Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 (2) KA 312/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 26/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.2001 wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das den Klägern im Quartal II/1997 zu gewährende Honorar.
Der ab 01.01.1997 geltende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten sah eine Honorarverteilung auf der Grundlage fachgruppenspezifischer Honorartöpfe vor, wobei für Laborärzte nach § 6 Abs. 4a HVM ein Anteil von 2,75 % festgelegt wurde (Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 30.11.1996 und 19.03.1997, Rhein. Ärzteblatt 1/97, S. 89 ff.; 5/97, S. 60. ff.). Aufgrund dessen entwickelten sich der fiktive Punktwert "rot" für alle Arztgruppen und die Punktwerte für Laborärzte in den Quartalen III/1996 bis IV/1997 gemäß der nachstehenden Tabelle.
Quartal Ersatzkassen Primärkassen Ersatzkassen Primärkassen III/96 7,5402 6,4866 7,5402 6,4866 IV/96 8,3026 6,8493 8,3026 6,8493 I/97 7,3011 6,5170 6,1900 5,8507 II/97 7,3466 6,0526 5,7906 5,1057 III/97 6,7317 5,9828 5,3410 5,0866 IV/97 7,0978 6,1861 5,6735 5,2828
Die Kläger sind als Laborärzte in K ... zur vertragsärztlichen Versorgung in Gemeinschaftspraxis zugelassen. Im Streitquartal erhielten sie bei einem Gesamtleistungsbedarf von 23.379.335 Punkten, davon 22.823.780 Punkte aus Leistungen des Abschnitts O III Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) bei 19.315 Fällen ein Honorar für die Behandlung von Versicherten der Primär- und Ersatzkassen von 1.477.052 DM (Bescheid vom 22.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998).
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) haben die Kläger vorgetragen: Der Punktwert für Leistungen des Abschn. O III EBM-Ä sei seit dem Quartal I/1996 erheblich abgefallen, im Streitquartal um 30 % gegenüber dem Quartal IV/1996. Die Punktwertfestsetzung verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und das Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen. Seit der Bildung der Fachgruppentöpfe hätten sich erhebliche Verschiebungen im Leistungsspektrum der einzelnen Fachgruppen gegeben. Hierdurch sei der Leistungsbedarf im Honorartopf der Laborärzte erheblich ausgeweitet worden. Da sie praktisch ausschließlich auf Überweisung tätig würden, könnten sie die eingetretenen Honorarverluste auch nicht durch Ausweitung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auffangen.
Die Kläger haben beantragt,
den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid der Bezirksstelle K ... der Beklagten vom 22.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Vorstands der Beklagten vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger hinsichtlich der Honorarfestsetzung für das Quartal II/1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die streitige Regelung in § 6 Abs. 4a ihres HVM sei unter Berücksichtigung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden. Sie sei auch bezüglich des Streitquartals nicht verpflichtet gewesen, eine Korrektur der Fachgruppentöpfe vorzunehmen; die Abweichung der Punktwerte habe unter der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Grenze von 15 % gelegen. Das Absinken des Punktwertes im Laborbereich sei auch auf eine Steigerung der Leistungsmenge zurückzuführen; der Honorarumsatz pro Laborarzt sei trotz des sinkenden Punktwertes in den Quartalen I bis III/1997 um rund 18.000,00 DM gesteigert worden.
Mit Urteil vom 20.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Bildung von Honorartöpfen sei auch für solche Arztgruppen zulässig, die Leistungen nur auf Überweisung erbringen könnten. Die Beklagte habe ihre Beobachtungs- und Reaktions- pflicht im Streitquartal nicht verletzt. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) Korrekturanlass gesehen habe, wenn der Punktwert der aus dem jeweiligen Honorartopf vergüteten Leistungen um mindestens 15 % niedriger sei als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen, sei dies zwar auf Punktwertdifferenzen bei der Honorartopfbildung zu übertragen. Die Grenze von 15 % sei jedoch erstmals im Quartal II/1997 und hier auch nur im Ersatzkassenbereich überschritten worden.
