L 5 KR 25/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 4 KR 249/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 25/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.11.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung einer Behandlung mittels Akupunktur.

Der 1944 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, beantragte im Dezember 1997 eine Akupunktur-Behandlung durch den HNO-Arzt Dr. S ... Nach dem Antrag sollte die Behandlung stattfinden wegen chronischer Cephalgien, einer somatisierten Depression, HWS-Syndrom, Schlafstörungen und Tinnitus beidseits. Mit Bescheid vom 05.01.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab, nachdem der MDK in einer Stellungnahme vom 22.12.1997 eine Kostenübernahme nicht empfohlen hatte. Dr. S ... wandte sich mit Schreiben vom 05.02.1998 erneut an die Beklagte und beantragte wiederum eine Kostenübernahme. Er wies darauf hin, dass eine medikamentöse Behandlung wegen einer chronischen Hepatitis nicht möglich sei; dies sei in der Stellungnahme des MDK nicht beachtet worden. Mit Bescheid vom 06.03.1998 lehnte die Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK den Antrag erneut ab. Beide Bescheide enthalten keine Rechtsmittelbelehrung.

Mit Schreiben vom 02.07.1998 forderte der Kläger die Beklagte zur "Kostenerstattung" für die Akupunktur-Behandlung auf, wobei er im weiteren Schriftwechsel klarstellte, dass er noch keine Leistungen in Anspruch genommen hatte. Er übersandte ein weiteres Attest von Dr. S ... vom 30.10.1998, wonach eine Akupunktur-Behandlung mit mindestens 25 Sitzungen erforderlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei auf die ärztlich angeratene Akupunktur-Behandlung angewiesen. Er leide seit Jahren unter Ohrenpfeifen und könne deswegen nicht mehr schlafen. Andere Behandlungsmöglichkeiten bestünden nicht. Die Beklagte hat zwei Gutachten des MDK (Internist W ...) vom 27.04.1999 und 13.09.1999 vorgelegt, in der der Internist W ... die Auffassung vertritt, nach Durchsicht der internationalen Literatur sei eine Wirksamkeit der Akupunktur bei Tinnitus, Kopfschmerzen und Beschwerden am Bewegungsapparat nicht belegt.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von Dr. S ... eingeholt (Bericht vom 13.07.1999) und ergänzend eine Anfrage an Dr. S ... gerichtet, ob bei der geplanten Akupunktur-Behandlung eine Ohr- oder Körperakupunktur-Behandlung beabsichtigt sei und ob Dr. S ... auch für die Körperakupunktur eine Prüfung abgelegt habe. Diese Anfrage hat Dr. S ... nicht beantwortet.

Mit Urteil vom 17.11.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass es sich bei der Akupunktur um eine besondere Therapierichtung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handele und es zweifelhaft sei, ob die Akupunktur eine neue Methode sei, über die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen befinden dürfe. Ein Leistungsanspruch des Klägers bestehe jedoch unabhängig davon deshalb nicht, weil für die Erbringung der Leistung der behandelnde Arzt seine Qualifikation durch eine entsprechende Prüfung nachgewiesen haben müsse. Dr. S ... habe jedoch nur im Teilbereich Ohr-Akupunktur 1995 erfolgreich die Prüfung abgelegt, einen Nachweis darüber, dass er auch eine Prüfung für die Körperakupunktur abgelegt habe, sei er schuldig geblieben.

Gegen das ihm am 16.01.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.02.2001 Berufung eingelegt. Unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag rügt er die Auffassung des Sozialgerichts, ein Leistungsanspruch bestehe mangels Qualifikationsnachweis durch Dr. S ... nicht. Eine gesetzliche Regelung, welche Prüfung ein Arzt abgelegt haben müsse, gebe es nicht. Es könne auch nicht zum Nachteil eines Versicherten gereichen, wenn ein Vertragsarzt Anfragen des Gerichtes nicht beantwortet. Ebensowenig sei es Sache des Versicherten, die Qualifikation des behandelnden Arztes zu überprüfen. Er müsse sich darauf verlassen können, dass ein als Vertragsarzt zugelassener Arzt die erforderlichen Leistungen erbringen dürfe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.11.2000 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 05.01.1998 und 06.03.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1998 zu verurteilen, die beantragten Akupunktur-Behandlungen durch Dr. S ... zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie ein Modellvorhaben zur Akupunktur in ihrer Satzung (§ 8a in der Fassung des 9. Nachtrages vom 15.12.2000) vorgesehen hat, die da nach erforderlichen Verträge und Richtlinien seien jedoch noch nicht in Kraft.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Nach Anhörung der Beteiligten konnte der Senat über die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten haben (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, denn der Kläger kann die beantragten Behandlungen mittels Akupunktur nicht beanspruchen.

