Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 (17) KA 471/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 39/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) und 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.01.2002 werden zurückgewiesen. Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) haben die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung eines Gesamtvergütungsanteiles in Höhe von 16.813,34 EURO.
Die Beklagte hat den streitigen Teil der von ihr zu zahlenden Gesamtvergütung im Quartal IV/1997 zurückbehalten. Sie hat mit Leistungen, die sie im Wege der Kostenerstattung in den Quartalen IV/1997 bis III/1998 gegenüber ihren Versicherten erbracht hat, aufgerechnet. Diese betrafen Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen durch zugelassene Vertragsärzte, die diese Leistungen nur gegen Privatliquidation erbracht haben ("Operation Phönix").
Die Klägerin hat Klage auf Zahlung des streitigen Betrages erhoben, nachdem die Beklagte - wie zuvor angekündigt - die entsprechende Abschlagzahlung auf die Gesamtvergütung um den streitigen Betrag gemindert hatte. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei keine gesetzliche Grundlage erkennbar, die die Beklagte berechtige, von ihr gemäß § 13 SGB V erstattete Kosten bei der Zahlung der Gesamtvergütung in Abzug zu bringen. Erst mit Wirkung zum 01.01.1999 sei eine derartige Bestimmung in § 85 SGB V aufgenommen worden. Weiterhin sei nicht erkennbar, dass in den Fällen, in denen die Beklagte eine Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V vorgenommen habe, auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 2 und/oder 3 SGB V vorgelegen hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von DM 32.884,08 zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben dargelegt, dass die Anrechnung der im Kostenerstattungsverfahren erbrachten Leistungen bei der Zahlung der Gesamtvergütung rechtlich zulässig sei. Denn die Gesamtvergütung werde für die gesamte (vertragsärztliche) ambulante Versorgung geleistet und ambulante Operationen seien der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen. Eine Anrechnung der Kostenerstattungsleistung auf die Gesamtvergütung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin ihren Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 Abs. 1 SGB V verletzt habe. Denn sie habe sich im Rahmen der "Operation Phönix" mit den Berufsverbänden der ambulant operierten Ärzte in Nordrhein darauf verständigt gehabt, derartige Operationen nur noch auf der Basis der Kostenerstattung durchzuführen und abzurechnen. Dies habe dazu geführt, dass die Versicherten (Patienten) in die Kostenerstattung gedrängt worden seien. Bei der Entscheidung für das Kostenerstattungsverfahren sei die Initiative - entgegen § 21 Abs. 2 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages - nicht von den Versicherten, sondern von den jeweiligen Vertragsärzten ausgegangen. Für den in diesem Verhalten liegenden erheblichen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten habe die Klägerin gegenüber der Beklagten einzustehen. Bei einer derartigen Konstellation im streitigen Zeitraum sei es der Beklagten - wie auch den übrigen Krankenkassen - nur noch möglich gewesen, quasi im Wege der Ersatzvornahme die Sicherstellung der ambulanten Versorgung zu gewährleisten. Die damit verbundene zusätzliche finanzielle Belastung der Beklagten wäre nicht eingetreten, wenn die Vertragsärzte die entsprechenden ambulanten Operationen als Sachleistung im Rahmen des ihnen und der Klägerin obliegenden Sicherstellungsauftrages erbracht hätten. Es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, die im Zusammenhang mit der "Operation Phönix" entstandene Versorgungslücke im Bereich der ambulanten Operationen durch geeignete Maßnahmen (Punktwertstützung etc.) zu schließen. Die Klägerin habe jedoch vielmehr die "Operation Phönix" indirekt dadurch unterstützt, dass sie auch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel der Disziplinierung nicht genutzt habe.
Mit Urteil vom 09.01.2002 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung in der vereinbarten (ungekürzten) Höhe; zwar seien Kostenerstattungen grundsätzlich von der Gesamtvergütung in Abzug zu bringen, jedoch lägen die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V nicht vor. Die Einbehaltung eines Teils der Gesamtvergütung lasse sich auch nicht als Sanktion eines unrechtmäßigen Verhaltens der Klägerin rechtfertigen, da nicht das pflichtwidrige Verhalten einzelner Vertragsärzte oder der Klägerin für die eingetretenen Nachteile ursächlich sei, sondern die unzureichene Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des § 13 SGB V durch die Beklagte.
