L 16 KR 7/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KR 22/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 7/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 15. Dezember 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Gewährung einer Brustvergrößerungsoperation.

Die 1955 geborene Klägerin, die verheiratet und Mutter von vier Kindern ist, beantragte gestützt auf eine Verordnung der Frauenärztin Dr. Hxxxx, die den Zusatz "nur gültig mit Kostenübernahme stempel der Krankenkasse" trug, die Durchführung einer "subpektoralen Augmentation beidseits" zu bewilligen. Der Oberarzt der Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der RWTH xxxxxx, Dr. Fxxxxx, bescheinigte eine Mammahypotrophie und Ptosis mammae beidseits bei Hühnerbrust und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Gxxx-Gxxxx attestierte infolge der Brustbeschaffen heit eine erhebliche Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, weswegen in den letzten Jahren phasenweise rezidivierende Depressionen bestanden hätten. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein - Dr. Lxxxxxx - verneinte in seinem Gutachten vom 15.09.1999 die Voraussetzungen für die Bewilligung der begehrten Operation, weil die Mammahypotrophie mit Ptosis selbst keinen Krankheitswert habe und die psychiatrische Indikation keinen Anspruch auf den entsprechenden operativen Eingriff begründe. Mit Bescheid vom 25.10.1999 lehnte die Beklagte den Antrag daraufhin ab.

Die Klägerin legte am 05.11.1999 Widerspruch ein und machte geltend, die begehrte Operation ziele nicht allein auf eine Veränderung ihres äußeren Aussehens, sondern sei erforderlich zur Beseitigung der schwerwiegenden Einwirkungen auf ihre Psyche infolge der Brustbeschaffenheit. In einem weiteren Attest vom 07.12.1999 bescheinigte Dr. Gxxx-Gxxxx ein herabgesetztes Selbstwertgefühl, Rückzugstendenzen und Grübelneigung bei anhaltender traurig gedrückter Verstimmung als Folge der nach vier Schwangerschaften und Entbindungen eingetretenen Verbildung der Mammae. Das depressive Syndrom habe durch konfliktzentrierte und persönlichkeitsstärkende Gespräche nicht nachhaltig positiv beeinflusst werden können, so dass eine wiederherstellende Brustoperation erforderlich sei, um die psychiatrische Therapie zum Erfolg zu führen.

Nach einem weiteren Gutachten vom 13.12.1999 sah der MDK Nordrhein - Dr. Bxxxxxxxxxx - gleichwohl keine Indikation zur Durchführung einer Mamma-Augmentation, weil nach einer Gewichtszunahme bei derzeit bestehendem Untergewicht voraussichtlich eine Gewichtszunahme der Mammae einträte, und die Eßstörung und Selbstwertproblematik weiterhin psychotherapeutisch behandelt werden sollten.

Die Klägerin hat am 28.03.2000 vor dem Sozialgericht - SG - Aachen Klage erhoben. Sie hat bestritten, dass durch eine Gewichtszunahme ihre Probleme behoben werden könnten, und die Auffassung vertreten, allein die Brustvergrößerung sei geeignet, ihre reaktiven Depressionen zu heilen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2000 hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil die Krankenbehandlung an der eigentlichen Krankheit ansetzen müsse und die psychischen Störungen der Klägerin daher entsprechend mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln seien.

Die Klägerin hat des weiteren eine Bescheinigung der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hxxxxxx vom 08.12.2000 vorgelegt, wonach bei ihr seit ca. zehn Jahren eine auf die Mammahypotrophie zurückzuführende Depression bestehe und zur Vorbeugung einer weiteren Verschlechterung des psychischen Zustandes eine operative Brustvergrößerung indiziert sei.

Mit Urteil vom 15.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 12.01.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.01.2001 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, ihr körperlicher Zustand - krankhafte Verkleinerung der Brust - stelle einen Zustand von Krankheitswert dar. Die Brustvergrößerungsoperation könne allein die durch diesen krankhaften Zustand ausgelösten psychischen Störungen beseitigen. Zwischen ihrer psychischen Störung und der krankhaften Verkleinerung der Brust bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang. Da die Psychotherapie zu keinerlei Besserung bei ihr geführt habe, setze die begehrte Operation an der eigentlichen Krankheit direkt an.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Aachen vom 15.12.2000 zum Az.: S 6 KR 22/00 zu verurteilen, ihr eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Da die Berufsrichter des Senats übereinstimmend dieser Auffassung sind und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachten, macht der Senat nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten (21.03.2001) von der Möglichkeit des § 153 Abs. 4 SGG Gebrauch, das Rechtsmittel der Klägerin im Beschlussverfahren zurückzuweisen.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin kein Anspruch auf die begehrte operative Versorgung zusteht.

Die vertragsärztliche Verordnung der streitigen Operation, die ohnehin auf das Genehmigungserfordernis seitens der Krankenkasse verwiesen hat, begründet den Anspruch der Klägerin nicht, weil die entsprechende Krankenhausbehandlung zu den Leistungen zählt, deren Bewilligung außer in Notfällen der Krankenkasse vorbehalten ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5).

Die Beklagte schuldet der Klägerin die begehrte Operation nicht als Krankenbehandlung. Krankheit ist i.S.d. gesetzlichen Krankenversicherung ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Rdn. 4 zu § 27 SGB V). Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die Beschaffenheit der Brust der Klägerin nicht erfüllt, da hierdurch keinerlei körperliche Beschwerden bei der Klägerin hervorgerufen werden, was sowohl aufgrund der Gutachten des MDK, die der Senat urkundsbeweislich gewürdigt hat, als auch der Bescheinigung des Oberarztes Dr. Fxxxxx zur Überzeugung des Senates feststeht, da nach den Ausführungen der gehörten Ärzte sich weder auf orthopädischem Gebiet noch im Bereich der Lungenfunktion Einschränkungen von Krankheitswert bei der Klägerin feststellen lassen. Die behandelnden Ärzte haben daher auch die Notwendigkeit der Operation allein mit den psychischen Beschwerden der Klägerin begründet, die sich bisher als therapieresistent erwiesen haben.

Die Möglichkeit der günstigen Beeinflussung der psychischen Störung durch die Brustoperation begründet die Leistungspflicht der Beklagten insoweit jedoch nicht, weil sie nur solche Krankenbehandlungsmaßnahmen schuldet, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5; SozR 3-2200 § 182 Nr. 14). Psychische Störungen sind danach in der Regel nur mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln (BSG wie vor).

Eine Ausnahme hiervon gilt im Fall der Klägerin nicht deshalb, weil entsprechende Therapien bislang erfolglos waren. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass in Zukunft eine Heilung der Erkrankung der Klägerin mittels psychiatrischer, psychotherapeutischer Behandlung ausgeschlossen ist, denn dies haben weder die behandelnden Ärztinnen für Neurologie und Psychotherapie Dr. Gxxx- Gxxxx und Dr. Hxxxxxx bescheinigt, noch geben die Gutachten des MDK hierfür einen Hinweis.

Selbst wenn aber die psychogenen Störungen der Klägerin allein mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie nicht heilbarwären, schuldete die Beklagte nicht die begehrte Operation. Anderenfalls wäre bei psychischer Fixierung auf gewünschte äußere Veränderungen eine Grenzziehung hinsichtlich der Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme kostspieliger Schönheitsoperationen kaum möglich und zum anderen könnten unabsehbare Folgekosten auf die Krankenkassen zukommen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14).

Etwas anderes gilt schließlich auch nicht deshalb, weil bei der Klägerin infolge der Mammahypotrophie und der Ptosis mammae bei Hühnerbrust eine normabweichende Physis besteht. Diese Anomalie selbst begründet, wie bereits dargelegt, keine Behandlungsbedürftigkeit, so dass die Behebung der Anomalie nur mittelbar der Einwirkung auf anderweitige Krankheitsbilder dient, wofür die Krankenkassen aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht einzustehen haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5).

Bei dieser Sach- und Rechtslage bestand kein Anlass für den Senat zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, wie von der Klägerin hilfsweise zur Beurteilung ihrer Erkrankung und deren Behandelbarkeit beantragt worden ist.

Die Berufung musste vielmehr mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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