L 6 SB 46/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 13 Vs 210/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 SB 46/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.03.1998 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG).

Bei der 1948 geborenen Klägerin war zuletzt wegen der Behinderungen

"1. Wirbelsäulen-Syndrom, Verschleiß der Halswirbelsäule, Bandscheibenschäden, Restbeschwerden nach Scheuermann-Erkrankung,

2. Rezidivierende Bronchitis,

3. Varikosis

4. Verlust der Gebärmutter"

ein GdB von 40 festgestellt worden (Bescheid vom 20.11.1987). In der diesem Bescheid zugrundeliegenden gutachtlichen Stellungnahme vom 10.10.1987 waren für die Behinderung zu 1. ein Einzel-GdB von 40 und für die weiteren Behinderungen Einzel-GdB von jeweils 10 in Ansatz gebracht worden.

Mit ihrem Änderungsantrag von Juli 1996 machte die Klägerin wegen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes einen höheren GdB geltend. Zur Stützung ihres Antrags reichte sie u.a. einen Arztbrief des Arztes für innere Medizin - Rheumatologie, Psychotherapie - Dr. N ..., Chefarzt der II. Med. Klinik des E ...-K ... E ..., vom 07.03.1996 ein. Hierin heißt es u.a., dass sich deutliche Zeichen eines Fibromyalgie-Syndroms gefunden hätten.

Nach Beiziehung und Auswertung verschiedener Befund- und Behandlungsberichte lehnte es der Beklagte ab, einen höheren GdB als 40 festzustellen. Dabei ergänzte er die unter Ziffer 3. berücksichtigte Behinderung um: "Bewegungseinschränkung des rechten Fußgelenkes nach Knochenbruch" (Bescheid vom 02.01.1997).

Im anschließenden Widerspruchsverfahren (Widerspruch vom 13.01.1997) machte die Klägerin unter Vorlage eines weiteren Arztbriefes des Dr. N ... vom 16.10.1996 geltend, dass das von Dr. N ... diagnostizierte Fibromyalgiesyndrom nicht berücksichtigt worden sei.

Auf der Grundlage einer hierzu eingeholten weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.04.1997 ergänzte der Beklagte nun mehr die Behinderung zu Ziffer 1. um: "Fibromyalgiesyndrom". Im übrigen wies er den Widerspruch zurück, weil der GdB mit 40 weiterhin ausreichend bemessen sei (Widerspruchsbescheid vom 08.09.1997).

Mit ihrer hiergegen am 16.09.1997 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und die Auffassung vertreten, ihre Behinderungen rechtfertigten einen GdB von 50. Die mit ihren Behinderungen einhergehenden ständigen Schmerzen würden zu erheblichen Einschränkungen in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebensführen. Im Termin am 25.03.1998 hat sie auf Befragen dem Sozialgericht Art und Ausmaß ihrer Schmerzen geschildert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 02.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.1997 zu verurteilen, ab dem 01.01.1997 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für zutreffend erachtet.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädischen Gutachtens des Dr. A ... vom 05.01.1998. Hierin hat der Sachverständige ausgeführt, die feststellbaren Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule rechtfertigten allenfalls, da mehrere Wirbelsäulenabschnitte betroffen seien, einen GdB von 30. Das von Dr. N ... festgestellte Fibromyalgiesyndrom, bei dem es sich um eine seronegative Erkrankung aus dem rheumatologischen Formenkreis handele, bedinge keinen Einzel-GdB. Vielmehr könne das Fibromyalgiesyndrom unter die Beschwerden, hervorgerufen durch die Wirbelsäule, subsumiert werden. Insgesamt sei ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt.

Mit Urteil vom 25.03.1998 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, ab dem 01.01.1997 einen GdB von 50 festzustellen. Dabei ist es entsprechend der Einschätzung des Sachverständigen Dr. A ... davon ausgegangen, dass die durch die Wirbelsäulenveränderungen hervorgerufenen Funktionsbeeinträchtigungen einen Teil-GdB von 30 bedingen. Entgegen der Auffassung des Sachverständigen sei jedoch das Fibromyalgiesyndrom gesondert zu bewerten. Ausgehend von der glaubhaften Beschwerdeschilderung der Klägerin sei das in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996 (AHP) unter Ziffer 26.18, S. 136, erstmals aufgenommene Fibromyalgiesyndrom den entzündlich-rheumatischen Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule mit geringen Auswirkungen gleichzustellen. Aufgrund der Vielzahl der Gelenke, die bei der Klägerin betroffen seien, und der erheblichen Schmerzen bei größtenteils noch leichtgradigen Funktionseinbußen sei für das Fibromyalgiesyndrom ein Einzel-GdB von 40 angemessen. Insgesamt sei daher der GdB ab 01.01.1997 mit 50 zu bewerten.

