Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 253/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 90/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 24/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt gefasst wird: Es wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 festgestellt, dass der Kläger in seinen Beschäftigungen als Sparkassen angestellter und Telefonist versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger in den während eines Hochschulstudiums ausgeübte Beschäftigungen als Sparkassenangestellter und Telefonist versicherungspflichtig ist.
Der am ...1972 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger absolvierte von 1992 bis 1995 bei der Beigeladenen zu 4) eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war im Anschluss daran dort bis zum 31.10.1997 beschäftigt. Nachdem er am 15.10.1997 an der Universität zu K ... mit dem Studium der Rechtswissenschaften begonnen hatte, wurde ab 01.11.1997 der Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 4) abgeändert und eine wöchentliche Arbeitszeit von 12 Stunden vereinbart. Ab 01.03.2002 verrichtet der Kläger zusätzlich eine Tätigkeit als Telefonist bei dem P ... D ... Verlag im Umfang von 5,5 Stunden pro Woche mit einem Entgelt von ca. 9,30 Euro pro Stunde.
Zunächst beurteilte die Beklagte den Kläger aufgrund der Eigenschaft als Student als versicherungsfrei. Für die Zeit ab 01.04.2000 vertrat sie dagegen die Auffassung, dass Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung anzunehmen sei und stützte sich dabei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.12.1998 (Az.: B 12 KR 22/97 R) sowie das dazu ergangene gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 06.10.1999 zur versicherungsrechtlichen Beurteilung beschäftigter Studenten.
Durch Bescheid vom 18.05.2000 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger aufgrund des neben dem Studium ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 4) der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Studenten, die nach Aufnahme eines Studiums weiterhin bei demselben Arbeitgeber beschäftigt blieben, seien nicht versicherungsfrei, auch wenn das Arbeitsverhältnis vom Umfang her den Erfordernissen des Studiums angepasst werde.
Den dagegen am 02.06.2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 19.10.2000 zurück.
Der Kläger hat am 24.10.2000 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Entscheidung des BSG vom 10.12.1998 das von der Beklagten vertretene Ergebnis der Versicherungspflicht nicht trage; es bleibe vielmehr bei dem Grundsatz, dass dann, wenn das Studium im Vordergrund stehe und nur nebenher zur Finanzierung des Studiums eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, diese versicherungsfrei sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 18.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an der in den angefochtenen Bescheiden geäusserten Rechtsauffassung festgehalten.
Durch Urteil vom 26.02.2002 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 26.04.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.05.2002 Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass Versicherungsfreiheit als Werkstudent den Studenten vorbehalten bleiben müsse, die eine Beschäftigung erst während des Studiums aufnähmen, um ihr Studium zu finanzieren. Studenten, die bereits vor Aufnahme des Studiums in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätten und dieses nun auch während des Studiums fortführten, seien demgegenüber von ihrem Erscheinungsbild her Arbeitnehmer und nicht Studenten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des Urteils wie folgt gefasst wird: Es wird festgestellt, dass der Kläger in seinen Beschäftigungen als Sparkassenangestellter und in der ab 01.03.2002 verrichteten Tätigkeit als Telefonist in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei ist.
Er hält an seiner Ansicht fest, dass die neben seinem Studium ausgeübten Tätigkeiten als versicherungsfrei zu beurteilen seien, weil das Studium im Vordergrund stehe; hieran habe sich auch durch die Aufnahme der Tätigkeit als Telefonist im Umfang von 5 1/2 Stunden wöchentlich ab 01.03.2002 nichts geändert.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgenommene Änderung seines Antrags dahingehend, dass neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nunmehr auch die Feststellung der Versicherungsfreiheit der während des Studiums ausgeübten Beschäftigungen in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung begehrt wird, ist gemäß § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Es muss jedenfalls als sachdienlich angesehen werden, dass der Kläger nicht allein die Beseitigung der die Versicherungspflicht feststellenden Bescheide zu erstreiten sucht, sondern zugleich auch eine Entscheidung über die Versicherungsfreiheit seiner Beschäftigungen anstrebt.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid vom 18.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 ist rechtswidrig, denn der Kläger ist in seiner Beschäftigung als Sparkassenangestellter nicht versicherungspflichtig, sondern vielmehr - auch in der ab 01.03.2002 ausgeübten Tätigkeit als Telefonist bei der Beigeladenen zu 5) - als versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu beurteilen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie § 27 Abs. 4 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) sind in der Kranken- bzw. Arbeitslosenversicherung Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlich Studierende einer Hochschule oder einer fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Für die soziale Pflegeversicherung bestimmt § 20 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI), dass Versicherungspflicht nur insoweit besteht, soweit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist aufgrund dieser Vorschriften Versicherungsfreiheit nicht allein bereits dann anzunehmen, wenn jemand als ordentlicher Studierender an einer Hochschule eingeschrieben war. Hinzu kommen muss vielmehr, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nehmen und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer ist (vgl. u.a. BSGE 33, 230; BSG SozR 2200 § 172 Nrn. 19 und 20). Die Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit meinen nämlich in erster Linie "Werkstudenten", d.h. Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSGE 18, 254, 256 = SozR Nr. 11 zu § 172 RVO; BSGE 33, 230 = SozR Nr. 14 zu § 172 RVO; BSGE 44, 164, 165 = SozR 4100 § 134 Nr. 3). Die Beschäftigung von Studenten ist damit versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt wird und ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist (BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist derjenige nicht als Werkstudent versicherungsfrei, der ein Studium aufnimmt, sein Arbeitsverhältnis jedoch nicht löst, sondern vom Arbeitgeber unter Zahlung einer Ausbildungsförderung für die Dauer des Studiums beurlaubt und von ihm während der Semesterferien in seinem Beruf gegen Entgelt beschäftigt wird (BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr. 2). Ferner hat das Bundessozialgericht die Versicherungsfreiheit eines Studenten verneint, der von seinem Arbeitgeber für ein Studium Sonderurlaub unter Zahlung einer Studienförderung erhalten hat, wenn er in den Semesterferien die frühere Beschäftigung wieder ausübt (BSGE 78, 229 = SozR 3-2500 § 6 Nr. 11). Zuletzt hat das Bundessozialgericht in der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 10.12.1998 Versicherungsfreiheit für eine Klägerin verneint, die ein berufsintegriertes Studium an einer Fachhochschule bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis absolvierte, das in den Semesterferien in vollem Umfang und während des Semesters an drei Arbeitstagen in der Woche ausgeübt wurde. Die Fachhochschule wurde an zwei arbeitsfreien Werktagen und am Samstagvormittag besucht (BSG Urteil vom 10.12.1998 aaO).
Von den von dem BSG bereits entschiedenen Fällen unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit in wesentlicher Hinsicht. Die enge Verzahnung zwischen Berufstätigkeit und Studium ("berufsintegriertes Studium"), d.h. die Ausrichtung und Abstimmung der Berufstätigkeit mit dem Studium im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber ist hier nicht gegeben. Sie wurde dort etwa dadurch hergestellt, dass nur Studenten aus der Bankwirtschaft an der Fachhochschule studieren durften, dass der Arbeitgeber über einen Förderverein an den Kosten der Fachhochschule beteiligt war und der Samstag als Studientag herangezogen wurde. Der Kläger studiert jedoch an einer (allgemeinen) Hochschule, ohne dass - bis auf die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit - irgendein geplantes Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber erkennbar ist. Dies allein vermag aber das Bestehen von Versicherungspflicht nicht zu begründen.
Aus der Entscheidung des BSG vom 10.12.1998 ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht zu folgern, dass immer dann, wenn ein zuvor bestehendes Beschäftigungsverhältnis auch nach Aufnahme eines Studiums fortgeführt wird, von Versicherungspflicht auszugehen ist. Ausdrücklich hat das BSG auch in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass "die Klägerin ihrem Erscheinungsbild nach Beschäftigte und nicht Studierende" ist. Hierzu hat es weiter ausgeführt, dass "das Studium nicht nur bei der Verteilung der jeweiligen Arbeitszeiten der bestimmende Faktor sein müsse; es müsse vielmehr auch seinem Umfang nach ein solches Gewicht haben, dass es im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur Nebensache, diese also zur Hauptsache werde". Somit ist also auch in diesen Fällen eine wertende Betrachtung danach vorzunehmen, ob nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Studium mit nebenher betriebener Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhalts und zum Bestreiten des Studiums oder aber eine im Vordergrund stehende Beschäftigung mit nebenher durch geführtem Studium vorliegt. In diesem Zusammenhang bietet zunächst die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einen gewissen Anhaltspunkt; verbleibt der Beschäftigungsumfang des Studenten unter der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, so spricht dies indiziell dafür, dass das Studium die überwiegende Zeit und Arbeitskraft des Studenten in Anspruch nimmt. Nach dem Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 4) hat der Kläger 624 Stunden im Jahr zu arbeiten; das ergibt eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 12 Stunden. Auch mit der zusätzlich seit dem 01.03.2002 ausgeübten Tätigkeit als Telefonist im Umfang von 5 1/2 Stunden je Woche bleibt der Kläger unterhalb der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Aus der Dauer des Studiums sowie der Höhe des Verdienstes ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass bei dem Kläger inzwischen die Erwerbstätigkeit als Sparkassenangestellter und Telefonist das Studium der Rechtswissenschaften dominiert. Vielmehr bietet der Kläger das typische Bild eines Werkstudenten, der mit einer nebenher ausgeübten Erwerbstätigkeit Studium und Lebensunterhalt finanziert.
