Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 41 KR 76/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 116/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 24/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.07.2001 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 05.09.2000, 19.09.2000 und 17.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 verurteilt, der Klägerin 2.803,09 EURO zu erstatten. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten, die ihr aufgrund der Inanspruchnahme von Behandlungspflege während des Schulbesuchs in dem Zeitraum vom 21.08.2000 bis zum 31.03.2001 entstanden sind.
Die am ...1991 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an einem Hydrocephalus, Spina bifida im thoracalen Bereich, neurogener Blasenentleerungsstörung sowie rezidivierender Cystitis. Sie besucht eine Schule für geistig behinderte Kinder. Der einfache Weg von der Wohnung der Klägerin zur Schule beträgt 24 km. Die Vertreter der Klägerin verfügen über einen Pkw, den der Vater für den Weg zur Arbeitsstelle nutzt.
Die Beklagte gewährte ihr während des Besuchs des Kindergartens und der ersten drei Schuljahre Behandlungspflege (Legen eines Blasenkatheters). Wie in der Vergangenheit verordnete der Kinderarzt M ..., H ..., wegen der Diagnosen "rezidivierender Harnwegsinfekt, Blasenentleerungsstörung" 5 x wöchentlich, 2 x täglich in der Schulzeit Blasenkatheterisierung (auch) für den Zeitraum vom 21.08. bis 30.09.2000.
Die Beklagte lehnte die Gewährung häuslicher Krankenpflege durch den Bescheid vom 05.09.2000 mit der Begründung ab, das Legen des Katheters sei der Grundpflege zuzurechnen, es handele sich mithin um keine Leistung der Behandlungspflege. Dagegen legte die Klägerin am 07.09.2000 unter Vorlage einer Stellungnahme des behandelnden Kinderarztes M ... vom 05.09.2000 Widerspruch ein, mit dem sie vorbrachte, dass das intermittierende Katheterisieren im ca. 3- bis 4-Stunden-Rhythmus eine medizinisch-pflegerische Maßnahme darstelle, die unumgänglich sei, um vital bedrohliche Zustände zu vermeiden. Die Beklagte erteilte daraufhin den weiteren Bescheid vom 19.09.2000, mit dem sie die Gewährung von Behandlungspflege mit der Begründung ablehnte, es handele sich nicht um häusliche Krankenpflege, weil das Legen des Blasenkatheters außerhalb des häuslichen Bereichs in der Schule erfolge.
Nach Vorlage einer weiteren Verordnung des Dr. M ... über Behandlungspflege für den Zeitraum vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 lehnte die Beklagte durch den Bescheid vom 17.10.2000 erneut die Gewährung häuslicher Krankenpflege ab und stellte zugleich klar, dass diese Ablehnung auch für künftige Anträge auf häusliche Krankenpflege gelte. Am 10.01.2001 legte die Klägerin eine weitere Verordnung des Dr. M ... vom 27.12.2000 vor, mit der häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 01.01. - 31.03.2001 verordnet wurde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 23.02.2001 zurück.
Die Klägerin, die sich für den Zeitraum vom 21.08.2000 - 31.03.2001 die Behandlungspflege selbst beschafft und hierfür insgesamt 5.482,36 DM aufgewandt hat, hat am 15.03.2001 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V erfüllt. Sinn und Zweck der häuslichen Krankenpflege sei es, den Versicherten den Verbleib in der häuslichen Sphäre zu ermöglichen. Sie werde weitgehend zu Hause versorgt und besuche lediglich aufgrund der Schulpflicht die Schule für geistig behinderte Kinder. Es sei notwendig, dass sie auch während dieser Zeit katheterisiert werde. Es sei sinnwidrig, ihr für die Zeit der Abwesenheit vom elterlichen Haushalt Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu versagen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.09.2000, 19.09.2000 und 17.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 zu verurteilen, die Kosten der Katheterisierung der Klägerin während des Schulbesuchs vom 21.08.2000 bis 31.03.2001 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass das Legen des Blasenkatheters während der Schulzeit keine häusliche Krankenpflege i.S.d. § 37 Abs. 2 SGB V darstelle.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 04.07.2001 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 30.07.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.08.2001 Berufung eingelegt.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ansicht, dass § 37 Abs. 2 SGB V vom Sinn und Zweck her dahingehend interpretiert werden müsse, dass auch Maßnahmen der Behandlungspflege während einer kurzfristigen Abwesenheit vom Haushalt als häusliche Krankenpflege einzustufen seien. Ihrer Mutter sei es angesichts der familiären Belastung und des Zeitaufwandes für die Zurücklegung des Weges nicht zumutbar, den Blasenkatheter in der Schule zu legen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.07.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.09.2000, 19.09.2000 und 17.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Behandlungspflege für den Zeitraum vom 21.08.2000 bis zum 31.03.2001 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 2.803,09 EURO (5.482,36 DM) für die im Zeitraum vom 21.08.2000 bis 31.03.2001 selbstbeschaffte Behandlungspflege zu.
