Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 44 KR 221/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 93/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 22/02 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27.04.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Beitragssatzes zur freiwilligen Krankenversicherung während der Freistellungsphase nach dem Altersteilzeitgesetz.
Der 1939 geborene Kläger, Mitglied der Beklagten, vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin, der ... GmbH, einen Altersteilzeitvertrag, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01. Februar 1997 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt und am 30.06.2001 ohne Kündigung enden sollte. Nach Aktenlage war der Kläger im Jahre 1997 arbeitsunfähig krank und bezog Krankengeld vom 16.05. bis 06.06.1997. Die Freistellungsphase begann ab 01.05.1999. Ab diesem Zeitpunkt beantragte der Kläger eine Ermäßigung des Beitragssatzes mit der Begründung, er könne während der Zeit der Freistellung kein Krankengeld beziehen. Darüber hinaus habe er im August 1999 einen finanziellen Verlust erlitten.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000 - ergangen auf den Widerspruch des Klägers vom 28.10.1999 - entschied die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte, der Krankenversicherungsbeitrag sei während der Freistellungsphase nach dem allgemeinen Beitragssatz zu berechnen. Die Voraussetzungen des § 243 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wonach der Krankenversicherungsbeitrag nach dem ermäßigten Beitragssatz zu berechnen wäre, seien vorliegend nicht erfüllt. Der Gesetzgeber habe während der Freistellungsphase einen Ausschluss des Krankengeldanspruchs nicht vorgesehen. Im Gegenteil werde in § 49 SGB V ausdrücklich des Ruhen des Krankengeldanspruchs unter den dort genannten Voraussetzungen angeordnet.
Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2000 Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000 zu verurteilen, seine Krankenversicherungsbeiträge in der Zeit seiner Freistellung vom 01.05.1999 bis zum 30.06.2001 nach dem ermäßigten Beitragssatz zu berechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Urteil vom 27.04.2001, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 10.05.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.05.2001 Berufung eingelegt. Die Regelungen der §§ 241 bis 243 SGB V seien Ausdruck des Äquivalenzgedankens, dem das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen zur Einmalzahlung eine maßgebliche Rolle beigemessen habe. Dieser Gesichtspunkt sei auch bei der Auslegung der Bestimmungen der §§ 241 ff. zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. April 2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Betriebskrankenkasse der ... Holding AG, vom 07.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 05.07.2000 ist rechtmäßig. Die Entscheidung, dass der Krankenversicherungsbeitrag für den Kläger während der Freistellungsphase nach dem allgemeinen Beitragssatz zu berechnen ist und die Voraussetzungen für eine Beitragsermäßigung nicht erfüllt sind, ist rechtmäßig.
Im streitigen Zeitraum vom 01.05.1999 bis zum 30.06.2001 befand sich der Kläger als Altersteilzeit-Arbeitnehmer in der Freistellungsphase gemäss § 2 Ziffer 2 zweiter Absatz des zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin geschlossenen Altersteilzeitvertrages. Die Arbeitsvertragsparteien haben mit dieser Regelung eines Freizeitblockes das Modell der sogenannten diskontinuierlichen Verteilung gewählt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Altersteilzeit-Gesetzes (ATG) erstreckt sich die Beschäftigung im Sinne des § 7 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) auf den gesamten Zeitraum der Altersteilzeitarbeit - hier also die Zeit vom 01. Februar 1997 bis 30. Juni 2001 - (Grüner-Dalichaus, VRG/Altersteilzeit gesetz, Stand Januar 2002, Kommentar ATG 1.1, § 1 Altersteilzeitgesetz (1996) Seite 13 und § 2 Altersteilzeitgesetz (1996) Seite 4a). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass vorliegend die Voraussetzungen einer Beschäftigung gegen Entgelt während der Freistellung gemäss § 7 Abs. 1a SGB IV (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1998 durch Artikel 1 Nr. 1 Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998 (BGBl I. 688), anwendbar gemäss Artikel 12 Abs. 1 des Gesetzes vom 06.04.1998 auch auf Sachverhalte, die vor diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben) erfüllt sind.
