L 11 KA 146/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 60/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 146/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.09.2000 abgeändert. Die Klage der Kläger zu 1) und 2) wird abgewiesen. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit bezüglich der Klägerin zu 2) in der Hauptsache erledigt ist. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung eines Bescheides vom 16.04.1997 über degressionsbedingte Honorarabzüge und die Rückforderung von 15.646,18 DM für das Jahr 1995.

Die Kläger waren 1995 zur vertragszahnärztlichen Versorgung in J zugelassen. Der Kläger zu 3) war in der Zeit von 00. bis 00. 1995 angestellter Zahnarzt in der Praxis der Kläger zu 1) und 2), ab April 1995 war er gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinschaftspraxis.

Bei der Berechnung der degressionsfreien Gesamtpunktmenge für das Jahr 1995 hatte die Beklagte den Kläger zu 3) im Bescheid vom 16.04.1997 mit 350 000 Punkten berücksichtigt und den Klägern, die 1995 noch einen Assistenten beschäftigt hatten, eine degressionsfreie Gesamtpunktmenge von 1 137 116 Punkten zugebilligt. Dies führte zu einer degressionsbedingten Honorarminderung um 6.781,80 DM. Der Bescheid vom 16.04.1997 enthielt folgenden Zusatz:

"Die Berechnung der Abzüge aus der Anwendung der Degression gem. § 85 Abs. 4b SGB V erfolgt vorbehaltlich einer evtl. erforderlichen nachträglichen Änderung der Degressionsgrundlage durch Veränderung der Praxisstruktur, Korrektur eingereichter Punktzahlen etc." In § 3 Nr. 3 des HVM der Beklagten fand sich für 1995 ein Vorbehalt der Berichtigung wegen der Überschreitung gesetzlicher Punktmengengrenzen. Mit Bescheid vom 10.11.1998 billigte die Beklagte den Klägern unter zeitlich anteiliger Berücksichtigung der Beschäftigung des Klägers zu 3) eine degressionsfreie Gesamtpunktmenge für die Kläger von 1 072 007 Punkten. Die sich hieraus ergebende Honoraränderung betrug 15.646,18 DM.

Hiergegen wandten sich die Kläger mit ihrem Widerspruch. Sie meinten, dass die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des ursprünglichen Honorarbescheides gem. § 45 SGB X nicht gegeben seien. Es fehle auch an der erforderlichen Anhörung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 16.04.1997 habe geändert werden können, weil er unter dem Vorbehalt einer späteren Änderung auf Grund bei den Sozialgerichten anhängiger Verfahren ergangen sei. Eine Anhörung sei bei Degressionsentscheidungen nicht erforderlich.

Hiergegen richtete sich die Klage. Der in dem Bescheid vom 16.04.1997 enthaltene Vorbehalt greife hier nicht ein. Er beziehe sich auf nachträgliche Veränderungen der Praxisstruktur, die hier nicht erfolgt seien, und auch auf die noch nachträglich für ein früheres Jahr abgerechneten Punkte. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X lägen nicht vor.

Die Kläger haben beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.02.1999 aufzuheben und auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren notwendig war, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die notwendigen Aufwendungen im Vorverfahren zu erstatten und auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren notwendig war.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1), 2), 5) und 6) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 07.09.2000 den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Der Vorbehalt im HVM der Beklagten betreffe nur die Berichtigung auf Grund weiterer Überschreitungen der Punktmengengrenzen, wenn für das betreffende Kalenderjahr weitere Punkte abgerechnet würden. Auch vom Vorbehalt im Bescheid vom 16.04.1997 sei der angefochtene Bescheid nicht gedeckt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die vorträgt, der Vorbehalt des § 3 Nr. 3 des HVM sei nicht, wie das Sozialgericht meine, auf die erstmalige Anwendung der Degressionsregelung beschränkt. Auch der auf den Degressionsbescheiden enthaltene Vorbehalt sei nicht abschließend formuliert und umfasse alle Änderungen im Rahmen der Umsetzung der Degressionsregelung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.09.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger zu 1) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Bevollmächtigte der Klägerin zu 2) hat mit Schriftsatz vom 13.11.2000 die Klage zurückgenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte sowie beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Deren wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte durfte die Entscheidung im Bescheid vom 16.40.1997 ändern, die Zahl der degressionsfreien Punkte auf 1 072 007 herabsetzen und das Honorar der Kläger um weitere 15.646,18 DM mindern.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 03.12.1997 - 6 R Ka 79/96) stand den Klägern für das Jahr 1995 nur die degressionsfreie Punktmenge von 1 072 007 zu. Der Kläger zu 3), der erst im 00. 1995 in die Gemeinschaftspraxis eingetreten ist, konnte nur für die Dauer seiner Tätigkeit als Mitglied in der Gemeinschaftspraxis anteilig berücksichtigt werden. Die Differenz zwischen der ursprünglich und der rechtmäßig vorzunehmenden Honorarminderung durfte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid als Honorarrückforderung für 1995 geltend machen.

Das Bundessozialgericht hat in seinen Entscheidungen vom 31.10.2001 (B 6 KA 16/00 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 42 - u.a.) klargestellt, dass grundsätzlich auch in den Fällen, in denen die Unrichtigkeit von Honorarbescheiden nicht dem Vertragszahnarzt zuzurechnen ist, eine sachlich-rechnerische Berichtigung erfolgen kann. Eine Unrichtigkeit liegt demnach auch dann vor, wenn ein Fehler des Honorarbescheides der Sphäre der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zuzurechnen ist. Das BSG fordert für eine sachlich-rechnerische Berichtigung in diesem Fall, dass auf Grund entsprechender Hinweise hinreichend deutlich ist oder sich zumindest aus den dem Vertragszahnarzt bekannten Gesamtumständen hinreichend deutlich ergibt, unter welchen konkreten Voraussetzungen und in welchem ungefähren Umfang sich die KZV auf eine Vorläufigkeit des Bescheides berufen will. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Rückforderung kann zwar nicht auf den Vorbehalt im Bescheid vom 16.04.1997 gestützt werden. Dieser erfasst nach seinem Wortlaut nur nachträgliche Änderungen der Degressionsgrundlage durch Veränderung der Praxisstruktur, Korrektur eingereichter Punktzahlen und vergleichbare Fälle. Es lag hier aber weder einer der ausdrücklich genannten Fälle noch eine vergleichbare Konstellation vor. Die Änderung der Degressionsgrundlage wurde vielmehr dadurch erforderlich, dass sich die von der Beklagten - zugunsten ihrer Mitglieder - ihrer Berechnung zugrundegelegte Rechtsauffassung als unzutreffend erwies.

Die Beklagte konnte aber die Herabsetzung der Punktmenge und die damit einhergehende Erhöhung der Honorarminderung auf § 3 Nr. 3 ihres HVM stützen. Danach ergehen die Abrechnungen der Beklagten unter dem Vorbehalt einer Berichtigung wegen Überschreitung gesetzlicher Punktmengengrenzen. Dieser Vorbehalt erfasst nicht nur den Fall, dass für das betreffende Kalenderjahr nachträglich Punkte abgerechnet und damit möglicherweise Punktmengengrenzen überschritten werden, sondern jede Überschreitung von Punktmengengrenzen, die nachträglich zu berichtigen ist. Ein solcher Fall lag hier vor. Die gesetzlich zulässige Punktmengengrenze für die Gemeinschaftspraxis war in dem im angefochtenen Bescheid angegebenen Umfang überschritten und zu berichtigen. Die einbehaltenen Beträge waren nach § 85 Abs. 4e SGB V an die Krankenkassen weiterzugeben, was nach den Angaben der Bevollmächtigten der Beklagten auch erfolgt ist.

Da sachlich-rechnerische Richtigstellungen innerhalb einer Frist von vier Jahren seit Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheides zulässig sind (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2001 - B 6 KA 2/01 R - m.w.N.), steht der Richtigstellung auch nicht der Ablauf einer Ausschlussfrist entgegen.

Bezüglich der Klägerin zu 2) ist der Rechtsstreit durch die vom Bevollmächtigten erklärte Klagerücknahme mit Schriftsatz vom 13.11.2000 erledigt. Die Klagerücknahme erledigt gemäß § 102 Satz 2 SGG den Rechtsstreit in der Hauptsache und schließt eine erneute Geltendmachung des Klageanspruchs aus (vgl. BSG SozR § 102 Nrn. 9 und 10). Eine Einwilligung der Beklagten ist nicht erforderlich. Ob die Erklärung, wie der Bevollmächtigte vorträgt, auf einem Missverständnis beruhte, ist unerheblich. Als Prozesshandlung ist die Klagerücknahme nicht widerruflich oder anfechtbar (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 102 Rdnr. 7c m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 und 193 SGG in der bis zum 31. 12.2001 geltenden Fassung (vgl. BSG, Urteil vom 31.01.2002 - B 6 KA 20/01 R -).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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