Die Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin bildet § 13 Abs. 3 SGB V. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Erste Voraussetzung der zweiten Alternative dieser Vorschrift (" ...eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat ...") ist, dass zwischen der Ablehnung durch die Krankenkasse und der Selbstbeschaffung der Leistung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24.09.1996, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 25.09.2000, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Diese Voraussetzung ist erfüllt, soweit sich die Klägerin die Behandlungspflege nach Erteilung des Bescheides vom 05.09.2000 auf eigene Kosten beschafft hat. Für den davor liegendenden Zeitraum, nämlich vom 21.08.2000 bis zur Erteilung des Bescheides vom 05.09.2000, sind die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 13 Absatz 3 SGB V gegeben, denn die selbstbeschaffte Behandlungspflege stellt eine unaufschiebbare Leistung dar, die die Beklagte nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbar war die zweimalige tägliche Kathederisierung während des Schulbesuchs wegen der neurogenen Blasenentleerungsstörung der Klägerin, weil die Beklagte diese Leistungen nicht rechtzeitig zu erbringen vermochte. Zwar kann im Regelfall nur von einer Unfähigkeit der Krankenkasse zur rechtzeitigen Leistungserbringung ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich hierbei ihr Unvermögen herausgestellt hat.
Jedoch muss dann, wenn eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles vom Versicherten nicht verlangt werden kann, die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25.09.2000 aaO). Dies ist hier der Fall. Die beklagte Krankenkasse hat der Klägerin die Behandlungspflege über einen mehrjährigen Zeitraum bis August 2000 fortlaufend nach Maßgabe der jeweils ausgestellten ärztlichen Verordnungen gewährt und - für die Klägerin überraschend - eine Weitergewährung der Behandlungspflege ab 21.08.2000 verweigert. Für die Klägerin, die in einem fortlaufenden Bezug der hier streitigen Leistung stand, gab es keinerlei Anlass, vor der Inanspruchnahme der Behandlungpflege ab 21.08.2000 zunächst die Entscheidung der Beklagten abzuwarten; dies konnte demgemäß von ihr auch nicht verlangt werden.
Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997, SozR 3-2500 § 27 Nr. 9; Urteil vom 28.03.2000, SozR 2500 § 135 Nr. 14).
Die Klägerin hatte während des hier streitigen Zeitraums einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung von Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Das zweimal täglich erforderliche Legen eines Blasenkatheters bei der Klägerin stellt eine Maßnahme der Behandlungspflege i.S. dieser Vorschrift dar. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001, Az.: B 3 KR 27/01 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2002, S. 43). Bei der Klägerin liegt eine neurogene Blasenentleerungsstörung vor, die eine regelmäßige Katheterisierung erforderlich macht, um die Verschlimmerung die ser Erkrankung zu verhindern bzw. das Entstehen weiterer Krankheitsfolgen zu vermeiden. Es ist zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) umstritten, dass sich dies als eine Maßnahme der Behandlungspflege darstellt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert der Anspruch der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V aber auch nicht daran, dass die Katheterisierung der Klägerin während des Besuchs der Behindertenschule und nicht im häuslichen Bereich erfolgt. Die zutreffende Auslegung des § 37 Abs. 1 Satz 2 ergibt, dass Anspruch auf Behandlungspflege auch dann besteht, wenn sich der Versicherte nicht in seinem Haushalt oder dem Haushalt seiner Familie befindet, sondern sich - wie die Klägerin - in einer Schule befindet.