Dagegen haben die Beklagte und die Beigeladenen Berufung eingelegt. Zur Begründung verweisen sie auf eine Entscheidung des SG München (S 42 KA 83/01), das eine Klage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern gegen die Deutsche Angestellten Krankenkasse mit der Begründung abgewiesen hat, die klagende Kassenärztliche Vereinigung Bayern habe ihre Sicherstellungsverpflichtung verletzt. Im Übrigen tragen sie vor, durch das pflichtwidrige Verhalten der Vertragsärzte habe die Klägerin ihren Sicherstellungsauftrag nicht mehr erfüllen können, sie habe jedoch die Vertragsärzte zu keinem Zeitpunkt an dem pflichtwidrigen Verhalten gehindert, sondern vielmehr die Vertragsärzte durch die Bestimmung in § 2 Abs. 2 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in der damaligen Verfassung zu diesem Verhalten angeregt.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.01.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind unbegründet. Das SG hat die Beklagte zutreffend zur Zahlung des streitigen Anteiles an der Gesamtvergütung verurteilt, denn die Beklagte ist nicht berechtigt, die im Wege der Kostenerstattung gezahlten Beträge von der Gesamtvergütung für die streitigen Quartale abzuziehen. Sie hat weder ein Einbehaltungsrecht noch kann sie mit einem Schadensersatzanspruch aufgrund von Pflichtverletzungen seitens der Klägerin aufrechnen.
Die Beklagte hat kein Recht auf Einbehaltung von Teilen der Gesamtvergütung in Höhe derjenigen Kosten, die ihr infolge von Kostenerstattungsleistungen in den streitigen Quartalen entstanden sind. Dem steht - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - nicht entgegen, dass erst mit Wirkung vom 01.01.1999 § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V bei Ausgaben für Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V eine Anrechenbarkeit auf die Gesamtvergütung bestimmt. Denn - wie das SG zutreffend dargelegt hat - handelt es sich bei der mit Wirkung vom 01.01.1999 vorgenommenen Anpassung von § 85 Abs. 2 SGB V nicht um eine materielle Änderung der Rechtslage, sondern lediglich um eine Klarstellung des gesetzgeberischen Willen (BT-Drucksache 14/24 zu § 85).
Einem Einbehaltungsrecht der Beklagten steht jedoch entgegen, dass die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V nicht vorgelegen haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Bevollmächtigte der Beklagten und der Beigeladenen nochmals klargestellt, dass die dem Einbehaltungsanspruch zugrundeliegenden Kostenerstattungen nicht Behandlungsfälle von Versicherten betroffen hätten, die entsprechend den Vorgaben der Satzung der Beklagten anstelle der Sach- oder Dienstleistung eine Kostenerstattung gewählt hätten.
Aus den gleichen Gründen scheidet ein Einbehaltungsrecht der Beklagten - wie das SG bereits zutreffend angenommen hat - auch aus, soweit eine Kostenerstattung auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützt worden ist.
Dabei neigt der erkennende Senat bereits dazu - entgegen der Rechtsansicht des SG - in Behandlungsfällen, in denen die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V erfolgt ist, eine Anrechenbarkeit dieser Beträge auf die Gesamtvergütung generell auszuschließen. Denn § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V in der Fassung ab 01.01.1999, der den gesetzgeberischen Willen auch für den Zeitraum der streitigen Quartale dokumentiert, umfasst von seinem Wortlaut her nur die Kostenerstattungsfälle gemäß § 13 Abs. 2 SGB V. Da § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V bezüglich der Anrechenbarkeit auf die Gesamtvergütung neben § 13 Abs. 2 SGB V Leistungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 und 30 Abs. 3 Satz 1 SGB V aufführt, wird deutlich, dass eine Anrechnung auf die Gesamtvergütung nur für derartige Leistungen in Betracht kommen soll, die im System der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich angeboten werden und für die die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt wird. Die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V betrifft jedoch Leistungen, die gerade im vertragsärtzlichen Versorgungssystem nicht angeboten werden (sogenannten Systemversagens). Da die von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung derartige im vertragsärztlichen Versorgungssystem nicht vorhandene Leistungen nicht beinhaltet, kann auch eine Anrechnung der für diese Leistung entstandenen Kosten auf die Gesamtvergütung nicht erfolgen.