Gegen dieses ihm am 07.04.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.05.1998 eingelegte Berufung des Beklagten. Der Beklagte meint weiterhin, dass in den gesundheitlichen Verhältnisses der Klägerin keine so wesentliche Änderung eingetreten ist, die die Feststellung eines GdB von 50 rechtfertige. Die ausdrückliche Aufnahme des Fibromyalgie-Syndroms in die AHP bedinge keine wesentliche Änderung. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts könne das Fibromyalgiesyndrom nicht analog zu den entzündlich-rheumatischen Krankheiten der Gelenke bewertet werden. Insgesamt sei ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.03.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen sieht sie sich durch im Berufungsverfahren nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholtes internistisch-rheumatologisches Gutachten des Dr. N ... vom 01.06.1999 bestätigt.

Im Berufungsverfahren ist im wesentlichen Beweis erhoben worden durch Einholung von Sachverständigengutachten des Dr. A ... vom 20.01.1999 und des Dr. N ... vom 01.06.1999 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 14.02.2000 bzw. 07.04.2000. Dr. A ... hat unter Berücksichtigung der muskulären Rückenbeschwerden für die Wirbelsäulenveränderungen einen GdB von insgesamt 30 für vertretbar erachtet. Demgegenüber hat Dr. N ... im wesentlichen unter Berücksichtigung eines Teil-GdB von 40 für ein Wirbelsäulensyndrom in mehreren Abschnitten und eines Teil-GdB von 50 für eine Fibromyalgie mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbuße, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) den Gesamt-GdB seit 1995 auf mindestens 50 eingeschätzt.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung und bzgl. des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Die Inhalte die ser Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, einen GdB von 50 festzustellen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40; § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10 (SGB X) und § 4 Abs. 1 und 3 SchwbG.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist eine wesentliche Änderung i. S. d. § 48 SGB X, die einen höheren GdB als 40 rechtfertigen könnte, nicht nachgewiesen. Vielmehr entsprechen auch die heute feststellbaren Funktionsstörungen im wesentlichen den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 20.11.1987 zugrundegelegen haben.

Dies folgt zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der nach den AHP, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts normähnliche Wirkung haben (zuletzt Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R -), maßgeblichen Beurteilungskriterien insbesondere aus den Feststellungen der Sachverständigen Dr. A ... und des Dr. A ... Demgegenüber sind die vom Sozialgericht angeführten Gesichtspunkte und auch das Gutachten des Sachverständigen Dr. N ... nicht geeignet, eine wesentliche Änderung nachzuweisen.

Auch heute sind die für die Höhe des GdB maßgeblich die Wirbelsäulenveränderungen und die Schmerzsymptomatik. Nach den von den Sachverständigen Dr. A ... und Dr. A ... mitgeteilten Befunden ist nicht erkennbar, dass sich die durch die Wirbelsäulenschäden bedingten Funktionsstörungen verschlimmert haben. Denn hiernach finden sich heute eher geringgradige Verschleißveränderungen und Bewegungseinschränkungen. Auch die Schmerzsymptomatik ist nicht neu aufgetreten. Vielmehr klagte die Klägerin auch früher schon immer neben Kopfschmerzen über diverse Schmerzen in Brust-, Schulter- und Rückenbereich, die bereits in früheren medizinischen Unterlagen Erwähnung gefunden haben und die in die letzte Bewertung des GdB mit 40 eingeflossen sind. Eine wesentliche Verstärkung dieser Schmerzsymptomatik, die einen höheren GdB als 40 rechtfertigen könnte, ist auch nach den von Dr. N ... mitgeteilten Befunden nicht nachweisbar.

