L 8 RA 28/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 13/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 28/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 176/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.05.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten auch für den Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Klägerin Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zusteht.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin absolvierte von April 1963 bis April 1966 mit Erfolg eine Lehre als Einzelhandelskauffrau in einer Fleischerei und arbeitete bis April 1973, teilweise unterbrochen durch Arbeitslosigkeit, als Verkäuferin. Von Juli 1973 bis Dezember 1991 war sie als Bankangestellte tätig, davon bis Dezember 1993 in der Telefonzentrale, Registratur, Expedition und Zahlungsverkehr Inland und bis Dezember 1991 als Teilzeit-Datentypistin (Abteilung für Technik, Buchhaltung und Zahlungsverkehr). Die Commerzbank, Personalzentrum West, teilte mit, die Klägerin habe zuletzt Schreibarbeiten verrichtet und eine Buchungsmaschine im Auslandsgeschäft bedient. Die durch Rationalisierung weggefallene Tätigkeit sei in der Tarifgruppe T/10. Berufsjahr des Manteltarifvertrages für das Bankgewerbe als Sachbearbeiterin in der Belegaufbereitung im Auslandsgeschäft entlohnt worden. Die Arbeit sei mit einer Anlernzeit verbunden und höherwertig als die zuvor ausgeübte Tätigkeit gewesen (Auskunft vom 03.12.1999). Nach einer Arbeitslosigkeit bis April 1993 war die Klägerin zuletzt von Mai 1993 bis Dezember 1993 beim ... mit statistischen Aufbereitungsarbeiten befasst. Nach der Auskunft des L ... vom 11.11.1999 handelte es sich um eine Tätigkeit mit begrenzter Dauer, die nach der Gehaltsgruppe VIII/1b BAT entlohnt worden sei. Es habe sich um eine Tätigkeit überwiegend im Sitzen gehandelt. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.

Die Klägerin unterzog sich vom 11.12.1997 bis 08.01.1998 einem Heilverfahren in Bad Salzuflen. Der Leitende Arzt Dr. Gerbig diagnostizierte in dem Entlassungsbericht vom 26.01.1998 unter anderem Bandscheibenvorfall L4/5 links mit rezidivierender Lumboischialgie, Hypertonie und Adipositas. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen, weil sie in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Datentypistin eingeschränkt leistungsfähig sei. Andauerndes schweres Heben und Tragen von Lasten und andauerndes Bücken und Hocken sowie dauernd sitzende Tätigkeiten sollten vermieden werden. Körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen ohne andauernde Zwangshaltung könne sie noch in Tagesschicht vollschichtig verrichten.

Am 16.01.1998 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit. Gestützt auf die Beurteilung in dem Heilverfahrens-Entlassungsbericht lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 26.03.1998 ab. Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, aufgrund bestehender ichialgiformer Beschwerden keine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten zu können.

Nach Einholung eines Befundberichtes von Dr. Schnückel (Bericht vom 06.07.1998) veranlasste die Beklagte eine neurologisch-psychiatrische und internistisch-sportmedizinische Begutachtung. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Berndt stellte in seinem Gutachten vom 03.12.1998 folgende Diagnosen:

Hypertonie, Adipositas, lumbalgieforme Beschwerden mit Schmerzen im Rücken und einstrahlende Schmerzen im linken Bein ohne Objektivierung neurologischer Ausfälle sowie eine relative Operationsintegration.

Er kam zu der Beurteilung, die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit flexibler Pausengestaltung vollschichtig verrichten.

Der Internist und Sportmediziner Dr. Meiß diagnostizierte in dem Gutachten vom 04.02.1999 folgende Gesundheitsstörungen:

Stabile, essentielle Hypertonie, euthyreote Struma nodosa, de- generatives Wirbelsäulensyndrom, Zustand nach Bandscheibenvor- fall BWK 4/5, links mediolateral mit Wurzelirritation L 5 und S 1 und massive Adipositas.

Die Klägerin könne nur noch leichte körperliche Arbeiten mit der Möglichkeit eines häufigen Wechsels zwischen Sitzen, Stehen und Gehen und einer flexiblen Pausengestaltung ohne Zeitdruck und unter witterungsunabhängigen Verhältnissen vollschichtig verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 20.07.1999 Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben.

