Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 RJ 63/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 98/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 4/04 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 05.November 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Januar 2001.
Die im Oktober 1953 geborene Klägerin stammt aus I/Oberschlesien, ist Vertriebene mit dem Vertriebenenausweis A und hat in Polen eine Ausbildung zur Wirtschaftstechnikerin erfolgreich durchlaufen. Bis zu ihrer Ausreise im März 1989 übte sie diesen Beruf aus, der in Deutschland Bürokaufleuten gleichgestellt ist. Ihre Beschäftigungszeiten in Polen hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nach dem Fremdrentengesetz (FRG) aufgrund des Deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 09. Oktober 1975 (DPSVA) als nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten vorgemerkt (Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1999).
Im Bundesgebiet arbeitete die Klägerin von Mai 1998 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im März 2000 als Produktionshelferin bei der Fa. N T GmbH (Arbeitgeberin) in X. Dort war sie im Wesentlichen mit dem Zusammenstecken von PC-Komponenten, dem Bündeln von Kabeln sowie dem Aufspielen von Software betraut. Nach Auskunft der Arbeitgeberin vom 07. Februar 2002 erforderte diese Tätigkeit eine Anlernzeit von 1 bis 2 Wochen und wurde nach Lohngruppe II a des Einzelhandelstarifvertrags Nordrhein-Westfalen bezahlt. Seitdem geht die Klägerin keiner Beschäftigung mehr nach. Bis August 2001 bezog sie Krankengeld und anschließend Leistungen der Arbeitsverwaltung.
Bei der BfA beantragte die Klägerin am 12. Dezember 2000 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein Attest des niedergelassenen Allgemeinmediziners Dr. G aus B vom 07. Dezember 2000 vor, wonach sie auf Dauer berufsunfähig sei. Die BfA ließ sie durch den niedergelassenen Orthopäden Dr. R aus X und den niedergelassenen Neurologen und Psychiater Dr. T aus B1 untersuchen. Dr. R gab in seinem Gutachten vom 05. Februar 2001 keine Leistungsbeurteilung ab, weil die Klägerin "mit Absicht ihre Beschwerden verstärkt demonstriert" habe; Dr. T sah in seinem Gutachten vom 07. April 2001 aus neu- ropsychiatrischer Sicht keine Leistungseinschränkungen. Nachdem die Beklagte den Rentenvorgang zuständigkeitshalber übernommen hatte, zog sie ein Aktengutachten ihres ärztlichen Dienstes, erstellt von der Internistin, Rheumatologin und Sozialmedizinerin Dr. N aus B1 am 23. Mai 2001, bei. Diese traute der Klägerin noch körperlich mittelschwere Arbeiten ohne andauernde wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, ständiges Klettern, andauernde Überkopfarbeiten sowie ohne ständiges Heben von Lasten vollschichtig zu.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07. Juni 2001 ab, weil "weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit" vorliege. Dagegen erhob die Klägerin am 06. Juli 2001 Widerspruch und fügte zur Begründung ein Attest des niedergelassenen Internisten und Rheumatologen Dr. C aus H vom 12. Juli 2001 bei, wonach sie körperlich leichte Arbeiten "max. halbschichtig" verrichten könne.
Im Widerspruchsverfahren forderte die Beklagte einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. G vom 28. August 2001 an und zog aus dem Klageverfahren S 3 SB 255/01 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen einen Befundbericht des Internisten Dr. C vom 11. Dezember 2001 bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 wies sie den Widerspruch zurück, weil die Klägerin noch leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten könne. Da sie keinen Berufsschutz genieße, komme eine Rentenzahlung nicht in Betracht. Keine günstigere Entscheidung ergebe sich, wenn man das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit berücksichtige, das am 01. Januar 2001 in Kraft getreten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 24. April 2002 Klage vor dem SG Aachen erhoben und vorgetragen, ihr sei der allgemeine Arbeitsmarkt "praktisch verschlossen".
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2002 zu verurteilen, der Klägerin ab 01.01.2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchbescheides bezogen.
Zur Sachaufklärung hat das SG aus dem Klageverfahren S 3 SB 255/01 das internistisch-rheumatologische Gutachten des niedergelassenen Facharztes für Innere Medizin, Rheumatologie und psychotherapeutische Medizin L1 aus B1 vom 30. April 2002 beigezogen und ihn von Amts wegen beauftragt, ein Rentengutachten nach Aktenlage zu erstellen. In seinem Aktengutachten vom 09. September 2002 traute er der Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen "6 bis 8 Stunden" täglich an 5 Tagen in der Woche zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 76 bis 87 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 05. November 2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie als ungelernte bzw. kurzfristig angelernte Arbeiterin mit dem verbliebenen Leistungsvermögen auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Nach Zustellung am 20. November 2002 hat die Klägerin gegen diese Entscheidung am 02. Dezember 2002 Berufung eingelegt und behauptet, ihren erlernten Beruf als Wirtschaftstechnikerin aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben. Außerdem hat sie ein Attest des Internisten Dr. C vom 25. Juni 2002 überreicht, wonach sie beruflich nicht mehr einsetzbar sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 05. November 2002 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. April 2002 zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab dem 01. Januar 2001 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens des Neurologen und Dipl. Psychologen PD Dr. U, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Fachklinik S/S in F, und eines orthopädisch-sozialmedizinischen Hauptgutachtens des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. B, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Rheumatologie ebenda. Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 25. Juli 2003 mutet Dr. B der Klägerin in seinem Hauptgutachten vom 07. August 2003 zumindest noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig zu. Hinsichtlich der übrigen Details wird auf Bl. 192 bis 235 und Bl. 237 bis 261 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil sie rechtmäßig sind.
Der Bescheid vom 07. Juni 2001 und der Widerspruchbescheid vom 16. April 2002 binden die Beteiligten in der Sache (§ 77 SGG), soweit sie der Klägerin Rentenleistungen wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit versagen. In diesem Umfang wurden die Bescheide nämlich bestandskräftig, als die Klägerin in erster Instanz ihr Klagebegehren (konkludent) begrenzte und nur noch beantragte, ihr "ab 01.01.2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen". Gemäß § 157 Satz 1 SGG darf der Senat den Streitfall lediglich in diesem Umfang nachprüfen.
Streitgegenstand ist deshalb nur noch der Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 durch einen neuen, eigenständigen Verwaltungsakt abgelehnt. Eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung liegt deshalb vor. Dieser neue, selbständige Verwaltungsakt, den die Beklagte im Begründungsteil des Widerspruchsbescheids verlautbart hat, ist gem. § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Vorverfahrens und damit auch des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn er den alten, ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt ändert. Diese Regelung ist - wie die Parallelvorschrift des § 96 Abs. 1 SGG - weit auszulegen; maßgeblicher Gesichtspunkt ist der der Prozessökonomie (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 96 Rn. 4). Rechtfertigt dieser Grundgedanke die Einbeziehung und steht der neue Verwaltungsakt mit dem bisherigen Streitstoff in Zusammenhang, so sind die §§ 86 und 96 SGG nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zumindest entsprechend anwendbar (Urteil vom 24. November 1978, