Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 KA 137/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 27/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2001 abgeändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.07.2000 verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 26.05.1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte gegen den Beigeladenen zu 8) einen Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) im Quartal II/1997 festsetzen muss.
Der Beigeladene zu 8) ist als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg in L niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Anschluss an Operationen erbringt er u.a. kryotherapeutische Leistungen mittels Kühlkompressen gemäß Nr. 535 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä). Die Kühlkompressen verordnete er im Streitquartal im Umfang von 1.400 Stück als SSB im Gesamtwert von 1.223,60 DM. Seinen ursprünglich auf Antrag der Klägerin ergangenen Beschluss vom 26.01.1999, in dieser Höhe einen Regress gegen den Beigeladenen zu 8) zu verhängen, hob der Prüfungsausschuss auf dessen Widerspruch wieder auf (Bescheid vom 26.05.1999). Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 25.07.2000). Zur Begründung bezog er sich auf die bis zum 31.12.1997 geltende Regelung Ziff. IV.5 der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-Vereinbarung), wonach als SSB auch "Mittel zur Kryotherapie (z.B. Kohlensäureschnee, flüssiger Stickstoff o.ä.)" verordnet werden konnten. Diese Bestimmung sei erst zum 01.01.1998 gestrichen worden.
Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klägerin vorgetragen, der Beklagte habe außer Acht gelassen, dass nicht alle Mittel der Kryotherapie als SSB verordnet werden dürften. Die Aufzählung in Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung belege, dass hierunter nur bestimmte Mittel fielen, denen Kühlkompressen nicht vergleichbar seien. Das gelte umso mehr, als Tatbestände der SSB-Vereinbarung als Ausnahmeregelungen vom Prinzip der Einzelverordnung eng auszulegen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.07.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 26.05.1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und seinen Beschluss verteidigt.
Mit Urteil vom 12.12.2001 hat das SG die Klage abgewiesen: Mittel zur Kryotherapie seien nach Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung bis zum 31.12.1997 unstreitig verordnungsfähig gewesen. Hierunter fielen auch die streitigen Kühlkompressen. Der Klammerzusatz "z.B. Kohlensäure-Schnee, flüssiger Stickstoff o.ä." enthalte nämlich keine Einschränkung, sondern nur eine beispielhafte Erläuterung der verordnungsfähigen Mittel. Die Verordnung von Kühlkompressen als SSB sei auch nicht nach Abschn. A I. Teil A Ziff. 2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) ausgeschlossen. Denn sie würden von der Leistungslegende der Nr. 535 EBM-Ä nicht erfasst. Das ergebe sich aus der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä, wonach die zur Thermotherapie erforderlichen wirksamen Substanzen nicht mit den Gebührenziffern abgegolten seien.
Mit der Berufung gegen dieses Urteil wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, Kühlkompressen seien nach § 1 Nr. 4 der aufgrund von § 34 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung als "Applikationshilfen für Kälte" nicht verordnungsfähig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2001 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für richtig und § 1 Nr. 4 der vorbezeichneten Verordnung nicht für einschlägig. Mit "Applikationshilfen" seien nur solche Mittel gemeint, die vom Patienten selbst angewandt würden und keinen eigenständigen therapeutischen Zweck hätten.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1) und 6) teilen jedoch die Auffassung der Klägerin, die Beigeladene zu 2) die des Beklagten.
Der Senat hat mit Schreiben vom 21.10.2002 den Beigeladenen zu 8) um ergänzende Erläuterung gebeten. Hierauf und auf die schriftliche Antwort vom 16.12.2002 wird Bezug genommen. Außerdem hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung - Geschäftsführung des Bewertungsausschusses - auf Anfrage des Senates vom 04.03.2003 am 13.03.2003 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, auf die ebenfalls verwiesen wird. Die Verwaltungsakte des Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil sie mit der Terminsbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, gegen den Beigeladenen zu 8) wegen der Verordnung von Kühlkompressen als SSB im Quartal II/1997 einen Regress festzusetzen.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch der Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von SSB festzusetzen. Das ergibt sich aus Ziff. VI.1 SSB-Vereinbarung, wonach für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie der Zulässigkeit von SSB-Anforderungen die "Gemeinsame Prüfvereinbarung" gilt, i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstruktur- gesetzes, wonach die Krankenkassenverbände gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Verordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (BSG SozR 3-5533 Allg Nr. 2; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 52; Senat, Urteile vom 30.07.2003 - L 11 KA 116/01 und 149/01 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Der Beigeladene zu 8) hat mit der Verordnung von Kühlkompressen in unzulässiger Weise SSB angefordert. Denn die Kühlkompressen waren nach der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen, weil ihre Kosten von der Vergütung für Nr. 535 EBM-Ä erfasst werden.
