L 10 SB 145/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
10
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 13 SB 197/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 SB 145/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 17.10.2001 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Köln zurückverwiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "H" (Hilflosigkeit) i.S.d. § 33 b Einkommenssteuergesetz -EStG-.

Bei dem 1923 geborenen Kläger sind folgende Funktionsstörungen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt worden (Bescheid vom 06.08.1992):

1. Leichte Schädigung des Ellennerven links nach Ellenschussbruch

2. Verkürzung des linken Oberschenkels mit Wackelknie links. Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk mit Überstreckbarkeit des Kniegelenkes und verminderter Kraftlosigkeit in der Oberschenkel- und Hüftmuskulatur links, Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk.

3. Verbiegung der Wirbelsäule und Beckenschiefstand.

4. Versteifung des rechten Sprunggelenkes, entstellende Narben am Unterkiefer mit Knochendefekt.

5. Kombinierte Ventilationsstörung bei chronisch-bronchitischem Syndrom und Status-asthmaticus.

Bei den unter 1 bis 3 genannten Funktionsstörungen handelt es sich um nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 vom Hundert (v.H.) anerkannte Schädigungsfolgen. Ferner sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Gehbehinderung), "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) und "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) festgestellt worden (Bescheide vom 06.08.1992, 12.11.1997 und vom 25.07.1997).

Im Juli 2000 beantragte der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "H" (Hilflosigkeit). Der Beklagte holte von den behandelnden Ärzten des Klägers Befundberichte und von der Versorgungsärztin Dr. Jxxxx das Gutachten vom 26.10.2000 ein. Ferner zog er das Gutachten der Ärztin Medoc - Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Nordrhein - vom 14.08.2000, in dem Pflegebedürftigkeit i.S.d. Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung - verneint worden war, und den ärztlichen Abschlussbericht über das im Dezember 2000/Januar 2001 durchgeführte stationäre Heilverfahren in der Kurklinik an der R ... Axxxxx bei. Nach Auswertung der Unterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 02.11.2000 und Widerspruchsbescheid vom 10.04.2001 ab.

In den Gründen des Bescheides stellte der Beklagte folgende weitere Funktionsstörungen fest: Durchblutungsstörungen des Kopfes, Schwindel mit Fallneigung. Herzleistungsschwäche.

Schulter-Arm-Syndrom.

Reizlose Narben am linken Gesäß, an beiden Oberschenkeln, am linken Unterschenkel, am linken Unterarm und Handgelenk.

Bei den festgestellten Narben handelt es sich ebenfalls um Schädigungsfolgen i.S.d. BVG.

Mit seiner am 02.05.2001 erhobenen Klage hat der Kläger unter Beifügung des Arztbriefes von Prof. Dr. Bxxxx, St. Franziskus Hospital, Kxxx, vom 01.02.2001 geltend gemacht, beim Aufstehen und Aufsuchen der Toilette sei er auf die Hilfe seiner Ehefrau angewiesen, ohne Rollator könne er sich nicht mehr fortbewegen, eine Operation der Gesundheitsstörungen am linken Bein sei wegen Bedenken hinsichtlich der Narkosefähigkeit nicht möglich. Sein Gesundheitszustand sei miserabel; die Beschwerden hätten sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.

Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2001 zu verurteilen, die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "H" festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung des internistischen Gutachtens von Dr. B ... vom 13.08.2001. Dieser hat auf Grund einer Untersuchung des Klägers in dessem häuslicher Umgebung die Frage des SG, ob der Kläger infolge der Behinderung nicht nur vorübergehend für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang dauernder Hilfe bedarf, verneint. Lediglich beim Aufstehen aus dem tiefen Sofa, gelegentlich auch beim Zubettgehen und Aufstehen aus dem Bett sowie beim An- und Ausziehen von Hose und Schuhen sei Hilfe erforderlich. Wegen der im Vordergrund der Behinderung stehenden stark eingeschränkten Bewegungsfähigkeit könne der Kläger nur kleine Wegstrecken in der Wohnung mit Hilfe eines Rollators oder Gehstöcken zurücklegen. Die pulmonale Einschränkung mit fortgeschrittener chronisch obstruktiver Emphysembronchitis erlaube nur leichte Belastungen, wirke sich jedoch wegen der starken Beeinträchtigung der Mobilität auf Grund der orthopädischen Störungen nicht wesentlich aus.

Bezüglich der orhopädischen Funktionsstörungen hat der Sachverständige auf den in dem Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Abschlussbericht der Kurklinik an der R ... vom 06.02.2001 wiedergegebenen ärztlichen Befund verwiesen. Erwähnt ist in dem gerichtlichen Gutachten ferner, dass inzwischen Pflegestufe I nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung - anerkannt worden sei.

Die Anfrage des SG, ob die Klage aufrechterhalten werde, hat der Kläger bejaht, sodann hat das SG die Beteiligten mit Schreiben vom 05.10.2001 zur Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19.10.2001 abgewiesen. Tatbestand und Gründe der Entscheidungen lauten wie folgt:

"Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Nachteilsausgleichsmerkmals "H" nach dem Schwerbehindertengesetz streitig.

Bei dem im Jahre 1923 geborenen Kläger waren mit Bescheid vom 12.11.1997 als Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz festgestellt worden:

1. Leichte Schädigung des Ellennerven links nach Ellenschussbruch.

2. Verkürzung des linken Oberschenkels mit Wackelknie links Bewegungseineinschränkung im linken Kniegelenk mit Überstreckbarkeit des Kniegelenks und verminderter Kraftleistung in der Oberschenkel- und Hüftmuskulatur links, Bewegungseinschränkung im linken Fußgelenk.

3. Verbiegung der Wirbelsäule und Beckenschiefstand.

4. Versteifung des rechten Sprunggelenkes, entstellende Narben am Unterkiefer und Knochendefekt.

5. Kombinierte Ventilationsstörung bei chronisch-bronchitischem Syndrom und Statusasthmatikus.

Der Gesamt-Grad der Behinderungen wurde mit 100 v.H. festgestellt.

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei dem Kläger die Vorausetzungen für die Nachteilsausgleichsmerkmale "G", "aG", "B" und "RF" vorliegen. Am 27.07.2000 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag wegen Anerkennung des Nachteilsausgleichsmerkmals "H".

Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 02.11.2000 abgelehnt. Der von dem Kläger unter dem 08.11.2000 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10.04.2001 zurückgewiesen.

Am 20.04.2001 hat der Kläger beim Sozialgericht Köln Klage erhoben.

Zur Klagebegründung trägt er im Wesentlichen vor, die bei ihm vorliegenden Behinderungen seien so schwerwiegend, dass der Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichsmerkmales "H" habe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 02.11.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2001 festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen für das Nachteilsausgleichsmerkmal "H" vorliegen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die angefochtenen Bescheide rechtmäßig seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Dr. B ..., B ... anlässlich eines bei dem Kläger durchgeführten Hausbesuches.

Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der zu Beweiszwecken beigezogenen SchwbG- Akten, der Gegenstand des Verfahrens war, in vollem Umfang Bezug genommen."

"Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig; die ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides weist keine Rechtsmängel auf und beschwert damit den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG.

Zur Begründung folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid. Die Feststellung, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen für das Nachteilsausgleichsmerkmal "H" nicht vorliegen, sind zutreffend.

Dies ergibt sich auch aus dem Gutachten von Dr. Bxxxxx, das dass Gericht im Rahmen dieses Streitverfahrens eingeholt hat.

Sollten sich jedoch die Behinderungen bei dem Kläger in letzter Zeit verschlimmert haben, so bleibt es ihm unbenommen, einen neuen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz zu stellen, bei dem er glaubhaft machen kann, dass sich die bei ihm vorliegenden Behinderungen verschlimmert haben, bzw. weitere Behinderungen hinzugekommen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG."

