Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AL 68/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 127/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 115/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.05.2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat Verschuldenskosten in Höhe von 400 Euro an die Landeskasse zu zahlen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Rücknahme eines Bescheides, mit dem die Beklagte im Jahr 1993 für etwa 3 Monate die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen feh lender Verfügbarkeit aufgehoben hatte.
Die am ...1978 geborene Klägerin war vom 17.04.1974 bis 15.05.1991 als Oberserviererin bei der Deutschen ... Bahn tätig. Anschließend bezog sie bis zum 30.09.1992 Krankengeld. Zum 01.10.1992 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, wobei sie angab, die letzte Tätigkeit sei ihr zu schwer gewesen. Sie könne nur noch in Teilzeit von 20 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Arbeitsunfähigkeit bestehe weiter. Die Beklagte veranlaßte eine Begutachtung durch ihren ärztlichen Dienst, der unter dem 09.12.1992 zu dem Ergebnis kam, es bestünden diverse Schäden am Stütz- und Bewegungsapparat sowie ein Überforderungssyndrom bei psycho- vege tativer Fehlsteuerung. Die bisherige Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar, aber leichtere frauenübiche Tätigkeiten im Innendienst könnten in Vollzeit ver richtet werden. Daraufhin wurde der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.10.1992 für maximal 572 Leistungstage bewilligt.
Am 10.03.1993 erklärte die Klägerin erneut, nur noch 4 Stunden täglich arbei ten zu können. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitsamtsarzt die Zumutbarkeit einer längeren Arbeitszeit feststelle. Sie sei darüber belehrt, dass sie keine Leistungen erhalte, wenn die Einschränkung der Arbeitsbereit schaft nicht berechtigt sei. Die Beklagte veranlaßte daraufhin eine Nachun tersuchung, deren Ergebnis im Gutachten vom 30.03.1993 war, dass keine Ände rung der Beurteilung bezüglich der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu ver zeichnen sei. Dieses Gutachten wurde laut Aktenvermerk am 20.04.1993 mit der Klägerin besprochen, die aber bei der Einschränkung der Wochenarbeitszeit blieb und angab, sie werde sich bei Änderungen wieder melden.
Die Beklagte hob daraufhin die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeits losengeld mit Bescheid vom 02.06.1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 02.09.1993, ab dem 10.03.1993 wegen fehlender Verfügbarkeit der Klägerin für die Arbeitsvermittlung auf. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 14.06.1993 stellte die Klägerin sich wieder ihm Rahmen der ärztlich fest gestellten Leistungsfähigkeit zur Verfügung. Daraufhin wurde ihr Arbeitslo sengeld ab dem 14.06.1993 erneut bewilligt.
Am 30.10.2000 erteilte der für die Klägerin zuständige Rentenversicherungs- träger der Klägerin eine Übersicht über ihren bisherigen Versicherungsver lauf. Darin wurde auf die Lücke vom 10.03. bis 30.06.1993 hingewiesen.
Am 24.11.2000 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 02.06.1993. Zur Begründung gab sie an, ihrer Erinnerung nach habe sie in der Vergangenheit durchgehend dem Arbeitsamt zur Verfügung gestanden. Wenn sich aus den Akten etwas anderes ergeben sollte, so seien die Akten falsch. Mit Bescheid vom 13.12.2000 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 02.06.1993 ab, weil dieser nicht rechtswidrig gewesen sei. Hiergegen legte die Klägerin am 15.12.200 Widerspruch ein und führte aus, sie habe die Folgen der damaligen Beschränkung auf 20 Stunden wöchentlich aufgrund ihrer Sprachprobleme nicht nachvollziehen können. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2001 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2001 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe im Jahr 1993 nur deut lich machen wollen, dass sie die bisherige Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können. Außerdem sei sie im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung verfügbar gewesen.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2001 zu verurteilen, den Bescheid vom 02.06.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1993 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat weiterhin an ihrer Auffassung festgehalten, dass die damalige Entscheidung im Jahre 1993 der Sach- und Rechtslage entsprochen habe.