Der Senat muss diese Rechtsfrage jedoch letztlich nicht entscheiden, da die Beklagte und die Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch insofern klargestellt haben, dass zwar ein durch die betreffenden Vertragsärzte künstlich geschaffenes Systemversagen in einem bestimmten Umfange vorgelegen habe, jedoch die Versicherten die entsprechenden Leistungen nicht unter Einhaltung des sogenannten Beschaffungsweges erhalten hätten. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Ein Einbehaltungsrecht der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen pflichtwidrigen Verhaltens gegeben ist. Der Senat geht grundsätzlich - wie das SG München - davon aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen mit Schadensersatzansprüchen aufgrund von Pflichtverletzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen aufrechnen können. Jedoch lassen sich Pflichtverletzungen der Klägerin, die Schadensersatzansprüche begründen könnten, nicht feststellen.
Die Klägerin hat nicht gegen die ihr obliegende Pflicht der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 SGB V verstoßen. In den streitigen Quartalen ist nämlich trotz des pflichtwidrigen Verhaltens einer nicht unerheblichen Zahl von Vertragsärzten die vertragsärztliche Versorgung im Bereich ambulanter Operationen immer sichergestellt gewesen. Denn an der "Operationen Phönix" haben zum einen nicht alle ambulant operierenden Ärzte teilgenommen und auch die Ärzte, die an dieser "Operation Phönix" teilgenommen haben, haben ambulante Operationen nicht nur im Wege des Kostenerstattungsverfahrens nach Privatliquidation, sondern auch als Sachleistung erbracht. Dies ergibt sich aus dem Verfahren L 11 KA 94/02 und dem Senatsurteil in diesem Verfahrem vom 30.10.2002, das zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist. Denn selbst der dort betroffene Vertragsarzt, der in seiner Eigenschaft als erster Vorsitzender des Bundesverbandes für ambulantes Operieren e.V. die "Operation Phönix" massiv unterstützt hat, hat ambulante Operationen als Sachleistung - wenn auch zeitlich verzögert - in nicht unerheblichen Maße erbracht. Zu der Vielzahl der Kostenerstattungsverfahren und den damit für die betroffenen Krankenkassen verbundenen Kosten ist es vielmehr deshalb gekommen, weil die Krankenkassen - wie auch die Beklagte - entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht ordnungsgemäß geprüft haben. Denn sie hätten feststellen können und müssen, dass die Erbringung dieser vertragsärztlichen Leistungen als Sachleistung durch Vertragsärzte während des gesamten streitigen Zeitraumes sichergestellt war. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es in bestimmten Regionen innerhalb des Bezirks der Klägerin zeitweise nicht ohne zeitliche Verzögerung möglich gewesen ist, ambulante Operationen als Sachleistung zu erhalten. Andererseits steht jedoch fest, dass im gesamten Bezirk der Klägerin ambulante Operationen durch Vertragsärzte und/oder ermächtigte Ärzte in ausreichendem Maße erbracht worden sind.