Mit seiner gegen den ihm am 19.10.2001 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegten Berufung vom 23.10.2001 macht der Kläger geltend, er könne wegen des allgemeinen Schwächezustandes, der Fallneigung und Schwindelanfälle nur mit Hilfe seiner Ehefrau die Zimmer wechseln; er sei beim Klistieren ebenfalls auf fremde Hilfe angewiesen. Außerdem leide er unter Lähmungserscheinungen im rechten Arm, habe grosse Schwierigkeiten beim Sprechen und leide unter permanenten Schmerzen im Rücken und rechten Fußgelenk.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 19.10.2001 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.11.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2001 zu verurteilen, ab Juli 2000 die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleichs "H" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges des Beklagten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden. Der Kläger ist in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet.

I.

Der Senat kann in der Sache entscheiden. Das beklagte Land ist ungeachtet der Auflösung des Landesversorgungsamtes (Art. 1 § 3 Satz 2 des gem. Art. 37 Abs. 2 zum 01.01.2001 in Kraft getretenen 2. ModernG (GVBl. NRW, S. 412 ff)) und Übertragung von dessen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster prozessfähig. Der Gesetzgeber hat den Bedenken, die der Senat im Urteil vom 31.01.2001 - Az.: L 10 VS 28/00 - ( NWVBl. 10/ 2001, S. 401 ff) hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Landes geäußert hat, Rechnung getragen. Durch das Sechste Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGG - ÄndG) vom 17.08.2001 (BGBl. I S 2144 ff) ist § 71 Abs. 5 SGG mit Wirkung vom 02.01.2002 dahin geändert worden, dass nicht nur ein Landesversorgungsamt, sondern auch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, zur Vertretung des Landes befugt ist (hierzu Stellungnahme des Bundesrates zum 6. SGG - ÄndG (BT-Drucksache 132/01 S.7). Danach wird das beklagte Land nunmehr ordnungsgemäss von der Bezirksregierung Münster vertreten. Dies gilt allerdings nur solange, wie Struktur und Gefüge der Abteilung 10 im Hinblick auf die zu wahrende fachliche und personelle Qualität der Versorgungsverwaltung nicht unerheblich verändert werden (BSG, Urteil vom 21.06.2001 - B 9 V 5/00 R -; Urteil des Senats vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00 -, NVWBl. 10/2001, S. 401 ff).

In Anlehnung daran ist die Bezirksregierung als nächsthöhere Behörde i.S.d. § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGG derzeit auch als die für den Erlass der Widerspruchsentscheidungen zuständige Behörde anzusehen. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist danach formell rechtmäßig. Ob der Bescheid auch materiell rechtmäßig ist, kann zunächst dahinstehen, denn der Senat verweist wegen wesentlicher Verfahrensmängel an das Sozialgericht zurück.

II.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift oder ein Mangel der Entscheidung selbst (LSG NRW, Urteil vom 11.07.1995 - L 6 Vs 67/95 -; Senatsurteil vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 -; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, 1998, § 159 Rd. 3 m.w.N.; Zeihe, SGG, § 159 Rdn. 2a, 8a). Eine Zurückverweisung kommt auch bei Verstößen gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung oder bei unzureichender Begründung der angefochtenen Entscheidung in Betracht (Zeihe a.a.O.; LSG NRW, Urteil vom 14.05.1998 - L 7 SB 146/97 -; Senatsurteil vom 31.01.2001 - L 10 Vs 28/OO -).

Die Voraussetzungen sind erfüllt, der angefochtene Gerichtsbescheid, für den die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten (§ 105 Abs. 1 Satz 2 SGG), ist aufzuheben, weil 1. der Tatbestand nicht den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt,

2. die Entscheidungsgründe nicht den Mindestanforderungen der §§ 136 Abs. 1, 202 SGG i.V.m. § 313 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) genügen,

3. das SG sich zur weiterer Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen.

zu 1.

Der Tatbestand beurkundet das schriftliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten (Zöller/Vollkommer, ZPO, 19. Auflage, § 313a Rdn. 11). Er beweist, das wiedergegebene Tatsachen vorgetragen und nicht wiedergegebene nicht vorgetragen sind (BGH NJW 1983, 885; Meyer-Ladewig a.a.O., § 136 Rdn. 6). Nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGG kann die Darstellung des Tatbestandes durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zur Sitzungsniederschrift erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. Als Mindestanforderung verlangt § 136 Abs. 2 Satz 2 SGG, dass die erhobenen Ansprüche zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben sind. Bezugnahmen dürfen keine Unklarheiten zur Folge gehabt haben; der Tatbestand muss noch in sich verständlich sein (Meyer-Ladewig a.a.O., § 136 Rdn. 6c).

Den Mindestanforderungen des § 136 Abs. 2 SGG genügt der Tatbestand des angefochtenen Gerichtsbescheides nicht, weil er unvollständig ist. Der Tatbestand enthält weder die Wiedergabe der im Antrags- und Widerspruchsverfahren vom Beklagten durchgeführten Ermittlungen und deren Ergebnis, was insbesondere im Hinblick auf die in den Entscheidungsgründen erfolgte Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid erforderlich gewesen wäre, noch die Mitteilung des Ergebnisses der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme (s. hierzu Meyer-Ladewig a.a.O., Rdn. 6). Allein die Darlegung, dass eine Beweisaufnahme durchgeführt und hierzu ein Gutachten von Dr. Bxxxxx eingeholt worden ist, reicht nicht aus. Zwar soll der Tatbestand nur eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes enthalten. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist aber in jedem Fall (knapp) mitzuteilen, da ansonsten die Verständlichkeit leidet (Senatsurteil vom 05.09.2001 - L 10 SB 70/01 -). Diese Mängel werden auch nicht dadurch geheilt, dass das SG hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten auf die Prozessakte und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen hat. Damit hat es allenfalls erreicht, dass der gesamte Akteninhalt Gegenstand der Entscheidung geworden ist (vgl. BGH NJW 1992, S. 2148; a.A. Schumann, NJW, 1993, S. 2786). Es ist jedoch nicht von der ihm nach § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG obliegenden Verpflichtung entbunden, in gedrängter Form einen in ich verständlichen Tatbestand zu erstellen.

zu 2.

Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides genügen eben falls nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

Das SGG sagt über die Entscheidungsgründe nichts. Das Urteil - hier der Gerichtsbescheid - muss sie nur enthalten (§ 136 Abs. 1 SGG). Deswegen ist über § 202 SGG die Regelung des § 313 Abs. 3 ZPO maßgebend. Die Beteiligten sollen Kenntnis erhalten, von welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Gericht ausgegangen ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 136 Rdn. 7c). Eine kurze Begründung für jeden Einzelnen für den Urteilsausspruch rechtlich erheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist geboten und ausreichend (BSG Urteil vom 15.11.1988 - 4/11a RA 20/87 - in SozR 1500 § 136, 10; Meyer-Ladewig, a.a.O., § 136 Rdn. 7). Das Gericht muss sich dazu zwar nicht mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, ins besondere, wenn es offensichtlich unerheblich ist oder sich aus seiner Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne ausdrückliche Erwähnung für unerheblich hält. Mindestinhalt ist jedoch eine ausreichende Angabe der angewendeten Rechtsnormen, der für erfüllt oder nicht erfüllt gehaltenen Tatsbestandsmerkmale und der dafür ausschlaggebenden tatsächlichen oder rechtlichen Gründe (BSG, Urteil vom 15.11.1988 a.a.O.; Meyer-Ladewig a.a.O., § 136 Rdn. 7a; Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Auflage, § 313 Rdn. 14 ff.). Wesentlicher Teil der Entscheidungsgründe ist ferner die Beweiswürdigung. Ein grober Verfahrensfehler liegt vor, wenn diese völlig fehlt (BGH, Urteil vom 21.12.1962 - 1 ZB 27/62 - in: BGHZ 39, 333 ff.; Meyer-Ladewig a.a.O. § 136 Rdn. 7 ff.) oder wenn den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen ist, auf Grund welcher Tatsachen und Erwägungen das Gericht zu seinen Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Folgerungen gekommen ist (BGH, Urteil vom 07.03.2001 - XZR 176/99 -; BFH, Urteil vom 22.04.1966 - III 46/62 - in: BFHE 86, 219 ff.; Meyer-Ladewig a.a.O., Rdn. 7 ff.). Das SG hat gemäß § 202 SGG i.V.m. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Streitstoff in tatsächlicher Hinsicht erschöpfend zu prüfen und zu würdigen. Von einer eigenen Bewertung ist es auch dann nicht enthoben, wenn es ein Sachverständigengutachten eingeholt hat. Dessen Ergebnisse dürfen nicht ohne weiteres übernommen werden; auch Sachverständigenäußerungen sind eigenverantwortlich daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit sie Angaben enthalten, die Aufklärung im Hinblick auf entscheidungserhebliche und allein vom erkennenden Gericht zu beantwortende Fragen zu bieten vermögen (BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -).

Diesen Anforderungen genügen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides nicht. Das SGG hat weder die anspruchsbegründenden Normen (§ 69 Abs. 4, § 70 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB XI) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -; § 3 Nr. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung in der Fassung vom 19.06.01 (BGBl. 1, S. 1046) i.V.m. § 33b Abs. 3 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d. Fassung vom 16.01. 1997 (BGBl. I S. 821)) noch eine Würdigung des Streitstoffes vorgenommen. Es hat lediglich dargelegt, dass die Entscheidung des Beklagten rechtmäßig ist, es zur Begründung den überzeugenden Ausführungen der Verwaltungsentscheidungen folge und die Feststellung, dass die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "H" nicht vorlägen, zutreffend sei, was sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Bxxxxx ergebe.

Zwar ist eine Bezugnahme auf die Begründungen des angefochtenen Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides zulässig (§ 136 Abs. 3 SGG), jedoch nur, wenn diese ihrerseits den Mindestanforderungen Rechnung tragen (Meyer- Ladewig a.a.O., § 85 Rdn. 7c). Hat das Gericht Beweis erhoben, muss es das Ergebnis auch in diesem Falle würdigen (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 136 Rdn. 7d; BFH, Urteil vom 20.05.1994 - VI R 10/94 - im NVwZ - RR 95, 239). Das ist vorliegend nicht der Fall. Denn weder der Bescheid vom 02.11.2000 noch der Widerspruchsbescheid vom 10.04.2001 enthalten die die Entscheidung tragenden Gründe. Auf welche Tatsachen die Bescheide gestützt werden, ist ihnen nicht zu entnehmen. Die Gründe des Bescheides vom 02.11.2000 verhalten sich zu der Frage, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "H" gegeben sind, mit keinem Wort. Die Gründe des Widerspruchsbescheides enthalten im Wesentlichen lediglich eine Definition des Begriffes "hilflos", geben wieder, welche weiteren Ermittlungen der Beklagte angestellt hat, und dass die beigezogenen Unterlagen nach erneuter versorgungsrechtlicher Überprüfung das im Antragsverfahren eingeholte versorgungsärztliche Gutachten bestätigen und somit Hilflosigkeit nicht gegeben sei. Schließlich ist das Pflegegutachten vom 19.10.2000 angeführt worden, wonach Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI nicht vorliegt. Ob und inwieweit der Beklagte eingenständig eine Überprüfung des von ihm eingeholten ärztlichen Gutachtens und der gutachtlichen Stellungnahmen, deren Ergebnis in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht mitgeteilt worden ist, vorgenommen hat, ist den Gründen seiner Entscheidung nicht zu entnehmen.

