Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 372/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 7/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12. November 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten der Behandlungspflege der bei der Beklagten krankenversicherten Beigeladenen während des Schulbesuchs.
Die 1990 geborene Beigeladene leidet nach einer Frühgeburt u.a. an einer Bulbärparalyse (neurologische Krankheitsbilder infolge Schädigung motorischer Hirnnervenkerne) mit Schluckunfähigkeit bei Versorgung mit einem Tracheostoma (künstliche Öffnung der Luftröhre nach außen). Nachdem die Stadtärztin Dr. K ... die Schulfähigkeit der Beigeladenen trotz des Erfordernisses der Sondierung sowie des gelegentlichen Absaugens von schleimigen Sekreten festgestellt hatte, beantragte die Beigeladene durch ihre Mutter, die während des Aufenthalts der Beigeladenen im Haushalt ihrer Eltern die entsprechende Versorgung vornimmt, bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Pflegeperson während des Schulbesuchs, die wegen der akuten Erstickungsgefahr der Beigeladenen ständig zugegen sein müsse. Mit formlosem Bescheid vom 19.02.1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil eine Betreuungsperson in der Schule nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zähle. Darüber hinaus handele es sich um eine Grundpflegeleistung, die durch sie nur geschuldet werde, wenn ansonsten eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei oder dadurch nicht erforderlich oder abgekürzt werde.
Die Klägerin übernahm als Trägerin der Sozialhilfe durch Bescheid vom 18.08.1997 in Form der Vorausleistungen die Kosten der Pflege bei einem täglichen Schulbesuch von vier Stunden als Hilfe zur angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 Bundessozialhilfe gesetz - BSHG - i.V.m. § 12 Nr. 1 Durchführungs-VO zu § 47 BSHG). Am 28.11.1997 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 19.02.1997 ein und meldete ihren Erstattungsanspruch bezüglich der in der Zeit vom 20.08. bis 31.10.1997 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 11.886,-- DM an. Unter Auswertung beigezogener Pflegeprotokolle kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit des intratrachealen Absaugens per Katheter in einer schwankenden Frequenz zwischen 12- und 20-mal täglich medizinisch nachvollziehbar und die Anwesenheit einer Hilfsperson zur Durchführung dieser Tätigkeit bzw. Handgriffe 24 Stunden, rund um die Uhr, erforderlich sei. Bei Nichtabsaugen des Schleims drohe die Gefahr des Erstickens binnen weniger Minuten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück, weil sie nur häusliche Krankenpflege im Haushalt der Versicherten oder deren Familie schulde, nicht aber eine Behandlungspflege während des Schulbesuchs.
Die Klägerin hat am 22.12.1998 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund auf Aufhebung dieses Bescheides, Übernahme der Kosten einer persönlichen Betreuungsperson sowie Erstattung der ihr entstandenen Kosten erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, Voraussetzung für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege sei, dass der Versicherte im eigenen Haushalt oder dem der Familie wohne. Ein permanenter Aufenthalt an dem Ort, an dem die hauswirtschaftliche Versorgung erfolge, sei danach nicht erforderlich und infolge der allgemeinen gesetzlichen Schulpflicht auch nicht möglich. Die vorübergehende Abwesenheit vom Haushalt schliesse daher den Anspruch nicht aus. Dies entspreche auch der Auffassung, dass z.B. die Begleitung zum Arzt (zur Sicherung des Arztbesuches) der Behandlungspflege zuzurechnen sei.
Mit Urteil vom 12.11.1999 hat das SG die Klage abgewiesen, weil nach der eindeutigen gesetzlichen Bestimmung nur die Pflege im Haushalt selbst durch die gesetzliche Krankenversicherung geschuldet werde. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.12.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 24.01.2000, Berufung eingelegt. Sie macht geltend, mit der Vorschrift des § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) habe der Gesetzgeber lediglich teure Krankenhausbehandlung vermeiden und verkürzen wollen. Nicht beabsichtigt sei jedoch das Erfordernis eines permanenten Aufenthalts am Ort der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Begriff Haushalt könne nicht räumlich/örtlich, sondern müsse abstrakt verstanden werden. Auch sonstige Aktivitäten zwecks Besuchs von Freunden und Verwandten und ähnliches könnten nicht die Annahme einer ausgelagerten Krankenpflege rechtfertigen.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit zum Teil vergleichsweise beigelegt haben, beantragt die Klägerin,
das Urteil des SG Dortmund vom 12.11.1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 20.08. bis 31.10.1997 11.886,-- DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Wortlaut des § 37 SGB V sei eindeutig.