Zwar rügt der Kläger zu Recht, dass das Sozialgericht keine Rechtsgrundlage für seine Forderung, der behandelnde Arzt müsse seine Qualifikation zur Durchführung der Akupunktur durch eine Prüfungsbescheinigung nachweisen, nennt und dass das Sozialgericht auch nach seiner Rechtsauffassung gemäß § 103 SGG von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, die Qualifikation von Dr. S ... aufzuklären, statt sich damit zu begnügen, vom Kläger einen entsprechenden Nachweis zu verlangen. Jedoch scheidet unabhängig von der Frage der Qualifikation von Dr. S ... aus Rechtsgründen ein Leistungsanspruch des Klägers aus.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, die nach Satz 2 Ziff. 1 a.a.O. auch die ärztliche Behandlung einschließt. Die Akupunktur zählt jedoch nicht zu den von der Beklagten geschuldeten Leistungen. Sie ist nicht Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und zählt nicht zu den Behandlungsmethoden, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 28 Abs. 1, 70 Abs. 1, 72 Abs. 2 SGB V) erforderlich sind. Das ergibt sich aus § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden (BUB-Richtlinien) in der Fassung vom 10.12.1999 (Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21.03.2000). Nach § 135 Abs. 1 Satz 1 dürfen neue Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss eine Empfehlung über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Eine solche Empfehlung des Bundesausschusses liegt nicht vor, vielmehr hat der Bundesausschuss mit Beschluss vom 16.10.2000 beschlossen, die Akupunktur in die Anlage B (Nr. 31) der BUB- Richtlinien aufzunehmen. Er hat lediglich gemäß § 6.5 der BUB- Richtlinien beschlossen, dass für die Indikationen chronische Kopfschmerzen, chronische LWS-Schmerzen und chronische osteoarthritische Schmerzen eine Behandlung mittels Akupunktur in Modellversuchen nach §§ 63 ff. SGB V (unter Beachtung der gleichzeitig aufgestellten Vorgaben) erfolgen darf.

Bei den Richtlinien handelt es sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) um untergesetzliche Rechtsnormen, die auch für die Versicherten verbindlich festlegen, welche Leistungen Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind (BSGE 78, 70; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 7; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; ebenso Senat, Urteil vom 24.01.2000 - L 5 KR 63/98 -; Urteil vom 14.03.2000 - L 5 KR 89/99 -).

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Bundesausschusses bestehen nicht. Die Befugnis nach § 135 Abs. 1 SGB V besteht auch hinsichtlich der Methoden der besonderen Therapierichtung. Dabei kann es sich bei der Akupunktur nicht um eine eigene Therapierichtung handeln, denn einzelne Behandlungs- und Untersuchungsmethoden können nicht eine eigene Therapierichtung darstellen, erforderlich ist insoweit vielmehr ein eigenständiges, sich von der naturwissenschaftlich geprägten Schulmedizin abgrenzendes Gesamtkonzept (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 28). Auch wenn die Akupunktur einer besonderen Therapierichtung zuzuordnen sein sollte, handelt es sich doch um eine i.S.d. § 135 Abs. 1 SGB V "neue" Methode, denn die "Neuheit" bestimmt sich nicht danach, ob die Methode bereits innerhalb der jeweiligen Therapierichtung etabliert ist, sondern danach, ob sie schon Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist und von dem insoweit maßgeblichen einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) erfasst wird (vgl. BSG, a.a.O. S. 12). Soweit der Bundesausschuss über die Anerkennung des therapeutischen Nutzens nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der "jeweiligen" Therapierichtung zu entscheiden hat, bedeutet dies nicht, dass insoweit nur auf die "Binnenanerkennung" in der jeweiligen Therapierichtung abgestellt werden müsste (vgl. Senat, Urteil vom 24.01.2000 - L 5 KR 63/98 ).

Ein Leistungsanspruch des Klägers besteht auch nicht nach Maßgabe der "Öffnungsklausel" des Beschlusses des Bundesausschusses vom 16.10.2000 i.V.m. § 8 a der Satzung der Beklagten. Dabei kann dahinstehen, ob die Gesundheitsstörungen des Klägers, die Dr. S ... mittels Akupunktur behandeln will, überhaupt zu denen zählen, für die der Beschluss des Bundesausschusses Modellvorhaben zulässt. Die Beklagte räumt in § 8 a ihrer Satzung (in der Fassung vom 15.12.2000) ihren Versicherten Anspruch auf Akupunktur-Behandlung für die vom Bundesausschuss zugelassenen Gesundheitsstörungen nur nach Maßgabe der mit den Leistungserbringern geschlossenen Vereinbarungen ein. Da jedoch weder die nach den Satzungsbestimmungen erforderlichen Vereinbarungen mit den Leistungserbringern noch die von der Beklagten aufzustellenden Qualifikationsanforderungen vorliegen, kann derzeit auch keine Akupunktur-Behandlung im Rahmen des Modellvorhabens erbracht werden. Es bleibt dem Kläger unbenommen, sich in der Zunkunft an die Beklagte zu wenden und zu erfragen, ob und gegebenenfalls bei welchen Ärzten er gemäß § 8 a der Satzung Akupunktur-Behandlungen in Anspruch nehmen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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