Hieran ändert der Umstand, dass der Kläger auch bereits vor Aufnahme des Studiums bei der Beigeladenen zu 4) beschäftigt war, nichts. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beigeladenen zu 4) ist - aus Anlass der Aufnahme des Studiums - deutlich hinsichtlich der zu leistenden Stunden und daraus folgend auch hinsichtlich des Entgelts modifiziert worden. Es ist für den Senat nicht erkennbar, wie sich der Umstand, dass auch bereits zuvor ein (anderes) Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat, derart prägend auf das äußere Erscheinungsbild des Klägers auswirken sollte, dass nunmehr nicht das Studium, sondern die abhängige Beschäftigung im Vordergrund stünde. Der gegenteiligen Ansicht der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass im Falle des Wechsels des Arbeitgebers (z.B. weil der bisherige mit einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht einverstanden ist), aber sonst gleichem Vertragsinhalt, es auch nach ihrer Auffassung zur Annahme von Versicherungsfreiheit kommen müsste. Ferner bliebe offen, wie sich nach Ansicht der Beklagten eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine anschließende Neubegründung (nach Wochen oder einigen Monaten) auf die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit auswirken sollte. Diese Gesichtspunkte verdeutlichen, dass eine differenzierende Beurteilung der Versicherungspflicht nur nach dem Kriterium "fortbestehendes Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber" keinen Sinn ergibt. Es muss deshalb dabei bleiben, dass die Entscheidung nur im Rahmen einer wertenden Gesamtwürdigung getroffen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Streitsache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob der Kläger in den während eines Hochschulstudiums ausgeübte Beschäftigungen als Sparkassenangestellter und Telefonist versicherungspflichtig ist.
Der am ...1972 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger absolvierte von 1992 bis 1995 bei der Beigeladenen zu 4) eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war im Anschluss daran dort bis zum 31.10.1997 beschäftigt. Nachdem er am 15.10.1997 an der Universität zu K ... mit dem Studium der Rechtswissenschaften begonnen hatte, wurde ab 01.11.1997 der Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 4) abgeändert und eine wöchentliche Arbeitszeit von 12 Stunden vereinbart. Ab 01.03.2002 verrichtet der Kläger zusätzlich eine Tätigkeit als Telefonist bei dem P ... D ... Verlag im Umfang von 5,5 Stunden pro Woche mit einem Entgelt von ca. 9,30 Euro pro Stunde.
Zunächst beurteilte die Beklagte den Kläger aufgrund der Eigenschaft als Student als versicherungsfrei. Für die Zeit ab 01.04.2000 vertrat sie dagegen die Auffassung, dass Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung anzunehmen sei und stützte sich dabei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.12.1998 (Az.: B 12 KR 22/97 R) sowie das dazu ergangene gemeinsame Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 06.10.1999 zur versicherungsrechtlichen Beurteilung beschäftigter Studenten.
Durch Bescheid vom 18.05.2000 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger aufgrund des neben dem Studium ausgeübten Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 4) der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Studenten, die nach Aufnahme eines Studiums weiterhin bei demselben Arbeitgeber beschäftigt blieben, seien nicht versicherungsfrei, auch wenn das Arbeitsverhältnis vom Umfang her den Erfordernissen des Studiums angepasst werde.
Den dagegen am 02.06.2000 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 19.10.2000 zurück.
Der Kläger hat am 24.10.2000 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Zur Begründung hat er vorgetragen, dass die Entscheidung des BSG vom 10.12.1998 das von der Beklagten vertretene Ergebnis der Versicherungspflicht nicht trage; es bleibe vielmehr bei dem Grundsatz, dass dann, wenn das Studium im Vordergrund stehe und nur nebenher zur Finanzierung des Studiums eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde, diese versicherungsfrei sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 18.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an der in den angefochtenen Bescheiden geäusserten Rechtsauffassung festgehalten.
Durch Urteil vom 26.02.2002 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 26.04.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.05.2002 Berufung eingelegt.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass Versicherungsfreiheit als Werkstudent den Studenten vorbehalten bleiben müsse, die eine Beschäftigung erst während des Studiums aufnähmen, um ihr Studium zu finanzieren. Studenten, die bereits vor Aufnahme des Studiums in einem Arbeitsverhältnis gestanden hätten und dieses nun auch während des Studiums fortführten, seien demgegenüber von ihrem Erscheinungsbild her Arbeitnehmer und nicht Studenten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des Urteils wie folgt gefasst wird: Es wird festgestellt, dass der Kläger in seinen Beschäftigungen als Sparkassenangestellter und in der ab 01.03.2002 verrichteten Tätigkeit als Telefonist in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei ist.
Er hält an seiner Ansicht fest, dass die neben seinem Studium ausgeübten Tätigkeiten als versicherungsfrei zu beurteilen seien, weil das Studium im Vordergrund stehe; hieran habe sich auch durch die Aufnahme der Tätigkeit als Telefonist im Umfang von 5 1/2 Stunden wöchentlich ab 01.03.2002 nichts geändert.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgenommene Änderung seines Antrags dahingehend, dass neben der Aufhebung der angefochtenen Bescheide nunmehr auch die Feststellung der Versicherungsfreiheit der während des Studiums ausgeübten Beschäftigungen in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung begehrt wird, ist gemäß § 99 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Es muss jedenfalls als sachdienlich angesehen werden, dass der Kläger nicht allein die Beseitigung der die Versicherungspflicht feststellenden Bescheide zu erstreiten sucht, sondern zugleich auch eine Entscheidung über die Versicherungsfreiheit seiner Beschäftigungen anstrebt.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Bescheid vom 18.05.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2000 ist rechtswidrig, denn der Kläger ist in seiner Beschäftigung als Sparkassenangestellter nicht versicherungspflichtig, sondern vielmehr - auch in der ab 01.03.2002 ausgeübten Tätigkeit als Telefonist bei der Beigeladenen zu 5) - als versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu beurteilen.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie § 27 Abs. 4 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) sind in der Kranken- bzw. Arbeitslosenversicherung Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentlich Studierende einer Hochschule oder einer fachlichen Ausbildung dienenden Schule gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Für die soziale Pflegeversicherung bestimmt § 20 Abs. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XI), dass Versicherungspflicht nur insoweit besteht, soweit eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben ist.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist aufgrund dieser Vorschriften Versicherungsfreiheit nicht allein bereits dann anzunehmen, wenn jemand als ordentlicher Studierender an einer Hochschule eingeschrieben war. Hinzu kommen muss vielmehr, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nehmen und der Betreffende damit auch seinem Erscheinungsbild nach Student und nicht Arbeitnehmer ist (vgl. u.a. BSGE 33, 230; BSG SozR 2200 § 172 Nrn. 19 und 20). Die Vorschriften über die Versicherungs- und Beitragsfreiheit meinen nämlich in erster Linie "Werkstudenten", d.h. Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen (BSGE 18, 254, 256 = SozR Nr. 11 zu § 172 RVO; BSGE 33, 230 = SozR Nr. 14 zu § 172 RVO; BSGE 44, 164, 165 = SozR 4100 § 134 Nr. 3). Die Beschäftigung von Studenten ist damit versicherungs- und beitragsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt wird und ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet ist (BSG SozR 2200 § 172 Nr. 19 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist derjenige nicht als Werkstudent versicherungsfrei, der ein Studium aufnimmt, sein Arbeitsverhältnis jedoch nicht löst, sondern vom Arbeitgeber unter Zahlung einer Ausbildungsförderung für die Dauer des Studiums beurlaubt und von ihm während der Semesterferien in seinem Beruf gegen Entgelt beschäftigt wird (BSGE 39, 223 = SozR 2200 § 172 Nr. 2). Ferner hat das Bundessozialgericht die Versicherungsfreiheit eines Studenten verneint, der von seinem Arbeitgeber für ein Studium Sonderurlaub unter Zahlung einer Studienförderung erhalten hat, wenn er in den Semesterferien die frühere Beschäftigung wieder ausübt (BSGE 78, 229 = SozR 3-2500 § 6 Nr. 11). Zuletzt hat das Bundessozialgericht in der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung vom 10.12.1998 Versicherungsfreiheit für eine Klägerin verneint, die ein berufsintegriertes Studium an einer Fachhochschule bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis absolvierte, das in den Semesterferien in vollem Umfang und während des Semesters an drei Arbeitstagen in der Woche ausgeübt wurde. Die Fachhochschule wurde an zwei arbeitsfreien Werktagen und am Samstagvormittag besucht (BSG Urteil vom 10.12.1998 aaO).
Von den von dem BSG bereits entschiedenen Fällen unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit in wesentlicher Hinsicht. Die enge Verzahnung zwischen Berufstätigkeit und Studium ("berufsintegriertes Studium"), d.h. die Ausrichtung und Abstimmung der Berufstätigkeit mit dem Studium im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber ist hier nicht gegeben. Sie wurde dort etwa dadurch hergestellt, dass nur Studenten aus der Bankwirtschaft an der Fachhochschule studieren durften, dass der Arbeitgeber über einen Förderverein an den Kosten der Fachhochschule beteiligt war und der Samstag als Studientag herangezogen wurde. Der Kläger studiert jedoch an einer (allgemeinen) Hochschule, ohne dass - bis auf die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit - irgendein geplantes Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber erkennbar ist. Dies allein vermag aber das Bestehen von Versicherungspflicht nicht zu begründen.
Aus der Entscheidung des BSG vom 10.12.1998 ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht zu folgern, dass immer dann, wenn ein zuvor bestehendes Beschäftigungsverhältnis auch nach Aufnahme eines Studiums fortgeführt wird, von Versicherungspflicht auszugehen ist. Ausdrücklich hat das BSG auch in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass "die Klägerin ihrem Erscheinungsbild nach Beschäftigte und nicht Studierende" ist. Hierzu hat es weiter ausgeführt, dass "das Studium nicht nur bei der Verteilung der jeweiligen Arbeitszeiten der bestimmende Faktor sein müsse; es müsse vielmehr auch seinem Umfang nach ein solches Gewicht haben, dass es im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur Nebensache, diese also zur Hauptsache werde". Somit ist also auch in diesen Fällen eine wertende Betrachtung danach vorzunehmen, ob nach dem äußeren Erscheinungsbild ein Studium mit nebenher betriebener Beschäftigung zur Sicherung des Lebensunterhalts und zum Bestreiten des Studiums oder aber eine im Vordergrund stehende Beschäftigung mit nebenher durch geführtem Studium vorliegt. In diesem Zusammenhang bietet zunächst die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einen gewissen Anhaltspunkt; verbleibt der Beschäftigungsumfang des Studenten unter der Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, so spricht dies indiziell dafür, dass das Studium die überwiegende Zeit und Arbeitskraft des Studenten in Anspruch nimmt. Nach dem Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 4) hat der Kläger 624 Stunden im Jahr zu arbeiten; das ergibt eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 12 Stunden. Auch mit der zusätzlich seit dem 01.03.2002 ausgeübten Tätigkeit als Telefonist im Umfang von 5 1/2 Stunden je Woche bleibt der Kläger unterhalb der Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Aus der Dauer des Studiums sowie der Höhe des Verdienstes ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass bei dem Kläger inzwischen die Erwerbstätigkeit als Sparkassenangestellter und Telefonist das Studium der Rechtswissenschaften dominiert. Vielmehr bietet der Kläger das typische Bild eines Werkstudenten, der mit einer nebenher ausgeübten Erwerbstätigkeit Studium und Lebensunterhalt finanziert.
Hieran ändert der Umstand, dass der Kläger auch bereits vor Aufnahme des Studiums bei der Beigeladenen zu 4) beschäftigt war, nichts. Das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beigeladenen zu 4) ist - aus Anlass der Aufnahme des Studiums - deutlich hinsichtlich der zu leistenden Stunden und daraus folgend auch hinsichtlich des Entgelts modifiziert worden. Es ist für den Senat nicht erkennbar, wie sich der Umstand, dass auch bereits zuvor ein (anderes) Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat, derart prägend auf das äußere Erscheinungsbild des Klägers auswirken sollte, dass nunmehr nicht das Studium, sondern die abhängige Beschäftigung im Vordergrund stünde. Der gegenteiligen Ansicht der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass im Falle des Wechsels des Arbeitgebers (z.B. weil der bisherige mit einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit nicht einverstanden ist), aber sonst gleichem Vertragsinhalt, es auch nach ihrer Auffassung zur Annahme von Versicherungsfreiheit kommen müsste. Ferner bliebe offen, wie sich nach Ansicht der Beklagten eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und eine anschließende Neubegründung (nach Wochen oder einigen Monaten) auf die Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit auswirken sollte. Diese Gesichtspunkte verdeutlichen, dass eine differenzierende Beurteilung der Versicherungspflicht nur nach dem Kriterium "fortbestehendes Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber" keinen Sinn ergibt. Es muss deshalb dabei bleiben, dass die Entscheidung nur im Rahmen einer wertenden Gesamtwürdigung getroffen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Streitsache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
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