Mit Urteil vom 08.05.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Be gründung hat das Sozialgericht u.a. wörtlich ausgeführt:
" ... Ihre Verfügbarkeit für die Arbeitsmittlung hat die Klägerin unter dem 10.03.1993 und 20.04.1993 schriftlich gegenüber der Beklagten dadurch ver neint, dass sie erklärt hat, auf Grund ihres Gesundheitszustandes nur für die Dauer von 20 Stunden wöchentlich in der Lage zu sein, eine regelmäßige Tätigkeit auszuüben, obwohl eine ärztliche Begutachtung am 30.03.1993 ergeben hatte, dass, wie bereits vorher festgestellt, weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeit bestand. Die Einschränkung der Dauer der Arbeitszeit stand der Verfügbarkeit entgegen, weil nach § 103 Abs. 1 Satz 2 AFG die Dauer der Arbeitszeit nur dann nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen mußte, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben konnte. Dass derartige Bindungen bestanden, er gibt sich aus den Akten jedoch nicht und ist auch nicht behauptet worden. So weit die Klägerin damals meinte, aus gesundeitlichen Gründen nur 20 Stunden wöchentlich arbeiten zu können, ist dies durch die damaligen Begutachtungen seitens des ärztlichen Dienstes der Beklagten gerade nicht bestätigt worden, sondern es wurde eine Vollzeitbeschäftigung für zumutbar erachtet. Die Behauptung der Klägerin, auf Grund von Sprachproblemen die Bedeutung ihrer da maligen Erklärungen nicht erkannt zu haben, ist nicht glaubhaft. Immerhin war sie ab 1974 als Serviererin der Deutschen ... der Bahn mbH beschäftigt, also in einem Beruf, in dem ständige Kundenkontakte und die Kom munikation mit anderern Personen unerlässlich sind. Auch hätte von der Kläge rin für den Fall, dass ihr die Bedeutung der abgegebenen Erklärung nicht bewusst war, eine Reaktion auf die Leistungseinstellung ab dem 30.03.1993 er wartet werden können. Dass sie diese kommentarlos hingenommen hat, legt die Vermutung nahe, dass sie die Belehrung am 20.04.1993 hinsichtlich des Weg falls des Leistungsanspruchs durchaus verstanden hat."
Gegen dieses ihr am 10.06.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.07.2002 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, dass sie im Jahre 1993 der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen sei. Deshalb habe sie die Tragweite ihrer Erklärungen vom 10.03.1993 und 20.04.1993 nicht erkennen können. Sie habe geglaubt, alles werde seine Richtigkeit haben. Zum Beweis für ihre beschränkten Deutschkenntnisse im Jahr 1993 hat sie ihren Ehemann und ihren ehemaligen Personalchef bei der DSG als Zeugen benannt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.05.2002 zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochten Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt sei, über ihre Deutschkenntnisse im Jahre 1993 Beweis zu erheben und dass die Berufung für unbegründet gehalten werde. Ferner ist der Klägerin die Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erläutert worden. Die Klägerin hat erklärt, dass sie entgegen dem Rat ihres Bevollmächtigten wünsche, dass der Senat ein Urteil schreiben möge, selbst wenn dies mit Kosten verbunden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Be klagten (3 Bände) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid vom 02.06.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1993 nicht rechtswidrig und damit nicht zurückzunehmen war. Der Senat hat dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts nichts hinzuzufügen. Er hält es in der Begründung und im Ergebnis nach eigener Überzeugung und Über prüfung in vollem Umfang für zutreffend. Es wird deshalb gem. § 153 Abs. 2 GG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung des Sozialgerichts der ständigen Rechtsprechung des Senats, des Bundessozialgerichts (BSG) und der Literatur entspricht (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 18; BSG SozR 3 - 4100 § 105a Nr. 2; Niesel SGB III, 2. Auflage 2002, § 125 Rnr. 5 und § 119 Rnr. 58). Die im Jahre 1993 getroffene Entscheidung der Beklagten, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 10.03.1993 wegen fehlen der Verfügbarkeit aufzuheben, entsprach somit der damaligen Rechtslage.
Der Vortrag im Berufungsverfahren gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. Dies gilt auch bezüglich der nochmals vorgetragenen Verständigungsschwierig- keiten. Der Vortrag läuft darauf hinaus, dass die Klägerin einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend macht. Wenn die Klägerin der deutschen Sprache tatsächlich nicht mächtig war, dies für die Beklagte er kennbar war, sie die Klägerin gleichwohl in deutscher Sprache berät, ohne einen Dolmetscher hinzuzuziehen, dann könnte ein Beratungsfehler vorliegen, der es der Beklagten verwehren könnte, die Klägerin an den Folgen ihrer Erklärungen vom 10.03. und 20.04.1993 festzuhalten (sogenannter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch). Ein solcher Fehler ist jedoch nicht erkennbar. Dabei unterstellt der Senat, dass die Sprachkenntnisse so schlecht waren, wie es die Klägerin selbst vorträgt. Deshalb bedurfte es der beantrag ten Beweiserhebung über die im Jahr 1993 vorhandenen Sprachkenntnisse der Klägerin nicht, weil es hierauf nicht ankommt.
Die Klägerin hat sich am 30.09.1992 persönlich arbeitslos gemeldet und hat Leistungen beantragt, ohne auf ihre mangelnden Sprachkenntnisse hinzuweisen. In der Folgezeit hat die Klägerin deutsch-sprachige Formulare unterschrieben und deutsch verfasste Schreiben an die Klägerin gesandt, ohne darauf hinzu weisen, dass sie etwas unterschreibt, was sie nicht versteht. Am 10.03.1993, 20.04.1993 und 14.06.1993 hat die Klägerin persönlich ohne Dolmetscher die Beklagte aufgesucht, hat Gespräche mit dem Sachbearbeiter geführt und die Niederschrift über die Gespräche unterschrieben, ohne darauf hinzuweisen, dass sie nichts verstand und doch eigentlich einen Dolmetscher benötigte. Insbesondere bei ihrer erneuten Arbeitslosmeldung am 14.06.1993 hätte es na hegelegen, darauf hinzuweisen, dass sie bei den Gesprächen vom 10.03.1993 und 20.04.1993 nichts verstanden habe und die Bescheide bezüglich der Aufhebung des Arbeitslosengeldes auf Mißverständnissen beruhten. Den Widerspruchsbe scheid vom 02.09.1993 hat die Klägerin bestandskräftig werden lassen, offen bar ohne sich den Inhalt übersetzen zu lassen. Im Widerspruchsbescheid vom 02.09.1993 wurden die Folgen der Erklärung der Klägerin vom 10.03.1993 aus führlich dargestellt. Wer sie derart grob fahrlässig gegen seine eigenen In teressen verhält, der kann der Beklagten keinen Beratungsfehler vorhalten. Die Klägerin ist inbesondere am 20.04.1993 persönlich über die Folgen ihrer Erklärung vom 10.03.1993 aufgeklärt worden. Sie hat gleichwohl unterschrie ben, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass sie nichts verstand. Spätestens am 14.06.1993 wäre Gelegenheit gewesen, die Beklagte darüber zu informieren, dass sie in der Vergangenheit falsch verstanden wurde. Wer mit derart schlechten Deutschkenntnissen, wie sie die Klägerin selbst vorträgt, am Rechtsverkehr in Deutschland teilnimmt, ohne hierauf die Gegenseite hinzuwei sen und die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu verlangen, im Gegenteil sogar durch das Absenden deutschsprachiger Schriftstücke im eigenen Namen den Ein druck nach außen hin erweckt, eine Verständigung sei in Deutsch möglich, der kann der Beklagten keine mangelnde Beratung vorwerfen und deshalb seine abgegebenen Erklärungen nicht widerrufen oder anfechten. Ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten im Sinne einer unzureichenden Beratung oder Auf klärung läßt sich somit nicht feststellen. Damit läßt sich auch die Rechts widrigkeit des Bescheides vom 02.06.1993 in der Fassung des Widerspruchsbe scheides vom 02.09.1993 nicht feststellen. Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.
