L 13 EG 15/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 EG 11/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 15/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 2/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Dezember 2001 wird zurückgewiesen. Aussergerichtliche Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Erziehungsgeld für die Betreuung des am 00.00.1997 geborenen Kindes T.

Die Klägerin ist, ebenso wie ihr Ehemann und Vater des Kindes, Staatsangehörige von Sri Lanka. Sie hält sich seit ihrer Einreise ins Bundesgebiet, die nach ihren eigenen Angaben 1988 stattfand, mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes in Deutschland auf und wurde nie ausländerbehördlich erfasst. Ihr Ehemann ist, jedenfalls seit dem 01.05.1993, als Fahrer im Status einer sog. Ortskraft bei der Botschaft des Königreichs M beschäftigt. Die Eheleute sind im Besitz eines vom Auswärtigen Amt ausgestellten, befristeten Protokollausweises bzw. Dienstvisums. Die Familie zählt nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht zum Personenkreis der Diplomaten im Sinne des Art. 33 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (WÜD). Sie unterliegt in vollem Umfang den deutschen Vorschriften über soziale Sicherheit sowie dem Steuerrecht.

Das beklagte Land lehnte mit Bescheid vom 30.12.1999/Widerspruchsbescheid vom 03.02.2000 den am 02.12.1999 gestellten Erziehungsgeldantrag der Klägerin ab, weil diese weder im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, noch -erlaubnis sei. Sie sei im Übrigen als Ehefrau eines Mitgliedes des dienstlichen Hauspersonals der Botschaft des Königreichs M von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften und damit auch des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) ausgenommen, denn dessen Vorschriften seien nicht anwendbar auf Mitglieder und Beschäftigte diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen, was sich aus Art. 33 Satz 1 und Art. 37 Abs. 1 und 2 WÜD ergebe.

Die Klägerin hat am 03.03.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Sie hat ausgeführt, sie sei, ebenso wie ihr Ehemann, vom Auswärtigen Amt als ständig ansässig eingruppiert und auch nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Im übrigen habe die Mehrzahl der Ortskräfte von Botschaften in den Jahren 1991 bis 1994/95 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Ihr Status unterscheide sich von diesen Familien nicht.

Das SG hat Auskünfte der Ausländerbehörde der Stadt Bonn sowie des Auswärtigen Amtes eingeholt und mit Urteil vom 10.12.2001 die auf Erziehungsgeld vom Juni bis Dezember 1999 gerichtete Klage abgewiesen: Es könne dahinstehen, ob die Klägerin und ihr Ehemann nach Art. 33 WÜD von den Vorschriften über die soziale Sicherheit sowie von der Steuerpflicht befreit seien, denn Voraussetzung für den Bezug von Erziehungsgeld sei allein der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.01.2002 zugestellte Urteil am 19.02.2002 Berufung eingelegt. Sie wiederholt ihre Auffassung, sie habe von 1991 bis 1994 Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt. Seit der erneuten Befreiung der Ortskräfte und ihrer Angehörigen von der Aufenthaltserlaubnispflicht seien die Protokollausweise und Dienstvisa des Auswärtigen Amtes ihrem Inhalt ohne weiteres nach als Aufenthaltserlaubnis im Sinne des BErzGG zu werten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Dezember 2001 zu ändern und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 30.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2000 zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für die Betreuung von T für die Zeit vom 01.06.1999 bis 31.12.1999 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es vertritt die Ansicht, der Protokollausweis der Klägerin entspreche keinem anspruchsbegründenden Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs. 1 BErzGG. Die Klägerin habe vielmehr bei Beendigung der Beschäftigung ihres Ehemannes das Bundesgebiet zu verlassen und sei damit nicht als ständig ansässig anzusehen.

Der Senat hat Auskünfte des Auswärtigen Amtes, der Ausländerbehörde der Stadt Bonn sowie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BFSFJ) eingeholt und den Beteiligten übermittelt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des beklagten Landes Bezug genommen. Auch diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für die Betreuung von T.

Nach § 1 des BerzGG in der hier maßgeblichen Fassung vom 31.01.1994 (a.F.) hat Anspruch auf Erziehungsgeld, wer

1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte,

2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte,

3. dieses Kind selbst betreute und erzog und

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte.

Gem. Abs. 1 a der Bestimmung war für den Anspruch eines Ausländers ausserdem Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis war.

Allerdings war die Klägerin nicht von vornherein durch Art. 33 WÜD vom Bezug des Erziehungsgeldes ausgeschlossen. Zwar war der Ehemann der Klägerin Ortskraft der Botschaft des Königreichs M. Dennoch kam für sie Art. 33 WÜD nicht zur Anwendung, was das zuständige Auswärtige Amt ausdrücklich mitgeteilt hat (a.A. für den Personenkreis der Ortskräfte von Konsulaten und die Parallelvorschrift des Art. 48 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 - WÜK: Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 29.01.2002, B 10/14 EG 1/00 R in BSGE 89, 124 ff.). Dementsprechend war der Ehemann der Klägerin pflichtversichert sowohl in der Kranken- Renten- als auch in der Arbeitslosenversicherung; für die Klägerin bestand in der gesetzlichen Krankenversicherung eine Familienversicherung. Damit finden auch für die Klägerin die Bestimmungen des BErzGG a.F. Anwendung. Es gilt für sie daher auch § 1 Abs 1a BErzGG aF, wonach für den Anspruch eines Ausländers Voraussetzung war, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis war. Unstreitig war die Klägerin niemals im Besitz eines solchen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels.