Eine Pflichtverletzung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem unterlassenen Einwirken auf die an der "Operation Phönix" teilnehmenden Vertragsärzte. Denn die Klägerin hat in der Ausgabe 7/97 der KVNO-Aktuell die Vertragsärzte darüber informiert, dass allein der Versicherte das Recht habe, die Kostenerstattung zu wählen; es handele sich nicht um ein Recht des Arztes; der Vertragsarzt dürfe seine Behandlung nicht davon abhängig machen, welche Art und Vergütung der Behandlung der Patient wähle. Darüberhinaus hat die Klägerin - anders als die klagende Kassenärztliche Vereinigung Bayern nach den Feststellungen des SG München - bei Bekanntwerden eines entsprechenden Verhaltens eines Vertragsarztes diesen persönlich auf die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen. Letztlich sind auch Gespräche mit den entsprechenden Mitgliedern des Berufsverbandes ambulant operierender Ärzte geführt worden. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem vom Senat entschiedenen Verfahren L 11 KA 94/02, sowie dem Urteil vom 30.10.2002 das zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.
Eine Pflichtverletzung seitens der Klägerin kann auch nicht darin gesehen werden, dass sie in § 2 Abs. 2 Satz 2 HVM eine Regelung aufgenommen hatte, die mittelbar einen Anreiz zu einem vertragswidrigen Verhalten der Vertragsärzte geschaffen hat. Denn diese Bestimmung im HVM der Klägerin ist bereits durch Aufsichtsanordnung vom 28.01.1998 mit Anordnung des Sofortvollzuges beanstandet worden. Die Annahme der Beklagten und der Beigeladenen, die Klägerin habe durch die Aufnahme dieser HVM-Bestimmung den an der "Operation Phönix" teilnehmenden Vertragsärzten damit zumindest teilweise eine Unterstützung zukommen lassen wollen, ist für den Senat durchaus nachvollziehbar, jedoch kann darin nur ein untauglicher Versuch gesehen werden, da diese Regelung aufgrund der aufsichtsbehördlichen Beanstandung mit Sofortvollzug keinen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten der Vertragsärzte haben konnte.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG insbesondere im Hinblick auf vergleichbare bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängige Verfahren (z.B. LSG München) zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zahlung eines Gesamtvergütungsanteiles in Höhe von 16.813,34 EURO.
Die Beklagte hat den streitigen Teil der von ihr zu zahlenden Gesamtvergütung im Quartal IV/1997 zurückbehalten. Sie hat mit Leistungen, die sie im Wege der Kostenerstattung in den Quartalen IV/1997 bis III/1998 gegenüber ihren Versicherten erbracht hat, aufgerechnet. Diese betrafen Leistungen im Zusammenhang mit ambulanten Operationen durch zugelassene Vertragsärzte, die diese Leistungen nur gegen Privatliquidation erbracht haben ("Operation Phönix").
Die Klägerin hat Klage auf Zahlung des streitigen Betrages erhoben, nachdem die Beklagte - wie zuvor angekündigt - die entsprechende Abschlagzahlung auf die Gesamtvergütung um den streitigen Betrag gemindert hatte. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei keine gesetzliche Grundlage erkennbar, die die Beklagte berechtige, von ihr gemäß § 13 SGB V erstattete Kosten bei der Zahlung der Gesamtvergütung in Abzug zu bringen. Erst mit Wirkung zum 01.01.1999 sei eine derartige Bestimmung in § 85 SGB V aufgenommen worden. Weiterhin sei nicht erkennbar, dass in den Fällen, in denen die Beklagte eine Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V vorgenommen habe, auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 2 und/oder 3 SGB V vorgelegen hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von DM 32.884,08 zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladenen haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben dargelegt, dass die Anrechnung der im Kostenerstattungsverfahren erbrachten Leistungen bei der Zahlung der Gesamtvergütung rechtlich zulässig sei. Denn die Gesamtvergütung werde für die gesamte (vertragsärztliche) ambulante Versorgung geleistet und ambulante Operationen