Mit der Berufung tragen die Kläger vor: In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG bestehe eine Korrekturverpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen für Regelungen im Rahmen ihres HVM, wenn entweder ein erheblicher und dauerhafter Punktwerteverfall von mindestens 15 v.H. eintrete oder aber die betreffende Regelung den mit ihr verfolgten Zweck verfehle. Insoweit sei zum einen entgegen der Annahme des SG bereits im Quartal I/1997 die Marge von 15 % überschritten worden. Hinsichtlich des Punktwerteverfalls müssten dabei auch die Punktwerte des Jahres 1996 mit herangezogen werden. Zum anderen sei der Regelungszweck als von Anfang an verfehlt anzusehen. Er bestehe bei der Bildung arztgruppenbezogener Honorartöpfe nämlich darin, den von den jeweiligen Leistungserbringern verursachten Punktwerteverfall in der betreffenden Arztgruppe zu belassen. Dieser Zweck lasse sich bei den Laborärzten nicht erreichen, weil diese ihre Leistungsmengen nicht steuern könnten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.2000 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Der Bescheid vom 22.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998 ist rechtmäßig und beschwert die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung im Streitquartal, da die von der Beklagten in ihrem HVM vorgenommene Honorarverteilung durch Bildung eines entsprechenden Honorartopfes für Laborärzte rechtmäßig ist und insbesondere mit höherrangigem Recht in Einklang steht.
Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, zu messen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - vgl. BSGE 81, 213, 217 f. m. w. N.). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zu Grunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann, wie das BSG wiederholt entschieden hat, nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, d. h. mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden. Das Gesetz schließt eine Aufteilung der Gesamtvergütung in Teilbudgets mit der Folge, dass die vertragsärztlichen Leistungen nicht entsprechend dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenent- wicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet werden, nicht grundsätzlich aus. Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften darf eine Kassenärztliche Vereinigung die Verteilung allerdings nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden, wonach die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Der normsetzenden Körperschaft bleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (grundlegend BSGE 73, 131, 135 f.). § 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V in der Fassung des GSG vom 21. Dezember 1992 gestattet ausdrücklich eine "nach Arztgruppen unterschiedliche" Honorarverteilung. Dementsprechend ist es grundsätzlich zulässig, im HVM gesonderte Honorartöpfe für die verschiedenen Fachgruppen zu bilden, um Vorsorge dagegen zu treffen, dass durch eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Fachgruppen das Honorargefüge ungerechtfertigt zu Gunsten einzelner und zum Nachteil anderer Arztgruppen verändert wird. Es ist sachgerecht und vom Gestaltungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Honorarverteilung gedeckt, die auf die einzelnen Fachgruppen entfallenden Honorarkontingente auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres festzuschreiben und damit prinzipiell zu verhindern, dass Leistungsausweitungen einer Fachgruppe Einfluss auf die Honorierung ärztlicher Leistungen in anderen Fachgruppen haben (BSG, Urteil vom 03.03.1999 - B 6 KA 56/97 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, der sich der Senat anschließt, ist die von der Beklagten vorgenommene Bildung von Honorartöpfen, insbesondere des Honorartopfes für Laborärzte, grundsätzlich zulässig. Der Honorartopf für Laborärzte ist auch hinsichtlich seines Anteiles an der Gesamtvergütung unter Berücksichtigung des der Beklagten zustehenden Gestaltungsspielraumes nicht zu beanstanden, da die Beklagte - wie sich aus den vom SG beigezogenen Unterlagen ergibt - bei der Bildung dieses Honorartopfes auf die Vergütung für punktzahlbewertete ambulante Leistungen in den sogenannten Referenzquartalen I und II/1996 abgestellt hat. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Honorartöpfe im Quartal I/1997 erstmals gebildet worden sind und insoweit eine nicht willkürliche Fehlbildung der Honorartöpfe grundsätzlich hinzunehmen ist, soweit die normsetzende Körperschaft ihrer Beobachtungs- und Anpassungspflicht nachkommt.