Sie hat beantragt,

den Bescheid vom 20.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbe- scheides vom 07.07.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Erwerbsunfähigkeitsrente, hilfsweise Berufsunfähigkeitsrente ab Antragstellung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat Arbeitgeberauskünfte zu den von der Klägerin bei der C ... und dem L ... f ... D ... S ... verrichteten Tätigkeiten eingeholt (vgl. oben) und die in dem Schwerbehindertenverfahren SG Detmold - S ... - eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. Bruns, des Internisten Dr. Andreas und des Neurologen und Psychiaters Dr. Zeuke beigezogen. Dr. Zeuke nahm in seinem Gutachten vom 09.08.1999 wegen einer chronischen rezidivierenden Lumboischialgie einen Grad der Behinderung um 30 vom Hundert an, der internistisch-kardiologische Gutachter Dr. Andreas wegen einer leichten Form einer Bluthochdruckerkrankung einen Grad der Behinderung um 10 vom Hundert und der orthopädische Hauptgutachter Dr. Bruns in dem Gutachten vom 04.07.1999 wegen multipler Ansatztendinosen ohne Bewegungseinschränkung, einer leichten/mittelgradigen Bewegungseinschränkung der Brust-/Lendenwirbelsäule ohne neurologische Störungen und einer beginnenden Gonarthrose beiderseits ohne Bewegungsstörung einen orthopädisch bedingten Grad der Behinderung um 20 vom Hundert und insgesamt um 30 vom Hundert an.

Der Orthopäde Dr. Korff hat in einem vom Sozialgericht angeforderten Befundbericht vom 28.02.2001 ein Wirbelsäulenganzsyndrom, eine Lumboischialgie bei bekanntem Bandscheibenvorfall L 4/5 links, einen Verdacht auf Fibromyalgie und ein Cervicothorakalsyndrom diagnostiziert. Er hat zum verbliebenen Leistungsvermögen der Klägerin ausgeführt, sie könne noch leichte Arbeiten ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie ohne Zwangshaltungen vollschichtig verrichten. Vom 21.03. bis 31.03.2000 sei sie arbeitsunfähig gewesen.

Auf den Einwand der Klägerin, ihr behandelnder Orthopäde sei Dr. Böhm und nicht der in der gleichen Praxis tätige Dr. Korff gewesen, hat Dr. Böhm auf Veranlassung des Sozialgerichts einen weiteren Befundbericht erstattet. Abweichend von Dr. Korff hat Dr. Böhm in dem Bericht vom 11.07.2001 ein Fibromyalgiesyndrom diagnostiziert. Er ist zu der Beurteilung gekommen, die Klägerin sei noch untervollschichtig arbeitsfähig für leichte Arbeiten. Die Beschwerden würden zunehmend somatisiert.

Das Sozialgericht hat weiter den Orthopäden Dr. Bruns und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Zeuke mit der Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dr. Zeuke hat in seinem Gutachten vom 27.12.2001 folgende Diagnosen gestellt:

chronische Schmerzstörung im Sinne eines mäßigen Ganzkörper- schmerzes (Fibromyalgie-Syndrom oder somatoforme Schmerzstö- rung), chronische lumbale Rückenschmerzen und zeitweise auf- tretende Nervenwurzelreizzustände im Sinne von linksseitigen Lumboischialgien bei degenerativen LWS- und Bandscheibenveränderungen ohne neurologische Ausfälle.

Die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig verrichten. Nach maximal einer Stunde Sitzen sollte die Möglichkeit zum Stehen oder Umhergehen bestehen. Arbeiten in gebeugter Haltung, mit häufigen Zwangshaltungen, Bücken oder Knien, erheblichem Zeitdruck, sonstigem Stress, Wechsel- und Nachtschicht, häufiger Zugluft- oder Nässeeinwirkung sowie mit Besteigen von Leitern seien ihr nicht mehr zumutbar. Hinsichtlich Verantwortungsbewusstsein und geistiger Beweglichkeit bestünden keine Einschränkungen.

Der Sachverständige Dr. Bruns hat in seinem Gutachten vom 08.01.2002 folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:

Leichte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule, leichte Funktionseinschränkung der Brustwirbelsäule, mittelgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule, leichte Zehenheberschwäche linksseitig, Gefühlsminderung am Fußaußenrand linksseitig, lokaler Palpationsbefund bei Bandscheibenvorfall L4/5 linksseitig, multiple Ansatztendinosen im Bewegungsapparat ohne Funktionseinschränkungen.