Der Beigeladene zu 8) hat die Kühlkompressen verordnet, um mit ihnen die in Nr. 535 EBM-Ä beschriebene Leistung der Kryotherapie zu erbringen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Beigeladene zu 8) selbst hat in seiner schriftlichen Auskunft an den Senat bestätigt, er habe für gewöhnlich beanstandungslos diese Gebührenziffer für seine Leistungen angesetzt. Auch die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses hat mitgeteilt, dass das postoperative Auflegen von Kühlkompressen nach Nr. 535 EBM-Ä abgerechnet werden könne.
Nach der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä sind in den Leistungen des Kapitels alle Kosten enthalten. Die Ausnahmebestimmung, wonach dies nicht für diejenigen Arzneimittel und wirksamen Substanzen gilt, die für die Thermotherapie erforderlich sind, ist hier nicht einschlägig. Denn die Kühlkompressen sind keine "wirksamen Substanzen" im Sinne dieser Bestimmung. "Wirksame Substanzen" sind vielmehr nur solche, die mittels der jeweiligen Therapieform (z.B. der Wärmeanwendung oder der Iontophorese) in den Körper eingebracht werden, um dort ihre Wirkung zu entfalten. Die Wärmeanwendung oder die Iontophorese sind dabei gleichsam das Medium, das den Transport der wirksamen Substanz in den Körper gewährleistet. Da die Kosten für diese wirksamen Substanzen stark variieren können, ist es nachvollziehbar, dass sie nicht mit der Gebührenziffer abgegolten sind. Bei der Kryotherapie geschieht jedoch nichts Vergleichbares. Ihre Wirkung erschöpft sich in der Unterkühlung des Gewebes an der Stelle, wo die Kühlkompresse aufgelegt wird.
Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 8) die Nr. 535 EBM-Ä im Quartal II/1997 (aus Gründen, an die er sich auf Nachfrage des Senates nicht mehr erinnert hat) im Rahmen seiner Honoraranforderung nicht angesetzt hat. Denn es steht nicht in der Rechtsmacht der Vertragsärzte, mit dem Ansatz bestimmter Ziffern bei der Honorarabrechnung die Verordnungsfähigkeit der von ihnen eingesetzten Mittel zu steuern.
Auf die von den Beteiligten im Übrigen aufgeworfenen Fragen (Auslegung von Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung bzw. von § 1 Nr. 4 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung) kommt es daher für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr an.
Zur Festsetzung eines Regresses bedarf es keines Verschuldens des Vertragsarztes, hier des Beigeladenen zu 8). Das Verschuldenserfordernis besteht nur bei der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne von § 48 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte. Der Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnung ist demgegenüber ein Unterfall des Verordnungsregresses. Er richtet sich auf den Nettobetrag, den die Klägerin für die Kühlkompressen gezahlt hat. Dagegen ist der typische Regress wegen eines "sonstigen Schadens" dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes Folgekosten der Kassen ähnlich einem "Mangelfolgeschaden" nach bürgerlichem Recht ausgelöst hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 52). Darum geht es hier jedoch nicht.
Der Beklagte wird daher die Höhe der Regressforderung ausgehend von dem entstandenen Nettoschaden festzusetzen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), hat nicht bestanden. Jedenfalls durch die zwischenzeitliche Änderung der SSB-Vereinbarung hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte gegen den Beigeladenen zu 8) einen Regress wegen unzulässiger Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB) im Quartal II/1997 festsetzen muss.