Hierüber ist die Klägerin im vorbereiteten Verfahren vom Berichterstatter und in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden aufgeklärt worden. Der Vorsit zende hat die Klägerin und ihren Bevollmächtigten ferner darauf hingewiesen, dass die Fortsetzung des Rechtsstreits für rechtsmißbräuchlich gehalten wer de. Die Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist der Klägerin erläu tert worden. Die Klägerin hat daraufhin entgegen dem Rat ihres Bevollmächtig ten erklärt, der Senat möge ein Urteil schreiben, selbst wenn dies mit Kosten verbunden sei. Der Senat stellt bei der Klägerin ein rechtsmißbräuchliches Verhalten für die Zeit nach der Belehrung in der mündlichen Verhandlung fest. Der Höhe nach waren 400,-- Euro angemessen. Der Betrag liegt über dem festzu setzenden Mindestbetrag von 225,00 Euro nach § 184 Abs. 2 SGG, aber noch unter den Kosten, die der Landeskasse durch das Verhalten der Klägerin tat sächlich entstanden sind. Im übrigen folgt die Kostenentscheidung aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziff.1 oder Ziff. 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern hat sie im Gegenteil zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Rücknahme eines Bescheides, mit dem die Beklagte im Jahr 1993 für etwa 3 Monate die Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen feh lender Verfügbarkeit aufgehoben hatte.
Die am ...1978 geborene Klägerin war vom 17.04.1974 bis 15.05.1991 als Oberserviererin bei der Deutschen ... Bahn tätig. Anschließend bezog sie bis zum 30.09.1992 Krankengeld. Zum 01.10.1992 meldete sie sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, wobei sie angab, die letzte Tätigkeit sei ihr zu schwer gewesen. Sie könne nur noch in Teilzeit von 20 Stunden wöchentlich arbeiten. Die Arbeitsunfähigkeit bestehe weiter. Die Beklagte veranlaßte eine Begutachtung durch ihren ärztlichen Dienst, der unter dem 09.12.1992 zu dem Ergebnis kam, es bestünden diverse Schäden am Stütz- und Bewegungsapparat sowie ein Überforderungssyndrom bei psycho- vege tativer Fehlsteuerung. Die bisherige Tätigkeit sei nicht mehr zumutbar, aber leichtere frauenübiche Tätigkeiten im Innendienst könnten in Vollzeit ver richtet werden. Daraufhin wurde der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 01.10.1992 für maximal 572 Leistungstage bewilligt.
Am 10.03.1993 erklärte die Klägerin erneut, nur noch 4 Stunden täglich arbei ten zu können. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitsamtsarzt die Zumutbarkeit einer längeren Arbeitszeit feststelle. Sie sei darüber belehrt, dass sie keine Leistungen erhalte, wenn die Einschränkung der Arbeitsbereit schaft nicht berechtigt sei. Die Beklagte veranlaßte daraufhin eine Nachun tersuchung, deren Ergebnis im Gutachten vom 30.03.1993 war, dass keine Ände rung der Beurteilung bezüglich der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu ver zeichnen sei. Dieses Gutachten wurde laut Aktenvermerk am 20.04.1993 mit der Klägerin besprochen, die aber bei der Einschränkung der Wochenarbeitszeit blieb und angab, sie werde sich bei Änderungen wieder melden.
