Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AL 197/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 167/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 54/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05. Juni 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu er statten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob dem Kläger Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Hierbei ist insbesondere streitig, ob eine vom ehemaligen Arbeitgeber gezahlte Überbrückungsbeihilfe anzurechnen ist und damit die Bedürftigkeit entfällt.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger war vom 02.06.1971 bis 31.01.1998 versicherungspflichtig beschäftigt. Der letzte Arbeitgeber war die E AG, wo der Kläger zuletzt die Tätigkeit eines Elektrikers ausübte. Mit Aufhebungsvertrag vom 14.11.1997 wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.1998 beendet. In diesem Vertrag wurde die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe durch den Arbeitgeber in Höhe der Differenz zwischen der Arbeitslosenhilfe und 85 % Nettomonatsentgelts bis längstens zum Zeitpunkt des frühest möglichen Bezuges einer gesetzlichen Rente wegen Alters- bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit vereinbart. Grundlage für diese Regelung war der Vorruhestandstarifvertrag der E AG (Vorruhe TV).
Am 14.01.1998 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte stellte eine Sperrzeit vom 01.02. bis 25.04.1998 fest und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 26.04.1998. Am 14.03.2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Anschlussarbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem 24.04.2000. Der Kläger gab die mit seinem Arbeitgeber getroffene Regelung über die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe an. Die Überbrückungsbeihilfe betrug für April 2000 455,40 DM ab Mai 2000 2.583,81 DM und ab November 2000 2.609,19 DM monatlich. Sie wurde in dieser Höhe auch tatsächlich an den Kläger gezahlt. Die Arbeitslosenhilfe des Klägers hätte bei einem Bemessungsentgelt von 1.000,00 DM pro Woche in Leistungsgruppe C ohne Kindermerkmal 386,68 DM pro Woche betragen. Mit Bescheid vom 30.03.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe mit der Begründung ab, der Kläger habe anrechenbares eigenes Einkommen, welches den Leistungssatz von 386,68 DM übersteige. Er sei damit nicht bedürftig und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 16.06.2000 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Überbrückungsbeihilfe sei nicht als Einkommen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) anzusehen. Bei den monatlichen Zahlungen der E AG handelte es sich vielmehr um privilegierte Einkünfte im Sinne von § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III bzw. um solche nach § 11 Satz 1 Nr. 6 Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-VO).
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 24.04.2000 zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 05.06.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die gezahlte Überbrückungsbeihilfe sei als Einkommen anzurechnen. Die Zahlungen der E AG könnten insbesondere nicht als Zahlungen aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO angesehen werden. Die Beihilfe werde nicht aus Steuermitteln oder anderen öffentlichen Mitteln finanziert, sondern von dem privaten Arbeitgeber, der E AG, gezahlt.
Gegen dieses ihm am 10.07.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.08.2001 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um privilegierte Einkünfte von § 11 Abs. 1 Nr. 6 Alhi-VO handele. Die Zahlung werde nämlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das Sozialgericht übersehe, dass es sich bei der E AG um ein zu 100 % im Eigentum der Bundesrepublik stehendes Unternehmen handele. Insoweit werde die Beihilfe im Ergebnis aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Kläger verweist zudem auf § 21 Abs. 5 Ziffer 2 des Gesetzes über die Gründung einer E Aktiengesellschaft (E Gründungsgesetz). Nach dieser Vorschrift erstatte das Bundeseisenbahnvermögen die Kosten, die der E AG bei Durchführung von technischen, betrieblichen oder organisatorischen Maßnahmen, die zu einem Personalminderbedarf führten und dadurch entstünden, dass Arbeitsverhältnisse, die gem. § 14 Abs. 2 auf die Gesellschaft übergegangen seien, unkündbar seien. Auch beim Kläger sei der Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung Folge eines Personalminderbedarfs gewesen. Er sei Arbeitnehmer gewesen, dessen Arbeitsverhältnis auf die Gesellschaft übergegangen und der nach tarifvertraglichen Regelungen unkündbar gewesen sei. Nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehe insoweit ein Erstattungsanspruch gegen eine Bundesbehörde - als solches sei das Eisenbahnvermögen anzusehen -, so dass hier eine Refinanzierung aus öffentlichen Mitteln nach dem Gesetz vorgesehen sei. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.09.2000 (B 7 AL 72/99 R) sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts durchaus auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.06.2001 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Gegensatz zu dem vom BSG am 07.09.2000 entschiedenen Fall, wo die fragliche Leistung direkt aus dem Bundesvermögen an den Kläger gezahlt worden sei, werde hier unstreitig die Leistung von einem privaten Arbeitgeber gezahlt. Würde man in allen Fällen, in denen ein privater Arbeitgeber eine soziale Leistung aufgrund von Subventionen, steuerlichen oder gesetzlichen Möglichkeiten ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln refinanzieren könne eine Zuwendung aus öffentlichen Mitteln bejahen, würde der Sinn des § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO ins Gegenteil verkehrt. Die zum 01.07.1997 vorgenommene Gesetzesänderung des § 138 Abs. 3 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (jetzt § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III) habe genau die vorliegende Fallgestaltung erfassen wollen. Die fragliche Leistung werde eindeutig aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung gezahlt. Auf die Frage, nach welchen Vorschriften der Arbeitgeber Refinanzierungsmöglichkeiten habe, komme es nicht an.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entscheiden, dass dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 24.04.2000 mangels Bedürftigkeit nicht zu gewähren ist.
