet (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 9).

Es besteht auch kein Bedürfnis, den Krankengeldanspruch durch Ausweitung des Kreises der zumutbaren anderen Tätigkeiten zu beschränken. Das Risiko der Beklagten ist im Rahmen des SGB V durch die Neuregelung der Wiedergewährung von Krankengeld in der zweiten und einer weiteren Blockfrist begrenzt worden. Anders als nach dem früher geltenden Recht hat das Krankengeld bei Dauererkrankungen keinen rentenähnlichen Charakter mehr. In der zweiten Blockfrist kann wegen derselben Krankheit Krankengeld nur erneut beansprucht werden, wenn eine Versicherung mit Krankengeldanspruch besteht und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate nicht wegen dieser Krankheit Arbeitsunfähigkeit bestand und der Versicherte entweder erwerbstätig war oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (§ 48 Abs. 2 SGB V). Ein für die bisherige Beschäftigung auf Dauer arbeitsunfähiger Versicherter, der sich mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und dadurch einen neuen Anspruch auf Krankengeld in der zweiten Blockfrist wegen derselben Krankheit erwirbt, erhält zudem Krankengeld nur noch nach dem zuvor bezogenen Arbeitslosengeld und nicht mehr nach dem Regelentgelt, das er vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in der ersten Blockfrist hatte (BSGE 73, 121, 123 f unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO), vgl. insoweit BSG SozR 4100 § 158 Nr. 6; USK 8415).

Die Klägerin war somit über den 03.12.1998 hinaus auf Dauerarbeitsunfähig und kann Krankengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs ( § 48 Abs. 2 SGB V) verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat im Hinblick darauf, dass wohl erst eine höchstrichterliche Entscheidung die Zweifel der Krankenversicherungsträger an der Fortbildung der Grundsätze zur Verweisung erkrankter arbeitsloser Arbeitnehmer beseitigen wird, dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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