L 6 SB 133/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SB 328/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 SB 133/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.08.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem 1954 geborenen Kläger war zuletzt wegen der Behinderung "Herzerkrankung" ein GdB von 30 festgestellt worden (Bescheid vom 16.05.1980).

Unter Hinweis auf den Einsatz einer künstlichen Aortenklappe im Februar 1998 und die Folgen einer Verletzung (Hundebiss) des rechten Zeigefingers im Jahre 1997 stellte der Kläger im April 2000 einen Änderungsantrag und machte die Feststellung eines GdB von mindestens 50 geltend.

Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen und deren Auswertung lehnte es der Beklagte ab, einen höheren GdB als 30 festzustellen. Zur Begründung führte er aus, die Funktionsbeeinträchtigung "Aortenklappenersatz" sei mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Die "Funktionseinschränkung des rechten Zeigefingers" sei keine Behinderung, weil sie keinen GdB von wenigstens 10 verursache (Bescheid vom 24.07.2000 und Widerspruchsbescheid vom 11.09.2000).

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger weiterhin begehrt, einen GdB von mindestens 50 festzustellen. Er hat die Auffassung vertreten, der festgestellte GdB von 30 werde dem Ausmaß seiner Behinderungen nicht gerecht. Die im Februar 1998 eingesetzte Prothese gäbe leise metallische Geräusche von sich, die sich störend bemerkbar machten, wenn es ansonsten sehr ruhig sei. Auch müsse er täglich das Medikament Marcumar einnehmen. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung. Hinzu komme, dass sein rechter Zeigefinger seit 1997 verletzungsbedingt nur eingeschränkt benutzbar sei.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.07.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2000 zu verurteilen, einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Beiziehung eines Befundberichtes von Dr. C, Chefarzt der Inneren Abteilung der St. M Klinik T, vom 14.12.2000 hat das Sozialgericht weiter Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistischen Gutachtens des Prof. Dr. Q, Chefarzt der Medizinischen Klinik des Krankhauses N L, vom 18.03.2001. Hierin hat der Sachverständige einen GdB von insgesamt 30 für angemessen und ausreichend erachtet.

Mit Urteil vom 24.08.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dabei hat es sich auf die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. Q gestützt und ausgeführt, dass diese Beurteilung den Bewertungskriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996 (AP) entspreche.

Gegen dieses ihm am 05.09.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.10.2001 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger meint weiterhin, dass die konkreten Einschränkungen seiner Lebensqualität mit einem GdB von nur 30 nicht hinreichend bewertet seien. Richtigerweise sei für den künstlichen Klappenersatz mit seinen erheblichen Auswirkungen auf das tägliche Leben ein GdB von 50 anzusetzen. Der in den AP vorgesehene Wert von 30, der in keiner Weise zwischen einem künstlichen Klappenersatz und einer Klappe aus einem Schweineherzen differenziere, stelle lediglich einen Mindestwert, nicht aber eine Obergrenze dar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24.08.2001 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2000 zu verurteilen, einen GdB von 50 festzustellen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält seine Entscheidungen und das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Sachdarstellung und bezüglich des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Senat verweist auf die Gründe des mit der Berufung angefochtenen Urteils des Sozialgerichts und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Zu einer anderen Beurteilung vermag der Senat auch nicht aufgrund des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren zu gelangen. Die angeführten Gesichtspunkte sind nicht geeignet, die auch den Senat überzeugende Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. Q in Frage zu stellen. Angesichts der feststellbaren Befunde entspricht der vom Sachverständigen vorgeschlagene GdB von 30 den maßgeblichen Bewertungskriterien der AP, die nach ständiger Rechtsprechung normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzlichen Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. u.a. BSG vom 09.04.1997 - 9 RVS 4/95 - in SozR 3-3870 § 4 Nr. 19 m.w.N.).

Der GdB für das System Herz und Kreislauf richtet sich nach Ziffer 26.9 S. 86 f. AP grundsätzlich nach dem Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung. Die reine Leistungsbeeinträchtigung ist hier angesichts der möglichen Belastung bis 150 Watt ohne pathologische Messdaten eher geringgradig.

Der festgestellte GdB von 30 trägt dem Umstand, dass dem Kläger eine Herzklappenprothese eingesetzt worden ist, hinreichend Rechnung. Soweit die AP für Herzklappenprothesen einen GdB von nicht niedriger als 30 vorsehen (AP S. 88), bedeutet "nicht niedriger", dass auch bei - wie hier - fehlender oder geringgradiger Leistungsbeeinträchtigung ein GdB von 30 anzusetzen ist. Dieser Wert beinhaltet ausdrücklich eine Dauerbehandlung mit Antikoagulantien. Die vom Kläger angeführten Unterschiede zwischen einem künstlichen Klappenersatz und einer Klappe aus einem Schweineherzen - selbst wenn man deren Richtigkeit unterstellt -, rechtfertigen es jedenfalls nicht, für die beim Kläger einsetzte Herzklappenprothese entgegen den Bewertungsmaßstäben der AP einen höheren GdB als 30 in Ansatz zu bringen.

Dies gilt auch für die vom Kläger angeführte und als störend empfundene Geräuschentwicklung der Prothese. Das Ausmaß der Geräusche, die sich nach den Angaben des Klägers in ruhiger Umgebung, zum Beispiel vor dem Einschlafen, bemerkbar machen, ist jedenfalls nicht so ausgeprägt, als dass es auf den Gesamt-GdB Einfluss haben könnte. Dies verdeutlicht ein Vergleich mit der nach den AP vorgesehenen Bewertung für Ohrgeräusche (Tinnitus). Hiernach bedingen Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen lediglich einen GdB von 0 - 10 (Ziffer 26.5 S. 74 AP), sie sind also für den Gesamt-GdB nach den maßgeblichen Beurteilungskriterien der Ziffer 19 Abs. 4 S. 35 AP) grundsätzlich unbeachtlich. Nennenswerte psychische Begleiterscheinungen wegen der Geräuschentwicklung der Prothese sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht erkennbar und vom Kläger auch nicht vorgetragen worden.

Unter Würdigung sämtlicher Befunde und der vom Kläger vorgetragenen Einschränkung seiner Lebensqualität ist insgesamt ein höherer GdB nicht gerechtfertigt. So kann nach Ziffer 19 Abs. 2 S. 33 f. AP der vom Kläger angestrebte GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz- Kreislaufschäden oder Einschränkung der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung etc ...

Mit diesen in Ziffer 19 Abs. 2 AP genannten Beispielen lassen sich unter Würdigung aller Befunde die beim Kläger bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen in keinster Weise vergleichen. Vielmehr ist der festgestellte GdB von 30 angemessen und ausreichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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