Die auf der Grundlage der Honorartopfbildung vorgenommene Honorarverteilung verstößt auch nicht insoweit gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, als für die fast ausschließlich auf Überweisung tätige Arztgruppe der Laborärzte ein entsprechender Honorartopf gebildet worden ist. Dazu hat das BSG ausgeführt, die unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilung relevanten Unterschiede zwischen der Tätigkeit solcher - überwiegend auf Überweisung tätigen - Ärzte und derjenigen anderer Vertragsärzte sind nicht von solchem Gewicht, dass sie eine völlige Freistellung der ausschließlich auf Überweisung tätigen Ärzte von mengensteuernden Regelungen im HVM gebieten (für die Fachgruppe der Laborärzte - BSG SozR 3-2500, § 85 Nr. 24).
Die streitige Regelung im HVM der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil - wie die Kläger meinen - diese Regelung bereits deshalb ihren Zweck verfehlt, weil bei der Arztgruppe der Laborärzte eine selbst zu verantwortende Leistungsausweitung so gut wie ausgeschlossen ist. Einerseits hat das BSG in seinen Entscheidungen vom 28.01.1998 - B 6 KA 96/96 R = SozR 3-2500, § 85 Nr. 24 und vom 31.01.2001 - B 6 KA 13/00 R = SozR 3-2500 § 85 Nr. 38 - mit ausführlicher Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, dargelegt, dass die Annahme einer nicht selbst zu verantwortenden Leistungsausweitung nicht zutreffend ist. Im Übrigen ergibt sich aus der von den Klägern mit der Berufungsbegründung vorgelegten Übersicht, dass ein Vergleich der Quartale III/1996 und III/1997 ergibt, dass bei annähernd gleicher Zahl der Abrechnungsfälle (- 0,4 %) und gleichzeitiger Reduzierung der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Laborärzte (- 3,6 %) der Leistungsbedarf je Arzt um 11,8 % zugenommen hat. Diese statistischen Werte stützten die in den oben genannten Entscheidungen vertretene Auffassung, die der erkennende Senat ebenfalls teilt, dass auch bei Arztgruppen, die überwiegend auf Überweisung tätig sind, eine selbst zu verantwortende Mengenausweitung mit der Folge des Absinkens des Punktwertes nicht ausgeschlossen ist.
Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich auch eine Verletzung der Beobachtungs- und Anpassungspflicht der Beklagten unter dem Aspekt des Punktwerteverfalls nicht feststellen. Die Bildung von Honorartöpfen löst allerdings eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen dahin aus, dass sie Verteilungsregelungen, mit denen sie in Verfolgung bestimmter Ziele vom Grundsatz der gleichmäßigen Honorarverteilung abweichen, regelmäßig zu überprüfen haben. Sie haben sie zu ändern bzw. weiterzuentwickeln, wenn sich herausstellt, dass die vorgenommene Honorartopfbildung dazu führt, dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfällt als bei dem größten Teil der sonstigen Leistungen und als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern selbst verursachten Mengenausweitungen erkennbar sind (BSGE 77, 288, 293; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 24). Eine solche Korrekturverpflichtung setzt weiter voraus, dass es sich um eine dauerhafte, also nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt. Außerdem muss ein vom Umsatz her wesentlicher Leistungsbereich einer Arztgruppe betroffen sein. Der Punktwertabfall muss erheblich sein, nicht jede Punktwertdifferenz zwischen verschiedenen Honorartöpfen gibt Anlass zur Korrektur der Honorar- verteilung. Werden Honorartöpfe für Leistungen gebildet, die Ärzte nur auf Überweisung hin erbringen können und bei denen ihnen eine Mitverantwortung für eine Mengenausweitung und damit ein Punktwertabfall nicht zugerechnet werden kann, so sieht das BSG im Regelfall Anlass zur Korrektur der Honorarverteilung, wenn der Punktwert der aus dem Honorartopf vergüteten Leistungen um 15 % oder mehr niedriger ist als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind dann zur Korrektur verpflichtet, wenn ein solcher 15%iger Punktwertverfall mindestens seit zwei Quartalen besteht (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 26).
