L 6 VS 51/98

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 V 46/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 VS 51/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28. August 1998 geändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Versorgungsanspruch nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.

Der 1964 geborene Kläger war vom 01.01.1984 bis 31.12.1987 als Soldat auf Zeit Angehöriger der Bundeswehr. Nach dem Grundwehrdienst (Januar - März 1984) leistete er Dienst in der Panzerpionierkompanie (April - Dezember 1984) und im Fallschirmjägerbataillon (Dezember 1984 - Dezember 1986). In der Folge eines im Januar 1987 erlittenen Schädel-Basis-Bruchs war er bis zur regulären Entlassung aus der Bundeswehr Ende Dezember 1987 dienstunfähig.

Am 30.05.1992 stellte der Kläger bei dem Beklagten den Antrag, ihm Versorgung nach dem SVG zu gewähren. Zur Begründung führte er an, es habe sich bei ihm durch den Wehrdienst eine bestehende beidseitige Hüftpfannendysplasie so verschlimmert, dass 1990 eine dreifache Beckenosteotomie notwendig geworden sei.

Der Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse, eine Auskunft des Kreiswehrersatzamtes vom 01.09.1992, die Schwerbehindertenakten des Klägers sowie einen Bericht der A ...-Krankenanstalt B ... vom 26.06.1992 und einen Bericht des St. J ...-Hospitals B ... vom 17.02.1992 bei. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte die Gewährung von Versorgung nach § 80 SVG mit Bescheid vom 08.08.1994 ab. Zur Begründung führte er an, dass sich die Erkrankung erst 1990 - also 3 Jahre nach praktischer Beendigung des Dienstes - klinisch manifestiert habe und eine Verschlimmerung der angeborenen Hüftgelenksfehlbildung damit unwahrscheinlich sei.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, während der gesamten Wehrdienstzeit über Schmerzen im Hüftbereich geklagt zu haben. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.1995 zu rück. Er führte zur Begründung aus, den Bundeswehrunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger über Hüftgelenksbeschwerden geklagt bzw. deswegen beim Truppenarzt vorstellig geworden sei. Die Notwendigkeit einer eingehenderen Diagnostik habe somit nicht bestanden, eben so wenig das Erfordernis, bestimmte Einsätze nicht vorzunehmen. Ein negativer Einfluss des Wehrdienstes auf die Hüftgelenksfehlanlage sei nicht erkennbar.

Der Kläger hat am 10.02.1995 Klage beim Sozialgericht (SG) Dortmund mit dem Ziel erhoben, eine massive Verschlimmerung der Hüftgelenksfehlan lage als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und ihm Versorgung nach dem SVG zu zahlen. Zur Begründung hat er nochmals darauf hingewiesen, dass er während der Dienstzeit mit Hüftgelenksbeschwerden im Sanitäts bereich bzw. beim Truppenarzt vorstellig geworden sei. Selbst während der stationären Behandlung im Bundeswehrkrankenhaus K ... habe er über entsprechende Schmerzen geklagt.

Das SG hat über die Frage, ob bei dem Kläger gesundheitliche Schäden bestehen, die ursächlich auf den Wehrdienst zurückzuführen sind, Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. D ..., E ... Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 06.11.1995 fest gestellt, dass der Kläger an einer anlagebedingten Hüfterkrankung leide und eine Erkrankung im Sinne der Entstehung daher nicht vorliege. Die vom Kläger geschilderten wehrdienstspezifischen Belastungen hätten aber auch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verschlimmerung der bestehenden Hüfterkrankung geführt. Sie seien nach allgemeiner Erfahrung grundsätzlich nicht geeignet, eine richtunggebende Verschlimmerung der Hüfterkrankung im Sinne einer Arthrosebildung herbei zuführen. Tatsächlich würden auch die zwei Jahre nach Beendigung der Bundeswehrzeit im Jahr 1989 gefertigten Röntgenaufnahmen noch keine Arthrose zeigen. Die Umstellungsoperation sei durchgeführt worden, um der frühzeitigen Arthrosebildung vorzubeugen. Ein Behandlungsfehler in Bezug auf die Entstehung der Erkrankung liege nicht vor, da die Erkran kung anlagebedingt sei. Ein Behandlungsfehler im Hinblick auf die Ver schlimmerung sei mit ausreichender Sicherheit ebenfalls nicht erkennbar. Ob bei der Kontrolle für die Fallschirmspringertätigkeit am 12.10.1984 routinemäßig eine Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke hätte vorgenommen werden müssen, könne er nicht sagen. Dies ergebe sich möglicherweise aus der entsprechenden Dienstvorschrift. Gegebenenfalls könne ein Bundeswehrarzt eine Stellungnahme dazu abgeben. Wegen der Darlegungen im Einzelnen wird auf das Gutachten des Dr. D ... Bezug genommen.