Durch die Behandlungspflege in der Schule werde auch keine teure Krankenhausbehandlung vermieden. Soweit sich die Beigeladene im Haushalt ihrer Eltern aufhalte, werde die Pflege durch letztere erbracht, was zu einem Leistungsausschluss führe. Erst durch den Schulbesuch entstünde eine zusätzliche Pflegenotwendigkeit, deren Kosten die Klägerin im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages zu tragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden können, da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung auf eine solche Möglichkeit, deren Zulässigkeit aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1, 126, 127 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) folgt, hingewiesen worden ist.
Die auf einen Teil der Erstattungsforderung beschränkte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin der begehrte Erstattungsanspruch nicht zusteht. Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Danach ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 (SGB X) vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers
Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistungen des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Klägerin ist nicht gegenüber der Beklagten als nachrangig verpflichteter Leistungsträger tätig geworden, weil die Beklagte der Beigeladenen eine krankenpflegerische Versorgung während des Schulbesuchs nicht geschuldet hat.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch der versicherten Beigeladenen die ärztliche und zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung sowie medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Die Stellung einer Pflegeperson zur Kontrolle der Atmungsfähigkeit und Absaugens von Schleimsekreten in den Zeiten des Schulbesuchs der Beigeladenen fällt nicht unter diesen Katalog und zählt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur häuslichen Krankenpflege. Letztere erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V - Krankenhausersatzpflege). Des weiteren erhalten Versicherte nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege).
§ 37 Abs. 1 SGB V erfasst nur solche Sachverhalte, in denen eine an sich erforderliche Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) aus besonderen Gründen (etwa Bettenmangel) nicht durchgeführt werden kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 1 S. 5 f). Die Beigeladene bedarf jedoch nicht der Versorgung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses, da - wie die Vergangenheit gezeigt hat und was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eine ambulante Versorgung möglich und ausreichend ist.
Die Beigeladene hat aber auch keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte aus § 37 Abs. 2 SGB V, denn zum einen erstreckt sich die ser Anspruch nur auf die Behandlungssicherungspflege im häuslichen Bereich und zum anderen ist die Beklagte infolge der Versorgung der Beigeladenen durch ihre Mutter nach § 37 Abs. 3 SGB V von der Leistungspflicht befreit.
Die Ausdehnung des Begriffs der häuslichen Krankenpflege in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V auch auf die Versorgung während des Schulbesuchs widerspricht dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.
§ 37 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass im eigenen oder Familienhaushalt häusliche Krankenpflege zur Behandlungssicherung zu leisten ist. Die doppelte Verwendung der Worte "Haushalt" und "häuslich" belegt die Beschränkung der Versorgung auf diesen Bereich. Die Rechtsprechung hat daher schon zum früheren Recht (§ 185 Reichsversicherungsordnung - RVO -) die Auffassung vertreten, dass die ausdrückliche Nennung des Ortes der Leistungserbringung zu einer Beschränkung der Leistung auf den häuslichen Bereich führe (BSG SozR 2200 § 199 Nr. 3 S. 3). Dies mag zwar auch Leistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung umfassen, die zur Aufrechterhaltung des häuslichen Lebens unverzichtbar sind - kurze Spaziergänge zum "Luftschnappen", Wege zum Einkaufen etc. -, nicht aber hinsichtlich solcher Wege, die hiermit in keinem Zusammenhang stehen. Soweit die Klägerin darauf verweist, auch Wege zum Arzt würden dem Bereich des § 37 Abs. 2 SGB V zugerechnet (vgl. z.B. Hauck/Haines, Kommentar zum SGB V, Rdn. 22 zu § 37), rechtfertigt sich diese Auffassung aus dem Umstand, dass solche Wege dem Behandlungserfolg dienen, was auf Schulwege aber nicht zutrifft.