Selbst wenn man zu Gunsten der Kläger - entgegen den Feststellungen des Senates - unterstellt, dass die Mengenausweitungen nicht von den Leistungserbringern selbst verursacht worden sind, ergibt sich keine Korrekturverpflichtung der Beklagten in den streitigen Quartalen. Denn der fiktive Mischpunktwert (PK/EK) hat die im oben genannten Urteil des BSG festgelegte Differenzmarge von 15 % in den Quartalen I/1997 und II/1997 nicht erreicht. Zwar hat die Differenz im Quartal I/1997 für den Ersatzkassenbereich die Marge von 15 % überschritten (16,2 %), jedoch ergibt sich aus einer solchen auf einen Kassenbereich begrenzten Überschreitung keine Korrekturverpflichtung, da bei der Bewertung des Punktwerteverfalles auf das gesamte Spektrum der im vertragsärztlichen Bereich erbrachten Leistungen abzustellen ist. Insoweit ist allein auf den sogenannten Mischpunktwert (PK/EK) abzustellen, da dieser letztlich das vertragsärztliche Honorar prägt. Im Übrigen war auch die Dauerhaftigkeit des Punktwerteverfalls insoweit nicht zu erkennen, da sich eine Entwicklung über einen Zeitraum von zwei Quartalen nicht gezeigt hatte.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das den Klägern im Quartal II/1997 zu gewährende Honorar.
Der ab 01.01.1997 geltende Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten sah eine Honorarverteilung auf der Grundlage fachgruppenspezifischer Honorartöpfe vor, wobei für Laborärzte nach § 6 Abs. 4a HVM ein Anteil von 2,75 % festgelegt wurde (Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 30.11.1996 und 19.03.1997, Rhein. Ärzteblatt 1/97, S. 89 ff.; 5/97, S. 60. ff.). Aufgrund dessen entwickelten sich der fiktive Punktwert "rot" für alle Arztgruppen und die Punktwerte für Laborärzte in den Quartalen III/1996 bis IV/1997 gemäß der nachstehenden Tabelle.
Quartal Ersatzkassen Primärkassen Ersatzkassen Primärkassen III/96 7,5402 6,4866 7,5402 6,4866 IV/96 8,3026 6,8493 8,3026 6,8493 I/97 7,3011 6,5170 6,1900 5,8507 II/97 7,3466 6,0526 5,7906 5,1057 III/97 6,7317 5,9828 5,3410 5,0866 IV/97 7,0978 6,1861 5,6735 5,2828
Die Kläger sind als Laborärzte in K ... zur vertragsärztlichen Versorgung in Gemeinschaftspraxis zugelassen. Im Streitquartal erhielten sie bei einem Gesamtleistungsbedarf von 23.379.335 Punkten, davon 22.823.780 Punkte aus Leistungen des Abschnitts O III Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) bei 19.315 Fällen ein Honorar für die Behandlung von Versicherten der Primär- und Ersatzkassen von 1.477.052 DM (Bescheid vom 22.10.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998).
Mit ihrer Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) haben die Kläger vorgetragen: Der Punktwert für Leistungen des Abschn. O III EBM-Ä sei seit dem Quartal I/1996 erheblich abgefallen, im Streitquartal um 30 % gegenüber dem Quartal IV/1996. Die Punktwertfestsetzung verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und das Gebot der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen. Seit der Bildung der Fachgruppentöpfe hätten sich erhebliche Verschiebungen im Leistungsspektrum der einzelnen Fachgruppen gegeben. Hierdurch sei der Leistungsbedarf im Honorartopf der Laborärzte erheblich ausgeweitet worden. Da sie praktisch ausschließlich auf Überweisung tätig würden, könnten sie die eingetretenen Honorarverluste auch nicht durch Ausweitung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit auffangen.