Die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 5 kg im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne häufiges Bücken, Knien und Zwangshaltungen vollschichtig und regelmäßig verrichten. Außer einer normalen halbstündigen Pause pro Schicht seien weitere Pausen nicht erforderlich. Die Gehfähigkeit sei nicht deutlich eingeschränkt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.05.2002 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei nicht einmal berufsunfähig. Unter Berücksichtigung der Grundsätze des Bundessozialgerichts zum Mehrstufenschema sei sie im Hinblick auf die von ihr zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Mitarbeiterin des L ... f ... D ..., zu deren Ausübung eine Anlernzeit, aber keine Ausbildung erforderlich gewesen sei, der Gruppe mit dem Leitberuf der angelernten Angestellten zuzuordnen. Sie sei damit auf leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass es einer konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe. In medizinischer Hinsicht könne die Klägerin nach dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten angelernte Büroarbeiten verrichten.

Gegen das am 18.06.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.06.2002 Berufung eingelegt.

Die Klägerin trägt vor, sie könne ihren bisher ausgeübten Beruf als Datentypistin nicht weiter ausüben. Soweit sie von der Beklagten bzw. von dem Sozialgericht auf die Tätigkeit als Bürohilfskraft verwiesen werde, sei nach der berufskundlichen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes vom 06.08.1998 zu bedenken, dass Bürohilfskräfte vereinzelt im Botendienst, in der Registratur und in den Poststellen eingesetzt würden. Bei diesen Tätigkeiten müssten zum Teil kiloschwere Geschäftsvorgänge gehoben und getragen werden und in Zwangshaltung beim Ablegen oder Aufhängen von Schriftgut gearbeitet werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 15.05.2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1999 zu verurteilen, ihr Versichertenrente wegen Erwerbs-, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01.02.1998 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren, hilfsweise ein berufskundliches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob die Klägerin ausgehend von dem beschriebenen Tätigkeitsfeld einer Datentypistin zumutbar auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft verwiesen werden kann.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe sich von dem erlernten Beruf einer Einzelhandelskauffrau gelöst und sei deshalb als Datentypistin einzustufen. Zur Ausübung der Tätigkeit als Datentypistin habe es keiner regulären 2 - 3jährigen Berufsausbildung bedurft. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit sei daher nicht erforderlich. Als Angelernte müsse sie sich nach dem Mehrstufenschema auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes verweisen lassen, sofern es sich nicht um die allereinfachsten Tätigkeiten handele. Für die Klägerin kämen durchaus Angestelltentätigkeiten nach der Vergütungsgruppe IX des BAT in Betracht; hierbei habe sie z.B. als Büro- oder Registraturangestellte einfachere, nach Schema zu erledigende Arbeiten wie Postabfertigung, Führen von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen und einfachen Karteien zu erledigen (Hinweis auf Urteil des LSG Berlin vom 27.03.2003 - L 17 RA 34/00 -).

Der Senat hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung folgende berufskundliche Unterlagen beigezogen und den Beteiligten vor dem Verhandlungstermin per Fax übersandt:

1. Protokoll über die Vernehmung der Personalleiterin der C ... Düsseldorf Karin van Brummelen in dem Rechts- streit SG Duisburg - S ...- am 02.12.2002

