Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (41,13) KR 295/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 205/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte gegen einen Vergütungsan spruch wegen einer stationären Behandlung mit einer Gegenforderung aufrechnen durfte.
Der klagende Verein ist Träger des Krankenhauses für S ... H ... (im Folgenden: Krankenhaus), in dem die bei der Beklagten versicherte Frau H ... (im Folgenden: Versicherte) vom 19.03. bis 27.05.2000 behandelt wurde. Nachdem sie bereits zuvor vom 25.02. bis 15.03.2000 in stationärer Behandlung in dem Krankenhaus gewesen war, wurde sie im streitigen Zeitraum nach einer Aufnahme als Notfall wegen Arthritis und Polyarthritis durch Staphylokokken behandelt, wobei mehrere Eingriffe im Knie erfolgten. Die Beklagte erteilte eine unbefristete ("bis auf Weiteres") Kostenzusage für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlung.
Schon während des Aufenthalts der Versicherten im Krankenhaus überprüfte die Beklagte deren medizinische Notwendigkeit; der von ihr eingeschaltete Medizi nische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in S ... bejahte zunächst in einer Stellungnahme vom 25.03.2000 die Notwendigkeit einer weiteren stationä ren Behandlung. Nachdem die Beklagte den MDK S ... am 03.05.2000 erneut um eine Prüfung der Behandlungsdauer ersucht hatte, forderte dieser am 04.05.2000 Unterlagen vom Krankenhaus an, die ihm erst im Juli zugingen. Dr. S ... kam in seinem Gutachten vom 12.09.2000 zu dem Ergebnis, eine stationäre Behandlung sei bis etwa 14 Tage nach dem letzten Eingriff (26.04.2000) erforderlich gewesen. Die weitere Mobilisation und Überwachung sei dann auch in einer Anschlussheilbehandlung möglich gewesen.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens forderte die Beklagte, die bereits am 20.06.2000 den für die Behandlung geforderten Betrag von 23.444,82 DM begli chen hatte, mit Schreiben vom 28.09.2000 für 16 Tage (11.05. bis 26.05.2000) die Behandlungskosten in Höhe von 5.436,48 DM zurück und kündigte an, sie werde mit ihrer Forderung gegen Vergütungsansprüche des Krankenhauses auf rechnen, wenn bis zum 12.10.2000 keine Zahlung erfolge. Mit Rechnung vom 30.10.2000 forderte das Krankenhaus für die Behandlung der Versicherten S ... einen Betrag von 5.055,12 DM und mit Rechnung vom 31.10.2000 für die Behandlung des Versicherten J ... einen Betrag von 1.552,10 DM. Die Be klagte erklärte mit Schreiben vom 15.11.2000 die Aufrechnung ihrer Forderung gegen die Ansprüche aus den genannten Rechnungen und überwies den Restbetrag.
Der Kläger hat am 18.09.2001 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetra gen, die stationäre Behandlung der Versicherten sei während der gesamten Zeit erforderlich gewesen. Ferner sei die Beklagte schon aufgrund der erteilten unbefristeten Kostenzusage zur Bezahlung der Rechnung verpflichtet gewesen. Ein zur Aufrechnung geeigneter Rückforderungsanspruch habe daher nicht be standen. Die Beklagte hat demgegenüber darauf verwiesen, dass ihre Kosten übernahme nur für die Dauer der medizinisch notwendigen Krankenhausbehandlung gegolten habe. Sie habe das Behandlungsgeschehen auch zeitnah überprüft. Zu einer Verzögerung sei es nur deshalb gekommen, weil das Krankenhaus erst nach über zwei Monaten die erforderlichen Unterlagen an den MDK gesandt habe. Eine Verrechnung mit Gegenansprüchen sei nach den in Nordrhein-Westfalen geltenden vertraglichen Bestimmungen zulässig.