Der Beigeladene zu 8) ist als Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg in L niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Anschluss an Operationen erbringt er u.a. kryotherapeutische Leistungen mittels Kühlkompressen gemäß Nr. 535 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä). Die Kühlkompressen verordnete er im Streitquartal im Umfang von 1.400 Stück als SSB im Gesamtwert von 1.223,60 DM. Seinen ursprünglich auf Antrag der Klägerin ergangenen Beschluss vom 26.01.1999, in dieser Höhe einen Regress gegen den Beigeladenen zu 8) zu verhängen, hob der Prüfungsausschuss auf dessen Widerspruch wieder auf (Bescheid vom 26.05.1999). Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 25.07.2000). Zur Begründung bezog er sich auf die bis zum 31.12.1997 geltende Regelung Ziff. IV.5 der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB-Vereinbarung), wonach als SSB auch "Mittel zur Kryotherapie (z.B. Kohlensäureschnee, flüssiger Stickstoff o.ä.)" verordnet werden konnten. Diese Bestimmung sei erst zum 01.01.1998 gestrichen worden.
Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klägerin vorgetragen, der Beklagte habe außer Acht gelassen, dass nicht alle Mittel der Kryotherapie als SSB verordnet werden dürften. Die Aufzählung in Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung belege, dass hierunter nur bestimmte Mittel fielen, denen Kühlkompressen nicht vergleichbar seien. Das gelte umso mehr, als Tatbestände der SSB-Vereinbarung als Ausnahmeregelungen vom Prinzip der Einzelverordnung eng auszulegen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.07.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 26.05.1999 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und seinen Beschluss verteidigt.
Mit Urteil vom 12.12.2001 hat das SG die Klage abgewiesen: Mittel zur Kryotherapie seien nach Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung bis zum 31.12.1997 unstreitig verordnungsfähig gewesen. Hierunter fielen auch die streitigen Kühlkompressen. Der Klammerzusatz "z.B. Kohlensäure-Schnee, flüssiger Stickstoff o.ä." enthalte nämlich keine Einschränkung, sondern nur eine beispielhafte Erläuterung der verordnungsfähigen Mittel. Die Verordnung von Kühlkompressen als SSB sei auch nicht nach Abschn. A I. Teil A Ziff. 2 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) ausgeschlossen. Denn sie würden von der Leistungslegende der Nr. 535 EBM-Ä nicht erfasst. Das ergebe sich aus der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä, wonach die zur Thermotherapie erforderlichen wirksamen Substanzen nicht mit den Gebührenziffern abgegolten seien.
Mit der Berufung gegen dieses Urteil wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, Kühlkompressen seien nach § 1 Nr. 4 der aufgrund von § 34 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erlassenen Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung als "Applikationshilfen für Kälte" nicht verordnungsfähig.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2001 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für richtig und § 1 Nr. 4 der vorbezeichneten Verordnung nicht für einschlägig. Mit "Applikationshilfen" seien nur solche Mittel gemeint, die vom Patienten selbst angewandt würden und keinen eigenständigen therapeutischen Zweck hätten.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Die Beigeladenen zu 1) und 6) teilen jedoch die Auffassung der Klägerin, die Beigeladene zu 2) die des Beklagten.
Der Senat hat mit Schreiben vom 21.10.2002 den Beigeladenen zu 8) um ergänzende Erläuterung gebeten. Hierauf und auf die schriftliche Antwort vom 16.12.2002 wird Bezug genommen. Außerdem hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung - Geschäftsführung des Bewertungsausschusses - auf Anfrage des Senates vom 04.03.2003 am 13.03.2003 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben, auf die ebenfalls verwiesen wird. Die Verwaltungsakte des Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil sie mit der Terminsbenachrichtigung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, gegen den Beigeladenen zu 8) wegen der Verordnung von Kühlkompressen als SSB im Quartal II/1997 einen Regress festzusetzen.