Die Kläger haben beantragt,
den Quartalskonto/Abrechnungsbescheid der Bezirksstelle K ... der Beklagten vom 22.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Vorstands der Beklagten vom 24.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kläger hinsichtlich der Honorarfestsetzung für das Quartal II/1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ausgeführt, die streitige Regelung in § 6 Abs. 4a ihres HVM sei unter Berücksichtigung des ihr zustehenden weiten Gestaltungsspielraums nicht zu beanstanden. Sie sei auch bezüglich des Streitquartals nicht verpflichtet gewesen, eine Korrektur der Fachgruppentöpfe vorzunehmen; die Abweichung der Punktwerte habe unter der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) aufgestellten Grenze von 15 % gelegen. Das Absinken des Punktwertes im Laborbereich sei auch auf eine Steigerung der Leistungsmenge zurückzuführen; der Honorarumsatz pro Laborarzt sei trotz des sinkenden Punktwertes in den Quartalen I bis III/1997 um rund 18.000,00 DM gesteigert worden.
Mit Urteil vom 20.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Bildung von Honorartöpfen sei auch für solche Arztgruppen zulässig, die Leistungen nur auf Überweisung erbringen könnten. Die Beklagte habe ihre Beobachtungs- und Reaktions- pflicht im Streitquartal nicht verletzt. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) Korrekturanlass gesehen habe, wenn der Punktwert der aus dem jeweiligen Honorartopf vergüteten Leistungen um mindestens 15 % niedriger sei als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen, sei dies zwar auf Punktwertdifferenzen bei der Honorartopfbildung zu übertragen. Die Grenze von 15 % sei jedoch erstmals im Quartal II/1997 und hier auch nur im Ersatzkassenbereich überschritten worden.
Mit der Berufung tragen die Kläger vor: In Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG bestehe eine Korrekturverpflichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen für Regelungen im Rahmen ihres HVM, wenn entweder ein erheblicher und dauerhafter Punktwerteverfall von mindestens 15 v.H. eintrete oder aber die betreffende Regelung den mit ihr verfolgten Zweck verfehle. Insoweit sei zum einen entgegen der Annahme des SG bereits im Quartal I/1997 die Marge von 15 % überschritten worden. Hinsichtlich des Punktwerteverfalls müssten dabei auch die Punktwerte des Jahres 1996 mit herangezogen werden. Zum anderen sei der Regelungszweck als von Anfang an verfehlt anzusehen. Er bestehe bei der Bildung arztgruppenbezogener Honorartöpfe nämlich darin, den von den jeweiligen Leistungserbringern verursachten Punktwerteverfall in der betreffenden Arztgruppe zu belassen. Dieser Zweck lasse sich bei den Laborärzten nicht erreichen, weil diese ihre Leistungsmengen nicht steuern könnten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.12.2000 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Der Bescheid vom 22.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998 ist rechtmäßig und beschwert die Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine höhere Vergütung im Streitquartal, da die von der Beklagten in ihrem HVM vorgenommene Honorarverteilung durch Bildung eines entsprechenden Honorartopfes für Laborärzte rechtmäßig ist und insbesondere mit höherrangigem Recht in Einklang steht.
Honorarverteilungsregelungen einer Kassenärztlichen Vereinigung sind an den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, der sich aus Art. 12 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, zu messen (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - vgl. BSGE 81, 213, 217 f. m. w. N.). Zentrale Bedeutung kommt dabei der Bestimmung des § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V zu, nach der bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistung des Kassenarztes zu Grunde zu legen sind. Dieser Vorschrift kann, wie das BSG wiederholt entschieden hat, nicht die Forderung entnommen werden, die Leistungen müssten nach ihrer Art und ihrem Umfang stets gleichmäßig, d. h. mit einem für alle Leistungen einheitlichen Punktwert, honoriert werden. Das Gesetz schließt eine Aufteilung der Gesamtvergütung in Teilbudgets mit der Folge, dass die vertragsärztlichen Leistungen nicht entsprechend dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) im selben Verhältnis, sondern, abhängig von der Mengenent- wicklung im jeweiligen Leistungsbereich, unterschiedlich hoch vergütet werden, nicht grundsätzlich aus. Im Hinblick auf die berufsregelnde Tendenz von Honorarverteilungsvorschriften darf eine Kassenärztliche