Nach dem Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift sind grundsätzlich zwei unterschiedliche "Aufenthaltsorte" des Versicherten denkbar, an denen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege erbracht wird: Entweder befindet sich der Versicherte in seinem Haushalt oder in seiner Familie. Dies ist hier der Fall, denn die Klägerin lebt auch trotz kurzfristiger Abwesenheit während des Schulbesuchs weiterhin in ihrer Familie. Der Wortlaut der Vorschrift fordert nicht, dass sich der Versicherte in dem Haushalt seiner Familie aufhält. Das ergibt auch nicht etwa aus dem Gebrauch der Formulierung "als häusliche Krankenpflege". Diese beinhaltet lediglich, dass die Leistung der Krankenkasse, die Behandlungspflege, "als häusliche Krankenpflege" qualifiziert wird, gerade auch dann, wenn sich der Versicherte zwar in seiner Familie, aber nicht in deren Haushalt befindet. Diese Qualifzierung der Leistung "Behandlungspflege" als häusliche Krankenpflege wäre nicht notwendig gewesen, wenn es ohnehin immer auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie ankäme. Nach Ansicht des Senats ist es deshalb nicht zutreffend, dass bereits der Wortlaut der Vorschrift die Gewährung von Behandlungspflege außerhalb des eigenen oder aber des Haushalts der Familie ausschließt (so aber Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), 16. Senat, Urteil vom 06.12.2001, Aktenzeichen L 16 KR 7/00).
Auch lässt sich entgegen der Ansicht des 16. Senats des LSG NRW (aaO) aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift über die häusliche Krankenpflege nicht ableiten, Behandlungspflege solle ausschliesslich im eigenen Haushalt des Versicherten bzw. dem Haushalt seiner Familie erbracht werden. Die Behandlungssicherungspflege war zunächst eine Satzungsleistung, die gemäß § 185 Absatz 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Kranken versicherungskostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27.06.1977 (BGBl. 1069) nach Maßgabe der jeweiligen Satzungsregelung gewährt wurde, wenn dies zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich war. Durch das Gesetz über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpg. 1990) vom 26.06.1990 (BGBl. S. 1211) wurde die Behandlungspflege zur Regelleistung in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt. Der gesetzgeberischen Begründung (Bundestagsdrucksache (BT-Ds) 11/7343 Seite 1) ist zu entnehmen, dass sich die bisherige Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung nicht bewährt habe. Zahlreiche Krankenkassen hätten die Satzungsleistung befristet, weil sie beitragsrelevante Einnahmeausfälle durch die fehlende Ausgleichsfähigkeit von satzungsmäßigen Mehrleistungen in der Krankenversicherung der Rentner befürchteten. Bei der Einstellung oder Einschränkung von Satzungsleistungen müsse mit einer wesentlich kostenaufwendigeren Leistungserbringung im Rahmen der ärztlichen Behandlung gerechnet werden. Gesetzgeberischers Leitmotiv war damit die Kostenersparnis; es sollte eine Erbringung der Leistungen der Behandlungspflege im Rahmen der (teureren) ärztlichen Behandlung vermieden werden. (Weitere) Erkenntnisse für die hier umstrittene Frage der Erbringung von Behandlungspflege im außerhäuslichen Bereich lassen aus der Entsehungsgeschichte damit nicht gewinnen.
Entscheidend ist aber, dass nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dem in seiner Familie lebenden Versicherten Behandlungspflege auch während des Schulbesuchs zu gewähren ist.