Anspruch auf Alhi hat nach § 190 SGB III derjenige, der arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat und bedürftig ist. Der Kläger ist arbeitslos, hat sich arbeitslos gemeldet und hat auch in der Vorfrist Arbeitslosengeld bis zum 23.04.2000 bezogen. Insoweit sind die Voraussetzungen für den Bezug von Alhi erfüllt. Der Kläger ist jedoch nicht bedürftig im Sinne von § 193 SGB III: Hiernach ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Diese Voraussetzungen für die Bedürftigkeit sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Vorliegend ist die Bedürftigkeit ausgeschlossen, weil das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi übersteigt. Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist das Einkommen des Arbeitslosen grundsätzlich anzurechnen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind Einkommen in diesem Sinne alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die von Dritten beansprucht werden können. Hier hat der Kläger Anspruch auf Zahlungen von Überbrückungsbeihilfe in Höhe von 2.583,81 DM monatlich gegenüber seinem früheren Arbeitgeber. Diese Zahlungen werden auch tatsächlich erbracht.
Ein Ausnahmetatbestand nach § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Einkommen Leistungen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Alhi erbracht werden. Der Betrag der Überbrückungsbeihilfe von 2.583,81 DM monatlich (=596,26 DM wöchentlich) wird vom früheren Arbeitgeber des Klägers, einer dem Privatrecht zuzuordnenden Aktiengesellschaft, aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 14.11.1997, der auf seinem Sozialplan beruht, gezahlt. Grundlage hierfür war der Vorruhe TV. Solche Arbeitgeberleistungen eines privaten, also nicht öffentlich-rechtlichen, Arbeitgebers sind seit dem 01.04.1997 auf die Alhi anzurechnen. Der Kläger begehrt Alhi ab dem 24.04.2000. Zu diesem Zeitpunkt galt bereits das SGB III in der jetzt vorliegenden Fassung. Leistungen aufgrund eines Sozialplanes oder eines Tarifvertrages, an dem die öffentliche Hand nicht beteiligt ist, zählen seit dem 01.04.1997 nicht mehr zu den anrechnungsfreien Leistungen. Genau dies war mit der Gesetzesänderung beabsichtigt (vgl. BSG vom 07.09.2000 - B 7 AL 72/79 R -). Damit steht auch dem Kläger nach dem ab dem 01.04.1997 und zur Zeit der Antragstellung auf Alhi geltenden Recht ein Anspruch auf Alhi nicht zu, weil die von privaten Arbeitgebern gezahlten Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen sind und diese Leistung den in Betracht kommenden Leistungsbetrag übersteigt. Der Kläger hätte bei Vorliegen von Bedürftigkeit Anspruch auf Alhi in Höhe von 386,68 DM wöchentlich (Leistungsgruppe C, allgemeiner Leistungssatz, Bemessungsentgelt von 1.000,00 DM). Der Zahlbetrag des Arbeitgebers in Höhe von 596,26 DM wöchentlich übersteigt diese mögliche Leistung und schließt sie nach § 193 Abs. 1 SGB III aus.