Für die Altersteilzeitarbeit gelten grundsätzlich dieselben sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, wie dies bei anderen Arbeitsverhältnissen, insbesondere Vollzeitarbeitsverhältnissen, der Fall ist (so auch Grüner- Dalichau, a.a.O., § 1 Altersteilzeitgesetz (1996) S. 12). Auch der Beitragssatz des Altersteilzeit-Arbeitnehmers richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 241 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Somit kommt auch die Vorschrift über Beitragsermäßigungen des § 243 SGB V zur Anwendung, welche die Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Beitragssatzes zwingend regelt (Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2002, § 241 SGB V Randziffer 8 und § 243 SGB V Randziffer 2 und 3). § 243 Abs. 1 SGB V normiert zwei Fälle einer zulässigen und gebotenen Ermäßigung. Der zweite Ermäßigungsfall, dass die Krankenkasse aufgrund der Vorschriften des SGB V für einzelne Mitgliedsgruppen den Leistungsumfang beschränkt, ist hier unstreitig nicht einschlägig. Der erste Ermäßigungsfall liegt vor, wenn "kein Anspruch auf Krankengeld besteht". Auch diese Voraussetzung ist im Falle des Klägers nicht erfüllt. Denn der Kläger ist während des gesamten Zeitraumes der vereinbarten Altersteilzeitarbeit, auch während der Freizeitphase, nicht ohne Anspruch auf Krankengeld versichert. Sein Anspruch auf Krankengeld ruht lediglich, soweit und solange für Zeiten einer Freistellung von den Arbeitsleistungen (§ 7 Abs. 1a des Vierten Buches) eine Arbeitsleistung nicht geschuldet wird (§ 49 Abs. 1 Ziffer 6 SGB V) bzw. soweit und solange der Kläger beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält (§ 49 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V).
Sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der Gesetzessystematik führt das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld zu keiner Ermäßigung des Beitragssatzes. Dies gilt selbst dann, wenn von vornherein für einen bestimmten Zeitraum der Leistungsanspruch in erheblichem Umfang ruht (so auch Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Kommentar, Stand August 2001, § 243 SGB V Randziffern 2 und 8). Diese Wertung findet sich auch in den Gesetzesmotiven (siehe Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - Gesundheits-Reformgesetz - GRG in BT-Drucksache 11/2237 Seite 225), wonach die Vorschrift Beitragsermäßigungen nur noch für Mitglieder vorsieht, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben oder bei denen die Krankenkasse den Leistungsumfang beschränkt hat: "Ein Ruhen von Leistungsansprüchen führt nicht zu einer Beitragssatzermäßigung, da die Ansprüche aus der Familienversicherung nach § 10 weiterbestehen".
Dass der Anspruch auf Krankengeld sowohl ruht, soweit und solange der Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält, als auch für Zeiten einer Freistellungsphase - in der eine Arbeitsleistung nicht geschuldet, gleichwohl aber Arbeitsentgelt fällig wird - deckt sich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, eine Übersicherung zu vermeiden. Der Doppelbezug von zweckidentischen Leistungen ist sozialpolitisch unerwünscht und wird sogar als nicht gerechtfertigte Begünstigung angesehen (vgl. BVerfGE 31, 185, 189 ff. = SozR Nr. 18 zu Art. 14 GG; BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 3 S. 8 m.w.N.). Auch in der Phase der Freistellung von der Arbeitsleistung aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung besteht dementsprechend keine Veranlassung, die Lohnersatzleistung Krankengeld auszuzahlen. Folge des gesetzlich angeordneten Ruhens ist, dass das Stammrecht auf die Leistung zwar bestehen bleibt, aber der Anspruch nicht erfüllt und die Leistung nicht ausgezahlt werden darf (Höfler in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 49 SGB V Randziffer 22 mit Rechtssprechungszitaten).