Nach Auffasung des Senats kann der durch das Auswärtige Amt ausgestellte Protokollausweis bzw. das Dienstvisum einer Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis hier nicht gleichgestellt werden (offengelassen für den Bereich des Kindergeldrechts: Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 20.02.1998, VI B 205/97 in BFH/NV 1998, 963 - 965). Jedenfalls im Erziehungsgeldrecht ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 02.10.1997, 14 REg 1/97 in SozR 3-1200 § 14 Nr. 24 m.w.N.) der Erziehungsgeldanspruch von Nicht-EG-Ausländern an den Besitz der in § 1a BErzGG a.F. ausdrücklich genannten Aufenthaltstitel gebunden.

Dabei muss das Aufenthaltsrecht durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des Leistungszeitraums förmlich festgestellt sein. Nicht ausreichend für den Bezug der Leistung ist hingegen der Umstand, dass einem Ausländer ggf. ein materieller Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zustand. Der Entscheidung der Ausländerbehörde - etwa auch in Form eines Anerkenntnisses oder einer Zusicherung - kommt für das Erziehungsgeldrecht eine sog. Tatbestandswirkung zu (BSG in SozR 4 - 6720 Art. 38 Nr. 1 unter Hinweis auf SozR 3 - 7833 § 1 Nr. 12). Diese strenge und formale Handhabung der gesetzlichen Vorschriften folgt aus dem Gesetzeszweck. Die Erziehungsgeldbehörden sollen selbst nicht ermitteln und entscheiden müssen, ob ein Ausländer Anspruch auf Erteilung eines zum Erziehungsgeldbezug berechtigenden Aufenthaltstitel hat. Dies dient auch der Verwaltungsvereinfachung. Hiermit verbundene unvermeidliche Härten sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BSG a.a.O.).

Der durch das Auswärtige Amt ausgestellte Protokollausweis bzw. das Dienstvisum ersetzt den geforderten Aufenthaltstitel nicht. Wegen der Tatbestandswirkung der Feststellungen der Ausländerbehörde ist auch nicht zu prüfen, ob die Rechtsansicht der Klägerin zutrifft, sie habe in der Zeit von 1991 bis 1994 Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Ausländergesetz gehabt. Der Personenkreis der Ortskräfte im Dienste ausländischer Botschaften war mit Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes am 01.01.1991 zunächst nicht mehr vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung befreit (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Ausländergesetz in der seinerzeit gültigen Fassung i.V.m. der Durchführungsverordnung hierzu - DV Ausländergesetz -). Die Ortskräfte erhielten seit dieser Zeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Ausländergesetz zunächst befristete Aufenthaltserlaubnisse bis zum Inkrafttreten einer erneuten Rechtsänderung, die bereits am 26.02.1993 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde (4. Verordnung zur Änderung der DV Ausländergesetze). Seit dieser Zeit sind Ortskräfte im Botschaftsdienst wiederum von der Aufenthaltsgenehmigungspflicht im Sinne des Ausländergesetzes befreit (§ 3 DV Ausländergesetz in der weiter gültigen Fassung), so dass jedenfalls im streitigen Anspruchszeitraum eine Aufenthaltsgenehmigungspflicht der Ortskräfte von Botschaften und deren Familien nicht mehr bestand.

Es kann für die vorliegende Fallgestaltung aber dahinstehen, ob unter Zugrundelegung dieser ausländerrechtlichen Vorgaben entsprechend der Rechtsansicht des vom Senat gehörten BFSFJ Ortskräfte dann einen Erziehungsgeldanspruch haben, wenn ihr Aufenthalt verfestigt ist, was das BFSFJ für den Fall annimmt, dass der bzw. die Antragsteller/in bereits vor Besitz des Dienstvisums bzw. Protokollausweises im Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels war. Jedenfalls auf die Klägerin treffen diese Voraussetzungen nicht zu. Sie war niemals im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung. Dem entspricht, dass sie mit Beendigung der Tätigkeit ihres Ehemanns für eine Botschaft nach der Rechtsansicht des Auswärtigen Amtes Deutschland verlassen muss. Demgegenüber ist es unerheblich, dass das Auswärtige Amt in seinen dem Senat und dem SG mitgeteilten Auskünften die Klägerin und ihren Ehemann dennoch als "ständig ansässig" eingruppiert hat; insofern handelt es sich lediglich um eine unverbindliche Interpretation, die jedoch keine rechtlichen Wirkungen auslösen kann.

Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung des § 1 BErzGG a.F. in der Ausgestaltung, wie sie sie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erfahren hat (vgl. u.a. Urteil des BSG vom 02.10.1997 a.a.O., m.w.N.), im vorliegenden Fall zu einem nicht befriedigendem Ergebnis führen mag, zumal sowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann sich bereits seit langem in Deutschland aufhalten und derzeit in vollem Umfang in das deutsche System der sozialen Sicherheit und das Steuerrecht integriert sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen. Das Urteil des BSG vom 29.01.2002 (B 10/14 EG 1/00 R ist wegen einer offenbar anderen Sachlage nicht einschlägig.
Rechtskraft
Aus
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