2. Auskünfte des Landesarbeitsamtes zu den Tätigkeiten Büro- hilskraft und Telefonistin vom 14.12.1999 und 18.04.2000

3. Urteil des Landessozialgerichts - L 14 RJ 40/97 - zur Ver- weisung auf eine Pförtnertätigkeit.

Wegen des Inhaltes dieser Unterlagen und der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 20.03.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.1999 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, weil diese Bescheide nicht rechtswidrig sind. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die von ihr begehrte Rente nicht zu, denn sie ist nicht berufsunfähig.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), weil die Klägerin auch Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.2001 begehrt und den Rentenantrag bereits vor diesem Zeitpunkt gestellt hat (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Das Sozialgericht hat danach einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente mit zutreffenden Gründen verneint. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf den Inhalt der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen, mit dem die Klägerin eine bessere Bewertung ihres bisherigen Berufes im Sinne des Mehrstufenchemas anstrebt und die körperlichen Anforderungen an die Tätigkeit einer Bürohilfskraft abweichend gegenüber dem Vortrag der Beklagten definiert, greift im Ergebnis nicht durch.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Qualität der bisherigen Tätigkeit der Klägerin nach den Anforderungen der zuletzt verrichteten Beschäftigung als Mitarbeiterin des L ... f ... D ... u ... S ... als Anlerntätigkeit bestimmt. Bisheriger Beruf im Sinne des Rentenrechts ist nach ständiger Rechtsprechung die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist eine versicherungsrechtlich relevante Lösung von einer höherwertigen Tätigkeit immer dann zu bejahen, wenn der Berufswechsel freiwillig erfolgt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Gesundheitliche Gründe waren für die Beendigung der zuletzt auf Sachbearbeitungsebene eingestuften Tätigkeit bei der C ... nicht maßgebend (Einstufung in die Tarifgruppe IV/10. Berufsjahr des Manteltarifvertrages für das private Bankgewerbe: Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine um entsprechende Berufserfahrung ergänzte Zweckausbildung oder längere Einarbeitung erworben werden). Die Klägerin hat vielmehr das Arbeitsverhältnis gegen Erhalt einer Abfindung für den weggefallenen Arbeitsplatz beendet und sich nach gut einjähriger Arbeitslosigkeit ab 01.05.1993 der qualitativ schlechter eingestuften Tätigkeit als Datentypistin beim L ... f ... D ... S ... zugewandt. Die Klägerin ist daher zumutbar auf angelernte und ungelernte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Eine zumutbare Verweisbarkeit ist auch gegeben, wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass ihre zuletzt verrichtete ...tätigkeit als D ... in der Buchhaltung ihr bisheriger Beruf ist bzw. eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit erforderlich ist. In Betracht kommt insoweit zum Beispiel die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte mit Einsatzbereichen u.a. in der Registratur, Expedition und Telefonzentrale. Für eine solche Tätigkeit ist die Klägerin 1973 bei der C ... angestellt worden und hat diese Tätigkeit bis zu dem bankinternen Wechsel zur Tätigkeit als Datentypistin im Jahre 1981 verrichtet. Ausgehend von den dabei anfallenden Arbeitsabläufen handelt es sich um eine Arbeit, die körperlich leichter Art ist und ohne wesentliche Zwangshaltung überwiegend im Sitzen aber im Wechsel mit Gehen und Stehen auszuführen ist. Überwiegendes Sitzen ist, wie der Sachverständige Dr. Zeuke in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten weiter angeführt hat, nur dann unverträglich, wenn die Tätigkeit - wie z.B. an laufenden Maschinen - an einen vorgegebenen Arbeitsablauf gebunden ist.

Arbeitsanteile im Büro mit Aufgaben in der Registratur, Telefonzentrale und Expedition gestatten aber, auch wenn sie Arbeitsanteile bezüglich elektronisch gestützter Schreib-, Ablage- und Registraturaufgaben beeinhalten, in der Regel ein kurzzeitiges Aufstehen und Umhergehen.

Hinsichtlich der im Bürobereich anfallenden körperlichen Anforderungen legt der Senat die beigezogenen Beschreibungen des Landesarbeitsamtes für die Tätigkeit als Bürohilfskraft und Telefonistin zugrunde. Danach erledigt die Bürohilfskraft einfache und routinemäßige Tätigkeiten nach Anweisungen im kaufmännischen, verwaltungsbezogenen und technischen Bereich in Behörden, Betrieben und bei sonstigen Organisationen und Einrichtungen. In der Regel sortiert und legt die Bürohilfskraft Schriftgut aller Art ab, beschriftet Akten, führt schematische Rechenarbeiten aus, erstellt Tabellen und Listen, bedient einfache Büromaschinen/-kommunikationsmittel, führt Karteien, hilft bei der Verwaltung von Büromaterial mit, füllt Formulare von Hand aus, erledigt Hilfs- und Zuarbeiten für die Fachkräfte, etc. Hierbei handelt es sich um leichte Arbeiten im Sitzen und in geschlossenen Räumen. Ein kurzzeitiges Aufstehen, ggfs. auch Umhergehen (z.B. um Vorgänge aus Schränken oder benachbarten Büros zu holen), ist in der Regel jederzeit möglich. Es wird eine genaue, systematische und zuverlässige Arbeitsweise wie Ordnungssinn, Konzentrationsfähigkeit, Anpassungs- und Kooperationsfähigkeit erwartet. Die Tätigkeit ist je nach Einsatzfeld zum Teil mit Publikumsverkehr verbunden, wobei sich im Bereich der reinen Sachbearbeitung hinreichende Aufgabenbereiche ohne direkten Publikumsverkehr finden. Die Telefonistin bedient Fernsprechnebenstellenanlagen zum Vermitteln von Ferngesprächen zwischen Amtsleitung und Nebenstellen. Sie registriert abgehende Orts- und Ferngespräche, bedient je nach Arbeitsorganisation das Telefaxgerät, schreibt in der Regel kurze Mitteilungen für vorübergehend abwesende Teilnehmer, erteilt Auskünfte und erledigt Rückfragen. Die Tätigkeit erfordert gutes Hörvermögen, Merkfähigkeit, Verschwiegenheit und Höflichkeit. Entsprechend den Betriebsabläufen des Unternehmens wird die Tätigkeit in der Regel in mehreren Tagesschichten ausgeführt. Es handelt sich um körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, die überwiegend im Sitzen ausgeübt wird. Auf Grund der derzeit eingesetzten "Headsets" (Kopfhörer mit aufgesetztem Mikrofon) ist ein Aufstehen und beschränktes Umhergehen jederzeit möglich.