Auf Antrag des Klägers hat das SG weiterhin gemäß § 109 SGG ein orthopädisches Gutachten von dem Arzt des Vertrauens des Klägers, Prof. Dr. K ..., B ..., eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 12.06.1997 ausgeführt, dass die Musterungs- und die Einstellungsuntersuchungen, spätestens aber die Untersuchung zur Fall schirmjägerverwendung bei gründlicher Befunderhebung eine Einschränkung der Rotationsbeweglichkeit der Hüftgelenke hätte aufzeigen müssen; dies gehe in aller Regel mit einer Hüftgelenksdysplasie einher. Diese Beweglichkeitseinschränkung hätte wegweisend sein müssen für eine Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke. Röntgenaufnahmen hätten die Hüfterkrankung belegt und eine Ausmusterung des Klägers notwendig gemacht. Die durch die Orientierungs- und Leistungsmärsche und Sprünge aus größerer Höhe erfolgte Mehrbelastung in der Bundeswehrzeit hätte die anlagebedingte Hüfterkrankung richtunggebend verschlimmert. Auch ohne diese richtungweisende Verschlimmerung hätte das anlagebedingte Leiden den Kläger zu einer Pfannenschwenkoperation gezwungen, um einen frühzeitigen Verschleiß des Hüftgelenks und damit die frühzeitige Versorgung mit einem künstlichen Hüftgelenk beiderseits zu vermeiden. Ob dieser Eingriff weniger negative Auswirkungen gehabt hätte, wenn er entsprechend früher (also 1984/1985) durchgeführt worden wäre, sei nur spe kulativ zu vermuten. Die Schätzung der Schädigungsfolgen sei schwierig. Das Verhältnis zwischen anlagebedingtem Leiden und Verschlimmerung durch Wehrdienstfolgen sei mit 60 zu 40 einzuschätzen, die MdE bei einer Gesamtbehinderung von 50 % daher z. Zt. mit 20 v.H. zu bewerten. Wegen der Darlegungen im Einzelnen wird auf das Gutachten von Prof. Dr. K ... Bezug genommen.

Die Beigeladene hat mitgeteilt, dass die Dienstvorschriften zur Untersuchung auf Fallschirmspringertauglichkeit eine Röntgenuntersuchung der Hüfte nicht erfordern würden. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme hat sie eine Stellungnahme des Sanitätsamtes der Bundeswehr vorgelegt; danach könne dem Gutachten von Prof. Dr. K ... nicht gefolgt werden. Dieser widerlege sich selbst, wenn er einerseits Schädigungsfolgen bejahe, an dererseits aber bei Auswertung der Röntgenaufnahmen von 1989 weder einen Reizzustand noch eine Arthrose feststelle und die operative Behandlung des Klägers als präventiv betrachte. Der Beklagte hat sich dieser Stellungnahme angeschlossen.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 28.08.1998 teilweise stattgegeben und einen "Zustand nach Hüftpfannenschwenkoperationen beidseits auf grund fortbestehender anlagebedingter Hüftgelenksfehlanlage" als Wehrdienstbeschädigung im Sinne der richtunggebenden Verschlimmerung aner kannt. Es könne dahingestellt bleiben, ob bei der Musterungs-, Ein stellungs- oder Tauglichkeitsuntersuchung eine röntgenologische Abklärung hätte erfolgen müssen. Prof. Dr. K ... habe in seinem Gutachten schlüssig ausgeführt, dass die anlagebedingte Hüftgelenksdysplasie durch wehrdiensteigentümliche Belastungen mit einer vom gewöhnlichen Verlauf abweichenden Tendenz beeinflusst worden sei. Für den Sachver ständigen sei wesentlich gewesen, dass die körperlichen Belastungen geeignet seien, dem Krankheitsverlauf einer Hüftgelenksdysplasie eine ungünstige Richtung zu geben. Der Sachverständige Dr. D ... habe seine Auffassung, dass es an einer richtunggebenden Verschlimmerung fehle, nicht mit der notwendigen Überzeugung vorgebracht. Eine Versorgung nach dem BVG käme derzeit nicht in Betracht, weil der Verschlimmerungsteil, der dem Einfluss des Wehrdienstes auf das Leiden und seinem weiteren Verlauf zuzurechnen sei, nur mit einer MdE von 20 v.H. eingeschätzt werden könne.

Der Kläger hat gegen das ihm am 08.10.1998 zugestellte Urteil am 02.11.1998 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin die Zahlung einer Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. beansprucht. Er ist der Auffassung, dass seine Hüftgelenkserkrankung bei sorgfältiger Untersuchung durch die Truppenärzte hätte erkannt werden müssen. Eine richtige Diagnosestellung hätte zu seiner Ausmusterung geführt, mit der Folge, dass er den körperlichen Belastungen des Wehrdienstes und insbesondere der Fallschirmspringertätigkeit nicht ausgesetzt gewesen wäre. Durch die Belastung sei es zu verstärkten Schmerzen im Hüftbereich gekommen. Diese Schmerzen seien schon deshalb auf den Wehrdienst zurückzuführen, weil er vor dem Wehrdienst nie Hüftbeschwerden gehabt habe. Die Umstellungsoperation sei schließlich wegen der starken Schmerzen erfolgt. Ohne diese (wehrdienstbedingten) Schmerzen wäre eine solche Operation möglicherweise zu vermeiden gewesen oder aber erst zu einem viel späteren Zeitpunkt (z.B. im Alter von 50 bis 60) notwendig geworden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28. August 1998 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm Versorgung nach einer MdE von 50 v.H. ab Mai 1992 zu zahlen, hilfsweise die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28. August 1998 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Beklagte hat gegen das ihm ebenfalls am 08.10.1998 zugestellte Urteil am 06.11.1998 Berufung eingelegt und geltend gemacht, dass eine Wehrdienstbeschädigung bei dem Kläger nicht anerkannt werden könne. Er verweist insbesondere darauf, dass das Hüftgelenksleiden des Klägers seinen schicksalsmäßigen Verlauf genommen habe und eine richtunggebende Verschlimmerung durch die Wehrdienstzeit nicht erkennbar sei.

Die Beigeladene ist der Berufungsbegründung des Beklagten beigetreten.

Der Senat hat Prof. Dr. K ... ergänzend gehört. Dieser hat in seiner gutachterlichen Stellungnahmem vom 25.05.2000, auf die Bezug genommen wird, erneut hervorgehoben, dass eine frühere Diagnosestellung des an geborenen Krankheitsbildes einer Hüftdysplasie die Verwendung als Fallschirmspringer ausgeschlossen und den Kläger einer früheren operativen Therapie zugeführt hätte. Durch den Wehrdienst sei es zu einer verstärkten Belastung der dysplastisch veränderten Hüftgelenke gekommen, die eine Beschleunigung des Krankheitsbildes bewirkt und die Operation erst 1990 bei entsprechend weit fortgeschrittenen geschädigten Hüftgelenken zugelassen habe. Die Unkenntnis des Hüftleidens bzw. die versäumte Diagnosestellung habe zu der Verschlimmerung des anlagebedingten Leidens beigetragen, weil es das Krankheitsbild beschleunigt habe. Die MdE schätze er nach dem "Alles oder Nichts Prinzip" auf 30 v.H. ein. Es sind im Weiteren zunächst Berichte der den Kläger in der Zeit nach Beendigung des Wehrdienstes behandelnden Ärzte Dr. W ... und Dr. W ..., Berichte der Städtischen Kliniken D ..., des St. J ...-Hospitals B ... und der A ...-Krankenanstalt B ..., sowie eine Stellungnahme der damaligen Chefärztin des Bundeswehrkrankenhauses K ... Dr. G ..., das Vorerkrankungsverzeichnis der T ... Krankenkasse und die Krankenblätter vom Institut für ...statistik beigezogen worden. Hierauf nimmt das Gericht Bezug.

