L 7 V 26/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 V 246/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 V 26/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1933 geborene Klägerin begehrt Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Klägerin beantragte im September 2001 Versorgung nach dem BVG. Der Beklagte stellte nach Überprüfung fest, dass die Klägerin bereits 1994 einen Antrag gestellt hatte, der mit Bescheid vom 05.12.1994 abgelehnt worden war. Auf Nachfrage und unter Hinweis des Beklagten, dass keine Vorgänge mehr vorhanden seien, gab die Klägerin (Verhandlungsniederschrift vom 27.10.1994) an, als Flüchtling ab dem 22.10.1944 mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern von T in Ostpreußen Richtung H gefahren und am 26.10.1944 unter Beschuss geraten zu sein. Sie sei infolge des Fliegerangriffs am Oberschenkel, an der Scheide und am Rücken verletzt und von einem Arzt mit Verbänden und Schmerzmitteln versorgt worden. Am nächsten Tag sei sie in das Krankenhaus nach F geflogen und an Darm und Rücken operiert worden. Das Flugzeug habe sie dann wieder nach Ostpreußen zurückgebracht. 1947 und 1948 sei sie aus einem Zug beziehungsweise aus einem PKW gestürzt, so dass ihr eine Platte in den Kopf eingesetzt worden sei. Bei der Geburt ihres Kindes 1976 sei eine weitere Kugel aus dem Rücken entfernt worden. Darüber hinaus habe man sie "auch bei der Judenverfolgung 1938 mitgenommen". Ihre Schwester, die Zeugin H K (K.), habe die Ereignisse zwar mitbekommen, sei aber nach einer Vergewaltigung 1947 "ausgetauscht worden". Auch ihr Bruder F T komme als Zeuge nicht in Betracht, da auch er nach Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit seiner Lehrstelle 1952 "ausgetauscht worden sei".

Der Beklagte zog die Schwerbehindertenakte, Unterlagen der AOK Rheinland und der LVA Rheinprovinz bei. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Versorgung mit Bescheid vom 23.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2002 mit der Begründung ab, eine kriegsbedingte Schädigung im Sinne von § 1 BVG sei nicht nachgewiesen und die Klägerin sei trotz mehrmaliger Erinnerung ohne Angabe von Gründen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.09.2002 beim Sozialgericht (SG) Aachen Klage erhoben. Sie hat nochmals betont, dass Beweismaterial, Behandlungsunterlagen und Zeugen schwer "zu beschaffen seien". Ärztliche Unterlagen könnten in der Schwerbehindertenakte eingesehen werden. Die behandelnden Ärzte seien verstorben und die Einschüsse an ihrem Körper mittlerweile nicht mehr nachzuweisen. Die Kopfverletzung habe sie 1948 erlitten, Folgen der Darm- und Brustoperation aus den Jahren 1966 und 1967 seien nicht mehr zu erkennen.

Die Zeugin K., die Schwester der Klägerin, hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22.05.2003 von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.05.2003 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen das am 24.06.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.07.2003 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter. Eine Folge des Fliegerangriffs und der Operation sei das Austreten des Darmes aus der Scheide gewesen. Diesen müsse sie immer wieder zurückschieben. Darüber hinaus könne sie wegen dieser Unterleibsverletzung nicht lange sitzen, stehen und sich auch nicht körperlich anstrengen. Ab und zu seien ihre Beine in den Hüften wie gelähmt. Zudem sei nach der Operation 1976 Sex "ganz tabu". Die Klägerin betont nochmals, dass die beiden Geschwister, die ebenfalls mit dem Flüchtlingstreck gefahren seien, nichts zu dem Vorfall sagen könnten, da beide "ausgetauscht" worden seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 22. Mai 2003 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23. Mai 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2002 zu verurteilen, ihr Versorgung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Schwerbehindertenakte beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid vom 23.05.2002 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Die Voraussetzungen des § 1 BVG sind nicht nachgewiesen.

Der volle Nachweis schädigender Ereignisse ist nicht erbracht. Zur Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen des SG, die er sich nach Prüfung zu Eigen macht.

Ergänzend sei noch betont, dass nach den eigenen Angaben der Klägerin Folgen der Schussverletzungen am Rücken, Oberschenkel etc. nicht mehr nachweisbar und die Ärzte, die Auskunft darüber geben könnten, verstorben sind. Zudem hat die Zeugin K. von ihrem Aussageverweigerungsrecht als Schwester der Klägerin Gebrauch gemacht.

Die Berücksichtigung von § 15 KOV-VfG führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Angaben der Klägerin, die sich auf die mit der Schädigung in Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, sind nach den Umständen des Falles nicht glaubhaft. Weder überzeugt die Äußerung, die bei dem Angriff anwesenden Geschwister könnten keine Aussage machen, da diese "ausgetauscht" seien, noch ist es plausibel, dass die aus dem Rücken entfernten Kugeln keine Narben zurückgelassen haben oder zwischenzeitlich verschwunden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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