Diesen Anforderungen kann die Klägerin nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme noch nachkommen. Lediglich ein Einsatz in den Bereichen Poststelle und (aktengebundene) Registratur ist nach den Auskünften des Landesarbeitsamtes mit körperlich weitergehenden Anforderungen an die Belastbarkeit und Beweglichkeit der Wirbelsäule verbunden, die ihr nicht mehr zuzumuten sind.

Unter Berücksichtigung ihrer Vorqualifikation ist die Klägerin im Übrigen nicht auf einfache und routinemäßige Ausübungsformen der genannten Büroarbeiten beschränkt. Sie hat eine Lehre als Einzelhandelskauffrau absolviert und auf dieser Grundlage eine Anstellung als kaufmännische Angestellte im Bankgewerbe mit einer Anfangseinstufung in die Tarifgruppe III (Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine Zweckausbildung oder eine längere Einarbeitung erworben werden) und - nach einem Tätigkeitswechsel - einen Aufstieg in die Tarifgruppe IV (Tätigkeiten, die Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder durch eine um entsprechende Berufserfahrung ergänzte Zweckausbildung oder längere Einarbeitung erworben werden) erreicht. Dabei hat sie mehrere Jahre Arbeiten in der Registratur, Expedition und Telefonzentrale verrichtet, die ihr nach wie vor zuzumuten sind und die nach dem maßgebenden, ab 01.01.1985 geltenden Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe ausdrücklich als Beispiele für Tätigkeiten der Tarifgruppe III genannt sind. Einfache Ausübungsformen sind demgegenüber in der Tarifgruppe II des vorgenannten Manteltarifvertrages aufgeführt (Tätigkeiten, die Kenntnisse oder Fertigkeiten erfordern, wie sie in der Regel durch eine kurze Einarbeitung erworben werden).

Rentenrechtlich relevante Hinderungsgründe zur Aufnahme solcher Büroarbeiten sieht der Senat nicht. Insbesondere ist die Klägerin auch nicht durch die seit 1994 bestehende arbeitslosigkeitsbedingte Distanz zur beruflichen Praxis an der Aufnahme einer Bürotätigkeit auf Anlernebene gehindert. Insbesondere bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin - ggfs. nach einer kurzen Einarbeitung - die mit dem Einzug der elektronischen Datenverarbeitung in den Bürobereich verbundenen veränderten Anforderungen erfüllen kann. Denn sie hat nach ihren Angaben noch vom 06.02. bis 31.07.1995 ein Fortbildungsseminar absolviert mit einem Praktikum in einem Bankinstitut; weiter berühmt sie sich in ihrem für Bewerbungszwecke formulierten Lebenslauf besonderer Fähigkeiten bezüglich PC-Kenntnisse und Textverarbeitung im Winword-Programm (Gerichtsakte Blatt 16, 172) und hat in der Zeit von 1984 bis 1991 Erfahrungen in einem fachlich anspruchsvollen Bereich durch ihren Einsatz als Datentypistin in der Buchhaltung einer Bank erworben.