seien der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen. Eine Anrechnung der Kostenerstattungsleistung auf die Gesamtvergütung sei auch deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin ihren Sicherstellungsauftrag gemäß § 75 Abs. 1 SGB V verletzt habe. Denn sie habe sich im Rahmen der "Operation Phönix" mit den Berufsverbänden der ambulant operierten Ärzte in Nordrhein darauf verständigt gehabt, derartige Operationen nur noch auf der Basis der Kostenerstattung durchzuführen und abzurechnen. Dies habe dazu geführt, dass die Versicherten (Patienten) in die Kostenerstattung gedrängt worden seien. Bei der Entscheidung für das Kostenerstattungsverfahren sei die Initiative - entgegen § 21 Abs. 2 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages - nicht von den Versicherten, sondern von den jeweiligen Vertragsärzten ausgegangen. Für den in diesem Verhalten liegenden erheblichen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten habe die Klägerin gegenüber der Beklagten einzustehen. Bei einer derartigen Konstellation im streitigen Zeitraum sei es der Beklagten - wie auch den übrigen Krankenkassen - nur noch möglich gewesen, quasi im Wege der Ersatzvornahme die Sicherstellung der ambulanten Versorgung zu gewährleisten. Die damit verbundene zusätzliche finanzielle Belastung der Beklagten wäre nicht eingetreten, wenn die Vertragsärzte die entsprechenden ambulanten Operationen als Sachleistung im Rahmen des ihnen und der Klägerin obliegenden Sicherstellungsauftrages erbracht hätten. Es sei Aufgabe der Klägerin gewesen, die im Zusammenhang mit der "Operation Phönix" entstandene Versorgungslücke im Bereich der ambulanten Operationen durch geeignete Maßnahmen (Punktwertstützung etc.) zu schließen. Die Klägerin habe jedoch vielmehr die "Operation Phönix" indirekt dadurch unterstützt, dass sie auch die ihr zur Verfügung stehenden Mittel der Disziplinierung nicht genutzt habe.
Mit Urteil vom 09.01.2002 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung der Gesamtvergütung in der vereinbarten (ungekürzten) Höhe; zwar seien Kostenerstattungen grundsätzlich von der Gesamtvergütung in Abzug zu bringen, jedoch lägen die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Kostenerstattung gemäß § 13 SGB V nicht vor. Die Einbehaltung eines Teils der Gesamtvergütung lasse sich auch nicht als Sanktion eines unrechtmäßigen Verhaltens der Klägerin rechtfertigen, da nicht das pflichtwidrige Verhalten einzelner Vertragsärzte oder der Klägerin für die eingetretenen Nachteile ursächlich sei, sondern die unzureichene Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des § 13 SGB V durch die Beklagte.
Dagegen haben die Beklagte und die Beigeladenen Berufung eingelegt. Zur Begründung verweisen sie auf eine Entscheidung des SG München (S 42 KA 83/01), das eine Klage der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern gegen die Deutsche Angestellten Krankenkasse mit der Begründung abgewiesen hat, die klagende Kassenärztliche Vereinigung Bayern habe ihre Sicherstellungsverpflichtung verletzt. Im Übrigen tragen sie vor, durch das pflichtwidrige Verhalten der Vertragsärzte habe die Klägerin ihren Sicherstellungsauftrag nicht mehr erfüllen können, sie habe jedoch die Vertragsärzte zu keinem Zeitpunkt an dem pflichtwidrigen Verhalten gehindert, sondern vielmehr die Vertragsärzte durch die Bestimmung in § 2 Abs. 2 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) in der damaligen Verfassung zu diesem Verhalten angeregt.
Die Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.01.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen sind unbegründet. Das SG hat die Beklagte zutreffend zur Zahlung des streitigen Anteiles an der Gesamtvergütung verurteilt, denn die Beklagte ist nicht berechtigt, die im Wege der Kostenerstattung gezahlten Beträge von der Gesamtvergütung für die streitigen Quartale abzuziehen. Sie hat weder ein Einbehaltungsrecht noch kann sie mit einem Schadensersatzanspruch aufgrund von Pflichtverletzungen seitens der Klägerin aufrechnen.