Die Gewährung von Behandlungspflege nach § 37 Absatz 2 SGB V verfolgt das Ziel, die ärztliche Behandlung zu sichern (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, § 37 Rdn. 9; Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 37 Rdn. 19). Dabei wird die Behandlungspflege regelmäßig bewirken, dass sich die ärztlichen Leistungen in engeren Grenzen halten können (z.B. weniger Hausbesuche, kaum Apparatemedizin). Der Sinn der Vorschrift besteht somit auch darin, durch die gegenüber der ärztlichen Behandlung weniger kostenintensiven Maßnahmen der Behandlungspflege zu sparen (Mengert aaO; vergl. ferner die oben zitierte Begründung der BT-Ds 11/7343 Seite 1). Geht man davon aus, dass vorrangiges Ziel der Gewährung von Behandlungspflege die Sicherung des ärzt lichen Behandlungserfolges, also die Heilung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit darstellt, so ist die Bedeutung des Aufenthaltsortes des Versicherten für die Auslegung der Vorschrift des § 37 Absatz 2 SGB V (auch) unter diesem Gesichtspunkt zu bestimmen. Die genannten Behandlungsziele können grundsätzlich auch während des Aufenthalts des Versicherten im außerhäuslichen Bereich verfolgt werden. Der Aufenthaltsort des Versicherten ist für das Erreichen des ärztlichen Behandlungszieles in der Regel unerheblich, insbesondere kann im vorliegenden Fall das Ziel der Sicherung der ärztlichen Behandlung der Klägerin auch während des Schulbesuchs in gleicher Weise wie zu Hause erreicht werden. Andererseits hat es der Gesetzgeber mit dem Gebrauch der Begriffe "Haushalt" und "Familie" unternommen, den Aufenthaltsort des Versicherten als Voraussetzung für die Gewährung der Leistung festzulegen. Deshalb ist die Leistung sicherlich ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte an Orten aufhält, wo besondere Gründe die Gewährung von Behandlungspflege ausschliessen. Derartige Gründe liegen etwa dann vor, wenn sich der Versicherte in Einrichtungen aufhält, in denen er stationär untergebracht ist, wo er einen privaten Lebensmittelpunkt im Sinne eines eigenen Haushalts oder des Lebens in seiner Familie - auf Dauer oder vorübergehend - nicht (mehr) besitzt (vergl. Höfler aaO Rdnr. 14 ; Krauskopf, SGB V, Kommentar, § 37 Rdnr.3 ). Eine sich aus solchen sachlichen Gründen rechtfertigende Begründung für die Versagung von Behandlungspflege ist hier - für den Fall des Schulbesuchs - gerade nicht ersichtlich.
Ausgeschlossen ist die Leistung nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht, wenn der Lebensmittelpunkt grundsätzlich weiterhin der häusliche bzw. familiäre Bereich bleibt und dieser nur kurzfristig verlassen wird. Erst recht muss dies gelten, wenn das kurzfristige Verlassen auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht. Die Familie bildet trotz des an fünf Tagen in der Woche erfolgenden Schulbesuchs weiter den Lebensmittelpunkt der Klägerin, an den sie regelmäßig und auf Dauer zurückkehrt. Grund ihrer örtlichen Abwesenheit von der Famile ist die auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Schulpflicht. Der vom Gesetzgeber gebrauchte Begriff der Familie würde unzulässig verengt, wollte man in diesem Zusammenhang den (örtlichen) Aufenthalt des Versicherten im Haushalt der Familie als Voraussetzung für die Gewährung von Behandlungspflege fordern. Eine nur kurzfristige Abwesenheit zum Zwecke des Schulbesuchs lässt den Lebensmittelpunkt des Versicherten in seiner Familie unberührt und belässt ihm den Anspruch auf Behandlungspflege im Sinne des § 37 Absatz 2 SGB V.
Der Anspruch der Klägerin ist schließlich auch nicht gemäß § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Mutter der Klägerin ist zwar von ihrer Ausbildung her in der Lage, bei der Klägerin den Blasenkatheter zu legen. Sie übernimmt diese Aufgabe auch während des Zeitraums, in dem sich die Klägerin zu Hause befindet. Ihr ist es jedoch aufgrund der Entfernung zu der Schule sowie des fehlenden Vorhandenseins eines Pkw nicht zumutbar, zweimal täglich in der Schule zum Legen des Katheters zu erscheinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Absatz 2 Nr.1 SGG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Kosten, die ihr aufgrund der Inanspruchnahme von Behandlungspflege während des Schulbesuchs in dem Zeitraum vom 21.08.2000 bis zum 31.03.2001 entstanden sind.