Der Senat hat anschließend ein orthopädisches Gutachten von Dr. V ..., Ratingen, eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 01.06.2002 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger keine Gesundheitsschäden bestünden, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung auf den Wehrdienst zurückzuführen seien. Die Fehlbildung der Hüftpfannen (Dysplasie) sei anlagebedingt. Sie habe vor der Einberufung des Klägers zum Wehrdienst keine Schmerzen verursacht und sei auch sonst nicht auffällig gewesen. Es habe danach eine Krankheitsanlage ohne klinische Relevanz vorgelegen, so dass nur eine Verursachung im Sinne der Entstehung, nicht aber im Sinne der Verschlimmerung in Betracht komme. Die bei der Musterung festgestellte Beinverkürzung rechts um 1 cm sei kein für eine Hüftpfannendysplasie typischer Befund, zumal die Dysplasie annähernd seiten gleich vorläge. Sehr häufig habe eine Beinlängendifferenz von 1 cm eine anlagebedingte Ursache; die Beine seien ungleichlang angelegt. Entsprechende Feststellungen hätten die Ärzte nicht zu weitergehenden Untersuchungen zwingen müssen. Spätere Befunde (z.B. bei der Einstel lungsuntersuchung und der Untersuchung für die Fallschirmjägertauglich keit), die eine Einschränkung der Rotationsbeweglichkeit dokumentier ten, seien nicht aktenkundig. Die Tatsache, dass sich bis zum Zeitpunkt der ersten Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke 1989 keine wesentlichen sekundär-arthrotischen Veränderungen ausgebildet hatten, spreche auch eher dagegen, dass während der Bundeswehrzeit schon eine wesentliche Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke vorgelegen habe. In den medizinischen Unterlagen der Bundeswehr finde sich lediglich einmalig im Juni 1986 die Eintragung von Hüftbeschwerden des Klägers. Dies habe weitere Untersuchungen nicht erforderlich gemacht. Die vorgelegte und ausgewertete Röntgenaufnahme der Hüftgelenke 1989 zeige zwar die Dysplasie. Röntgenmorphologische Zeichen einer sekundären Arthrose seien jedoch noch nicht zu erkennen. Das anlagebedingte Hüftleiden des Klägers hätte auch ohne körperliche Belastungen zu einer Pfannenschwenkoperation geführt, um damit einen frühzeitigen Verschleiß des Hüftgelenks und die frühzeitige Implantation eines künstlichen Hüftgelenks zu vermeiden (prophylaktische Gründe). Möglicherweise sei es zwar durch die körperliche Belastung des Klägers beim Wehrdienst zum Auftreten von Beschwerden im Bereich der Hüftgelenke gekommen. Damit hätten diese Belastungen aber nur zur zeitweiligen klinischen Manifestation von Beschwerden auf der Grundlage der Hüftpfannendysplasie geführt, mangels nachweisbarer morphologischer Veränderungen dieses Leiden aber nicht wesentlich verändert. Zwar gebe es medizinische Anhaltspunkte, dass die Kombination einer Hüftpfannendysplasie mit hüftbelastenden Berufen zu einer ungünstigen Wechselwirkung im Sinne der früheren oder stärkeren Ausbildung einer Arthrose führe. Bei der relativ kurzen Belastung des Klägers durch den Bundeswehrdienst sei es aber grundsätzlich eher unwahrscheinlich, dass diese Belastung eine wesentliche Veränderung der Hüftpfannendysplasie herbeiführen könne. Konkret beim Kläger sei eine solche Veränderung in Form einer sekundären Coxarthrose auch nicht nachgewiesen. Eine wehr dienstbedingte MdE liege nicht vor, der GdB für das Hüftleiden sei mit 30 zu bewerten. Wegen der Darstellung im Einzelnen wird auf den Inhalt des Gutachtens von Dr. V ... verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Dieser hat es mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, die vom Kläger geltend gemachten Hüftbeschwerden als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Ent sprechend ist das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Klage ab zuweisen. Das bedeutet zugleich, dass die weitergehende Berufung des Klägers keinen Erfolg hat. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Gesundheits störung als Wehrdienstbeschädigung im Sinne von § 81 SVG anerkannt wird. Der vom SG festgestellte "Zustand nach Hüftpfannenschwenkoperation" konkretisiert eine Schädigungsfolge nicht in ausreichendem Maße, da hier keine bestimmte Gesundheitsstörung gekennzeichnet wird (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 15.12.1970, 10 RV 438/68). Nach Ansicht des Se nats liegt bei dem Kläger eine konkrete Gesundheitsstörung, die ursäch lich auf den Wehrdienst zurückzuführen ist, auch nicht vor. Insbesondere sind die Hüftpfannendysplasie und die vom Kläger in der Zeit nach Antragstellung beschriebenen Hüftbeschwerden weder durch eine Wehr dienstverrichtung noch durch einen Unfall während der Dienstausübung oder durch diensteigentümliche Verhältnisse (§ 81 Abs.1 SVG) hervorge rufen bzw. verschlimmert worden. Zu diesem Ergebnis ist der Senat nach Auswertung der Gutachten der in beiden Rechtszügen gehörten Sachver ständigen gelangt.