Die Beklagte hat kein Recht auf Einbehaltung von Teilen der Gesamtvergütung in Höhe derjenigen Kosten, die ihr infolge von Kostenerstattungsleistungen in den streitigen Quartalen entstanden sind. Dem steht - entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin - nicht entgegen, dass erst mit Wirkung vom 01.01.1999 § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V bei Ausgaben für Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V eine Anrechenbarkeit auf die Gesamtvergütung bestimmt. Denn - wie das SG zutreffend dargelegt hat - handelt es sich bei der mit Wirkung vom 01.01.1999 vorgenommenen Anpassung von § 85 Abs. 2 SGB V nicht um eine materielle Änderung der Rechtslage, sondern lediglich um eine Klarstellung des gesetzgeberischen Willen (BT-Drucksache 14/24 zu § 85).
Einem Einbehaltungsrecht der Beklagten steht jedoch entgegen, dass die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V nicht vorgelegen haben. In der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat hat der Bevollmächtigte der Beklagten und der Beigeladenen nochmals klargestellt, dass die dem Einbehaltungsanspruch zugrundeliegenden Kostenerstattungen nicht Behandlungsfälle von Versicherten betroffen hätten, die entsprechend den Vorgaben der Satzung der Beklagten anstelle der Sach- oder Dienstleistung eine Kostenerstattung gewählt hätten.
Aus den gleichen Gründen scheidet ein Einbehaltungsrecht der Beklagten - wie das SG bereits zutreffend angenommen hat - auch aus, soweit eine Kostenerstattung auf § 13 Abs. 3 SGB V gestützt worden ist.
Dabei neigt der erkennende Senat bereits dazu - entgegen der Rechtsansicht des SG - in Behandlungsfällen, in denen die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V erfolgt ist, eine Anrechenbarkeit dieser Beträge auf die Gesamtvergütung generell auszuschließen. Denn § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V in der Fassung ab 01.01.1999, der den gesetzgeberischen Willen auch für den Zeitraum der streitigen Quartale dokumentiert, umfasst von seinem Wortlaut her nur die Kostenerstattungsfälle gemäß § 13 Abs. 2 SGB V. Da § 85 Abs. 2 Satz 8 SGB V bezüglich der Anrechenbarkeit auf die Gesamtvergütung neben § 13 Abs. 2 SGB V Leistungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 3 und 30 Abs. 3 Satz 1 SGB V aufführt, wird deutlich, dass eine Anrechnung auf die Gesamtvergütung nur für derartige Leistungen in Betracht kommen soll, die im System der vertragsärztlichen Versorgung grundsätzlich angeboten werden und für die die Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt wird. Die Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V betrifft jedoch Leistungen, die gerade im vertragsärtzlichen Versorgungssystem nicht angeboten werden (sogenannten Systemversagens). Da die von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung derartige im vertragsärztlichen Versorgungssystem nicht vorhandene Leistungen nicht beinhaltet, kann auch eine Anrechnung der für diese Leistung entstandenen Kosten auf die Gesamtvergütung nicht erfolgen.
Der Senat muss diese Rechtsfrage jedoch letztlich nicht entscheiden, da die Beklagte und die Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch insofern klargestellt haben, dass zwar ein durch die betreffenden Vertragsärzte künstlich geschaffenes Systemversagen in einem bestimmten Umfange vorgelegen habe, jedoch die Versicherten die entsprechenden Leistungen nicht unter Einhaltung des sogenannten Beschaffungsweges erhalten hätten. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.
Ein Einbehaltungsrecht der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass eine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen pflichtwidrigen Verhaltens gegeben ist. Der Senat geht grundsätzlich - wie das SG München - davon aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen mit Schadensersatzansprüchen aufgrund von Pflichtverletzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen aufrechnen können. Jedoch lassen sich Pflichtverletzungen der Klägerin, die Schadensersatzansprüche begründen könnten, nicht feststellen.