Allein die nunmehr gestellte Diagnose eines Fibromyalgie-Syndroms stellt keine wesentliche Änderung dar. Dabei kann es offen bleiben, ob diese Diagnose zutreffend ist oder ob sie angesichts der Ausführungen des Dr. A ..., wonach die recht diffusen Beschwerden nicht mit den für eine Fibromyalgie zu fordernden typischen Schmerzen an den Triggerpunkten deckungsgleich sind, zumindest zweifelhaft sein kann. Denn für die GdB-Bewertung und damit auch für die Beurteilung einer wesentlichen Änderung i. S. d.§ 48 SGB X ist nicht die Diagnose, die als Ursache einer Funktionsbeeinträchtigung in Betracht kommt, maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr das tatsächliche Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der jeweiligen Organbeteiligung und der Auswirkungen auf den Allgemeinzustand.

Auch unter Zugrundelegung eines Fibromyalgie-Syndroms sind zusätzliche bislang nicht berücksichtigte Funktionsstörungen, die einen höheren GdB als 40 rechtfertigen, nicht erkennbar. Neu ist insoweit lediglich die Diagnose, demgegenüber ist die Erkrankung selbst nicht neu aufgetreten. Wie von Dr. A ... dargelegt ist die gesamte Symptomatik nicht neu, sondern nunmehr lediglich unter der Bezeichnung Fibromyalgiesyndrom subsumiert. Auch nach den Ausführungen des Dr. N ... handelt es sich um eine seit langem bestehende Erkrankung. Soweit Dr. N ... meint, es sei gegenüber den früheren Feststellungen eine wesentliche Änderung eingetreten, weil die seit langem bestehende primäre Fibromyalgie mit ihrer starken Schmerzhaftigkeit zu einem erheblichen Leidensdruck mit depressiver Verstimmung geführt habe, lässt sich hieraus eine wesentliche Änderung nicht nachweisen. Wie die Schmerzsymptomatik stellt auch die depressive Verstimmung keinen neuen Befund dar. Denn bereits in dem Bericht des praktischen Arztes Dr. W ... vom 15.01.1981 ist eine vegetative Dystonie mit Depressionen aufgeführt.

Die neue Diagnose Fibromyalgie ist zwar geeignet, die seit Jahren bestehende Schmerzsymptomatik und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen zu erklären. Sie vermag aber keine zusätzlichen für den GdB wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen, die einen noch höheren GdB als 40 rechtfertigen, nachzuweisen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bewirkt auch die erstmalige Aufnahme des Fibromyalgie-Syndroms in die AHP 1996 keine wesentliche Änderung. Dies folgt bereits daraus, dass die Funktionsbeeinträchtigungen, die sich heute als Auswirkungen eines Fibromyalgie-Syndroms darstellen, jedenfalls bereits bei den früheren Feststellungen berücksichtigt worden sind. Im übrigen konnten auch vor dem 01.01.1997 Funktionsstörungen, die auf einem fibromyalgischen Krankheitsbild beruhen, ohne weiteres bei Feststellungen nach dem SchwbG berücksichtigt werden. Die AHP beinhalten keinen numerus clausus der berücksichtigungsfähigen Gesundheitsstörungen (Ziffer 26.1 Abs. 2 AHP 1983 und 1996).

Insgesamt ist es zur Überzeugung des Senats unter Würdigung sämtlicher medizinischer Unterlagen nicht nachgewiesen, dass in den gesundheitlichen Verhältnisses der Klägerin eine für den GdB wesentliche Änderung eingetreten ist. Auch unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin lässt sich eine Verstärkung der subjektiven Schmerzkomponente nicht nachweisen. Schon wegen des Fehlens einer wesentlichen Änderung ist der Beklagte nicht verpflichtet, den früheren Bescheid vom 20.11.1987 abzuändern und einen höheren GdB als 40 festzustellen.

Auch wenn man ungeachtet der nicht nachgewiesenen Änderung der Verhältnisse den GdB auf der Grundlage der heute feststellbaren Funktionsstörungen - wie es das Sozialgericht im Ergebnis getan hat - neu bildete, wäre dieser jedenfalls nicht höher als 40.

Maßgeblich für die GdB-Bewertung sind zum einen die feststellbaren Wirbelsäulenschäden und zum anderen die Schmerzsymptomatik, die sich als mögliche Auswirkung einer Fibromyalgie darstellt.