Die am ...1991 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet an einem Hydrocephalus, Spina bifida im thoracalen Bereich, neurogener Blasenentleerungsstörung sowie rezidivierender Cystitis. Sie besucht eine Schule für geistig behinderte Kinder. Der einfache Weg von der Wohnung der Klägerin zur Schule beträgt 24 km. Die Vertreter der Klägerin verfügen über einen Pkw, den der Vater für den Weg zur Arbeitsstelle nutzt.
Die Beklagte gewährte ihr während des Besuchs des Kindergartens und der ersten drei Schuljahre Behandlungspflege (Legen eines Blasenkatheters). Wie in der Vergangenheit verordnete der Kinderarzt M ..., H ..., wegen der Diagnosen "rezidivierender Harnwegsinfekt, Blasenentleerungsstörung" 5 x wöchentlich, 2 x täglich in der Schulzeit Blasenkatheterisierung (auch) für den Zeitraum vom 21.08. bis 30.09.2000.
Die Beklagte lehnte die Gewährung häuslicher Krankenpflege durch den Bescheid vom 05.09.2000 mit der Begründung ab, das Legen des Katheters sei der Grundpflege zuzurechnen, es handele sich mithin um keine Leistung der Behandlungspflege. Dagegen legte die Klägerin am 07.09.2000 unter Vorlage einer Stellungnahme des behandelnden Kinderarztes M ... vom 05.09.2000 Widerspruch ein, mit dem sie vorbrachte, dass das intermittierende Katheterisieren im ca. 3- bis 4-Stunden-Rhythmus eine medizinisch-pflegerische Maßnahme darstelle, die unumgänglich sei, um vital bedrohliche Zustände zu vermeiden. Die Beklagte erteilte daraufhin den weiteren Bescheid vom 19.09.2000, mit dem sie die Gewährung von Behandlungspflege mit der Begründung ablehnte, es handele sich nicht um häusliche Krankenpflege, weil das Legen des Blasenkatheters außerhalb des häuslichen Bereichs in der Schule erfolge.
Nach Vorlage einer weiteren Verordnung des Dr. M ... über Behandlungspflege für den Zeitraum vom 01.10.2000 bis 31.12.2000 lehnte die Beklagte durch den Bescheid vom 17.10.2000 erneut die Gewährung häuslicher Krankenpflege ab und stellte zugleich klar, dass diese Ablehnung auch für künftige Anträge auf häusliche Krankenpflege gelte. Am 10.01.2001 legte die Klägerin eine weitere Verordnung des Dr. M ... vom 27.12.2000 vor, mit der häusliche Krankenpflege für die Zeit vom 01.01. - 31.03.2001 verordnet wurde.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch den Widerspruchsbescheid vom 23.02.2001 zurück.
Die Klägerin, die sich für den Zeitraum vom 21.08.2000 - 31.03.2001 die Behandlungspflege selbst beschafft und hierfür insgesamt 5.482,36 DM aufgewandt hat, hat am 15.03.2001 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Entgegen der Auffassung der Beklagten seien die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V erfüllt. Sinn und Zweck der häuslichen Krankenpflege sei es, den Versicherten den Verbleib in der häuslichen Sphäre zu ermöglichen. Sie werde weitgehend zu Hause versorgt und besuche lediglich aufgrund der Schulpflicht die Schule für geistig behinderte Kinder. Es sei notwendig, dass sie auch während dieser Zeit katheterisiert werde. Es sei sinnwidrig, ihr für die Zeit der Abwesenheit vom elterlichen Haushalt Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu versagen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.09.2000, 19.09.2000 und 17.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 zu verurteilen, die Kosten der Katheterisierung der Klägerin während des Schulbesuchs vom 21.08.2000 bis 31.03.2001 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass das Legen des Blasenkatheters während der Schulzeit keine häusliche Krankenpflege i.S.d. § 37 Abs. 2 SGB V darstelle.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 04.07.2001 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 30.07.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.08.2001 Berufung eingelegt.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ansicht, dass § 37 Abs. 2 SGB V vom Sinn und Zweck her dahingehend interpretiert werden müsse, dass auch Maßnahmen der Behandlungspflege während einer kurzfristigen Abwesenheit vom Haushalt als häusliche Krankenpflege einzustufen seien. Ihrer Mutter sei es angesichts der familiären Belastung und des Zeitaufwandes für die Zurücklegung des Weges nicht zumutbar, den Blasenkatheter in der Schule zu legen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 04.07.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.09.2000, 19.09.2000 und 17.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2001 zu verurteilen, ihr die Kosten für die selbstbeschaffte Behandlungspflege für den Zeitraum vom 21.08.2000 bis zum 31.03.2001 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 2.803,09 EURO (5.482,36 DM) für die im Zeitraum vom 21.08.2000 bis 31.03.2001 selbstbeschaffte Behandlungspflege zu.
Die Rechtsgrundlage für den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin bildet § 13 Abs. 3 SGB V. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, und dadurch dem Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Erste Voraussetzung der zweiten Alternative dieser Vorschrift (" ...eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat ...") ist, dass zwischen der Ablehnung durch die Krankenkasse und der Selbstbeschaffung der Leistung ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24.09.1996, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; Urteil vom 25.09.2000, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Diese Voraussetzung ist erfüllt, soweit sich die Klägerin die Behandlungspflege nach Erteilung des Bescheides vom 05.09.2000 auf eigene Kosten beschafft hat. Für den davor liegendenden Zeitraum, nämlich vom 21.08.2000 bis zur Erteilung des Bescheides vom 05.09.2000, sind die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 13 Absatz 3 SGB V gegeben, denn die selbstbeschaffte Behandlungspflege stellt eine unaufschiebbare Leistung dar, die die Beklagte nicht rechtzeitig erbringen konnte. Unaufschiebbar war die zweimalige tägliche Kathederisierung während des Schulbesuchs wegen der neurogenen Blasenentleerungsstörung der Klägerin, weil die Beklagte diese Leistungen nicht rechtzeitig zu erbringen vermochte. Zwar kann im Regelfall nur von einer Unfähigkeit der Krankenkasse zur rechtzeitigen Leistungserbringung ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich hierbei ihr Unvermögen herausgestellt hat.
Jedoch muss dann, wenn eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles vom Versicherten nicht verlangt werden kann, die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden (BSG, Urteil vom 25.09.2000 aaO). Dies ist hier der Fall. Die beklagte Krankenkasse hat der Klägerin die Behandlungspflege über einen mehrjährigen Zeitraum bis August 2000 fortlaufend nach Maßgabe der jeweils ausgestellten ärztlichen Verordnungen gewährt und - für die Klägerin überraschend - eine Weitergewährung der Behandlungspflege ab 21.08.2000 verweigert. Für die Klägerin, die in einem fortlaufenden Bezug der hier streitigen Leistung stand, gab es keinerlei Anlass, vor der Inanspruchnahme der Behandlungpflege ab 21.08.2000 zunächst die Entscheidung der Beklagten abzuwarten; dies konnte demgemäß von ihr auch nicht verlangt werden.
Da der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs tritt, kann er nur bestehen, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997, SozR 3-2500 § 27 Nr. 9; Urteil vom 28.03.2000, SozR 2500 § 135 Nr. 14).
Die Klägerin hatte während des hier streitigen Zeitraums einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung von Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Das zweimal täglich erforderliche Legen eines Blasenkatheters bei der Klägerin stellt eine Maßnahme der Behandlungspflege i.S. dieser Vorschrift dar. Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2001, Az.: B 3 KR 27/01 R, Die Sozialgerichtsbarkeit 2002, S. 43). Bei der Klägerin liegt eine neurogene Blasenentleerungsstörung vor, die eine regelmäßige Katheterisierung erforderlich macht, um die Verschlimmerung die ser Erkrankung zu verhindern bzw. das Entstehen weiterer Krankheitsfolgen zu vermeiden. Es ist zwischen den Beteiligten auch nicht (mehr) umstritten, dass sich dies als eine Maßnahme der Behandlungspflege darstellt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert der Anspruch der Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V aber auch nicht daran, dass die Katheterisierung der Klägerin während des Besuchs der Behindertenschule und nicht im häuslichen Bereich erfolgt. Die zutreffende Auslegung des § 37 Abs. 1 Satz 2 ergibt, dass Anspruch auf Behandlungspflege auch dann besteht, wenn sich der Versicherte nicht in seinem Haushalt oder dem Haushalt seiner Familie befindet, sondern sich - wie die Klägerin - in einer Schule befindet.