Die Klägerin hat nicht gegen die ihr obliegende Pflicht der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 75 SGB V verstoßen. In den streitigen Quartalen ist nämlich trotz des pflichtwidrigen Verhaltens einer nicht unerheblichen Zahl von Vertragsärzten die vertragsärztliche Versorgung im Bereich ambulanter Operationen immer sichergestellt gewesen. Denn an der "Operationen Phönix" haben zum einen nicht alle ambulant operierenden Ärzte teilgenommen und auch die Ärzte, die an dieser "Operation Phönix" teilgenommen haben, haben ambulante Operationen nicht nur im Wege des Kostenerstattungsverfahrens nach Privatliquidation, sondern auch als Sachleistung erbracht. Dies ergibt sich aus dem Verfahren L 11 KA 94/02 und dem Senatsurteil in diesem Verfahrem vom 30.10.2002, das zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist. Denn selbst der dort betroffene Vertragsarzt, der in seiner Eigenschaft als erster Vorsitzender des Bundesverbandes für ambulantes Operieren e.V. die "Operation Phönix" massiv unterstützt hat, hat ambulante Operationen als Sachleistung - wenn auch zeitlich verzögert - in nicht unerheblichen Maße erbracht. Zu der Vielzahl der Kostenerstattungsverfahren und den damit für die betroffenen Krankenkassen verbundenen Kosten ist es vielmehr deshalb gekommen, weil die Krankenkassen - wie auch die Beklagte - entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht ordnungsgemäß geprüft haben. Denn sie hätten feststellen können und müssen, dass die Erbringung dieser vertragsärztlichen Leistungen als Sachleistung durch Vertragsärzte während des gesamten streitigen Zeitraumes sichergestellt war. Der Senat verkennt dabei nicht, dass es in bestimmten Regionen innerhalb des Bezirks der Klägerin zeitweise nicht ohne zeitliche Verzögerung möglich gewesen ist, ambulante Operationen als Sachleistung zu erhalten. Andererseits steht jedoch fest, dass im gesamten Bezirk der Klägerin ambulante Operationen durch Vertragsärzte und/oder ermächtigte Ärzte in ausreichendem Maße erbracht worden sind.
Eine Pflichtverletzung der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem unterlassenen Einwirken auf die an der "Operation Phönix" teilnehmenden Vertragsärzte. Denn die Klägerin hat in der Ausgabe 7/97 der KVNO-Aktuell die Vertragsärzte darüber informiert, dass allein der Versicherte das Recht habe, die Kostenerstattung zu wählen; es handele sich nicht um ein Recht des Arztes; der Vertragsarzt dürfe seine Behandlung nicht davon abhängig machen, welche Art und Vergütung der Behandlung der Patient wähle. Darüberhinaus hat die Klägerin - anders als die klagende Kassenärztliche Vereinigung Bayern nach den Feststellungen des SG München - bei Bekanntwerden eines entsprechenden Verhaltens eines Vertragsarztes diesen persönlich auf die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen. Letztlich sind auch Gespräche mit den entsprechenden Mitgliedern des Berufsverbandes ambulant operierender Ärzte geführt worden. Dies ergibt sich ebenfalls aus dem vom Senat entschiedenen Verfahren L 11 KA 94/02, sowie dem Urteil vom 30.10.2002 das zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.
Eine Pflichtverletzung seitens der Klägerin kann auch nicht darin gesehen werden, dass sie in § 2 Abs. 2 Satz 2 HVM eine Regelung aufgenommen hatte, die mittelbar einen Anreiz zu einem vertragswidrigen Verhalten der Vertragsärzte geschaffen hat. Denn diese Bestimmung im HVM der Klägerin ist bereits durch Aufsichtsanordnung vom 28.01.1998 mit Anordnung des Sofortvollzuges beanstandet worden. Die Annahme der Beklagten und der Beigeladenen, die Klägerin habe durch die Aufnahme dieser HVM-Bestimmung den an der "Operation Phönix" teilnehmenden Vertragsärzten damit zumindest teilweise eine Unterstützung zukommen lassen wollen, ist für den Senat durchaus nachvollziehbar, jedoch kann darin nur ein untauglicher Versuch gesehen werden, da diese Regelung aufgrund der aufsichtsbehördlichen Beanstandung mit Sofortvollzug keinen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten der Vertragsärzte haben konnte.
Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG insbesondere im Hinblick auf vergleichbare bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängige Verfahren (z.B. LSG München) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved