L 2 U 78/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (4) U 133/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 U 78/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 03.11.2000 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind ein Anspruch auf Verletztengeld und die Verpflichtung des Klägers, von der Beklagten gezahlte Vorschüsse zu erstatten.

Der 0000 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist selbständiger G. Im Verlaufe eines früheren Klageverfahrens (Sozialgericht SG Aachen S 9 U 00/00) erkannte die Beklagte einen Arbeitsunfall vom 16.10.1987 an und erklärte sich aufgrund einer Begutachtung durch PD Dr. A (27.07.1989) bereit, Verletztengeld für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vom 17.10. bis 15.11.1987 zu gewähren. Im Verlaufe dieses Verfahrens sowie anlässlich eines weiteren Unfalls vom 29.02.1988 teilten die behandelnden Ärzte für Chirurgie Dr. X/Dr. Q mit, unfallunabhängig bestehe seit 1982 u. a. eine Periarthritis humero scapularis (Berichte vom 14.01., 08.02., 01.03. und 30.11.1988). Am 25.08.1997 erlitt der Kläger beim Rangieren von Motorrädern einen Unfall, bei dem es zur einer Zerrung der rechten Schulter mit Einbeziehung des Sternoclaviculargelenkes kam. Daraufhin zahlte die Beklagte Verletztengeld vom 25.08. - 05.10.1997 (Bescheid vom 20.10.1997).

Am 21.03.1998 (Samstag) gegen 18:30 Uhr kippte nach Angaben des Klägers beim Schieben eines Motorrades dieses nach rechts weg eine Böschung herunter; er wurde über die Maschine mitgerissen und prallte mit der rechten Körperseite auf, rutschte danach den Hang herunter und schlug mit der linken Gesichts hälfte auf. Am darauffolgenden Tag stellte sich der Kläger im Krankenhaus E vor. Dr. M, Leitender Arzt der Chirurgischen Klinik I, diagnosti zierte Prellungen im Bereich von Gesichtsschädel, rechter Burstkorbwand,

rechter Schulter, rechter Hüfte und rechtem Kniegelenk sowie unfallunab hängig einen Zustand nach Rippenbrüchen 1996 (Bericht vom 25.03.1998). Radiologe Dr. N berichtete über eine Kernspintomographie der rechten Schulter und eine Computertomographie des Gesichtsschädels (31.03.1998), Dr. M über die weitere Behandlung (16. und 22.04.1998). Oberarzt Dr. C, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik E empfahl weitere Behandlung zu Lasten der Beklagten (27.04.1998) und ging von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit aus (20.05.1998). Die Beklagte gewährte "auf die voraus sichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" Vorschüsse "bemessen nach einem voraussichtlichen Anspruch auf Verletztengeld" in Höhe von insgesamt 31000,00 DM. Die Schreiben enthielten folgenden Hinweis: "Diese und weitere Vorschusszahlungen erfolgen unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstellen sollte, dass unsere Leistungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe gegeben ist (§ 42 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - SGB I)"(28.04., 17.06., 06.07. und 26.08.1998). Chefarzt Dr. X/ Oberarzt C, Neurologische Klinik am St. B Krankenhaus E fanden beim Kläger keine neurologischen Ausfälle (Bericht vom 14.05.1998).

Die Beklagte zog Unterlagen über die früheren Unfälle des Klägers bei. Dr. M berichtete der Kläger wünsche die Weiterbehandlung bei Chirurg T (18.08.1998). Chirurg T bezweifelte, ob überhaupt ein Arbeitsunfall gegeben sei (13.08. und 01.09.1998). Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch PD Dr. L, Ärztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E C. Dieser meinte, die Folgen der Prellung seien vollständig abgeklungen und noch bestehende Beschwerden ganz und gar auf unfallunabhängige Krankheitserscheinungen zurückzuführen (09.10.1998). Er ergänzte, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei für einen Zeitraum von 10 Wochen ab Unfalltag anzunehmen (28.10.1998). Chirurg T schloss die berufsgenossenschaftliche Behandlung mit dem 16.10.1998 ab (Bericht vom 23.10.1998). Die Beklagte bewilligte Verletztengeld für den Zeitraum vom 22.03. bis 30.05.1998 und errechnete unter Berücksichtigung gezahlter Vorschüsse in Höhe von DM 31000,00 eine Überzahlung in Höhe von 17.219,98 DM (Bescheid vom 03.11.1998). Der Kläger legte Widerspruch ein und trug vor, er sei anlässlich der Begutachtung unzureichend untersucht worden. Aus seiner Sicht müsse er Verletztengeld bis zum 16.10.1998 bekommen. Die Beklagte wies des Rechtsbehelf zurück (Widerspruchsbescheid vom 15.06.1999).