Nach dem Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift sind grundsätzlich zwei unterschiedliche "Aufenthaltsorte" des Versicherten denkbar, an denen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege erbracht wird: Entweder befindet sich der Versicherte in seinem Haushalt oder in seiner Familie. Dies ist hier der Fall, denn die Klägerin lebt auch trotz kurzfristiger Abwesenheit während des Schulbesuchs weiterhin in ihrer Familie. Der Wortlaut der Vorschrift fordert nicht, dass sich der Versicherte in dem Haushalt seiner Familie aufhält. Das ergibt auch nicht etwa aus dem Gebrauch der Formulierung "als häusliche Krankenpflege". Diese beinhaltet lediglich, dass die Leistung der Krankenkasse, die Behandlungspflege, "als häusliche Krankenpflege" qualifiziert wird, gerade auch dann, wenn sich der Versicherte zwar in seiner Familie, aber nicht in deren Haushalt befindet. Diese Qualifzierung der Leistung "Behandlungspflege" als häusliche Krankenpflege wäre nicht notwendig gewesen, wenn es ohnehin immer auf den Haushalt des Versicherten oder den seiner Familie ankäme. Nach Ansicht des Senats ist es deshalb nicht zutreffend, dass bereits der Wortlaut der Vorschrift die Gewährung von Behandlungspflege außerhalb des eigenen oder aber des Haushalts der Familie ausschließt (so aber Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), 16. Senat, Urteil vom 06.12.2001, Aktenzeichen L 16 KR 7/00).
Auch lässt sich entgegen der Ansicht des 16. Senats des LSG NRW (aaO) aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift über die häusliche Krankenpflege nicht ableiten, Behandlungspflege solle ausschliesslich im eigenen Haushalt des Versicherten bzw. dem Haushalt seiner Familie erbracht werden. Die Behandlungssicherungspflege war zunächst eine Satzungsleistung, die gemäß § 185 Absatz 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Kranken versicherungskostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27.06.1977 (BGBl. 1069) nach Maßgabe der jeweiligen Satzungsregelung gewährt wurde, wenn dies zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich war. Durch das Gesetz über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpg. 1990) vom 26.06.1990 (BGBl. S. 1211) wurde die Behandlungspflege zur Regelleistung in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt. Der gesetzgeberischen Begründung (Bundestagsdrucksache (BT-Ds) 11/7343 Seite 1) ist zu entnehmen, dass sich die bisherige Ausgestaltung der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung nicht bewährt habe. Zahlreiche Krankenkassen hätten die Satzungsleistung befristet, weil sie beitragsrelevante Einnahmeausfälle durch die fehlende Ausgleichsfähigkeit von satzungsmäßigen Mehrleistungen in der Krankenversicherung der Rentner befürchteten. Bei der Einstellung oder Einschränkung von Satzungsleistungen müsse mit einer wesentlich kostenaufwendigeren Leistungserbringung im Rahmen der ärztlichen Behandlung gerechnet werden. Gesetzgeberischers Leitmotiv war damit die Kostenersparnis; es sollte eine Erbringung der Leistungen der Behandlungspflege im Rahmen der (teureren) ärztlichen Behandlung vermieden werden. (Weitere) Erkenntnisse für die hier umstrittene Frage der Erbringung von Behandlungspflege im außerhäuslichen Bereich lassen aus der Entsehungsgeschichte damit nicht gewinnen.
Entscheidend ist aber, dass nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung dem in seiner Familie lebenden Versicherten Behandlungspflege auch während des Schulbesuchs zu gewähren ist.