Der Senat hat sich nicht gedrängt gesehen, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag auf Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zu folgen. Die mit dem Beweisantrag aufgeworfene Frage, ob eine Datentypistin in der Buchhaltung einer Bank zumutbar auf die Tätigkeiten einer Bürohilfskraft verwiesen werden kann, ist für die Entscheidung unerheblich bzw. als geklärt anzusehen. Nach dem Mehrstufenschema kann ein Versicherter mit einem (unterstellten) Berufsschutz eines Angestellten mit einer über zwei Jahre hinausgehenden Ausbildung bzw. gleichgestellten Tätigkeit nicht auf einfache ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 126, 107). Diese Verweisungsgrenze hat der Senat auch beachtet, indem eine Verweisung auf Bürotätigkeiten vorgenommen worden ist, die tariflich auf der Stufe der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren oder hiermit gleichgestellt eingestuft sind. Soweit mit dem Beweisantrag in Frage gestellt worden ist, ob die mit den Auskünften des Landesarbeitsamtes beschriebenen Arbeitsvorgänge Tätigkeiten nach Anweisungen im kaufmännischen, verwaltungsbezogenen und technischen Bereich in Behörden und Betrieben (z.B. Sortieren, Ablage, Beschriftung, schematische Rechenarbeitung, Erstellen von Tabellen und Listen, Karteiführung, Bedienung von einfachen Büromaschinen/-kommunikationsmittel, Ausfüllen von Formularen, Erledigung von Hilfs- und Zuarbeiten für Fachkräfte) auch auf Anlernebene vorkommen und tariflich erfasst werden, ist dies am Beispiel des eigenen beruflichen Werdeganges der Klägerin und durch die im Manteltarifvertrag für das private Bankgewerbe vorgenommenen Einstufungen bereits oben für den hier maßgebenden Wirtschaftsbereich bejaht worden.

Die tarifliche Einstufung der angeführten Büro-Arbeitsvorgänge in die Gruppe der ungelernten, soweit es um überwiegend einfache und schematische Tätigkeiten geht, und in die Gruppe der Angelernten, soweit diese mit fachlich qualifizierteren Anforderungen verbunden sind, entspricht im Übrigen einer weit verbreiteten Bewertung in der Arbeitswelt (vgl. z.B. BAT-Vergütungsgruppen VIII, IX und X mit den Anlagen 1, 1 a; Gehaltsgruppen I und II des Gehaltsrahmenabkommens für den Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen in der ab 01.05.1980 geltenden Fassung). Nach dem letztgenannten Großhandels-Tarifvertrag sind die Tätigkeiten Führen von einfachen Karteien und Listen, Schreiben von Adres- sen und Ausfüllen von Formularen nach Vorlage, einfache Schreib- oder Rechenarbeiten nach vorbereiteten Unterlagen, Ordnen und Ablage von Schriftwechsel und sonstigen Unterlagen nach alphabetischen oder nummerischen Ordnungsmerkmalen, An- fertigen von Vervielfältigungen in die Gehaltsgruppe I (Ausführen von überwiegend schematischen oder mechanischen Tätigkeiten, für die keine Berufsausbildung erforderlich ist) eingestuft. Demgegenüber sind die Tätigkeiten Ausrechnen von schematischen Kalkulationen, Führen von Ein- und Verkaufsstatistiken, Bedienen einer Fernsprechanlage mit mehr als zwei Amtsanschlüssen, Vorkontieren von Belegen in Teilbe- reichen, Prüfen von Eingangsrechnungen auf rechnerische Richtigkeit, sachkundiges Ordnen und Ablegen von Schriftgut nach Sachgebieten, Schreib- und Rechenarbeiten nach vorbereiteten Unterlagen in die Gehaltsgruppe II (Ausführen von Tätigkeiten nach eingehenden Anweisungen, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie unter anderem durch eine zweijährige einschlägige Ausbildung vermittelt werden. Diese Kenntnisse und Fertigkeiten können auch durch entsprechende praktische Tätigkeit von mindestens zweieinhalb Jahren erworben werden) eingestuft.

Die einfacheren und qualifizierteren Tätigkeiten unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich ihrer fachlichen Voraussetzungen, aber, da der äußere Arbeitsablauf erkennbar weitgehend übereinstimmt, nicht hinsichtlich der körperlichen Anforderungen. Da die Klägerin über eine entsprechende fachliche Vorqualifikation und Erfahrung verfügt, ist sie daher nicht nur zur Verrichtung einfacher, sondern auch der genannten auf Anlernebene bewerteten Bürotätigkeiten in der Lage.

Sind Tätigkeiten - wie hier - in einschlägigen Tarifverträgen konkret genannt, kann angenommen werden, dass Arbeitsplätze in nennenswertem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt existieren (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 82, 86). Ob die Klägerin angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktlage eine behinderungsgerechte und zumutbare Dauerbeschäftigung finden oder vermittelt werden kann, ist für die Entscheidung über den Rentenanspruch unerheblich. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erlangen, fällt innerhalb des gegliederten Systems der deutschen Sozialversicherung nicht in die Leistungszuständigkeit des Rentenversicherungsträgers, sondern - wie es auch dem tatsächlichen Arbeitslosenhilfebezug der Klägerin entspricht - in die der Arbeitslosenversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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