Auch die Entstehungsgeschichte zur Einführung der häuslichen Krankenpflege in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt diese einschränkende Auslegung. Nach der von 1911 bis 1977 geltenden Bestimmung des § 185 RVO, durch den die häusliche Krankenpflege erstmals kodifiziert worden ist, konnte die Kasse mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar war, oder ein wichtiger Grund vorlag, den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen. Durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27.06.1977 (BGBl. 1069) wurde zwar die Krankenhausersatzpflege zur Pflichtleistung erhoben (§ 185 Abs. 1 Satz 1 RVO), die Behandlungssicherungspflege blieb jedoch eine Satzungsleistung und konnte gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich war (§ 185 Abs. 1 Satz 2 RVO). Erst durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-AnpG 1990) vom 26.06.1990 (BGBl. 1211) wurde auch letztere Leistung zur Regelleistung in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt. Hintergrund hierfür war die Befürchtung, dass bei einer zu erwartenden Einstellung oder Einschränkung der Satzungsleistungen nach § 37 Abs. 2 SGB V durch die Krankenkassen mit einer wesentlich kostenaufwendigeren Leistungserbringung im Rahmen der ärztlichen Behandlung zu rechnen sei (BT-Drucks. 11/7343 S. 1). Eine außerhalb des Haushalts der Versicherten oder ihrer Familie zu erbringenden Leistung ist damit aber zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden und war bei der Ausgestaltung der Behandlungssicherungspflege als Regelleistung nicht angedacht. Dass der Begriff des Haushalts dabei in besonderen Sachverhaltsgestaltungen - z.B. bei geschiedenen oder alleinerziehenden Eltern und bei Betreuung des versicherten behandlungsbedürftigen Kindes in unterschiedlichen Haushalten - unter Umständen einer erweitern den Auslegung bedarf, rechtfertigt aber nicht, den im Gesetz bezeichneten häuslichen Bereich beliebig auf jeden Aufenthaltsort zu erweitern (a.A. Förster/Pampel-Jabrane, ZFSH/SGB 2000, 214 f; vgl. zum Bereich der sog. ausgelagerten Krankenversicherung auch Wannagat, Kommentar zum SGB V, Rdn. 10, 11 zu § 37; Zipperer, GKV-Komm. Rdn. 24a zu § 37 SGB V).
Schließlich erfordern auch Sinn und Zweck der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V keine entsprechend erweiternde Auslegung. Neben dem bereits erwähnten Kosteneinsparungseffekt sollte eine Konkretisierung des Leistungsinhalts erreicht werden (Begr. des Reg.-Entw. zu § 36 SGB V, BT-Drucks. 11/2237 S. 176). Schließlich ist die Sicherung des Behandlungserfolges bei einem Belassen des Versicherten in seiner gewohnten häuslichen Umgebung bezweckt (vgl. Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 19. Aufl., Rdn. 19 zu § 37; s.a. Igl, SGb 1999, 111, 112 hinsichtlich der gesetzgeberischen Motive zu § 185 RVO).
Die Ausdehnung der Leistungspflicht über den Wortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB hinaus stünde aber auch im Widerspruch zur beabsichtigten Leistungskonkretisierung, da sich die Grenzen behandlungspflegerischer Versorgung einerseits und rehabilitativer bzw. grundpflegerischer Maßnahmen andererseits bei Erstreckung der Leistungen i.S.d. § 37 Abs. 2 SGB V auf den außerhäuslichen Bereich kaum ziehen lassen.
Auch die Ermöglichung des weiteren Aufenthalts des behandlungsbedürftigen Versicherten in seiner häuslichen Umgebung besteht unabhängig von der Frage seiner behandlungspflegerischen Versorgung während des Schulbesuchs. Da letzterer für die Aufrechterhaltung des häuslichen Lebens ohne Bedeutung ist und vielmehr der Fortentwicklung dient (vgl. BSG SozR 3-3300 § 15 Nr. 8), hat seine Ermöglichung keine Auswirkung auf den Verbleib des Behandlungsbedürftigen im eigenen oder Familienhaushalt, denn seine Rückkehr dorthin wird nicht dadurch gefährdet, dass er während dieser außer häuslichen Aktivitäten keinen Versorgungsanspruch gegenüber der Krankenkasse besitzt. Aus diesem Grunde kann sich das Fehlen eines entsprechenden Behandlungsanspruchs auch nicht auf die Motivationslage des Versicherten bezüglich der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmaßnahmen auswirken und zu einer Kosteneinsparung beitragen (die Bundesregierung hat daher auch jüngst im Rahmen einer Anfrage zu entsprechenden Ansprüchen der Versicherten eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung verneint, vgl. BT-Drucks. 14/6758).
Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass im Rahmen des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V auch die Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gezählt worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; SozR 3-3300 § 15 Nr. 8 S. 29 f). Die Ziel setzungen zwischen der Hilfsmittelversorgung und der Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V sind nicht identisch; denn Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V besteht nicht allein zwecks Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, sondern auch zum Ausgleich der Behinderung selbst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 122, S. 126 und Nr. 27). Demgegenüber soll § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V das Belassen des Versicherten in seinem Haushalt ermöglichen, was mit der Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit in keinerlei Zusammenhang steht.
Soweit diese Unterscheidung als systemwidrig angesehen wird, weil die Krankenbehandlung vorrangige Aufgabe der Krankenversicherung ist und daher nicht der Eingliederungsbeihilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG zugerechnet werden dürfe (vgl. Förster/Pampel-Jabrane a.a.O., S. 21 ), wird übersehen, dass bei Behandlungsmaßnahmen zum Zweck bzw. während des Schulbesuchs die Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit ganz wesentlich im Vordergrund steht, welche aber zu den vorrangigen Aufgaben der Eingliederungshilfe zählt, sofern nicht die Bestimmungen über die allgemeine Schulpflicht, die nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen keine besonderen Regelungen enthalten, etwas anderes vorsehen.
Unabhängig davon wäre der Erstattungsanspruch der Klägerin auch dann nicht begründet, sofern die Leistungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V der hier von der Beklagten nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG gewährten Leistung vergleichbar wären (zu letzterem Erfordernis vgl. BSG SozR 3-1300 § 104 Nrn. 8, 9). Denn der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers aus § 104 Abs. 1 SGB X kann nicht weitergehen als derjenige des Versicherten selbst (BSG a.a.O.). Der Anspruch der Beigeladenen wäre aber nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, weil der Anspruch auf häusliche Krankenpflege danach nur besteht, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Mutter der Beigeladenen, die mit dieser in einem Haushalt lebt, übernimmt die Behandlungspflege jedoch, soweit die Beigeladene sich nicht in der Schule aufhält, so dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 SGB V erfüllt sind. Hinderungsgründe für eine entsprechende Versorgung der Beigeladenen durch die Mutter während des Schulbesuchs sind nicht ersichtlich, da letztere weder berufstätig ist noch weitere Kinder in diesem Zeit raum zu versorgen hat. Auch wenn § 37 Abs. 3 SGB V eng auszulegen ist und einen Anspruch nur dann ausschließt, wenn die Hilfe tatsächlich erbracht wird oder nur aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 2 S. 19 f), kann dies bei einer erweiternden Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB V nicht uneingeschränkt gelten. Andernfalls könnte die Vorschrift des § 37 Abs. 3 SGB V ohne weiteres dadurch umgangen werden, dass sich der Versicherte tagsüber regelmäßig außerhalb seines Haushaltes ohne Begleitung der Pflegeperson aufhält. Daher ist in solchen Fällen ein besonderer Grund für die Nichtdurchführbarkeit der Behandlungspflege im außerhäuslichen Bereich zu verlangen, sofern diese im Haushalt selbst gewährleistet wird. Ein solcher Grund ist hier jedoch nicht ersichtlich, denn die vorübergehende Abwesenheit aus dem Haushalt vermag angesichts des weiten Anwendungstatbestandes keine Ausnahme zu rechtfertigen.
Die Berufung musste daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten der Behandlungspflege der bei der Beklagten krankenversicherten Beigeladenen während des Schulbesuchs.
Die 1990 geborene Beigeladene leidet nach einer Frühgeburt u.a. an einer Bulbärparalyse (neurologische Krankheitsbilder infolge Schädigung motorischer Hirnnervenkerne) mit Schluckunfähigkeit bei Versorgung mit einem Tracheostoma (künstliche Öffnung der Luftröhre nach außen). Nachdem die Stadtärztin Dr. K ... die Schulfähigkeit der Beigeladenen trotz des Erfordernisses der Sondierung sowie des gelegentlichen Absaugens von schleimigen Sekreten festgestellt hatte, beantragte die Beigeladene durch ihre Mutter, die während des Aufenthalts der Beigeladenen im Haushalt ihrer Eltern die entsprechende Versorgung vornimmt, bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Pflegeperson während des Schulbesuchs, die wegen der akuten Erstickungsgefahr der Beigeladenen ständig zugegen sein müsse. Mit formlosem Bescheid vom 19.02.1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil eine Betreuungsperson in der Schule nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zähle. Darüber hinaus handele es sich um eine Grundpflegeleistung, die durch sie nur geschuldet werde, wenn ansonsten eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei oder dadurch nicht erforderlich oder abgekürzt werde.
Die Klägerin übernahm als Trägerin der Sozialhilfe durch Bescheid vom 18.08.1997 in Form der Vorausleistungen die Kosten der Pflege bei einem täglichen Schulbesuch von vier Stunden als Hilfe zur angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 Bundessozialhilfe gesetz - BSHG - i.V.m. § 12 Nr. 1 Durchführungs-VO zu § 47 BSHG). Am 28.11.1997 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 19.02.1997 ein und meldete ihren Erstattungsanspruch bezüglich der in der Zeit vom 20.08. bis 31.10.1997 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 11.886,-- DM an. Unter Auswertung beigezogener Pflegeprotokolle kam der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe zu dem Ergebnis, dass die Notwendigkeit des intratrachealen Absaugens per Katheter in einer schwankenden Frequenz zwischen 12- und 20-mal täglich medizinisch nachvollziehbar und die Anwesenheit einer Hilfsperson zur Durchführung dieser Tätigkeit bzw. Handgriffe 24 Stunden, rund um die Uhr, erforderlich sei. Bei Nichtabsaugen des Schleims drohe die Gefahr des Erstickens binnen weniger Minuten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück, weil sie nur häusliche Krankenpflege im Haushalt der Versicherten oder deren Familie schulde, nicht aber eine Behandlungspflege während des Schulbesuchs.
Die Klägerin hat am 22.12.1998 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund auf Aufhebung dieses Bescheides, Übernahme der Kosten einer persönlichen Betreuungsperson sowie Erstattung der ihr entstandenen Kosten erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, Voraussetzung für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege sei, dass der Versicherte im eigenen Haushalt oder dem der Familie wohne. Ein permanenter Aufenthalt an dem Ort, an dem die hauswirtschaftliche Versorgung erfolge, sei danach nicht erforderlich und infolge der allgemeinen gesetzlichen Schulpflicht auch nicht möglich. Die vorübergehende Abwesenheit vom Haushalt schliesse daher den Anspruch nicht aus. Dies entspreche auch der Auffassung, dass z.B. die Begleitung zum Arzt (zur Sicherung des Arztbesuches) der Behandlungspflege zuzurechnen sei.
Mit Urteil vom 12.11.1999 hat das SG die Klage abgewiesen, weil nach der eindeutigen gesetzlichen Bestimmung nur die Pflege im Haushalt selbst durch die gesetzliche Krankenversicherung geschuldet werde. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 22.12.1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 24.01.2000, Berufung eingelegt. Sie macht geltend, mit der Vorschrift des § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) habe der Gesetzgeber lediglich teure Krankenhausbehandlung vermeiden und verkürzen wollen. Nicht beabsichtigt sei jedoch das Erfordernis eines permanenten Aufenthalts am Ort der hauswirtschaftlichen Versorgung. Der Begriff Haushalt könne nicht räumlich/örtlich, sondern müsse abstrakt verstanden werden. Auch sonstige Aktivitäten zwecks Besuchs von Freunden und Verwandten und ähnliches könnten nicht die Annahme einer ausgelagerten Krankenpflege rechtfertigen.
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit zum Teil vergleichsweise beigelegt haben, beantragt die Klägerin,
das Urteil des SG Dortmund vom 12.11.1999 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 20.08. bis 31.10.1997 11.886,-- DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Wortlaut des § 37 SGB V sei eindeutig.
Durch die Behandlungspflege in der Schule werde auch keine teure Krankenhausbehandlung vermieden. Soweit sich die Beigeladene im Haushalt ihrer Eltern aufhalte, werde die Pflege durch letztere erbracht, was zu einem Leistungsausschluss führe. Erst durch den Schulbesuch entstünde eine zusätzliche Pflegenotwendigkeit, deren Kosten die Klägerin im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages zu tragen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Klägerin und Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden können, da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung auf eine solche Möglichkeit, deren Zulässigkeit aus dem Regelungsgehalt der §§ 110 Abs. 1, 126, 127 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) folgt, hingewiesen worden ist.
Die auf einen Teil der Erstattungsforderung beschränkte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin der begehrte Erstattungsanspruch nicht zusteht. Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), der hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Danach ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 (SGB X) vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers
Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistungen des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen (§ 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Klägerin ist nicht gegenüber der Beklagten als nachrangig verpflichteter Leistungsträger tätig geworden, weil die Beklagte der Beigeladenen eine krankenpflegerische Versorgung während des Schulbesuchs nicht geschuldet hat.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch der versicherten Beigeladenen die ärztliche und zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe, Krankenhausbehandlung sowie medizinische und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation sowie Belastungserprobung und Arbeitstherapie. Die Stellung einer Pflegeperson zur Kontrolle der Atmungsfähigkeit und Absaugens von Schleimsekreten in den Zeiten des Schulbesuchs der Beigeladenen fällt nicht unter diesen Katalog und zählt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zur häuslichen Krankenpflege. Letztere erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie neben der ärztlichen Behandlung durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V - Krankenhausersatzpflege). Des weiteren erhalten Versicherte nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in ihrem Haushalt oder ihrer Familie als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege).
§ 37 Abs. 1 SGB V erfasst nur solche Sachverhalte, in denen eine an sich erforderliche Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) aus besonderen Gründen (etwa Bettenmangel) nicht durchgeführt werden kann (vgl. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 1 S. 5 f). Die Beigeladene bedarf jedoch nicht der Versorgung mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses, da - wie die Vergangenheit gezeigt hat und was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - eine ambulante Versorgung möglich und ausreichend ist.
Die Beigeladene hat aber auch keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte aus § 37 Abs. 2 SGB V, denn zum einen erstreckt sich die ser Anspruch nur auf die Behandlungssicherungspflege im häuslichen Bereich und zum anderen ist die Beklagte infolge der Versorgung der Beigeladenen durch ihre Mutter nach § 37 Abs. 3 SGB V von der Leistungspflicht befreit.
Die Ausdehnung des Begriffs der häuslichen Krankenpflege in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V auch auf die Versorgung während des Schulbesuchs widerspricht dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.
§ 37 Abs. 2 SGB V bestimmt, dass im eigenen oder Familienhaushalt häusliche Krankenpflege zur Behandlungssicherung zu leisten ist. Die doppelte Verwendung der Worte "Haushalt" und "häuslich" belegt die Beschränkung der Versorgung auf diesen Bereich. Die Rechtsprechung hat daher schon zum früheren Recht (§ 185 Reichsversicherungsordnung - RVO -) die Auffassung vertreten, dass die ausdrückliche Nennung des Ortes der Leistungserbringung zu einer Beschränkung der Leistung auf den häuslichen Bereich führe (BSG SozR 2200 § 199 Nr. 3 S. 3). Dies mag zwar auch Leistungen auf Wegen außerhalb der Wohnung umfassen, die zur Aufrechterhaltung des häuslichen Lebens unverzichtbar sind - kurze Spaziergänge zum "Luftschnappen", Wege zum Einkaufen etc. -, nicht aber hinsichtlich solcher Wege, die hiermit in keinem Zusammenhang stehen. Soweit die Klägerin darauf verweist, auch Wege zum Arzt würden dem Bereich des § 37 Abs. 2 SGB V zugerechnet (vgl. z.B. Hauck/Haines, Kommentar zum SGB V, Rdn. 22 zu § 37), rechtfertigt sich diese Auffassung aus dem Umstand, dass solche Wege dem Behandlungserfolg dienen, was auf Schulwege aber nicht zutrifft.
Auch die Entstehungsgeschichte zur Einführung der häuslichen Krankenpflege in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigt diese einschränkende Auslegung. Nach der von 1911 bis 1977 geltenden Bestimmung des § 185 RVO, durch den die häusliche Krankenpflege erstmals kodifiziert worden ist, konnte die Kasse mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar war, oder ein wichtiger Grund vorlag, den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen. Durch das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27.06.1977 (BGBl. 1069) wurde zwar die Krankenhausersatzpflege zur Pflichtleistung erhoben (§ 185 Abs. 1 Satz 1 RVO), die Behandlungssicherungspflege blieb jedoch eine Satzungsleistung und konnte gewährt werden, wenn dies zur Sicherung der ärztlichen Behandlung erforderlich war (§ 185 Abs. 1 Satz 2 RVO). Erst durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-AnpG 1990) vom 26.06.1990 (BGBl. 1211) wurde auch letztere Leistung zur Regelleistung in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestimmt. Hintergrund hierfür war die Befürchtung, dass bei einer zu erwartenden Einstellung oder Einschränkung der Satzungsleistungen nach § 37 Abs. 2 SGB V durch die Krankenkassen mit einer wesentlich kostenaufwendigeren Leistungserbringung im Rahmen der ärztlichen Behandlung zu rechnen sei (BT-Drucks. 11/7343 S. 1). Eine außerhalb des Haushalts der Versicherten oder ihrer Familie zu erbringenden Leistung ist damit aber zu keinem Zeitpunkt angesprochen worden und war bei der Ausgestaltung der Behandlungssicherungspflege als Regelleistung nicht angedacht. Dass der Begriff des Haushalts dabei in besonderen Sachverhaltsgestaltungen - z.B. bei geschiedenen oder alleinerziehenden Eltern und bei Betreuung des versicherten behandlungsbedürftigen Kindes in unterschiedlichen Haushalten - unter Umständen einer erweitern den Auslegung bedarf, rechtfertigt aber nicht, den im Gesetz bezeichneten häuslichen Bereich beliebig auf jeden Aufenthaltsort zu erweitern (a.A. Förster/Pampel-Jabrane, ZFSH/SGB 2000, 214 f; vgl. zum Bereich der sog. ausgelagerten Krankenversicherung auch Wannagat, Kommentar zum SGB V, Rdn. 10, 11 zu § 37; Zipperer, GKV-Komm. Rdn. 24a zu § 37 SGB V).
Schließlich erfordern auch Sinn und Zweck der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V keine entsprechend erweiternde Auslegung. Neben dem bereits erwähnten Kosteneinsparungseffekt sollte eine Konkretisierung des Leistungsinhalts erreicht werden (Begr. des Reg.-Entw. zu § 36 SGB V, BT-Drucks. 11/2237 S. 176). Schließlich ist die Sicherung des Behandlungserfolges bei einem Belassen des Versicherten in seiner gewohnten häuslichen Umgebung bezweckt (vgl. Mengert in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 19. Aufl., Rdn. 19 zu § 37; s.a. Igl, SGb 1999, 111, 112 hinsichtlich der gesetzgeberischen Motive zu § 185 RVO).
Die Ausdehnung der Leistungspflicht über den Wortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB hinaus stünde aber auch im Widerspruch zur beabsichtigten Leistungskonkretisierung, da sich die Grenzen behandlungspflegerischer Versorgung einerseits und rehabilitativer bzw. grundpflegerischer Maßnahmen andererseits bei Erstreckung der Leistungen i.S.d. § 37 Abs. 2 SGB V auf den außerhäuslichen Bereich kaum ziehen lassen.
Auch die Ermöglichung des weiteren Aufenthalts des behandlungsbedürftigen Versicherten in seiner häuslichen Umgebung besteht unabhängig von der Frage seiner behandlungspflegerischen Versorgung während des Schulbesuchs. Da letzterer für die Aufrechterhaltung des häuslichen Lebens ohne Bedeutung ist und vielmehr der Fortentwicklung dient (vgl. BSG SozR 3-3300 § 15 Nr. 8), hat seine Ermöglichung keine Auswirkung auf den Verbleib des Behandlungsbedürftigen im eigenen oder Familienhaushalt, denn seine Rückkehr dorthin wird nicht dadurch gefährdet, dass er während dieser außer häuslichen Aktivitäten keinen Versorgungsanspruch gegenüber der Krankenkasse besitzt. Aus diesem Grunde kann sich das Fehlen eines entsprechenden Behandlungsanspruchs auch nicht auf die Motivationslage des Versicherten bezüglich der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmaßnahmen auswirken und zu einer Kosteneinsparung beitragen (die Bundesregierung hat daher auch jüngst im Rahmen einer Anfrage zu entsprechenden Ansprüchen der Versicherten eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung verneint, vgl. BT-Drucks. 14/6758).
Gegenteiliges lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass im Rahmen des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33 SGB V auch die Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gezählt worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 182 Nr. 73; SozR 3-3300 § 15 Nr. 8 S. 29 f). Die Ziel setzungen zwischen der Hilfsmittelversorgung und der Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V sind nicht identisch; denn Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V besteht nicht allein zwecks Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, sondern auch zum Ausgleich der Behinderung selbst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 122, S. 126 und Nr. 27). Demgegenüber soll § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V das Belassen des Versicherten in seinem Haushalt ermöglichen, was mit der Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit in keinerlei Zusammenhang steht.
Soweit diese Unterscheidung als systemwidrig angesehen wird, weil die Krankenbehandlung vorrangige Aufgabe der Krankenversicherung ist und daher nicht der Eingliederungsbeihilfe nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG zugerechnet werden dürfe (vgl. Förster/Pampel-Jabrane a.a.O., S. 21 ), wird übersehen, dass bei Behandlungsmaßnahmen zum Zweck bzw. während des Schulbesuchs die Aufrechterhaltung der Schulfähigkeit ganz wesentlich im Vordergrund steht, welche aber zu den vorrangigen Aufgaben der Eingliederungshilfe zählt, sofern nicht die Bestimmungen über die allgemeine Schulpflicht, die nach dem Recht des Landes Nordrhein-Westfalen keine besonderen Regelungen enthalten, etwas anderes vorsehen.
Unabhängig davon wäre der Erstattungsanspruch der Klägerin auch dann nicht begründet, sofern die Leistungen nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V der hier von der Beklagten nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG gewährten Leistung vergleichbar wären (zu letzterem Erfordernis vgl. BSG SozR 3-1300 § 104 Nrn. 8, 9). Denn der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers aus § 104 Abs. 1 SGB X kann nicht weitergehen als derjenige des Versicherten selbst (BSG a.a.O.). Der Anspruch der Beigeladenen wäre aber nach § 37 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, weil der Anspruch auf häusliche Krankenpflege danach nur besteht, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Die Mutter der Beigeladenen, die mit dieser in einem Haushalt lebt, übernimmt die Behandlungspflege jedoch, soweit die Beigeladene sich nicht in der Schule aufhält, so dass die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 SGB V erfüllt sind. Hinderungsgründe für eine entsprechende Versorgung der Beigeladenen durch die Mutter während des Schulbesuchs sind nicht ersichtlich, da letztere weder berufstätig ist noch weitere Kinder in diesem Zeit raum zu versorgen hat. Auch wenn § 37 Abs. 3 SGB V eng auszulegen ist und einen Anspruch nur dann ausschließt, wenn die Hilfe tatsächlich erbracht wird oder nur aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 37 Nr. 2 S. 19 f), kann dies bei einer erweiternden Auslegung des § 37 Abs. 2 SGB V nicht uneingeschränkt gelten. Andernfalls könnte die Vorschrift des § 37 Abs. 3 SGB V ohne weiteres dadurch umgangen werden, dass sich der Versicherte tagsüber regelmäßig außerhalb seines Haushaltes ohne Begleitung der Pflegeperson aufhält. Daher ist in solchen Fällen ein besonderer Grund für die Nichtdurchführbarkeit der Behandlungspflege im außerhäuslichen Bereich zu verlangen, sofern diese im Haushalt selbst gewährleistet wird. Ein solcher Grund ist hier jedoch nicht ersichtlich, denn die vorübergehende Abwesenheit aus dem Haushalt vermag angesichts des weiten Anwendungstatbestandes keine Ausnahme zu rechtfertigen.
Die Berufung musste daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) die Revision zugelassen.
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