Mit Urteil vom 05.09.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 5.436,48 DM (2.775,84 Euro) verurteilt, da sie gegen die Zahlungsansprüche des Klägers nicht habe aufrechnen dürfen. Wegen der Einzelheiten der Begrün dung wird auf das Urteil verwiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt die Beklagte die Auffassung, auch nach den in Nordrhein-Westfalen geltenden Vertragsbestimmungen sei eine Aufrechnung mög lich. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Aufrechnung mit Gegenforderungen habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23.07.2002 (B 3 KR 64/01 R) bejaht. Eine Aufrechnung sei hier insbesondere deshalb möglich gewesen, weil es sich um eine Beanstandung rechnerischer Art handele, denn das Krankenhaus habe zu hohe Kosten verlangt, die nunmehr zurückgefordert würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Ge genstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klage ist als Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; LSG NRW, Urteil vom 12.11.2002 - L 5 KR 46/00 -). Soweit in dem Umstand, dass der Kläger zunächst seinen Zahlungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten und später im Schrift satz vom 13.02.2002 aus der Behandlung der Versicherten S ... und J ... hergeleitet hat, eine Klageänderung i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG zu sehen wäre, wäre diese zulässig, da die Beklagte eingewilligt hat.
Dem Kläger steht für die Behandlung der Versicherten S ... und J ... noch Vergütungsansprüche in Höhe von 5.436,48 DM (2.775,84 Euro) zu. Rechtsgrundlage dieser Ansprüche ist § 109 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetz buch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Leistungsanspruch der Versicherten, ohne dass insoweit zur rechtlichen Begründung auf den auf Landesebene nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag zurückgegriffen werden müsste (LSG NRW, Urteil vom 27.03.2003 - L 5 KR 141/01 -). Die Berechtigung der Forderungen aus den Rechnungen vom 30.10.2000 und 31.10.2000 wird von der Beklagten, die auch einen Teilbetrag überwiesen hat, nicht in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Forderungen nicht durch die erklärte Aufrechnung mit dem geltend gemachten Rückforderungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten erloschen (§ 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Die Beklagte durfte gegen den Zahlungsanspruch des Klägers mit ihrer Forde rung nicht aufrechnen. Das ergibt sich freilich nicht aus § 390 BGB, denn die vom Sozialgericht angenommene Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 BGB) betrifft nur Leistungen aus einem gegenseitigen Vertrag, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 320 Rdn. 4). Weder der in Nordrhein-Westfalen ab 01.01.1997 geltende Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 (im Folgenden: Sicherstellungsvertrag-SVTr) noch der Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V vom 06.03.1991 begründen ein solches gegenseitiges Leistungsverhältnis.
Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich aber aus § 15 Abs. 4 Satz 2 SVTr, der auch für die Krankenkassen außerhalb Nordrhein-Westfalens gilt, die nicht Mitglied eines der vertragschließenden Verbände (§ 112 Abs. 1 SGB V) sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4). Nach der genannten Vorschrift ist die Verrechnung überzahlter Beträge (nur) zulässig bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Eine Beanstandung rechneri scher Art liegt dem Rückforderungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, nicht zugrunde, denn sie macht keinen Rechenfehler geltend, sondern bezweifelt die Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung der Versicherten, greift also die sachliche Berechtigung der Höhe der geforderten und gezahlten Vergütung an. Hinsichtlich solcher Beanstandungen sachlicher Art schließt § 15 Abs. 4 Satz 2 SVTr eine Verrechnung aus (so schon LSG NRW, Urteil vom 27.03.2003 - L 5 KR 141/01 -). Eine Aufrechnung kann, soweit kein gesetz liches Verbot entgegensteht, durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt
werden, wobei ein vertragliches Aufrechnungsverbot ausdrücklich, aber auch stillschweigend vereinbart sein kann (vgl. Münchener Kommentar - von Feldmann, BGB, Bd. II, 3. Aufl., § 387 Rdn. 40; Palandt-Heinrichs, § 387 Rdn. 40). In der genannten Regelung ist die Vereinbarung einer Beschränkung der Aufrechnung auf die ausdrücklich erwähnten Fälle und damit ein Aufrech nungsverbot bei Beanstandungen sachlicher Art zu sehen.