Voraussetzung für die Anerkennung einer bestimmten Gesundheitsstörung als Wehrdienstfolge ist zunächst, dass eine geschützte Tätigkeit ausgeübt wird, infolge derer es zu einem schädigenden Ereignis kommt. Dieses wiederum muss eine gesundheitliche Schädigung verursachen. Dabei müssen die geschützte Tätigkeit, das schädigende Ereignis und eine Gesundheitsstörung nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Für den Ursachenzusammenhang zwischen geschützter Tätigkeit und schädigendem Ereignis sowie zwischen schädigendem Ereignis und der Gesundheitsstörung, die als möglicher Erst- oder Primärschaden in Betracht zu ziehen ist (haftungsbegründende Kausalität) genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R = BSG SozR 3-3200 § 81 Nr.16). Wahrscheinlich ist ein solcher Ursachenzusammenhang, wenn mehr für als gegen ihn spricht (BSG, Urteil vom 26. 2. 1992, 9a RV 4/91 = BSG SozR 3-3200 § 81 Nr.3). Fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität, hat der schädigende Vorgang keinen zu berücksichtigenden Körperschaden ausgelöst. Ist eine Gesundheitsstörung hingegen ursächlich auf das schädigende Ereignis zu rückzuführen, ist diese Gesundheitsstörung Primär- bzw. Erstschaden. Als Folgeschäden geltend gemachte Gesundheitsstörungen sind dann als Schädigungsfolgen anzuerkennen, wenn diese weiteren Gesundheitsschäden nachgewiesen und ihrerseits ursächlich auf den Primärschaden zurückzuführen sind (haftungsausfüllende Kausalität). Auch für diesen Ursachen zusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (§ 81 Abs.6 S.1 SVG; BSG, Urteil vom 15.12.1999, B 9 VS 2/98 R, a.a.O.).

Die körperlichen Beanspruchungen des Klägers während der Bundeswehrzeit durch Orientierungs- und Leistungsmärsche, durch das Fallschirmspringen sowie durch den Sport dürften den Kläger im Hüftbereich körperlich belastet haben. Diese von ihm als Mehrbelastung angesehene besondere Beanspruchung kommt als schädigendes Ereignis insoweit durchaus in Betracht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fehlt es indes an der haftungsbegründenden Kausalität und damit an einem Primär- bzw. Erstschaden. Die angeführte Belastung hat einen konkreten Körperschaden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit wesentlich verursacht.