Die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung und damit auch der Beklagte sind befugt, Regresse wegen unzulässiger Verordnung von SSB festzusetzen. Das ergibt sich aus Ziff. VI.1 SSB-Vereinbarung, wonach für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit sowie der Zulässigkeit von SSB-Anforderungen die "Gemeinsame Prüfvereinbarung" gilt, i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 4 der Gemeinsamen Prüfvereinbarung. Die Ermächtigungsgrundlage hierfür findet sich in § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstruktur- gesetzes, wonach die Krankenkassenverbände gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere arztbezogene Prüfungsarten vorsehen können. Demgemäß ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass den Prüfgremien die Zuständigkeit für Regresse wegen unzulässiger Verordnung durch gesamtvertragliche Vereinbarung übertragen werden darf (BSG SozR 3-5533 Allg Nr. 2; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 52; Senat, Urteile vom 30.07.2003 - L 11 KA 116/01 und 149/01 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Der Beigeladene zu 8) hat mit der Verordnung von Kühlkompressen in unzulässiger Weise SSB angefordert. Denn die Kühlkompressen waren nach der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen, weil ihre Kosten von der Vergütung für Nr. 535 EBM-Ä erfasst werden.
Der Beigeladene zu 8) hat die Kühlkompressen verordnet, um mit ihnen die in Nr. 535 EBM-Ä beschriebene Leistung der Kryotherapie zu erbringen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Beigeladene zu 8) selbst hat in seiner schriftlichen Auskunft an den Senat bestätigt, er habe für gewöhnlich beanstandungslos diese Gebührenziffer für seine Leistungen angesetzt. Auch die Geschäftsführung des Bewertungsausschusses hat mitgeteilt, dass das postoperative Auflegen von Kühlkompressen nach Nr. 535 EBM-Ä abgerechnet werden könne.
Nach der Präambel zu Abschn. E EBM-Ä sind in den Leistungen des Kapitels alle Kosten enthalten. Die Ausnahmebestimmung, wonach dies nicht für diejenigen Arzneimittel und wirksamen Substanzen gilt, die für die Thermotherapie erforderlich sind, ist hier nicht einschlägig. Denn die Kühlkompressen sind keine "wirksamen Substanzen" im Sinne dieser Bestimmung. "Wirksame Substanzen" sind vielmehr nur solche, die mittels der jeweiligen Therapieform (z.B. der Wärmeanwendung oder der Iontophorese) in den Körper eingebracht werden, um dort ihre Wirkung zu entfalten. Die Wärmeanwendung oder die Iontophorese sind dabei gleichsam das Medium, das den Transport der wirksamen Substanz in den Körper gewährleistet. Da die Kosten für diese wirksamen Substanzen stark variieren können, ist es nachvollziehbar, dass sie nicht mit der Gebührenziffer abgegolten sind. Bei der Kryotherapie geschieht jedoch nichts Vergleichbares. Ihre Wirkung erschöpft sich in der Unterkühlung des Gewebes an der Stelle, wo die Kühlkompresse aufgelegt wird.
Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 8) die Nr. 535 EBM-Ä im Quartal II/1997 (aus Gründen, an die er sich auf Nachfrage des Senates nicht mehr erinnert hat) im Rahmen seiner Honoraranforderung nicht angesetzt hat. Denn es steht nicht in der Rechtsmacht der Vertragsärzte, mit dem Ansatz bestimmter Ziffern bei der Honorarabrechnung die Verordnungsfähigkeit der von ihnen eingesetzten Mittel zu steuern.
Auf die von den Beteiligten im Übrigen aufgeworfenen Fragen (Auslegung von Ziff. IV.5 SSB-Vereinbarung in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung bzw. von § 1 Nr. 4 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis in der gesetzlichen Krankenversicherung) kommt es daher für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr an.
Zur Festsetzung eines Regresses bedarf es keines Verschuldens des Vertragsarztes, hier des Beigeladenen zu 8). Das Verschuldenserfordernis besteht nur bei der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne von § 48 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte. Der Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnung ist demgegenüber ein Unterfall des Verordnungsregresses. Er richtet sich auf den Nettobetrag, den die Klägerin für die Kühlkompressen gezahlt hat. Dagegen ist der typische Regress wegen eines "sonstigen Schadens" dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes Folgekosten der Kassen ähnlich einem "Mangelfolgeschaden" nach bürgerlichem Recht ausgelöst hat (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 52). Darum geht es hier jedoch nicht.
Der Beklagte wird daher die Höhe der Regressforderung ausgehend von dem entstandenen Nettoschaden festzusetzen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung.
Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), hat nicht bestanden. Jedenfalls durch die zwischenzeitliche Änderung der SSB-Vereinbarung hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
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