Für die feststellbaren Wirbelsäulenveränderungen kann ohne Berücksichtigung der Schmerzsymptomatik allenfalls ein GdB von 20 in Ansatz gebracht werden. Denn nach den von Dr. A ... und Dr. A ... erhobenen Befunde lassen sich lediglich eher geringgradige degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule feststellen. Wesentliche Verschleißerscheinungen fanden sich in keinem Wirbelsäulenabschnitt. Zudem zeigte sich auch die Beweglichkeit der ein zelnen Wirbelsäulenabschnitte nur mäßiggradig eingeschränkt. Bestätigt werden die von den Sachverständigen aufgezeigten allenfalls leichtgradigen Funktionsstörungen durch die anlässlich des Heilverfahrens in der V ... G ... vom 11.01. bis 08.02.2000 erhobenen Befunde. Denn hiernach war die Halswirbelsäule altersentsprechend freibeweglich und die Lendenwirbelsäule in der Entfaltung lediglich altersentsprechend eingeschränkt. Angesichts dieser Befunde lassen sich nur Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen feststellen. Da keine mittelgradigen funktionellen Auswirkungen erkennbar sind, hält der Senat nach den Bewertungskriterien der AHP (Ziffer 26.18, S. 139f) auch unter dem Gesichtspunkt, dass mehrere Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind, für die Wirbelsäulenschäden allenfalls einen GdB von 20 für angemessen. Soweit Dr. N ... demgegenüber einen GdB von 40 vorschlägt, steht diese Einschätzung auch unter Berücksichtigung der von ihm mitgeteilten Befunde mit den Bewertungskriterien AHP nicht in Einklang, weil mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten nicht erkennbar sind. Ein GdB von allenfalls 30, wie ihn Dr. A ... und Dr. A ... vorschlagen, lässt sich nur dann vertreten, wenn man bei der GdB-Bewertung für die Wirbelsäulenschäden die Schmerzsymptomatik miteinbezieht. Subsumiert man hingegen die Schmerzsymptomatik unter das Krankheitsbild Fibromyalgiesyndrom, verbleibt es allein für die Wirbelsäuleschäden bei einem GdB von allenfalls 20.

Auch eine gesonderte Berücksichtigung des Fibromyalgie-Syndroms rechtfertigt jedenfalls keinen höheren Gesamt-GdB als 40. Da für die Bewertung des Fibromyalgie-Syndroms in den AHP keine speziellen GdB-Werte genannt sind, beurteilt sich der GdB hierfür in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen (vgl. AHP Ziffer 26.1 Abs. 2, S. 48).

Der vom Sozialgericht angenommene Teil-GdB von 40 für das Fibromyalgiesyndrom lässt sich nicht aus den nach den AHP für entzündliche-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule maßgeblichen Bewertungskriterien (AHP Ziffer 26.18, S. 135f) herleiten. Zwar ist das Fibromyalgiesyndrom als chronisches Schmerzsyndrom ohne organischen Befund in Ziffer 26.18 der AHP 1996 den rheumatischen Erkrankungen zugeordnet worden. Dabei sind die AHP der Systematik der ICD (Internationale Classifikation der Krankheiten) - 10 gefolgt, in der das Fibromyalgiesyndrom unter M 79.0 - "andere nicht näher bezeichnete Weichteilerkrankungen" - aufgeführt ist (Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung - BMA - vom 28. bis 29.04.1999). Dies rechtfertigt es aber nicht, für die Bewertung des Fibromyalgie-Syndroms die für entzündlich-rheumatische Krankheiten der Gelenke und/oder der Wirbelsäule (z. B. Bechterew- Krankheit) geltenden GdB-Werte zu übernehmen, wie es das Sozialgericht getan hat. Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen kommt ein GdB von 40 nur bei erheblichen Gelenkbeteiligungen in Betracht. Denn maßgeblich für die Bewertung ist u.a. Art und Umfang des Gelenkbefalles. Eine solche Gelenkbeteiligung oder anderweitige Organbeteiligung ist hier nicht erkennbar. Allein die Schmerzsymptomatik rechtfertigt es nicht, den für entzündlich- rheumatische Erkrankungen vorgesehenen GdB von 40 zu übernehmen.

Als Vergleichsmaßstab kommen bei einem Fibromyalgiesyndrom wie auch bei anderen Krankheitsbildern (z. B. chronisches Müdigkeitssyndrom, Multiple chemical sensivity) mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbußen und Körperfunktionsstörungen, denen kein oder kein primär organischer Befund zu grundeliegt, am ehesten die in Ziffer 26.3, S. 60 AHP unter "Neuologischen Persönlichkeitsstörungen" genannten psychovegetativen oder psychischen Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und evtl. sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht (Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirates bei BMA vom 25. bis 26.11.1998).