Die Beklagte hob daraufhin die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeits losengeld mit Bescheid vom 02.06.1993, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 02.09.1993, ab dem 10.03.1993 wegen fehlender Verfügbarkeit der Klägerin für die Arbeitsvermittlung auf. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 14.06.1993 stellte die Klägerin sich wieder ihm Rahmen der ärztlich fest gestellten Leistungsfähigkeit zur Verfügung. Daraufhin wurde ihr Arbeitslo sengeld ab dem 14.06.1993 erneut bewilligt.
Am 30.10.2000 erteilte der für die Klägerin zuständige Rentenversicherungs- träger der Klägerin eine Übersicht über ihren bisherigen Versicherungsver lauf. Darin wurde auf die Lücke vom 10.03. bis 30.06.1993 hingewiesen.
Am 24.11.2000 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides vom 02.06.1993. Zur Begründung gab sie an, ihrer Erinnerung nach habe sie in der Vergangenheit durchgehend dem Arbeitsamt zur Verfügung gestanden. Wenn sich aus den Akten etwas anderes ergeben sollte, so seien die Akten falsch. Mit Bescheid vom 13.12.2000 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 02.06.1993 ab, weil dieser nicht rechtswidrig gewesen sei. Hiergegen legte die Klägerin am 15.12.200 Widerspruch ein und führte aus, sie habe die Folgen der damaligen Beschränkung auf 20 Stunden wöchentlich aufgrund ihrer Sprachprobleme nicht nachvollziehen können. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2001 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 05.03.2001 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe im Jahr 1993 nur deut lich machen wollen, dass sie die bisherige Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können. Außerdem sei sie im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung verfügbar gewesen.
Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2001 zu verurteilen, den Bescheid vom 02.06.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1993 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat weiterhin an ihrer Auffassung festgehalten, dass die damalige Entscheidung im Jahre 1993 der Sach- und Rechtslage entsprochen habe.
Mit Urteil vom 08.05.2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Be gründung hat das Sozialgericht u.a. wörtlich ausgeführt:
" ... Ihre Verfügbarkeit für die Arbeitsmittlung hat die Klägerin unter dem 10.03.1993 und 20.04.1993 schriftlich gegenüber der Beklagten dadurch ver neint, dass sie erklärt hat, auf Grund ihres Gesundheitszustandes nur für die Dauer von 20 Stunden wöchentlich in der Lage zu sein, eine regelmäßige Tätigkeit auszuüben, obwohl eine ärztliche Begutachtung am 30.03.1993 ergeben hatte, dass, wie bereits vorher festgestellt, weiterhin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeit bestand. Die Einschränkung der Dauer der Arbeitszeit stand der Verfügbarkeit entgegen, weil nach § 103 Abs. 1 Satz 2 AFG die Dauer der Arbeitszeit nur dann nicht den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechen mußte, wenn der Arbeitslose wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen nur eine Teilzeitbeschäftigung ausüben konnte. Dass derartige Bindungen bestanden, er gibt sich aus den Akten jedoch nicht und ist auch nicht behauptet worden. So weit die Klägerin damals meinte, aus gesundeitlichen Gründen nur 20 Stunden wöchentlich arbeiten zu können, ist dies durch die damaligen Begutachtungen seitens des ärztlichen Dienstes der Beklagten gerade nicht bestätigt worden, sondern es wurde eine Vollzeitbeschäftigung für zumutbar erachtet. Die Behauptung der Klägerin, auf Grund von Sprachproblemen die Bedeutung ihrer da maligen Erklärungen nicht erkannt zu haben, ist nicht glaubhaft. Immerhin war sie ab 1974 als Serviererin der Deutschen ... der Bahn mbH beschäftigt, also in einem Beruf, in dem ständige Kundenkontakte und die Kom munikation mit anderern Personen unerlässlich sind. Auch hätte von der Kläge rin für den Fall, dass ihr die Bedeutung der abgegebenen Erklärung nicht bewusst war, eine Reaktion auf die Leistungseinstellung ab dem 30.03.1993 er wartet werden können. Dass sie diese kommentarlos hingenommen hat, legt die Vermutung nahe, dass sie die Belehrung am 20.04.1993 hinsichtlich des Weg falls des Leistungsanspruchs durchaus verstanden hat."
Gegen dieses ihr am 10.06.2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.07.2002 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und weist insbesondere darauf hin, dass sie im Jahre 1993 der deutschen Sprache kaum mächtig gewesen sei. Deshalb habe sie die Tragweite ihrer Erklärungen vom 10.03.1993 und 20.04.1993 nicht erkennen können. Sie habe geglaubt, alles werde seine Richtigkeit haben. Zum Beweis für ihre beschränkten Deutschkenntnisse im Jahr 1993 hat sie ihren Ehemann und ihren ehemaligen Personalchef bei der DSG als Zeugen benannt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.05.2002 zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochten Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass nicht beabsichtigt sei, über ihre Deutschkenntnisse im Jahre 1993 Beweis zu erheben und dass die Berufung für unbegründet gehalten werde. Ferner ist der Klägerin die Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erläutert worden. Die Klägerin hat erklärt, dass sie entgegen dem Rat ihres Bevollmächtigten wünsche, dass der Senat ein Urteil schreiben möge, selbst wenn dies mit Kosten verbunden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Be klagten (3 Bände) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid vom 02.06.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.1993 nicht rechtswidrig und damit nicht zurückzunehmen war. Der Senat hat dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts nichts hinzuzufügen. Er hält es in der Begründung und im Ergebnis nach eigener Überzeugung und Über prüfung in vollem Umfang für zutreffend. Es wird deshalb gem. § 153 Abs. 2 GG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Auffassung des Sozialgerichts der ständigen Rechtsprechung des Senats, des Bundessozialgerichts (BSG) und der Literatur entspricht (BSG SozR 4100 § 103 Nr. 18; BSG SozR 3 - 4100 § 105a Nr. 2; Niesel SGB III, 2. Auflage 2002, § 125 Rnr. 5 und § 119 Rnr. 58). Die im Jahre 1993 getroffene Entscheidung der Beklagten, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 10.03.1993 wegen fehlen der Verfügbarkeit aufzuheben, entsprach somit der damaligen Rechtslage.
Der Vortrag im Berufungsverfahren gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlaß. Dies gilt auch bezüglich der nochmals vorgetragenen Verständigungsschwierig- keiten. Der Vortrag läuft darauf hinaus, dass die Klägerin einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch geltend macht. Wenn die Klägerin der deutschen Sprache tatsächlich nicht mächtig war, dies für die Beklagte er kennbar war, sie die Klägerin gleichwohl in deutscher Sprache berät, ohne einen Dolmetscher hinzuzuziehen, dann könnte ein Beratungsfehler vorliegen, der es der Beklagten verwehren könnte, die Klägerin an den Folgen ihrer Erklärungen vom 10.03. und 20.04.1993 festzuhalten (sogenannter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch). Ein solcher Fehler ist jedoch nicht erkennbar. Dabei unterstellt der Senat, dass die Sprachkenntnisse so schlecht waren, wie es die Klägerin selbst vorträgt. Deshalb bedurfte es der beantrag ten Beweiserhebung über die im Jahr 1993 vorhandenen Sprachkenntnisse der Klägerin nicht, weil es hierauf nicht ankommt.