Die bei dem Kläger festgestellte Hüftpfannendysplasie ist nicht durch die Wehrdienstbelastungen verursacht worden. Bei dieser Erkrankung handelt es sich nach übereinstimmender Auffassung aller Sachverständigen, denen sich der Senat anschließt, um ein anlagebedingtes Leiden, das schon vor dem Eintritt in den Wehrdienst - allerdings damals noch nicht erkannt - vorgelegen hat. Besteht wie hier ein pathologisches physisches Geschehen bereits vor der behaupteten Schädigung, so kommt eine Anerkennung dieses Leidens im Sinne der Entstehung nicht in Betracht, auch wenn das pathologische Geschehen - insbesondere mangels klinischer Manifestation - noch nicht bemerkt war (vgl. Nr.42 (1) der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 - Anhaltspunkte; BSG, Urteil vom 14.12.1961, 11 RV 40/60). Dies wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Als maßgeblicher Primärschaden ist auch nicht die vom Kläger und dem Sachverständigen Prof. Dr. K ... angenommene Verschlimmerung der anlagebedingten Hüftpfannendysplasie anzusehen. Zwar kann grundsätzlich die Verschlimmerung eines früheren Leidens ebenfalls einen Anspruch auf Versorgung begründen (Nr. 4 der Verwal tungsvorschrift zu § 81 SVG). In diesem Fall ist die Verschlimmerung der erforderliche Primärschaden. Eine solche dauerhafte und richtung gebende Verschlimmerung ist hier aber nicht nachgewiesen.

Eine Sekundärarthrose, die grundsätzlich als mögliche Verschlimmerung der Hüftpfannendysplasie und damit als Primärschaden in Betracht kommt, hat sich bei dem Kläger nicht ausgebildet. Dies haben alle gehörten Sachverständigen nach Auswertung der Ende Dezember 1989 gefertigten Röntgenaufnahmen (Beckenübersicht vom 20.12.1989, Dr. S ..., B ...) übereinstimmend festgestellt. Arthrotische Veränderungen und chronische Reizzustände waren im Dezember 1989 - und damit knapp drei Jahre nach Beendigung der Wehrdienstbelastung - radiologisch nicht feststellbar und lagen danach im Januar 1987 erst recht nicht vor.

Auch die behaupteten dauerhaften und nachhaltigen Hüftbeschwerden des Klägers während der Wehrdienstzeit, die als mögliche Verschlimmerung der Hüftpfannendysplasie und damit als Primärschaden in Betracht kommen können, sind, wie die Sachverständigen Dr. D ... und Dr. V ... zu Recht ausführen, nicht nachgewiesen. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers werden durch die über ihn geführten Krankenunterlagen der Bundeswehr nicht belegt. Lediglich im Juni 1986 findet sich in einer Eintragung der Hinweis auf Hüftschmerzen. Dass der Kläger dennoch wie derholt wegen Hüftbeschwerden vorstellig geworden sein soll, ist im Hinblick auf zahlreiche Eintragungen wegen anderer Beschwerden wenig wahrscheinlich. Auch in den Krankenunterlagen des Bundeswehrkrankenhau ses Koblenz finden sich weder in den Anamnesen, noch in den Befunderhe bungen Hinweise auf Hüftbeschwerden. In den seinerzeit vom Kläger ausgefüllten umfangreichen Schmerzfragebögen hat dieser zwar Schmerzen im Stirn-, Kopf- und Augenbereich, nicht aber im Hüftbereich ange kreuzt. Dauerhafte und nachhaltige Hüftbeschwerden, wie sie der Kläger vor den Operationen und heute schildert, hätte er sicherlich damals bereits angegeben.

Soweit der Sachverständige Prof. Dr. K ... die geschilderten Hüftbeschwerden des Klägers während der Bundeswehrzeit ohne Weiteres seinen Ausführungen zugrunde legt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschlie ßen. Das Gutachten ist insoweit nicht nachvollziehbar, denn der Sach verständige hätte die Angaben des Klägers anhand der aktenkundigen Be funde kritisch hinterfragen und feststellen müssen, dass die Beschwer deschilderungen keine Stütze in den bisher bekannten Befunden finden. Nachgewiesen sind lediglich einmalige Hüftbeschwerden des Klägers im Juni 1986. Diese Hüftbeschwerden sind jedoch nicht als Primärschaden im Sinne einer Verschlimmerung der anlagebedingten Hüftfehlstellung des Klägers anzusehen. Zu beachten ist, dass nicht jede Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens ursächlich im Rechtssinn auf einen schädigenden Vorgang zurückgeführt werden kann. Erforderlich ist vielmehr, dass die äußere Einwirkung (hier die Belastung während des Wehrdienstes) entweder den Zeitpunkt vorverlegt hat, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre oder das Leiden in schwerer Form aufgetreten ist, als es sonst zu erwarten gewesen wäre (Nr.42 (1) Abs. 2 der Anhaltspunkte). Dies ist hier nicht der Fall. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die dienstliche Beanspruchung das Hüftleiden in Bezug auf die Stärke der Krankheitserscheinungen oder die Schnelligkeit des Fort schreitens der Erkrankung wesentlich beeinflusst hat (vgl. Nr. 42 (3) der Anhaltspunkte). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Hüftgelenkserkrankung ihren regelhaften, d.h. eigengesetzlichen Verlauf genommen hat. Der Sachverständige Dr. V ... erläutert nachvollziehbar, dass die Hüftfehlstellung des Klägers derart ausgeprägt war, dass Beschwerden zu jedem Zeitpunkt auch bei alltäglichen Belastungen hätten auftreten können. Soweit Prof. Dr. Krämer die Auffassung vertritt, dass die Wehrdienstbelastung zu einer "Beschleunigung des Krankheitsbildes" geführt habe, bleibt dem Senat diese These mangels einer durch dezidierte und nachvollziehbare Befunde belegten Begründung verschlossen. Schließlich können auch die Folgen der durchgeführten Operationen selbst dann nicht als wehrdienstbedingte Verschlimmerung der Hüft pfannendysplasie anerkannt werden, wenn man zugunsten des Klägers dau erhafte Hüftbeschwerden während der Wehrdienstbelastung als Primärschaden annimmt. Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Primärschaden (Hüftschmerzen während des aktiven Wehrdienstes) und den Folgeschäden (Notwendigkeit von Operationen und dadurch bedingte Funktionsbeein trächtigungen) und damit die haftungsbegründende Kausalität ist nicht wahrscheinlich. Die Hüftgelenksoperationen sind nicht primär wegen der Hüftbeschwerden, sondern vorbeugend zur Verhütung einer frühzeitigen Arthrose durchge führt worden. Die im Verfahren von Amts wegen gehörten Sachverständigen Dr. D ... und Dr. V ... stellen in ihren Gutachten ebenso wie Prof. Dr. K ... als Arzt des Vertrauens des Klägers deutlich heraus, dass die bei dem Kläger durchgeführte Beckenosteotomie eine prophylaktische Korrekturoperation mit dem Ziel sei, die zwangsläufig einsetzende Hüftgelenksarthrose hinauszuzögern. Dies wird zusätzlich von dem den Kläger seinerzeit behandelnden Arzt Prof. Dr. Schleberger bestätigt, der darauf hinweist, dass eine Verschiebung der Operation um Jahre mit der Gefahr verbunden sei, ein gelenkerhaltendes Vorgehen nicht mehr durchführen zu können, so dass eine Prothesenimplantation notwendig würde. Anders als der Kläger meint, wäre die Operation aus medizini schen Gründen auch bei früherer Diagnosestellung und ohne die besondere Beanspruchung durch den Wehrdienst spätestens zu dem tatsächlichen Operationstermin notwendig geworden. Seine Auffassung, dass die Operation hätte vermieden oder zumindest später durchgeführt werden können, wird von keinem der gehörten Ärzte bestätigt. Er kann sich mit dieser Prognose nicht einmal auf die Feststellungen des Prof. Dr. K ... berufen. Zu beachten ist weiterhin, dass es sich - selbst wenn die starke körperliche Beanspruchung in der Wehrdienstzeit zu Hüftbeschwerden geführt haben sollte - lediglich um eine zeitweilige klinische Manifestation von Beschwerden auf der Grundlage der Hüftpfannendysplasie handelt. Dass die anlagebedingte Hüfterkrankung nachhaltig richtunggebend ver schlimmert wurde, ist im Hinblick auf das Beweisergebnis nicht wahr scheinlich. Vielmehr ist die Grunderkrankung allein während der Zeit der Belastung (also bis Anfang 1987) in Form von Hüftschmerzen zeitlich begrenzt verschlimmert worden. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende richtunggebende Verschlimmerung ist (mangels morphologischer Verände rungen in Form einer Arthrose) nicht belegt (vgl. hierzu Anhaltspunkte Nr. 43). Da auch in der Zeit zwischen Januar 1987 und der Röntgenunter suchung im Dezember 1989, also nach einer Zeit der Schonung und ohne besondere Belastung, arthrotische Veränderungen und chronische Reizer scheinungen radiologisch nicht festgestellt worden sind, muss man davon ausgehen, dass die später aufgetretenen Hüftbeschwerden ihre Ursache allein in der anlagebedingten Hüftgelenkserkrankung haben. Damit aber fehlt es bereits an der erforderlichen zeitlichen Verknüpfung zwischen den als Primärschaden unterstellten Hüftschmerzen während der Wehr dienstbelastung (also bis Anfang 1987) und den akuten Hüftschmerzen in der Zeit vor der Operation (also 1989/1990).

Einzelne Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Hüftgelenke des Klägers sind auch nicht ursächlich auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Der Bereich der truppenärztlichen Behandlung gilt zwar als wehrdiensteigentümliches Verhältnis i. S. des § 81 Abs.1 SVG, da sich hier der soldatische Sozialbereich der Bundeswehr wegen der fehlenden Möglichkeit freier Arztwahl deutlich von dem des Zivillebens unterscheidet (BSG, Urteil vom 12.04.2000, B 9 VS 2/99 R = BSG SozR 3-1750 § 411 Nr.1). Ob bereits die Untersuchungen, die die Hüftgelenks erkrankung nach Auffassung des Klägers hätten zeigen können (Musterungs- und Einstellungsuntersuchung sowie Untersuchung zur Verwendung als Fallschirmjäger) als ärztliche Behandlungen anzusehen sind oder ob es sich hier nicht lediglich um Tauglichkeitsprüfungen handelt, kann ebenso dahingestellt bleiben wie die vornehmlich von Prof. Dr. K ... problematisierte Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt Röntgenaufnahmen hätten gefertigt werden müssen. Ein etwaiger Behandlungsfehler hat sich nicht auf das bei dem Kläger bestehende anlagebedingte Hüftleiden aus gewirkt. Wahrscheinlich wäre das Hüftleiden des Klägers bei Durchführung einer Röntgenuntersuchung zwar diagnostiziert und der Kläger ausgemustert worden. Bei diesem hypothetischen Verlauf hätte sich das Hüftleiden des Klägers aber nicht anders als tatsächlich geschehen entwickelt, da die Belastungen des Wehrdienstes das Hüftleiden wie oben ausgeführt nicht richtunggebend verschlimmert haben. Ebenfalls ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und insbesondere auch dem Gutachten von Prof. Dr. K ... nicht ersichtlich, dass die Erkrankung einen günstigeren Verlauf genommen hätte, wenn die Umstellungsoperation zu einem früheren (nicht wie der Kläger meint - späteren) Zeitpunkt durchgeführt worden wäre.

Ein Anspruch auf Versorgungsrente steht dem Kläger hiernach nicht zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 Nr.1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Rechtskraft
Aus
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