Die Gewährung von Behandlungspflege nach § 37 Absatz 2 SGB V verfolgt das Ziel, die ärztliche Behandlung zu sichern (vgl. Höfler in Kasseler Kommentar, § 37 Rdn. 9; Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 37 Rdn. 19). Dabei wird die Behandlungspflege regelmäßig bewirken, dass sich die ärztlichen Leistungen in engeren Grenzen halten können (z.B. weniger Hausbesuche, kaum Apparatemedizin). Der Sinn der Vorschrift besteht somit auch darin, durch die gegenüber der ärztlichen Behandlung weniger kostenintensiven Maßnahmen der Behandlungspflege zu sparen (Mengert aaO; vergl. ferner die oben zitierte Begründung der BT-Ds 11/7343 Seite 1). Geht man davon aus, dass vorrangiges Ziel der Gewährung von Behandlungspflege die Sicherung des ärzt lichen Behandlungserfolges, also die Heilung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung einer Krankheit darstellt, so ist die Bedeutung des Aufenthaltsortes des Versicherten für die Auslegung der Vorschrift des § 37 Absatz 2 SGB V (auch) unter diesem Gesichtspunkt zu bestimmen. Die genannten Behandlungsziele können grundsätzlich auch während des Aufenthalts des Versicherten im außerhäuslichen Bereich verfolgt werden. Der Aufenthaltsort des Versicherten ist für das Erreichen des ärztlichen Behandlungszieles in der Regel unerheblich, insbesondere kann im vorliegenden Fall das Ziel der Sicherung der ärztlichen Behandlung der Klägerin auch während des Schulbesuchs in gleicher Weise wie zu Hause erreicht werden. Andererseits hat es der Gesetzgeber mit dem Gebrauch der Begriffe "Haushalt" und "Familie" unternommen, den Aufenthaltsort des Versicherten als Voraussetzung für die Gewährung der Leistung festzulegen. Deshalb ist die Leistung sicherlich ausgeschlossen, wenn sich der Versicherte an Orten aufhält, wo besondere Gründe die Gewährung von Behandlungspflege ausschliessen. Derartige Gründe liegen etwa dann vor, wenn sich der Versicherte in Einrichtungen aufhält, in denen er stationär untergebracht ist, wo er einen privaten Lebensmittelpunkt im Sinne eines eigenen Haushalts oder des Lebens in seiner Familie - auf Dauer oder vorübergehend - nicht (mehr) besitzt (vergl. Höfler aaO Rdnr. 14 ; Krauskopf, SGB V, Kommentar, § 37 Rdnr.3 ). Eine sich aus solchen sachlichen Gründen rechtfertigende Begründung für die Versagung von Behandlungspflege ist hier - für den Fall des Schulbesuchs - gerade nicht ersichtlich.
Ausgeschlossen ist die Leistung nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vorschrift nicht, wenn der Lebensmittelpunkt grundsätzlich weiterhin der häusliche bzw. familiäre Bereich bleibt und dieser nur kurzfristig verlassen wird. Erst recht muss dies gelten, wenn das kurzfristige Verlassen auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruht. Die Familie bildet trotz des an fünf Tagen in der Woche erfolgenden Schulbesuchs weiter den Lebensmittelpunkt der Klägerin, an den sie regelmäßig und auf Dauer zurückkehrt. Grund ihrer örtlichen Abwesenheit von der Famile ist die auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Schulpflicht. Der vom Gesetzgeber gebrauchte Begriff der Familie würde unzulässig verengt, wollte man in diesem Zusammenhang den (örtlichen) Aufenthalt des Versicherten im Haushalt der Familie als Voraussetzung für die Gewährung von Behandlungspflege fordern. Eine nur kurzfristige Abwesenheit zum Zwecke des Schulbesuchs lässt den Lebensmittelpunkt des Versicherten in seiner Familie unberührt und belässt ihm den Anspruch auf Behandlungspflege im Sinne des § 37 Absatz 2 SGB V.
Der Anspruch der Klägerin ist schließlich auch nicht gemäß § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Mutter der Klägerin ist zwar von ihrer Ausbildung her in der Lage, bei der Klägerin den Blasenkatheter zu legen. Sie übernimmt diese Aufgabe auch während des Zeitraums, in dem sich die Klägerin zu Hause befindet. Ihr ist es jedoch aufgrund der Entfernung zu der Schule sowie des fehlenden Vorhandenseins eines Pkw nicht zumutbar, zweimal täglich in der Schule zum Legen des Katheters zu erscheinen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Absatz 2 Nr.1 SGG).
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