Dem Begehren des Klägers stehen das Gesetz und damit die übereinstimmende Satzung der Beklagten entgegen. Der Gesetzgeber hat weder durch die vorgenannte Regelung des § 7 Abs. 1a SGB IV noch durch die Einfügung der neuen Norm des § 23b SGB IV über beitragspflichtige Einnahmen bei flexiblen Arbeitszeitregelungen (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1998 durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998) eine Rechtsgrundlage für die beanspruchte Privilegierung geschaffen.
Der bestehende beschriebene Rechtszustand begegnet nach Auffassung des Senats auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn zum einen tritt die Ruhenswirkung des Anspruchs auf Krankengeld nur zeitlich befristet ein bis zum Ende des (Altersteilzeit-)Arbeitsverhältnisses. Wäre der Kläger nach dem 30.06.2001 (weiterhin) krank gewesen, wären die Ruhenstatbestände des § 49 Abs. 1 Ziffer 1 und 6 SGB V entfallen. Zum anderen darf nicht unbeachtet bleiben, dass bei Altersteilzeit das aufgrund flexibler Arbeitszeitregelungen erzielte Arbeitsentgelt teilweise in der Arbeits- und teilweise in der Freistellungsphase gezahlt wird und die Verteilung der Arbeitszeit in der Sphäre des Versicherten und seines Arbeitgebers liegt. Insofern erscheint es dem Senat nicht geboten oder gerechtfertigt, dem Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der eine diskontinuierliche Verteilung der Arbeitszeit gewählt hat, anders zu behandeln als den Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der etwa während des gesamten Zeitraums der Altersteilzeitarbeit halbschichtig arbeitet. Bei dem insofern relevanten Vergleich des Arbeitnehmers mit "verblockter" Altersteilzeit zu dem Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der das Modell der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 2 Abs. 2 Ziffer 1 ATG 1996) wählt, ist weder eine Störung des Äquivalenzprinzips noch eine Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz festzustellen. Auch wenn sich im Falle des Klägers die von ihm gewählte Freizeitphase über einen längeren Zeitraum erstreckt, erfordert das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht einen Anspruch des Klägers auf Beitragssatzermäßigung. Denn im Versicherungszweig der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung im Sinne einer Äquivalenz nur schwach ausgeprägt und hat der Grundsatz des sozialen Ausgleichs (Solidaritätsprinzip) erhebliche Bedeutung. Danach ist es Aufgabe der Solidargemeinschaft, die bei den verschiedenen Versicherten bestehenden ungleichen Risiken auszugleichen, wobei der Ausgleich der gesamten Solidargemeinschaft obliegt und nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Individuelle Verschiedenheiten des leistungsrechtlichen Risikos bleiben bei der Beitragsgestaltung prinzipiell unberücksichtigt. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht bei freiwilligen Mitgliedern (BSG, Urteil vom 23.03.1993 - SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 - NZS 1993, 544) und bei Pflichtmitgliedern (BSG, Urteil vom 23.06.1994 - SozR 3-2500 § 243 Nr. 3) im Falle eines selbst mehrmonatigen Ruhens des Leistungsanspruchs wegen Auslandsaufenthalts den Anspruch auf Beitragsermäßigung verneint. Entgegen der Auffassung des Klägers hält die bestehende Rechtslage auch einer verfahrensrechtlichen Beurteilung anhand des strengen Prüfungsmaßstabes stand, den das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur Heranziehung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen ohne gleichzeitige Berücksichtigung bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen (BVerfG vom 11.01.1995 - SozR 3-2200 § 385 Nr. 6 - BVerfGE 92,53 - 74) und zum Einmalzahlungs-Gesetz (BVerfG vom 24.05.2000 - SozR 3-2400 § 23a Nr. 1 - BVerfGE 102, 127 - 146) aufgestellt hat. Dort hat das Verfassungsgericht entschieden, dass ein Verstoss gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz jedenfalls dann vorliegt, wenn für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich ist (Orientierungssatz 3a in der Entscheidung vom 11.01.1995 a.a.O.). Vergleichsmaßstab muss aber, wie bereits dargelegt, ein Altersteilzeit-Arbeitnehmer mit täglich verminderter Stundenzahl sein, der, ebenso wie der Kläger, bei Eintritt von Krankheit während des gesamten Zeitraumes der Altersteilzeitarbeit einen