Die gebotene Beweiswürdigung ist in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides ebenfalls nicht enthalten. Der bloße Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Bxxxxx, woraus sich ergebe, dass beim Kläger die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "H" nicht vorliegen, ersetzt keine Beweiswürdigung. Aufgabe des Gerichts ist die Prüfung, ob der Sachverständige von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und diesen vollständig berücksichtigt hat. Danach sind die medizinischen Befunderhebungen des Sachverständigen - soweit möglich - zu überprüfen. Das wird bei Funktionsstörungen im orthopädischen Bereich anhand von Messdaten eher möglich sein als z.B. bei Gesundheitsstörungen auf internistischem oder neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. In einem nächsten Schritt wird zu klären sein, welche Auswirkungen die von dem Sachverständigen festgestellten Normabweichungen auf die Fähigkeit des Klägers haben, die häufig und regelmäßig wiederkehrenden täglichen Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz vorzunehmen (§ 33b EStG). Dabei ist es Aufgabe des Sachverständigen, die Normabweichungen und deren Auswirkungen auf die einzelnen Verrichtungen aus medizinischer Sicht unter Berücksichtigung von Anamnese und Befund zu beschreiben. Auch insoweit hat das Gericht die Angaben des Sachverständigen auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Stimmigkeit zu überprüfen und dieses in seiner Entscheidung nachvollziehbar zu begründen. Sodann hat es zu klären, ob die Ausführungen des Sachverständigen zur Erfor- derlichkeit fremder Hilfe der gesetzlichen Definition des Begriffes "hilflos" unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung genügen. Die einzelnen Schritte der vorgenommenen Prüfung und Würdigung müssen in der daraufhin ergehenden gerichtlichen Entscheidung zwar nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO); die Entscheidung muss jedoch erkennen lassen, dass das Gericht die erforderlichen Schritte vollzogen hat; es muss die tragenden Gründe nachvollziehbar darlegen (BGH, Urteil vom 07.03.2001 - X ZR 176/99 -). Das es hieran in der angefochtenen Entscheidung fehlt, bedarf keiner näheren Darlegung.

Zu 3.

Ein weiterer Mangel liegt darin, dass das SG den Sachverhalt nur unzureichend aufgeklärt hat. Allein auf das internistische Gutachten des Sachverständigen Dr. B ... hätte es seine Entscheidung nicht stützen dürfen. Das SG hätte sich zu einer weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen müssen. Im Hinblick darauf, dass im Vordergrund des Leidenszustandes des Klägers die auf orthopädischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen stehen, worauf der Sachverständige Dr. B ... ausdrücklich hingewiesen hat, hätte das SG noch ein orthopädisches Gutachten einholen müssen. Die Bezugnahme des Sachverständigen auf die Befunderhebung im Entlassungsbericht der Kurklinik an der R ... ersetzt kein orthopädisches Gutachten, zumal im Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen (13.07.2001) die Befunderhebung bei Aufnahme in der Kurklinik (10.12.2000) bereits 7 Monate zurücklag hatte und der Kläger ausdrücklich auf eine Verschlimmerung seines Leidens hingewiesen hat. Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Klage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Im übrigen lassen die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen auch nicht erkennen, inwieweit sich welche Gesundheitsstörungen am Bewegungsapparat auf die Durchführung der täglich wiederkehrenden Verrichtungen auswirken und deshalb Hilfe erforderlich ist. Zur Frage, bei welchen Verrichtungen der Kläger fremder Hilfe bedarf, wäre eine Anfrage bei dem Hausarzt Dr. Lxxxxxxxxx sinnvoll gewesen, bei dem der Kläger seit 1975 behandelt wird. Auch dürfte die Beiziehung des der nach dem SGB XI erfolgten Feststellung der Pflegestufe I zu Grunde liegenden Gutachtens von Bedeutung sein, auch wenn der Begriff der Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI nicht in vollem Umfang dem der Hilflosigkeit im Sinne des EStG entspricht.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind wesentlich. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das SG nach der gebotenen weiteren Sachaufklärung und ordnungsgemäßer Beweiswürdigung zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage gelangt wäre. Die trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 SGG nicht zwingend vorgeschriebene, sondern nur im Ermessen des Senats stehende Zurückverweisung erscheint angesichts der Kürze des Berufungsverfahrens und im Hinblick darauf, dass den Beteiligten eine weitere Tatsacheninstanz erhalten bleiben soll, geboten.

Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt dem SGG vorbehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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