Während § 15 Abs. 4 Satz 1 SVTr ausdrücklich festlegt, dass Beanstandungen rechnerischer und sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden können, trifft Satz 2 hinsichtlich der Verrechnung die zitier te differenzierende Regelung. Diese kann vor dem Hintergrund des Satz 1 nur dahin verstanden werden, dass die Aufrechnung bei sachlichen Beanstandungen nicht möglich sein soll. Hierfür spricht auch, dass in den Fällen, in denen über Beanstandungen rechnerischer Art hinaus die Verrechnung erlaubt wird, ein Fehlverhalten des Krankenhauses vorausgesetzt wird. Eine Rücknahme der Kostenzusage ist nach § 6 Abs. 5 SVTr nämlich nur möglich, wenn sie auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Eine Verrechnung überzahlter Beträge soll nach dem SVTr somit - von Rechenfehlern abgesehen - nur dann erfolgen, wenn das Krankenhaus schuldhaft ("zu vertretende") unzu treffende Angaben gemacht und deshalb die Krankenkasse die Rechnung bezahlt hat. Soweit nach Bezahlung der Rechnung lediglich die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bzw. deren Dauer, also die sachliche Berechtigung des Vergütungsanspruchs im Streit sind, ohne dass - wie im vorliegenden Fall - das Krankenhaus insoweit durch schuldhaft unzutreffende Angaben (etwa zu den Befunden oder Behandlungsmaßnahmen) die Krankenkasse zur Bezahlung der Rechnungen veranlasst hätte, kann diese mit dem vermeintlichen Rückforderungsanspruch nicht gegen Zahlungsansprüche des Krankenhauses aufrechnen.
Dass die Vertragsparteien in Nordrhein-Westfalen insoweit eine Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten gewollt haben, zeigt auch der Vergleich mit den Sicherstellungsverträgen anderer Länder. Diese erlauben entweder ausdrücklich uneingeschränkt die Verrechnung bei Beanstandungen rechnerischer und sach licher Art, die nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 4 SVTr Brandenburg, § 19 Abs. 2 SVTr Baden-Württemberg, § 13 Abs. 6 Satz 5 SVTr Niedersachsen, § 9 Abs. 6 Satz 4 SVTr Rheinland-Pfalz) oder sie treffen zur Verrechnung keine Aussage, so dass ebenso die Aufrechnung uneingeschränkt erlaubt ist (vgl. § 15 Abs. 2 SVTr Hamburg, § 14 Abs. 3 SVTr Saarland). Die gegenüber den anderen Ländern differenzierende Regelung in Nordrhein-Westfalen kann somit nur als (stillschweigende) Einschränkung der Aufrechnung bei nachträglichen Beanstandungen sachlicher Art verstanden werden.
Für diese Differenzierung gibt es auch sachliche Gründe: Wenn eine Kranken kasse nachträglich die Berechtigung einer schon erfüllten Forderung in Frage stellt, soll sie sich nicht durch die Aufrechnung gegen unzweifelhaft be stehende Forderungen des Krankenhauses einen "Vollstreckungstitel" verschaf fen und dadurch die Liquidität des Krankenhauses gefährden können; vielmehr ist sie gehalten, ihren vermeintlichen Anspruch klagweise geltend zu machen.
Gesetzliche Verbote, die einem vertraglichen Aufrechnungsverbot im SVTr entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; eine solche Vereinbarung bewegt sich auch im Rahmen der Ermächtigung des § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
Da somit die erklärte Aufrechnung unzulässig war, kann offen bleiben, ob der Rückforderungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, tatsächlich be steht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG (in der hier noch anzuwen denden Fassung bis 01.01.2002).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Auslegung der Vorschriften des SVTr betrifft nichtrevisibles Landesrecht (§ 162 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte gegen einen Vergütungsan spruch wegen einer stationären Behandlung mit einer Gegenforderung aufrechnen durfte.
Der klagende Verein ist Träger des Krankenhauses für S ... H ... (im Folgenden: Krankenhaus), in dem die bei der Beklagten versicherte Frau H ... (im Folgenden: Versicherte) vom 19.03. bis 27.05.2000 behandelt wurde. Nachdem sie bereits zuvor vom 25.02. bis 15.03.2000 in stationärer Behandlung in dem Krankenhaus gewesen war, wurde sie im streitigen Zeitraum nach einer Aufnahme als Notfall wegen Arthritis und Polyarthritis durch Staphylokokken behandelt, wobei mehrere Eingriffe im Knie erfolgten. Die Beklagte erteilte eine unbefristete ("bis auf Weiteres") Kostenzusage für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlung.
Schon während des Aufenthalts der Versicherten im Krankenhaus überprüfte die Beklagte deren medizinische Notwendigkeit; der von ihr eingeschaltete Medizi nische Dienst der Krankenversicherung (MDK) in S ... bejahte zunächst in einer Stellungnahme vom 25.03.2000 die Notwendigkeit einer weiteren stationä ren Behandlung. Nachdem die Beklagte den MDK S ... am 03.05.2000 erneut um eine Prüfung der Behandlungsdauer ersucht hatte, forderte dieser am 04.05.2000 Unterlagen vom Krankenhaus an, die ihm erst im Juli zugingen. Dr. S ... kam in seinem Gutachten vom 12.09.2000 zu dem Ergebnis, eine stationäre Behandlung sei bis etwa 14 Tage nach dem letzten Eingriff (26.04.2000) erforderlich gewesen. Die weitere Mobilisation und Überwachung sei dann auch in einer Anschlussheilbehandlung möglich gewesen.
Auf der Grundlage dieses Gutachtens forderte die Beklagte, die bereits am 20.06.2000 den für die Behandlung geforderten Betrag von 23.444,82 DM begli chen hatte, mit Schreiben vom 28.09.2000 für 16 Tage (11.05. bis 26.05.2000) die Behandlungskosten in Höhe von 5.436,48 DM zurück und kündigte an, sie werde mit ihrer Forderung gegen Vergütungsansprüche des Krankenhauses auf rechnen, wenn bis zum 12.10.2000 keine Zahlung erfolge. Mit Rechnung vom 30.10.2000 forderte das Krankenhaus für die Behandlung der Versicherten S ... einen Betrag von 5.055,12 DM und mit Rechnung vom 31.10.2000 für die Behandlung des Versicherten J ... einen Betrag von 1.552,10 DM. Die Be klagte erklärte mit Schreiben vom 15.11.2000 die Aufrechnung ihrer Forderung gegen die Ansprüche aus den genannten Rechnungen und überwies den Restbetrag.
Der Kläger hat am 18.09.2001 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetra gen, die stationäre Behandlung der Versicherten sei während der gesamten Zeit erforderlich gewesen. Ferner sei die Beklagte schon aufgrund der erteilten unbefristeten Kostenzusage zur Bezahlung der Rechnung verpflichtet gewesen. Ein zur Aufrechnung geeigneter Rückforderungsanspruch habe daher nicht be standen. Die Beklagte hat demgegenüber darauf verwiesen, dass ihre Kosten übernahme nur für die Dauer der medizinisch notwendigen Krankenhausbehandlung gegolten habe. Sie habe das Behandlungsgeschehen auch zeitnah überprüft. Zu einer Verzögerung sei es nur deshalb gekommen, weil das Krankenhaus erst nach über zwei Monaten die erforderlichen Unterlagen an den MDK gesandt habe. Eine Verrechnung mit Gegenansprüchen sei nach den in Nordrhein-Westfalen geltenden vertraglichen Bestimmungen zulässig.
Mit Urteil vom 05.09.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 5.436,48 DM (2.775,84 Euro) verurteilt, da sie gegen die Zahlungsansprüche des Klägers nicht habe aufrechnen dürfen. Wegen der Einzelheiten der Begrün dung wird auf das Urteil verwiesen.
Im Berufungsverfahren vertritt die Beklagte die Auffassung, auch nach den in Nordrhein-Westfalen geltenden Vertragsbestimmungen sei eine Aufrechnung mög lich. Die grundsätzliche Möglichkeit einer Aufrechnung mit Gegenforderungen habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 23.07.2002 (B 3 KR 64/01 R) bejaht. Eine Aufrechnung sei hier insbesondere deshalb möglich gewesen, weil es sich um eine Beanstandung rechnerischer Art handele, denn das Krankenhaus habe zu hohe Kosten verlangt, die nunmehr zurückgefordert würden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 05.09.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Ge genstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet, denn das Sozialgericht hat im Ergebnis der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klage ist als Leistungsklage i.S.d. § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, da es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; LSG NRW, Urteil vom 12.11.2002 - L 5 KR 46/00 -). Soweit in dem Umstand, dass der Kläger zunächst seinen Zahlungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten und später im Schrift satz vom 13.02.2002 aus der Behandlung der Versicherten S ... und J ... hergeleitet hat, eine Klageänderung i.S.d. § 99 Abs. 1 SGG zu sehen wäre, wäre diese zulässig, da die Beklagte eingewilligt hat.
Dem Kläger steht für die Behandlung der Versicherten S ... und J ... noch Vergütungsansprüche in Höhe von 5.436,48 DM (2.775,84 Euro) zu. Rechtsgrundlage dieser Ansprüche ist § 109 Abs. 4 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetz buch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Leistungsanspruch der Versicherten, ohne dass insoweit zur rechtlichen Begründung auf den auf Landesebene nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag zurückgegriffen werden müsste (LSG NRW, Urteil vom 27.03.2003 - L 5 KR 141/01 -). Die Berechtigung der Forderungen aus den Rechnungen vom 30.10.2000 und 31.10.2000 wird von der Beklagten, die auch einen Teilbetrag überwiesen hat, nicht in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Forderungen nicht durch die erklärte Aufrechnung mit dem geltend gemachten Rückforderungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten erloschen (§ 389 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Die Beklagte durfte gegen den Zahlungsanspruch des Klägers mit ihrer Forde rung nicht aufrechnen. Das ergibt sich freilich nicht aus § 390 BGB, denn die vom Sozialgericht angenommene Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 BGB) betrifft nur Leistungen aus einem gegenseitigen Vertrag, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 320 Rdn. 4). Weder der in Nordrhein-Westfalen ab 01.01.1997 geltende Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 (im Folgenden: Sicherstellungsvertrag-SVTr) noch der Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V vom 06.03.1991 begründen ein solches gegenseitiges Leistungsverhältnis.
Ein Aufrechnungsverbot ergibt sich aber aus § 15 Abs. 4 Satz 2 SVTr, der auch für die Krankenkassen außerhalb Nordrhein-Westfalens gilt, die nicht Mitglied eines der vertragschließenden Verbände (§ 112 Abs. 1 SGB V) sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4). Nach der genannten Vorschrift ist die Verrechnung überzahlter Beträge (nur) zulässig bei Beanstandungen rechnerischer Art sowie nach Rücknahme der Kostenzusage und falls eine Abrechnung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Eine Beanstandung rechneri scher Art liegt dem Rückforderungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, nicht zugrunde, denn sie macht keinen Rechenfehler geltend, sondern bezweifelt die Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung der Versicherten, greift also die sachliche Berechtigung der Höhe der geforderten und gezahlten Vergütung an. Hinsichtlich solcher Beanstandungen sachlicher Art schließt § 15 Abs. 4 Satz 2 SVTr eine Verrechnung aus (so schon LSG NRW, Urteil vom 27.03.2003 - L 5 KR 141/01 -). Eine Aufrechnung kann, soweit kein gesetz liches Verbot entgegensteht, durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt
werden, wobei ein vertragliches Aufrechnungsverbot ausdrücklich, aber auch stillschweigend vereinbart sein kann (vgl. Münchener Kommentar - von Feldmann, BGB, Bd. II, 3. Aufl., § 387 Rdn. 40; Palandt-Heinrichs, § 387 Rdn. 40). In der genannten Regelung ist die Vereinbarung einer Beschränkung der Aufrechnung auf die ausdrücklich erwähnten Fälle und damit ein Aufrech nungsverbot bei Beanstandungen sachlicher Art zu sehen.
Während § 15 Abs. 4 Satz 1 SVTr ausdrücklich festlegt, dass Beanstandungen rechnerischer und sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden können, trifft Satz 2 hinsichtlich der Verrechnung die zitier te differenzierende Regelung. Diese kann vor dem Hintergrund des Satz 1 nur dahin verstanden werden, dass die Aufrechnung bei sachlichen Beanstandungen nicht möglich sein soll. Hierfür spricht auch, dass in den Fällen, in denen über Beanstandungen rechnerischer Art hinaus die Verrechnung erlaubt wird, ein Fehlverhalten des Krankenhauses vorausgesetzt wird. Eine Rücknahme der Kostenzusage ist nach § 6 Abs. 5 SVTr nämlich nur möglich, wenn sie auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben beruht. Eine Verrechnung überzahlter Beträge soll nach dem SVTr somit - von Rechenfehlern abgesehen - nur dann erfolgen, wenn das Krankenhaus schuldhaft ("zu vertretende") unzu treffende Angaben gemacht und deshalb die Krankenkasse die Rechnung bezahlt hat. Soweit nach Bezahlung der Rechnung lediglich die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bzw. deren Dauer, also die sachliche Berechtigung des Vergütungsanspruchs im Streit sind, ohne dass - wie im vorliegenden Fall - das Krankenhaus insoweit durch schuldhaft unzutreffende Angaben (etwa zu den Befunden oder Behandlungsmaßnahmen) die Krankenkasse zur Bezahlung der Rechnungen veranlasst hätte, kann diese mit dem vermeintlichen Rückforderungsanspruch nicht gegen Zahlungsansprüche des Krankenhauses aufrechnen.
Dass die Vertragsparteien in Nordrhein-Westfalen insoweit eine Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten gewollt haben, zeigt auch der Vergleich mit den Sicherstellungsverträgen anderer Länder. Diese erlauben entweder ausdrücklich uneingeschränkt die Verrechnung bei Beanstandungen rechnerischer und sach licher Art, die nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht werden (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 4 SVTr Brandenburg, § 19 Abs. 2 SVTr Baden-Württemberg, § 13 Abs. 6 Satz 5 SVTr Niedersachsen, § 9 Abs. 6 Satz 4 SVTr Rheinland-Pfalz) oder sie treffen zur Verrechnung keine Aussage, so dass ebenso die Aufrechnung uneingeschränkt erlaubt ist (vgl. § 15 Abs. 2 SVTr Hamburg, § 14 Abs. 3 SVTr Saarland). Die gegenüber den anderen Ländern differenzierende Regelung in Nordrhein-Westfalen kann somit nur als (stillschweigende) Einschränkung der Aufrechnung bei nachträglichen Beanstandungen sachlicher Art verstanden werden.
Für diese Differenzierung gibt es auch sachliche Gründe: Wenn eine Kranken kasse nachträglich die Berechtigung einer schon erfüllten Forderung in Frage stellt, soll sie sich nicht durch die Aufrechnung gegen unzweifelhaft be stehende Forderungen des Krankenhauses einen "Vollstreckungstitel" verschaf fen und dadurch die Liquidität des Krankenhauses gefährden können; vielmehr ist sie gehalten, ihren vermeintlichen Anspruch klagweise geltend zu machen.
Gesetzliche Verbote, die einem vertraglichen Aufrechnungsverbot im SVTr entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; eine solche Vereinbarung bewegt sich auch im Rahmen der Ermächtigung des § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
Da somit die erklärte Aufrechnung unzulässig war, kann offen bleiben, ob der Rückforderungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, tatsächlich be steht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG (in der hier noch anzuwen denden Fassung bis 01.01.2002).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Auslegung der Vorschriften des SVTr betrifft nichtrevisibles Landesrecht (§ 162 SGG).
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