Deshalb hat der Kläger Klage zum SG Aachen erhoben. Die Beklagte hat nach Anhörung des Klägers diesen aufgefordert, zuviel gezahlte Vorschussleistungen in Höhe von 17.219,98 DM zu erstatten und zur Begründung ausgeführt, der Erstattungsanspruch entstehe nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I; kraft Gesetzes (Bescheid vom 16.08.1999).

Der Kläger hat vorgetragen, er sei allein wegen des Unfalls von Dr. M vom 31.05. bis 11.08.1998 und von Chirurg T dann bis einschließlich 15.10.1998 krank geschrieben worden. Dementsprechend habe die Beklagte Verletztengeld bis einschließlich 15.10.1998 zahlen müssen. Nach dem Unfall aus 1987 sei er knapp 11 Jahre bis zum Unfall am 21.03.1998 beschwerdefrei gewesen. Eine Erstattung komme nicht in Betracht.

Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt und sich auf eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. G (07.10.1999) gestützt.

Das SG hat Befundberichte von Dr. M (04.09.1999) und dem Arzt für Chirurgie S, Praxisnachfolger des Arztes für Chirurgie T, eingeholt (09.09.1999). Es hat Beweis durch den Sachverständigen, Arzt für Orthopädie Prof. Dr. T1 erhoben. Er hat gemeint, der Arbeitsunfall vom 21.03.1998 habe ein bereits chronisch vorgeschädigtes Gelenk betroffen und dort allenfalls eine vorübergehende, nicht richtunggebende Verschlimmerung ausgelöst. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 30.05.1998 gedauert. Ab diesem Zeitpunkt habe die Prellung der rechten Schulter keine Folgen mehr gehabt. Bereits nach wesentlich kürzerer Zeit seien die Folgen der Prellungen des Gesichtsschädels, der rechten Brustkorbhälfte, der rechten Hüfte und des rechten Kniegelenkes vollständig abgeklungen gewesen. Das SG hat die Klage auf Fortzahlung des Verletztengeldes und Aufhebung des Erstattungsbescheides abgewiesen (Urteil vom 03.11.2000).

Seine Berufung stützt der Kläger auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen, Arzt für Orthopädie Dr. C, den kernspintomographischen Befund vom 30.03.1998 und den Bericht des Dr. C1 vom 27.04.1998. Es ist der Auffassung, unfallbedingt habe Arbeitsunfähigkeit bis zum 09.10.1998 bestanden. Er meint, den zuvor eingeholten Gutachten sei keine nachvollziehbare Begründung dafür zu entnehmen, dass die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bereits davor geendet habe. Er verweise auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für seine private Versicherung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Aachen vom 03.11.2000 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 03.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.1999, sowie Aufhebung des Bescheides vom 16.08.1999 zu verurteilen, unter Anrechung der geleisteten Vorschüsse in Höhe von 33100, 00 DM Verletztengeld bis zum 09.10.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, das Gutachten des Dr. C sei gänzlich ungeeignet, den schlüssigen Aussagen der Vorgutachter wirksam zu begegnen. Als Anspruchsteller trage der Kläger für die nicht bewiesenen anspruchsbegründenden Tatsachen die Beweislast. Er genieße auch keinen Vertrauensschutz, denn die Vorschusszahlungen seien unter ausdrücklichem Vorbehalt späterer Rückforderungen erbracht worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch den Sachverständigen Arzt für Orthopädie Dr. C (21.04.2002). Er hat ausgeführt, unfallabhängige Arbeitsunfähigkeit müsse vom 21.03. bis 09.10.1998 angenommen werden.

Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten zu den Arbeitsunfällen vom 16.10.1987, 29.02.1988, 25.08.1997 und 21.03.1998 sowie den Inhalt der Akten SG Dortmund S 9 U 00/00 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zur Recht hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Verletztengeld kann der Kläger nur bis zum 30.05.1998 verlangen (dazu I.). Der Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig (dazu II.).

I. Der Bescheid vom 03.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.1999 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztengeld über den 30.05.1998 hinaus. Verletztengeld wird erbracht, wenn Versicherte - neben weiteren Voraussetzungen - infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können (§ 45 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetz buch SGB VII). Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert (§ 46 Abs. 1 SGB VII). Das Verletztengeld endet u. a. mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme (§ 46 Abs. 3 Nr. 1 SGB VII). Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand alsbald zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 182 RVO Nr.9). Beruht Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig auf unfallfremder und unfallbedingter Krankheit, besteht Anspruch auf Verletztengeld so lange, wie die Arbeitsunfähigkeit wesentlich durch die Folgen des Versicherungsfalles verursacht wird (vgl. sinngemäß BSG SozR 2200 § 560 RVO Nr. 12).

Nach diesem Maßstab war die Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 30.05.1998 hinaus nicht unfallbedingt. Darin stimmt der Sachverständige Prof. T1 mit der urkundsbeweislich verwertbaren Beurteilung von PD Dr. L und der als Beteiligtenvorbringen verwertbaren (zur Verwertbarkeit des Beteiligtenvorbringens vgl. auch BSG, Beschluss vom 17.08.2000 - B 8 KN 5/00 U B, Bl. 5 mit weiteren Nachweisen) Einschätzung von Dr. G überein. Dies steht, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, in Einklang mit der Auffassung der behandelnden Ärzte Dr. M und T. Demnach waren die durch den Arbeitsunfall hervorgerufenen Folgen der Prellungen des Gesichtsschädels, der rechten Brustkorbhälfte, der rechten Hüfte und des rechten Kniegelenkes bereits nach kurzer Zeit vollständig abgeklungen. Dies entspricht den Angaben des Klägers anlässlich der Vorstellungen im Krankenhaus E am 21.04.1998 und in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E C am 24.04.1998. Die Beschwerden im Bereich der rechten Schulter dauerten wesentlich dadurch länger an, dass bei dem Arbeitsunfall vom 21.03.1998 auch das seit vielen Jahren degenerativ vorgeschädigte rechte Schultergelenk betroffen wurde. Die Folgen der Prellung der rechten Schulter waren jedoch mit dem 30.05.1998 abgeklungen. Diese ärztliche Einschätzung überzeugt unter Berücksichtigung der Vorerkrankung, des Unfallhergangs, der danach befundeten Veränderungen, der eingesetzten Therapien und der weiteren Krankheitsentwicklung. So bestand bereits vor dem Unfall eine ausgeprägte Acromioclavikulargelenksarthrose, die mehrfach behandelt worden war, mit Schulterdachengesyndrom (Prof. Dr. T1, Dr. G; PD Dr. L). Der Sturz erfolgte beim Schieben des Motorrads. Erst am Tag nach dem Unfall suchte der Kläger das Krankenhaus auf. Dort fand Dr. M (25.03.1998) keine äußeren Verletzungszeichen bei Schmerzangabe u. a. im Bereich des rechten Schulterblatts und Druckschmerz der außenseitigen Brustwand rechts unterhalb der Achselhöhle und im Bereich des gesamten Schlüsselbeinverlaufs rechts. Funktionseinbußen im Bereich des Schultergürtels zeigten sich nicht, Nacken- und Schürzengriff waren regelrecht; Diagnose u. a. Prellungen ... rechte Schulter (Prof. Dr. T1; Dr. G; PD Dr. L). Diesen Indizien für eine nur geringfügige Traumatisierung der Schulter misst der Senat besondere Bedeutung bei, weil auch das MRT vom 30.03.1998 nur ein posttraumatisches Ödem im Musculus deltoideus zeigte, aber keinen Hinweis auf Substanzverletzungen wie eine Rotatorenmanschettenruptur oder einen Labrumabriß (Dr. N, urkundsbeweislich verwertbar; Prof. Dr. T1; Dr. G; PD Dr. L). Damit harmoniert, dass Dr. X/Oberarzt C keine Schädigung auf neurologischem Gebiet festzustellen vermochten. Trotz Therapie u. a. mit Krankengymnastik, Elektrotherapie mit Voltaren Emulgel (Bericht Dr. M, 22.04.1998 und später EAP, auch unterstützt durch Iontophorese mit Voltaren nahmen die Klagen über subjektive Beschwerden erheblich zu (Dr. M, 18.08.1998), bis hin zur Vorstellung bei Chirurg T, bei dem der rechte Arm am 20.08.1998 nicht gehoben werden konnte. Bei einem solchen therapieresistenten, sich im zeitlichen Abstand zum Unfall verschlechternden Krankheitsverlauf ist es verständlich, dass Dr. M zunächst unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nur bis zum 22.04.1998 annehmen wollte (Berichte vom 16.02. und 22.04.1998), Chirurg T bei jahrelangen Leiden an periarthitis humeroscapularis Zweifel überhaupt an einem Arbeitsunfall kamen (Bericht vom 01.09.1998) und Prof. Dr. T1, Dr. G und PD Dr. L jedenfalls über den 30.05.1998 hinaus nicht mehr haben Folgen des Unfalls feststellen können.

Demgegenüber kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Beurteilung durch den Arzt seines Vertrauens Dr. C berufen. Soweit dieser meint, unfallabhängige Arbeitsunfähigkeit müsse bis zum 09.10.1998 angenommen werden, enthält sein Gutachten keine tragfähige medizinische Begründung.

Soweit er sich auf Vertrauensschutz und die formale Dauer bg-licher Behandlung beruft, argumentiert er auf juristischer Ebene. Der insoweit maßgebliche Anknüpfungspunkt ist aber sowohl für die Dauer des Verletztengeldanspruchs (vgl. dazu oben) wie auch für die Rückzahlung (vgl. dazu II.) ein anderer. Entgegen seiner Ansicht haben die anderen Ärzte das MRT vom 30.03.1998 - wie dargelegt - berücksichtigt. Im Ansatz verkennt er zudem, dass Ungewissheit über die Ursache der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Verletztenrente begründet.

Mit der Argumentation der Vorgutachter zum erforderlichen, aber fehlenden Kausalzusammenhang zwischen Versicherungsfall und Arbeitsunfähigkeit setzt er sich nicht hinreichend auseinander. Dr. C irrt, wenn er meint, eine zeitliche Festlegung zur Frage der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei in den Akten erstmals mit der Stellungnahme von Dr. G (07.10.1999) zu finden. Der ergänzenden Stellungnahme von PD Dr. L (28.10.1998) ist vielmehr eindeutig die Einschätzung zu entnehmen, die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe für einen Zeitraum von 10 Wochen ab dem Unfalltag - d.h. die Zeit bis zum 30.05.1998 - umfasst.

II. Zutreffend hat das SG den Bescheid vom 16.08.1999 entsprechend § 96 SGG in den Rechtsstreit einbezogen. Die Beklagte durfte den Kläger durch Be scheid verpflichten, den Betrag von 17.219, 98 DM zu erstatten. Dabei kann offen bleiben, ob sich diese Verpflichtung auf eine unmittelbare oder analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) stützen lässt (vgl. BSG SozR 3-1200 § 42 Nr. 2). Jedenfalls hat sich die Beklagte in den Verwaltungsakten vom 28.04., 17.06., 06.07. und 26.08.1998 in zulässiger Weise vorbehalten, die "Vorschusszahlungen" später zurückzufordern, falls sich herausstellen sollte, dass ihre Leistungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe gegeben war. Damit hat die Beklagte insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Klägers für diesen erkennbar eine vorläufige Regelung getroffen und ihm Verletztengeld als vorläufige Leistung gewährt. Aufgrund der fortlaufenden Ermittlungen war eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach zu diesen Zeitpunkten noch nicht möglich. Der gesetzliche Zweck der Leistung von Verletztengeld, dem eine Entgeltersatzfunktion zu kommt, kann nur erreicht werden, wenn es möglichst zeitnah zur Entstehung des Bedarfs, dem es abhelfen soll, erbracht wird. Sinn und Zweck des § 42 Abs. 1 SGB I ist es, bei (voraussichtlich) längeren Bearbeitungszeiten Nachteile und Härten für den Leistungsberechtigten zu vermeiden bzw. zu überbrücken (vgl. BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 28 mit Hinweis auf BT-Drucks 7/868 S. 29 zu § 42). Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls hat die Beklagte für den maßgeblichen Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (vgl. BSG, Urteil vom 08.12.1994 - 2 RU 12/94 - HVBG-INFO 1995, S. 721ff.) in den Schreiben vom 28.04., 17.06., 06.07. und 26.08.1998 hinreichend verdeutlicht, dass es sich bei der Bewilligung der Vorschusszahlungen noch nicht um eine endgültig abschließende Regelung handelte.

Damit konnte der Kläger kein schützenswertes Vertrauen darauf entwickeln, den überzahlten Teil des Vorschusses behalten zu dürfen. Die abschließende Regelung ist erst mit den angefochtenen Bescheiden vom 03.11.1998 und 15.06.1999 erfolgt. Einwendungen hat der Kläger im Übrigen nicht geltend gemacht. Dies gilt auch für die Berechung der zuviel gezahlten Vorschussleistung, die die Beklagte mit 17.219, 98 DM richtig berechnet hat. Wie dargelegt hat der Kläger nur Anspruch auf Zahlung von Verletztengeld bis zum 30.05.1998 gehabt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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