gesicherten Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Krankengeld in entsprechender Höhe hat. Entsprechend gesichert ist der Kläger, der während der Phase der Vollzeitarbeit einen gesicherten Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Krankengeld und während des Freizeitblocks Anspruch auf das angesammelte Arbeitsentgelt aus vorgeleisteter Arbeit hat. Der Umstand, dass im Falle einer diskontinuierlichen Verteilung der Arbeitszeit während der Freistellungphase der Anspruch auf Krankengeld ruht - weil es andernfalls zu der nicht gewünschten Konsequenz einer Übersicherung käme - resultiert einzig und allein aus der von den Arbeitsvertragsparteien gewählten Verteilung der Arbeitszeit. Wegen der Ansammlung eines Wertguthabens aus der für Zwecke der späteren Freistellung vorgeleisteten Arbeit und der entsprechenden Fälligkeit des jeweiligen anteiligen Arbeitsentgelts in der Freistellungsphase kann der grundsätzlich bestehen bleibende Anspruch auf Krankengeld nicht erfüllt und darf die Leistung nicht ausgezahlt werden. Insofern besteht bei gleicher Beitragsleistung von Altersteilzeit-Arbeitnehmern mit kontinuierlicher wie diskontinuierlicher Verteilung der Arbeitszeit ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Realisierbarkeit des Leistungsanspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 144 Abs. 2 Ziffer 2 SGG zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des Beitragssatzes zur freiwilligen Krankenversicherung während der Freistellungsphase nach dem Altersteilzeitgesetz.
Der 1939 geborene Kläger, Mitglied der Beklagten, vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin, der ... GmbH, einen Altersteilzeitvertrag, wonach das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 01. Februar 1997 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt und am 30.06.2001 ohne Kündigung enden sollte. Nach Aktenlage war der Kläger im Jahre 1997 arbeitsunfähig krank und bezog Krankengeld vom 16.05. bis 06.06.1997. Die Freistellungsphase begann ab 01.05.1999. Ab diesem Zeitpunkt beantragte der Kläger eine Ermäßigung des Beitragssatzes mit der Begründung, er könne während der Zeit der Freistellung kein Krankengeld beziehen. Darüber hinaus habe er im August 1999 einen finanziellen Verlust erlitten.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000 - ergangen auf den Widerspruch des Klägers vom 28.10.1999 - entschied die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte, der Krankenversicherungsbeitrag sei während der Freistellungsphase nach dem allgemeinen Beitragssatz zu berechnen. Die Voraussetzungen des § 243 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) wonach der Krankenversicherungsbeitrag nach dem ermäßigten Beitragssatz zu berechnen wäre, seien vorliegend nicht erfüllt. Der Gesetzgeber habe während der Freistellungsphase einen Ausschluss des Krankengeldanspruchs nicht vorgesehen. Im Gegenteil werde in § 49 SGB V ausdrücklich des Ruhen des Krankengeldanspruchs unter den dort genannten Voraussetzungen angeordnet.
Hiergegen hat der Kläger am 14.07.2000 Klage erhoben und beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.07.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2000 zu verurteilen, seine Krankenversicherungsbeiträge in der Zeit seiner Freistellung vom 01.05.1999 bis zum 30.06.2001 nach dem ermäßigten Beitragssatz zu berechnen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Urteil vom 27.04.2001, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am 10.05.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.05.2001 Berufung eingelegt. Die Regelungen der §§ 241 bis 243 SGB V seien Ausdruck des Äquivalenzgedankens, dem das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen zur Einmalzahlung eine maßgebliche Rolle beigemessen habe. Dieser Gesichtspunkt sei auch bei der Auslegung der Bestimmungen der §§ 241 ff. zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 27. April 2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Betriebskrankenkasse der ... Holding AG, vom 07.10.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 05.07.2000 ist rechtmäßig. Die Entscheidung, dass der Krankenversicherungsbeitrag für den Kläger während der Freistellungsphase nach dem allgemeinen Beitragssatz zu berechnen ist und die Voraussetzungen für eine Beitragsermäßigung nicht erfüllt sind, ist rechtmäßig.
