L 16 KR 144/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (7) KR 39/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 144/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 KR 1/02 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 26.07.2001 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revison wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten einer am 01.06.1999 durchgeführten Elektronenstrahltomographie (EBT für Electron Beam Tomography, ein modernes Röntgenverfahren zur Darstellung der Coronargefäß-Verkalkung) in Höhe von DM 1599,59 DM.

Die am ...1921 geborene Klägerin beantragte bei der Beklagten die Kostenübernahme für die EBT unter Vorlage einer Bescheinigung des Internisten Dr. B ... vom 10.05.1999, wonach bei ihr ein Linksherzkatheter zur Coronardiagnostik sinnvoll sei. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. K ... stellte in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 20.05.1999 fest, die EBT sei nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Diagnostik zugelassen und im Falle der Klägerin als wenig zweckmäßig anzusehen. Die Beklagte lehnte daraufhin die Kostenübernahme mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 - ergangen auf den Widerspruch der Klägerin vom 20.06.1999 - ab. Das Gutachten des MDK komme zu dem Ergebnis, dass die beantragte Behandlungsmaßnahme nicht befürwortet werden könne. Zwar sei dank hoher Rotationsgeschwindigkeit das Auflösungsvermögen dieser Form der Computertomographie deutlich höher als mit der konventionellen CT-Untersuchung, auch könne in gewissen Grenzen eine quantitative Aussage gemacht werden über das Vorhandensein von Verkalkungen im Coronarsystem. Dennoch seien bezüglich einer genaueren diagnostischen Aussagefähigkeit Grenzen gesetzt, die in der Regel eine invasive Diagnostik (Linksherzkatheter einschließlich Coronarangiographie) nicht ersetzen könnten. Dies treffe auch auf die im Widerspruchsschreiben erwähnten und nach Aussagen der Klägerin in der am 01.06.1999 durchgeführten Untersuchung nachgewiesenen geringfügigen Kalkherde zu. Hier aus ließen sich keine weiteren Rückschlüsse auf den Zustand des Herzkranzgefäßsystems ziehen. Die EBT-Untersuchung sei insbesondere dann ohne Nutzen, wenn sich die Klägerin keiner weiteren Herzdiagnostik unterziehen lasse. Eine Herzkatheterdiagnostik sei unter Anwendung bestimmter Methoden trotz Einnahme von Antikoangulantien (gerinnungshemmende Substanzen) möglich.

Hiergegen hat die Klägerin am 04.08.1999 Klage erhoben und im Laufe des Verfahrens sowohl den Untersuchungsbericht des Arztes für Radiologische Diagnostik K ... vom Institut für Mikro-Therapie, B ..., sowie die Rechnung über die am 01.06.1999 durchgeführte EBT mit einem Betrag von DM 1.599,59 vorgelegt. Die betreffende Rechnung vom 18.06.1999 ist auf der Berechnungsgrundlage der Gebührenordnung für Ärzte erstellt. Die Klägerin hat geltend gemacht, die Schulmedizin verlange einen Herzkatheter, der lebensgefährlich und nicht aussagekräftig sei, um Stenosen zu erfassen. Die bei der EBT festgestellten hochgradigen Stenosen seien durch einen Herzkatheter nicht zu erreichen. Eine Herzkatheteruntersuchung koste darüber hinaus erheblich mehr, nämlich ca. DM 5.000,--. Die Medizinische Hochschule H ... habe nach einer Herzkatheteruntersuchung im Jahre 1990 eine konservative Behandlung empfohlen, die Herzbeschwerden hätten aber nicht beseitigt werden können. Verschiedene Universitäten bestätigten zwischenzeitlich, dass Stenosen durch Bakterien (Chlamydia) verursacht würden und mit Antibiotika und Nitropräparaten zu bekämpfen seien. Eine Herzerneuerung oder Totaloperation der Klägerin würde ihren Tod bedeuten. Es bleibe deshalb nur die Behandlung nach neuesten Erkenntnissen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäss beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 01.06.1999 durchgeführte Elektronenstrahltomographie in Höhe von DM 1.599,59 zu erstatten.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten.

Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss "Ärztliche Behandlung", hat auf Anfrage des Sozialgerichts geantwortet, er habe bislang eine Empfehlung über die Anerkennung der EBT abgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 02.11.1999 verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.07.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) könnten neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wozu die EBT zähle, in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben habe. Vorliegend fehle es aber an einer derartigen positiven Entscheidung. Anhaltspunkte dafür, dass die Methode infolge eines sogenannten Systemmangels ausnahmsweise vom Gericht beurteilt werden müsse, seien vorliegend nicht ersichtlich. Dies gelte insbesondere im Hinblick darauf, dass beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen noch nicht einmal ein entsprechender Antrag gestellt worden sei.

Gegen diesen ihr am 31.07.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 06.08.2001 Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei menschenfeindlich und verstoße gegen die Sozialcharta. Die Klägerin beantragt gleichzeitig mündliche Verhandlung nach § 105 Abs. 2 Satz 3 SGG.

Sie beantragt schriftsätzlich,

1. die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 01.06.1999 durchgeführte Elektronenstrahl-Tomographie in Höhe von DM 1.599,59 zu erstatten,

2. festzustellen, dass nach § 136 SGB V für sie ein Einzelfall der Qualitätsprüfung vorliege und ihre schwere Erkrankung nur durch die Elektronenstrahl-Tomographie erkannt werden könne sowie

3. die Beklagte zu verurteilen, ihr eine weitere mikroskopische Qualitätsuntersuchung nach Bakterien in den Stenosen zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 26.07.2001 zurückzuweisen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten haben neben der Prozeßakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Klägerin in der Ladung, die sie ausweislich des Schriftsatzes ihres Bevollmächtigten vom 24.03.2002 erhalten hat, auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war.

Die Berufung ist unbeschränkt statthaft, § 144 SGG. Deshalb ist der Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gegeben, § 105 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Klägerin kann lediglich Berufung einlegen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.07.1999, mit dem die Beklagte die Erstattung der Kosten für die am 01.06.1999 durchgeführte EBT abgelehnt hat, ist rechtmäßig.

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die EBT von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen ist. Denn zum Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung am 01.06.1999 hatte der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen keine, weder eine positive noch eine negative, Empfehlung über die Anerkennung der EBT abgegeben gehabt. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die EBT zu den "neuen" Untersuchungsmethoden gehört. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen solche "neuen" Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 Abs. 1 SGB V zu Lasten der Krankenkassen nur abgerechnet werden, wenn der dazu kraft Gesetzes berufene Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Die genannten Richtlinien haben die Qualität von Rechtsnormen; sie regeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung den Umfang und die Modalitäten der Krankenbehandlung mit bindender Wirkung sowohl für die behandelnden Vertragsärzte als auch für die Versicherten.

Die Klägerin hat nach der gesetzlichen Systematik auf der Grundlage der vorgenannten Normen keinen Anspruch auf Feststellungen, dass für die EBT in ihrem Einzelfall eine Qualitätsprüfung vorliegt und ihre schwere Erkrankung nur durch sie erkannt werden kann. Der Senat hat bereits in seiner Beschwerdeentscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vom 11.04.2000 - L 16 B 93/99 KR - ausgeführt, dass § 135 SGB V keinen Anspruch der Versicherten normiert, sondern vielmehr die kassenärztliche Vereinigung zu stichprobenweisen Einzelfallprüfungen zur Qualitätssicherung berechtigt und verpflichtet.

Der im Berufungsverfahren gestellte Antrag zu 3) auf Erstattung der Kosten für weitere mikroskopische Qualitätsuntersuchungen ist als unzulässig abzuweisen. Insofern liegt keine mit der Klage anfechtbare Entscheidung der Beklagten vor.

Der Senat brauchte dem im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 24.03.2002 gestellten Beweisantrag auf Anhörung des Professor Dr. R. E ... des Klinikums E ... nicht nachzugehen. Die damit unter Beweis gestellte Behauptung, Dr. B ... sei mit seiner veralteten Untersuchung nicht in der Lage gewesen, die Stenosen zu erkennen und infolgedessen richtige Medikamente zu verordnen, ist für die Entscheidung unerheblich. Denn auf den Erfolg der neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Einzelfall kann nach den Regelungen der §§ 135 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht abgestellt werden (BSG, Urteil vom 05.07.1995 - 1 RK 6/95 - SozR 3-2500 § 27 Nr. 5 und BSG, Urteil vom 05.07.1995 - 1 RK 22/94).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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