Hiernach ist für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ein Bewertungsrahmen von 0 - 20 vorgesehen. Ein GdB von 30-40 ist erst bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere, depressive, hypochondrische, asthenische, oder phobische Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) gegeben. Ein GdB von 50 kann erst bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Ansatz gebracht werden (vgl. AHP S. 60f).

Unter Berücksichtigung dieser Bewertungskriterien ist der von Dr. N ... für das Fibromyalgiesyndrom vorgeschlagene GdB von 50 als überhöht anzusehen. Denn die von Dr. N ... als Folgen des Fibromyalgie-Syndroms beschriebene starke Schmerzhaftigkeit, die mit einer depressiven Verstimmung einhergeht, kann nicht mit schweren Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gleichgestellt werden. Nach ihren dem Senat gemachten Angaben bezieht die Klägerin nunmehr Arbeitslosengeld, sie steht also dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Da sie auch keinen Rentenantrag gestellt hat, kann schon deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass es wegen der fibromyalgischen Erkrankung, z. B. durch einen Rückzug aus dem Erwerbsleben zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gekommen ist.

Eine Gleichstellung mit ausgeprägteren depressiven Störungen, die einen GdB von 30-40 rechtfertigen, erscheint angesichts der von Dr. N ... angegebenen bloßen depressiven Verstimmung ebenfalls nicht möglich. Auch die sich im wesentlichen auf subjektive Empfindungen der Klägerin gründende Schmerzhaftigkeit lässt sich nicht mit einer stärker behindernden Störung, die zu einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit führt, gleichstellen. Insbesondere sind auch die Angaben der Klägerin zu Art und Ausmaß der Schmerzen nicht geeignet, derartige Einschränkungen, wie sie bei ausgeprägteren depressiven oder somatoformen Störungen gegeben sind, nachzuweisen. Zudem sind auch nach dem Entlassungsbericht über das im Januar/Februar 2000 in der V ... durchgeführte Heilverfahren Aggravationstendenzen nicht auszuschließen.

Insgesamt sind die mit der fibromyalgischen Erkrankung einhergehenden Begleiterscheinungen unter Würdigung sämtlicher medizinischer Unterlagen am ehesten mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen zu vergleichen, so dass hierfür innerhalb des Bewertungsrahmens von 0 - 20 ein GdB von 20 in Ansatz gebracht werden kann.

Auch unter Berücksichtigung dieses eigenständigen Teil-GdB von 20 für die Fibromyalgie, der im wesentlichen durch die Schmerzkomponente bedingt ist, ist im Ergebnis der von Dr. A ... vorgeschlagene GdB von insgesamt 30 zutreffend. Denn bei den zu berücksichtigenden Teil-GdB von jeweils 20 für die Fibromyalgie und die reinen Wirbelsäulenschäden erscheint ein GdB von 30 vertretbar. Je denfalls ist ein höherer GdB als von insgesamt 40 nicht gerechtfertigt. Letzteres gilt im übrigen auch dann, wenn man die durch die Fibromyalgie hervorgerufenen Störungen mit stärker behindern den Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bedingen, gleichstellen wollte und einen GdB-Rahmen von 30-40 für vertretbar erachtete. Denn selbst bei Annahme eines GdB von 40 für das Fibromyalgiesyndrom würde dieser GdB durch den Teil-GdB von 20 für die reinen Wirbelsäulenschäden nicht auf 50 erhöht. Denn nach den für die Bildung des Gesamt-GdB maßgeblichen Beurteilungskriterien ist es auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Letzteres ist hier der Fall. Entscheidend hierfür ist, dass die reinen Wirbelsäulenschäden lediglich leichte Funktionsstörungen bedingen und sich diese Funktionsstörungen zu dem mit der durch das Fibromyalgiesyndrom bedingten Schmerzsymptomatik überschneiden.

Insgesamt ist auch unter Zugrundelegung der heute feststellbaren Funktionsstörungen ein höherer GdB als 40 nicht gerechtfertigt. Auch wenn man ein Fibromyalgiesyndrom als nachgewiesen ansieht, lässt sich aus der hierdurch bedingten im wesentlichen auf subjektiven Empfindungen beruhenden Schmerzsymptomatik jedenfalls nicht die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin herleiten. Abgesehen hiervon sind - wie oben ausgeführt - die angefochtenen Bescheide jedenfalls bereits deshalb nicht zu beanstanden, weil eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 48 SGB X nicht nachgewiesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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