Die Klägerin hat sich am 30.09.1992 persönlich arbeitslos gemeldet und hat Leistungen beantragt, ohne auf ihre mangelnden Sprachkenntnisse hinzuweisen. In der Folgezeit hat die Klägerin deutsch-sprachige Formulare unterschrieben und deutsch verfasste Schreiben an die Klägerin gesandt, ohne darauf hinzu weisen, dass sie etwas unterschreibt, was sie nicht versteht. Am 10.03.1993, 20.04.1993 und 14.06.1993 hat die Klägerin persönlich ohne Dolmetscher die Beklagte aufgesucht, hat Gespräche mit dem Sachbearbeiter geführt und die Niederschrift über die Gespräche unterschrieben, ohne darauf hinzuweisen, dass sie nichts verstand und doch eigentlich einen Dolmetscher benötigte. Insbesondere bei ihrer erneuten Arbeitslosmeldung am 14.06.1993 hätte es na hegelegen, darauf hinzuweisen, dass sie bei den Gesprächen vom 10.03.1993 und 20.04.1993 nichts verstanden habe und die Bescheide bezüglich der Aufhebung des Arbeitslosengeldes auf Mißverständnissen beruhten. Den Widerspruchsbe scheid vom 02.09.1993 hat die Klägerin bestandskräftig werden lassen, offen bar ohne sich den Inhalt übersetzen zu lassen. Im Widerspruchsbescheid vom 02.09.1993 wurden die Folgen der Erklärung der Klägerin vom 10.03.1993 aus führlich dargestellt. Wer sie derart grob fahrlässig gegen seine eigenen In teressen verhält, der kann der Beklagten keinen Beratungsfehler vorhalten. Die Klägerin ist inbesondere am 20.04.1993 persönlich über die Folgen ihrer Erklärung vom 10.03.1993 aufgeklärt worden. Sie hat gleichwohl unterschrie ben, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass sie nichts verstand. Spätestens am 14.06.1993 wäre Gelegenheit gewesen, die Beklagte darüber zu informieren, dass sie in der Vergangenheit falsch verstanden wurde. Wer mit derart schlechten Deutschkenntnissen, wie sie die Klägerin selbst vorträgt, am Rechtsverkehr in Deutschland teilnimmt, ohne hierauf die Gegenseite hinzuwei sen und die Hinzuziehung eines Dolmetschers zu verlangen, im Gegenteil sogar durch das Absenden deutschsprachiger Schriftstücke im eigenen Namen den Ein druck nach außen hin erweckt, eine Verständigung sei in Deutsch möglich, der kann der Beklagten keine mangelnde Beratung vorwerfen und deshalb seine abgegebenen Erklärungen nicht widerrufen oder anfechten. Ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten im Sinne einer unzureichenden Beratung oder Auf klärung läßt sich somit nicht feststellen. Damit läßt sich auch die Rechts widrigkeit des Bescheides vom 02.06.1993 in der Fassung des Widerspruchsbe scheides vom 02.09.1993 nicht feststellen. Die Berufung konnte somit keinen Erfolg haben.
Hierüber ist die Klägerin im vorbereiteten Verfahren vom Berichterstatter und in der mündlichen Verhandlung vom Vorsitzenden aufgeklärt worden. Der Vorsit zende hat die Klägerin und ihren Bevollmächtigten ferner darauf hingewiesen, dass die Fortsetzung des Rechtsstreits für rechtsmißbräuchlich gehalten wer de. Die Vorschrift des § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist der Klägerin erläu tert worden. Die Klägerin hat daraufhin entgegen dem Rat ihres Bevollmächtig ten erklärt, der Senat möge ein Urteil schreiben, selbst wenn dies mit Kosten verbunden sei. Der Senat stellt bei der Klägerin ein rechtsmißbräuchliches Verhalten für die Zeit nach der Belehrung in der mündlichen Verhandlung fest. Der Höhe nach waren 400,-- Euro angemessen. Der Betrag liegt über dem festzu setzenden Mindestbetrag von 225,00 Euro nach § 184 Abs. 2 SGG, aber noch unter den Kosten, die der Landeskasse durch das Verhalten der Klägerin tat sächlich entstanden sind. Im übrigen folgt die Kostenentscheidung aus den §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziff.1 oder Ziff. 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern hat sie im Gegenteil zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.
Rechtskraft
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