Da der Kläger den Aufhebungsvertrag erst am 14.11.1997 geschlossen und auch erst seit dem 26.04.1998 (nach Ablauf der Sperrzeit vom 01.02. - 25.09.1998) Arbeitslosengeld bezogen hat, war hier nicht zu prüfen, ob ihm aufgrund von Übergangsvorschriften weiterhin Alhi nach dem bis zum 31.03.1997 geltenden Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu zahlen war (vgl. hierzu und zur sog. Stichtagsproblematik Urteile des Senates vom 07.11.2001 - L 12 AL 24/01 - und vom 20.02.20002 - L 12 AL 190/00 - zu § 427 Abs. 7 SGB III i. V. m. § 242 x Abs. 7 und Abs. 3 AFG).
An dem oben gefundenen Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass es sich bei dem früheren Arbeitgeber des Klägers um die E AG handelt, die aus einem früheren staatlichen Betrieb, der Deutschen Bundesbahn, hervorgegangen ist. Der Senat unterstellt die Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 21.09.2001 als zutreffend, wonach die Deutsche Bahn AG zu 100 % im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht und diese die Möglichkeit hat, sich die ihr durch die vorzeitige Freisetzung des Klägers entstehenden Verpflichtungen gegenüber dem Kläger vom Bundeseisenbahnvermögen "zurückzuholen". Durch diese Möglichkeit der Refinanzierung aus öffentlichen Mitteln wird die von der E AG an den Kläger gezahlte Überbrückungsbeihilfe jedoch nicht zu einer Zahlung nach bundesrechtlichen Vorschriften im Sinne von § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III oder zu einer Leistung aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO. Eine Übertragung der Grundsätze aus dem BSG-Urteil vom 07.09.2000 (B 7 AL 72/99 R) auf Dreiecksverhältnisse hält der Senat mit dem Sozialgericht und der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers nicht für möglich. Im BSG-Fall wurde die Zahlung direkt aus öffentlichen Mitteln an den betroffenen Arbeitslosen geleistet. Hier leistet unstreitig eine private Aktiengesellschaft. Würde man berücksichtigen, dass der private Arbeitgeber die dem Arbeitslosen gewährte Leistung nach bundesgesetzlichen Vorschriften refinanzieren kann, würde man die zum 01.04.1997 eingetretene Gesetzesänderung letztlich unterlaufen. Erklärtes Ziel dieser Änderung war es, die Leistungen privater Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr zu privilegieren. Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Änderung des § 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG zu verhindern, dass private Arbeitgeber zu Lasten der öffentlichen Hand Nettolohn-Garantievereinbarungen abschließen. Zwar mag die E AG ein Sonderfall sein, der jedoch nicht zu der vom Kläger geforderten Sonderbehandlung führen kann. Gleiche Rechte müsste man dann z.B. auch ehemaligen Bediensteten von früheren DDR-Betrieben einräumen, deren Rechtsnachfolger die Kosten von Freisetzungen refinanzieren können. Letztlich müsste man sich die Frage stellen, ob nicht auch bei Mitarbeitern von allen Firmen, die die Kosten von vorzeitigen Freisetzungen von Mitarbeitern steuermindernd geltend machen können, eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gegeben ist. Dies kann nicht gewollt sein. Der Senat ist daher der Auffassung, dass Leistungen privater Arbeitgeber an Arbeitslose, die diese - nach welchen öffentlich rechtlichen Vorschriften auch immer - ganz oder teilweise refinanzieren können, nicht nach § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III oder nach § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO anrechnungsfrei bleiben.
Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage, ob dadurch, dass ein privater Arbeitgeber eine gezahlte Leistung in vollem Umfang aus Bundesvermögen erstattet verlangen kann, diese dadurch zu einer Leistung aus öffentlichen Mitteln wird, grundsätzliche Bedeutung zugemessen hat.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob dem Kläger Arbeitslosenhilfe zu gewähren. Hierbei ist insbesondere streitig, ob eine vom ehemaligen Arbeitgeber gezahlte Überbrückungsbeihilfe anzurechnen ist und damit die Bedürftigkeit entfällt.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger war vom 02.06.1971 bis 31.01.1998 versicherungspflichtig beschäftigt. Der letzte Arbeitgeber war die E AG, wo der Kläger zuletzt die Tätigkeit eines Elektrikers ausübte. Mit Aufhebungsvertrag vom 14.11.1997 wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.01.1998 beendet. In diesem Vertrag wurde die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe durch den Arbeitgeber in Höhe der Differenz zwischen der Arbeitslosenhilfe und 85 % Nettomonatsentgelts bis längstens zum Zeitpunkt des frühest möglichen Bezuges einer gesetzlichen Rente wegen Alters- bzw. verminderter Erwerbsfähigkeit vereinbart. Grundlage für diese Regelung war der Vorruhestandstarifvertrag der E AG (Vorruhe TV).
Am 14.01.1998 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Die Beklagte stellte eine Sperrzeit vom 01.02. bis 25.04.1998 fest und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 26.04.1998. Am 14.03.2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Anschlussarbeitslosenhilfe für die Zeit ab dem 24.04.2000. Der Kläger gab die mit seinem Arbeitgeber getroffene Regelung über die Zahlung einer Überbrückungsbeihilfe an. Die Überbrückungsbeihilfe betrug für April 2000 455,40 DM ab Mai 2000 2.583,81 DM und ab November 2000 2.609,19 DM monatlich. Sie wurde in dieser Höhe auch tatsächlich an den Kläger gezahlt. Die Arbeitslosenhilfe des Klägers hätte bei einem Bemessungsentgelt von 1.000,00 DM pro Woche in Leistungsgruppe C ohne Kindermerkmal 386,68 DM pro Woche betragen. Mit Bescheid vom 30.03.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe mit der Begründung ab, der Kläger habe anrechenbares eigenes Einkommen, welches den Leistungssatz von 386,68 DM übersteige. Er sei damit nicht bedürftig und habe keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger am 16.06.2000 Klage vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Überbrückungsbeihilfe sei nicht als Einkommen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) anzusehen. Bei den monatlichen Zahlungen der E AG handelte es sich vielmehr um privilegierte Einkünfte im Sinne von § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III bzw. um solche nach § 11 Satz 1 Nr. 6 Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-VO).
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.03.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kläger Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 24.04.2000 zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 05.06.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die gezahlte Überbrückungsbeihilfe sei als Einkommen anzurechnen. Die Zahlungen der E AG könnten insbesondere nicht als Zahlungen aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO angesehen werden. Die Beihilfe werde nicht aus Steuermitteln oder anderen öffentlichen Mitteln finanziert, sondern von dem privaten Arbeitgeber, der E AG, gezahlt.
Gegen dieses ihm am 10.07.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 09.08.2001 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass es sich bei der Überbrückungsbeihilfe um privilegierte Einkünfte von § 11 Abs. 1 Nr. 6 Alhi-VO handele. Die Zahlung werde nämlich aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das Sozialgericht übersehe, dass es sich bei der E AG um ein zu 100 % im Eigentum der Bundesrepublik stehendes Unternehmen handele. Insoweit werde die Beihilfe im Ergebnis aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Kläger verweist zudem auf § 21 Abs. 5 Ziffer 2 des Gesetzes über die Gründung einer E Aktiengesellschaft (E Gründungsgesetz). Nach dieser Vorschrift erstatte das Bundeseisenbahnvermögen die Kosten, die der E AG bei Durchführung von technischen, betrieblichen oder organisatorischen Maßnahmen, die zu einem Personalminderbedarf führten und dadurch entstünden, dass Arbeitsverhältnisse, die gem. § 14 Abs. 2 auf die Gesellschaft übergegangen seien, unkündbar seien. Auch beim Kläger sei der Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung Folge eines Personalminderbedarfs gewesen. Er sei Arbeitnehmer gewesen, dessen Arbeitsverhältnis auf die Gesellschaft übergegangen und der nach tarifvertraglichen Regelungen unkündbar gewesen sei. Nach den gesetzlichen Bestimmungen bestehe insoweit ein Erstattungsanspruch gegen eine Bundesbehörde - als solches sei das Eisenbahnvermögen anzusehen -, so dass hier eine Refinanzierung aus öffentlichen Mitteln nach dem Gesetz vorgesehen sei. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.09.2000 (B 7 AL 72/99 R) sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts durchaus auf den vorliegenden Fall übertragbar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 05.06.2001 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im Gegensatz zu dem vom BSG am 07.09.2000 entschiedenen Fall, wo die fragliche Leistung direkt aus dem Bundesvermögen an den Kläger gezahlt worden sei, werde hier unstreitig die Leistung von einem privaten Arbeitgeber gezahlt. Würde man in allen Fällen, in denen ein privater Arbeitgeber eine soziale Leistung aufgrund von Subventionen, steuerlichen oder gesetzlichen Möglichkeiten ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln refinanzieren könne eine Zuwendung aus öffentlichen Mitteln bejahen, würde der Sinn des § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO ins Gegenteil verkehrt. Die zum 01.07.1997 vorgenommene Gesetzesänderung des § 138 Abs. 3 Nr. 4 Arbeitsförderungsgesetz (jetzt § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III) habe genau die vorliegende Fallgestaltung erfassen wollen. Die fragliche Leistung werde eindeutig aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung gezahlt. Auf die Frage, nach welchen Vorschriften der Arbeitgeber Refinanzierungsmöglichkeiten habe, komme es nicht an.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entscheiden, dass dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 24.04.2000 mangels Bedürftigkeit nicht zu gewähren ist.