Im streitigen Zeitraum vom 01.05.1999 bis zum 30.06.2001 befand sich der Kläger als Altersteilzeit-Arbeitnehmer in der Freistellungsphase gemäss § 2 Ziffer 2 zweiter Absatz des zwischen ihm und seiner Arbeitgeberin geschlossenen Altersteilzeitvertrages. Die Arbeitsvertragsparteien haben mit dieser Regelung eines Freizeitblockes das Modell der sogenannten diskontinuierlichen Verteilung gewählt. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 des Altersteilzeit-Gesetzes (ATG) erstreckt sich die Beschäftigung im Sinne des § 7 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) auf den gesamten Zeitraum der Altersteilzeitarbeit - hier also die Zeit vom 01. Februar 1997 bis 30. Juni 2001 - (Grüner-Dalichaus, VRG/Altersteilzeit gesetz, Stand Januar 2002, Kommentar ATG 1.1, § 1 Altersteilzeitgesetz (1996) Seite 13 und § 2 Altersteilzeitgesetz (1996) Seite 4a). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass vorliegend die Voraussetzungen einer Beschäftigung gegen Entgelt während der Freistellung gemäss § 7 Abs. 1a SGB IV (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1998 durch Artikel 1 Nr. 1 Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998 (BGBl I. 688), anwendbar gemäss Artikel 12 Abs. 1 des Gesetzes vom 06.04.1998 auch auf Sachverhalte, die vor diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben) erfüllt sind.
Für die Altersteilzeitarbeit gelten grundsätzlich dieselben sozialversicherungsrechtlichen Regelungen, wie dies bei anderen Arbeitsverhältnissen, insbesondere Vollzeitarbeitsverhältnissen, der Fall ist (so auch Grüner- Dalichau, a.a.O., § 1 Altersteilzeitgesetz (1996) S. 12). Auch der Beitragssatz des Altersteilzeit-Arbeitnehmers richtet sich nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 241 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Somit kommt auch die Vorschrift über Beitragsermäßigungen des § 243 SGB V zur Anwendung, welche die Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Beitragssatzes zwingend regelt (Peters in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Januar 2002, § 241 SGB V Randziffer 8 und § 243 SGB V Randziffer 2 und 3). § 243 Abs. 1 SGB V normiert zwei Fälle einer zulässigen und gebotenen Ermäßigung. Der zweite Ermäßigungsfall, dass die Krankenkasse aufgrund der Vorschriften des SGB V für einzelne Mitgliedsgruppen den Leistungsumfang beschränkt, ist hier unstreitig nicht einschlägig. Der erste Ermäßigungsfall liegt vor, wenn "kein Anspruch auf Krankengeld besteht". Auch diese Voraussetzung ist im Falle des Klägers nicht erfüllt. Denn der Kläger ist während des gesamten Zeitraumes der vereinbarten Altersteilzeitarbeit, auch während der Freizeitphase, nicht ohne Anspruch auf Krankengeld versichert. Sein Anspruch auf Krankengeld ruht lediglich, soweit und solange für Zeiten einer Freistellung von den Arbeitsleistungen (§ 7 Abs. 1a des Vierten Buches) eine Arbeitsleistung nicht geschuldet wird (§ 49 Abs. 1 Ziffer 6 SGB V) bzw. soweit und solange der Kläger beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält (§ 49 Abs. 1 Ziffer 1 SGB V).
Sowohl nach dem Gesetzeswortlaut als auch nach der Gesetzessystematik führt das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld zu keiner Ermäßigung des Beitragssatzes. Dies gilt selbst dann, wenn von vornherein für einen bestimmten Zeitraum der Leistungsanspruch in erheblichem Umfang ruht (so auch Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Kommentar, Stand August 2001, § 243 SGB V Randziffern 2 und 8). Diese Wertung findet sich auch in den Gesetzesmotiven (siehe Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - Gesundheits-Reformgesetz - GRG in BT-Drucksache 11/2237 Seite 225), wonach die Vorschrift Beitragsermäßigungen nur noch für Mitglieder vorsieht, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben oder bei denen die Krankenkasse den Leistungsumfang beschränkt hat: "Ein Ruhen von Leistungsansprüchen führt nicht zu einer Beitragssatzermäßigung, da die Ansprüche aus der Familienversicherung nach § 10 weiterbestehen".
Dass der Anspruch auf Krankengeld sowohl ruht, soweit und solange der Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält, als auch für Zeiten einer Freistellungsphase - in der eine Arbeitsleistung nicht geschuldet, gleichwohl aber Arbeitsentgelt fällig wird - deckt sich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, eine Übersicherung zu vermeiden. Der Doppelbezug von zweckidentischen Leistungen ist sozialpolitisch unerwünscht und wird sogar als nicht gerechtfertigte Begünstigung angesehen (vgl. BVerfGE 31, 185, 189 ff. = SozR Nr. 18 zu Art. 14 GG; BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 3 S. 8 m.w.N.). Auch in der Phase der Freistellung von der Arbeitsleistung aufgrund einer Altersteilzeitvereinbarung besteht dementsprechend keine Veranlassung, die Lohnersatzleistung Krankengeld auszuzahlen. Folge des gesetzlich angeordneten Ruhens ist, dass das Stammrecht auf die Leistung zwar bestehen bleibt, aber der Anspruch nicht erfüllt und die Leistung nicht ausgezahlt werden darf (Höfler in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 49 SGB V Randziffer 22 mit Rechtssprechungszitaten).
Dem Begehren des Klägers stehen das Gesetz und damit die übereinstimmende Satzung der Beklagten entgegen. Der Gesetzgeber hat weder durch die vorgenannte Regelung des § 7 Abs. 1a SGB IV noch durch die Einfügung der neuen Norm des § 23b SGB IV über beitragspflichtige Einnahmen bei flexiblen Arbeitszeitregelungen (eingefügt mit Wirkung vom 01.01.1998 durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 06.04.1998) eine Rechtsgrundlage für die beanspruchte Privilegierung geschaffen.
Der bestehende beschriebene Rechtszustand begegnet nach Auffassung des Senats auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn zum einen tritt die Ruhenswirkung des Anspruchs auf Krankengeld nur zeitlich befristet ein bis zum Ende des (Altersteilzeit-)Arbeitsverhältnisses. Wäre der Kläger nach dem 30.06.2001 (weiterhin) krank gewesen, wären die Ruhenstatbestände des § 49 Abs. 1 Ziffer 1 und 6 SGB V entfallen. Zum anderen darf nicht unbeachtet bleiben, dass bei Altersteilzeit das aufgrund flexibler Arbeitszeitregelungen erzielte Arbeitsentgelt teilweise in der Arbeits- und teilweise in der Freistellungsphase gezahlt wird und die Verteilung der Arbeitszeit in der Sphäre des Versicherten und seines Arbeitgebers liegt. Insofern erscheint es dem Senat nicht geboten oder gerechtfertigt, dem Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der eine diskontinuierliche Verteilung der Arbeitszeit gewählt hat, anders zu behandeln als den Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der etwa während des gesamten Zeitraums der Altersteilzeitarbeit halbschichtig arbeitet. Bei dem insofern relevanten Vergleich des Arbeitnehmers mit "verblockter" Altersteilzeit zu dem Altersteilzeit-Arbeitnehmer, der das Modell der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit (§ 2 Abs. 2 Ziffer 1 ATG 1996) wählt, ist weder eine Störung des Äquivalenzprinzips noch eine Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz festzustellen. Auch wenn sich im Falle des Klägers die von ihm gewählte Freizeitphase über einen längeren Zeitraum erstreckt, erfordert das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit nicht einen Anspruch des Klägers auf Beitragssatzermäßigung. Denn im Versicherungszweig der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Gegenseitigkeit von Beitrag und Leistung im Sinne einer Äquivalenz nur schwach ausgeprägt und hat der Grundsatz des sozialen Ausgleichs (Solidaritätsprinzip) erhebliche Bedeutung. Danach ist es Aufgabe der Solidargemeinschaft, die bei den verschiedenen Versicherten bestehenden ungleichen Risiken auszugleichen, wobei der Ausgleich der gesamten Solidargemeinschaft obliegt und nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hat. Individuelle Verschiedenheiten des leistungsrechtlichen Risikos bleiben bei der Beitragsgestaltung prinzipiell unberücksichtigt. Dementsprechend hat das Bundessozialgericht bei freiwilligen Mitgliedern (BSG, Urteil vom 23.03.1993 - SozR 3-2500 § 243 Nr. 2 - NZS 1993, 544) und bei Pflichtmitgliedern (BSG, Urteil vom 23.06.1994 - SozR 3-2500 § 243 Nr. 3) im Falle eines selbst mehrmonatigen Ruhens des Leistungsanspruchs wegen Auslandsaufenthalts den Anspruch auf Beitragsermäßigung verneint. Entgegen der Auffassung des Klägers hält die bestehende Rechtslage auch einer verfahrensrechtlichen Beurteilung anhand des strengen Prüfungsmaßstabes stand, den das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur Heranziehung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen ohne gleichzeitige Berücksichtigung bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen (BVerfG vom 11.01.1995 - SozR 3-2200 § 385 Nr. 6 - BVerfGE 92,53 - 74) und zum Einmalzahlungs-Gesetz (BVerfG vom 24.05.2000 - SozR 3-2400 § 23a Nr. 1 - BVerfGE 102, 127 - 146) aufgestellt hat. Dort hat das Verfassungsgericht entschieden, dass ein Verstoss gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz jedenfalls dann vorliegt, wenn für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich ist (Orientierungssatz 3a in der Entscheidung vom 11.01.1995 a.a.O.). Vergleichsmaßstab muss aber, wie bereits dargelegt, ein Altersteilzeit-Arbeitnehmer mit täglich verminderter Stundenzahl sein, der, ebenso wie der Kläger, bei Eintritt von Krankheit während des gesamten Zeitraumes der Altersteilzeitarbeit einen gesicherten Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Krankengeld in entsprechender Höhe hat. Entsprechend gesichert ist der Kläger, der während der Phase der Vollzeitarbeit einen gesicherten Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Krankengeld und während des Freizeitblocks Anspruch auf das angesammelte Arbeitsentgelt aus vorgeleisteter Arbeit hat. Der Umstand, dass im Falle einer diskontinuierlichen Verteilung der Arbeitszeit während der Freistellungphase der Anspruch auf Krankengeld ruht - weil es andernfalls zu der nicht gewünschten Konsequenz einer Übersicherung käme - resultiert einzig und allein aus der von den Arbeitsvertragsparteien gewählten Verteilung der Arbeitszeit. Wegen der Ansammlung eines Wertguthabens aus der für Zwecke der späteren Freistellung vorgeleisteten Arbeit und der entsprechenden Fälligkeit des jeweiligen anteiligen Arbeitsentgelts in der Freistellungsphase kann der grundsätzlich bestehen bleibende Anspruch auf Krankengeld nicht erfüllt und darf die Leistung nicht ausgezahlt werden. Insofern besteht bei gleicher Beitragsleistung von Altersteilzeit-Arbeitnehmern mit kontinuierlicher wie diskontinuierlicher Verteilung der Arbeitszeit ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Realisierbarkeit des Leistungsanspruchs.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision nach § 144 Abs. 2 Ziffer 2 SGG zugelassen, da er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.
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