Vereinigung die Verteilung allerdings nicht frei nach ihrem Ermessen gestalten; sie ist vielmehr an den Grundsatz der leistungsproportionalen Verteilung gebunden, wonach die ärztlichen Leistungen prinzipiell gleichmäßig zu vergüten sind. Der normsetzenden Körperschaft bleibt jedoch ein Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen von diesem Grundsatz, der es ihr ermöglicht, ihrem Sicherstellungsauftrag und ihren sonstigen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden (grundlegend BSGE 73, 131, 135 f.). § 85 Abs. 4 Satz 5 SGB V in der Fassung des GSG vom 21. Dezember 1992 gestattet ausdrücklich eine "nach Arztgruppen unterschiedliche" Honorarverteilung. Dementsprechend ist es grundsätzlich zulässig, im HVM gesonderte Honorartöpfe für die verschiedenen Fachgruppen zu bilden, um Vorsorge dagegen zu treffen, dass durch eine unterschiedliche Mengendynamik in den verschiedenen Fachgruppen das Honorargefüge ungerechtfertigt zu Gunsten einzelner und zum Nachteil anderer Arztgruppen verändert wird. Es ist sachgerecht und vom Gestaltungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Honorarverteilung gedeckt, die auf die einzelnen Fachgruppen entfallenden Honorarkontingente auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres festzuschreiben und damit prinzipiell zu verhindern, dass Leistungsausweitungen einer Fachgruppe Einfluss auf die Honorierung ärztlicher Leistungen in anderen Fachgruppen haben (BSG, Urteil vom 03.03.1999 - B 6 KA 56/97 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, der sich der Senat anschließt, ist die von der Beklagten vorgenommene Bildung von Honorartöpfen, insbesondere des Honorartopfes für Laborärzte, grundsätzlich zulässig. Der Honorartopf für Laborärzte ist auch hinsichtlich seines Anteiles an der Gesamtvergütung unter Berücksichtigung des der Beklagten zustehenden Gestaltungsspielraumes nicht zu beanstanden, da die Beklagte - wie sich aus den vom SG beigezogenen Unterlagen ergibt - bei der Bildung dieses Honorartopfes auf die Vergütung für punktzahlbewertete ambulante Leistungen in den sogenannten Referenzquartalen I und II/1996 abgestellt hat. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass Honorartöpfe im Quartal I/1997 erstmals gebildet worden sind und insoweit eine nicht willkürliche Fehlbildung der Honorartöpfe grundsätzlich hinzunehmen ist, soweit die normsetzende Körperschaft ihrer Beobachtungs- und Anpassungspflicht nachkommt.
Die auf der Grundlage der Honorartopfbildung vorgenommene Honorarverteilung verstößt auch nicht insoweit gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, als für die fast ausschließlich auf Überweisung tätige Arztgruppe der Laborärzte ein entsprechender Honorartopf gebildet worden ist. Dazu hat das BSG ausgeführt, die unter dem Gesichtspunkt der Honorarverteilung relevanten Unterschiede zwischen der Tätigkeit solcher - überwiegend auf Überweisung tätigen - Ärzte und derjenigen anderer Vertragsärzte sind nicht von solchem Gewicht, dass sie eine völlige Freistellung der ausschließlich auf Überweisung tätigen Ärzte von mengensteuernden Regelungen im HVM gebieten (für die Fachgruppe der Laborärzte - BSG SozR 3-2500, § 85 Nr. 24).
Die streitige Regelung im HVM der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil - wie die Kläger meinen - diese Regelung bereits deshalb ihren Zweck verfehlt, weil bei der Arztgruppe der Laborärzte eine selbst zu verantwortende Leistungsausweitung so gut wie ausgeschlossen ist. Einerseits hat das BSG in seinen Entscheidungen vom 28.01.1998 - B 6 KA 96/96 R = SozR 3-2500, § 85 Nr. 24 und vom 31.01.2001 - B 6 KA 13/00 R = SozR 3-2500 § 85 Nr. 38 - mit ausführlicher Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, dargelegt, dass die Annahme einer nicht selbst zu verantwortenden Leistungsausweitung nicht zutreffend ist. Im Übrigen ergibt sich aus der von den Klägern mit der Berufungsbegründung vorgelegten Übersicht, dass ein Vergleich der Quartale III/1996 und III/1997 ergibt, dass bei annähernd gleicher Zahl der Abrechnungsfälle (- 0,4 %) und gleichzeitiger Reduzierung der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Laborärzte (- 3,6 %) der Leistungsbedarf je Arzt um 11,8 % zugenommen hat. Diese statistischen Werte stützten die in den oben genannten Entscheidungen vertretene Auffassung, die der erkennende Senat ebenfalls teilt, dass auch bei Arztgruppen, die überwiegend auf Überweisung tätig sind, eine selbst zu verantwortende Mengenausweitung mit der Folge des Absinkens des Punktwertes nicht ausgeschlossen ist.
Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich auch eine Verletzung der Beobachtungs- und Anpassungspflicht der Beklagten unter dem Aspekt des Punktwerteverfalls nicht feststellen. Die Bildung von Honorartöpfen löst allerdings eine Beobachtungs- und Reaktionspflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen dahin aus, dass sie Verteilungsregelungen, mit denen sie in Verfolgung bestimmter Ziele vom Grundsatz der gleichmäßigen Honorarverteilung abweichen, regelmäßig zu überprüfen haben. Sie haben sie zu ändern bzw. weiterzuentwickeln, wenn sich herausstellt, dass die vorgenommene Honorartopfbildung dazu führt, dass der Punktwert in einzelnen Bereichen deutlich stärker abfällt als bei dem größten Teil der sonstigen Leistungen und als Grund dafür keine von den jeweiligen Leistungserbringern selbst verursachten Mengenausweitungen erkennbar sind (BSGE 77, 288, 293; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 24). Eine solche Korrekturverpflichtung setzt weiter voraus, dass es sich um eine dauerhafte, also nicht nur um eine vorübergehende Entwicklung handelt. Außerdem muss ein vom Umsatz her wesentlicher Leistungsbereich einer Arztgruppe betroffen sein. Der Punktwertabfall muss erheblich sein, nicht jede Punktwertdifferenz zwischen verschiedenen Honorartöpfen gibt Anlass zur Korrektur der Honorar- verteilung. Werden Honorartöpfe für Leistungen gebildet, die Ärzte nur auf Überweisung hin erbringen können und bei denen ihnen eine Mitverantwortung für eine Mengenausweitung und damit ein Punktwertabfall nicht zugerechnet werden kann, so sieht das BSG im Regelfall Anlass zur Korrektur der Honorarverteilung, wenn der Punktwert der aus dem Honorartopf vergüteten Leistungen um 15 % oder mehr niedriger ist als der Punktwert für den größten Teil der sonstigen Leistungen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind dann zur Korrektur verpflichtet, wenn ein solcher 15%iger Punktwertverfall mindestens seit zwei Quartalen besteht (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 26).
Selbst wenn man zu Gunsten der Kläger - entgegen den Feststellungen des Senates - unterstellt, dass die Mengenausweitungen nicht von den Leistungserbringern selbst verursacht worden sind, ergibt sich keine Korrekturverpflichtung der Beklagten in den streitigen Quartalen. Denn der fiktive Mischpunktwert (PK/EK) hat die im oben genannten Urteil des BSG festgelegte Differenzmarge von 15 % in den Quartalen I/1997 und II/1997 nicht erreicht. Zwar hat die Differenz im Quartal I/1997 für den Ersatzkassenbereich die Marge von 15 % überschritten (16,2 %), jedoch ergibt sich aus einer solchen auf einen Kassenbereich begrenzten Überschreitung keine Korrekturverpflichtung, da bei der Bewertung des Punktwerteverfalles auf das gesamte Spektrum der im vertragsärztlichen Bereich erbrachten Leistungen abzustellen ist. Insoweit ist allein auf den sogenannten Mischpunktwert (PK/EK) abzustellen, da dieser letztlich das vertragsärztliche Honorar prägt. Im Übrigen war auch die Dauerhaftigkeit des Punktwerteverfalls insoweit nicht zu erkennen, da sich eine Entwicklung über einen Zeitraum von zwei Quartalen nicht gezeigt hatte.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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