Anspruch auf Alhi hat nach § 190 SGB III derjenige, der arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat, in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat und bedürftig ist. Der Kläger ist arbeitslos, hat sich arbeitslos gemeldet und hat auch in der Vorfrist Arbeitslosengeld bis zum 23.04.2000 bezogen. Insoweit sind die Voraussetzungen für den Bezug von Alhi erfüllt. Der Kläger ist jedoch nicht bedürftig im Sinne von § 193 SGB III: Hiernach ist bedürftig ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Diese Voraussetzungen für die Bedürftigkeit sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Vorliegend ist die Bedürftigkeit ausgeschlossen, weil das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi übersteigt. Nach § 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist das Einkommen des Arbeitslosen grundsätzlich anzurechnen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind Einkommen in diesem Sinne alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die von Dritten beansprucht werden können. Hier hat der Kläger Anspruch auf Zahlungen von Überbrückungsbeihilfe in Höhe von 2.583,81 DM monatlich gegenüber seinem früheren Arbeitgeber. Diese Zahlungen werden auch tatsächlich erbracht.
Ein Ausnahmetatbestand nach § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Einkommen Leistungen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften unter Anrechnung der Alhi erbracht werden. Der Betrag der Überbrückungsbeihilfe von 2.583,81 DM monatlich (=596,26 DM wöchentlich) wird vom früheren Arbeitgeber des Klägers, einer dem Privatrecht zuzuordnenden Aktiengesellschaft, aufgrund des Aufhebungsvertrages vom 14.11.1997, der auf seinem Sozialplan beruht, gezahlt. Grundlage hierfür war der Vorruhe TV. Solche Arbeitgeberleistungen eines privaten, also nicht öffentlich-rechtlichen, Arbeitgebers sind seit dem 01.04.1997 auf die Alhi anzurechnen. Der Kläger begehrt Alhi ab dem 24.04.2000. Zu diesem Zeitpunkt galt bereits das SGB III in der jetzt vorliegenden Fassung. Leistungen aufgrund eines Sozialplanes oder eines Tarifvertrages, an dem die öffentliche Hand nicht beteiligt ist, zählen seit dem 01.04.1997 nicht mehr zu den anrechnungsfreien Leistungen. Genau dies war mit der Gesetzesänderung beabsichtigt (vgl. BSG vom 07.09.2000 - B 7 AL 72/79 R -). Damit steht auch dem Kläger nach dem ab dem 01.04.1997 und zur Zeit der Antragstellung auf Alhi geltenden Recht ein Anspruch auf Alhi nicht zu, weil die von privaten Arbeitgebern gezahlten Leistungen als Einkommen zu berücksichtigen sind und diese Leistung den in Betracht kommenden Leistungsbetrag übersteigt. Der Kläger hätte bei Vorliegen von Bedürftigkeit Anspruch auf Alhi in Höhe von 386,68 DM wöchentlich (Leistungsgruppe C, allgemeiner Leistungssatz, Bemessungsentgelt von 1.000,00 DM). Der Zahlbetrag des Arbeitgebers in Höhe von 596,26 DM wöchentlich übersteigt diese mögliche Leistung und schließt sie nach § 193 Abs. 1 SGB III aus.
Da der Kläger den Aufhebungsvertrag erst am 14.11.1997 geschlossen und auch erst seit dem 26.04.1998 (nach Ablauf der Sperrzeit vom 01.02. - 25.09.1998) Arbeitslosengeld bezogen hat, war hier nicht zu prüfen, ob ihm aufgrund von Übergangsvorschriften weiterhin Alhi nach dem bis zum 31.03.1997 geltenden Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu zahlen war (vgl. hierzu und zur sog. Stichtagsproblematik Urteile des Senates vom 07.11.2001 - L 12 AL 24/01 - und vom 20.02.20002 - L 12 AL 190/00 - zu § 427 Abs. 7 SGB III i. V. m. § 242 x Abs. 7 und Abs. 3 AFG).
An dem oben gefundenen Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass es sich bei dem früheren Arbeitgeber des Klägers um die E AG handelt, die aus einem früheren staatlichen Betrieb, der Deutschen Bundesbahn, hervorgegangen ist. Der Senat unterstellt die Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 21.09.2001 als zutreffend, wonach die Deutsche Bahn AG zu 100 % im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht und diese die Möglichkeit hat, sich die ihr durch die vorzeitige Freisetzung des Klägers entstehenden Verpflichtungen gegenüber dem Kläger vom Bundeseisenbahnvermögen "zurückzuholen". Durch diese Möglichkeit der Refinanzierung aus öffentlichen Mitteln wird die von der E AG an den Kläger gezahlte Überbrückungsbeihilfe jedoch nicht zu einer Zahlung nach bundesrechtlichen Vorschriften im Sinne von § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III oder zu einer Leistung aus öffentlichen Mitteln im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO. Eine Übertragung der Grundsätze aus dem BSG-Urteil vom 07.09.2000 (B 7 AL 72/99 R) auf Dreiecksverhältnisse hält der Senat mit dem Sozialgericht und der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers nicht für möglich. Im BSG-Fall wurde die Zahlung direkt aus öffentlichen Mitteln an den betroffenen Arbeitslosen geleistet. Hier leistet unstreitig eine private Aktiengesellschaft. Würde man berücksichtigen, dass der private Arbeitgeber die dem Arbeitslosen gewährte Leistung nach bundesgesetzlichen Vorschriften refinanzieren kann, würde man die zum 01.04.1997 eingetretene Gesetzesänderung letztlich unterlaufen. Erklärtes Ziel dieser Änderung war es, die Leistungen privater Arbeitgeber in Zukunft nicht mehr zu privilegieren. Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Änderung des § 138 Abs. 3 Nr. 4 AFG zu verhindern, dass private Arbeitgeber zu Lasten der öffentlichen Hand Nettolohn-Garantievereinbarungen abschließen. Zwar mag die E AG ein Sonderfall sein, der jedoch nicht zu der vom Kläger geforderten Sonderbehandlung führen kann. Gleiche Rechte müsste man dann z.B. auch ehemaligen Bediensteten von früheren DDR-Betrieben einräumen, deren Rechtsnachfolger die Kosten von Freisetzungen refinanzieren können. Letztlich müsste man sich die Frage stellen, ob nicht auch bei Mitarbeitern von allen Firmen, die die Kosten von vorzeitigen Freisetzungen von Mitarbeitern steuermindernd geltend machen können, eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln gegeben ist. Dies kann nicht gewollt sein. Der Senat ist daher der Auffassung, dass Leistungen privater Arbeitgeber an Arbeitslose, die diese - nach welchen öffentlich rechtlichen Vorschriften auch immer - ganz oder teilweise refinanzieren können, nicht nach § 194 Abs. 3 Nr. 5 SGB III oder nach § 11 Satz 1 Nr. 6 Alhi-VO anrechnungsfrei bleiben.
Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage, ob dadurch, dass ein privater Arbeitgeber eine gezahlte Leistung in vollem Umfang aus Bundesvermögen erstattet verlangen kann, diese dadurch zu einer Leistung aus öffentlichen Mitteln wird, grundsätzliche Bedeutung zugemessen hat.
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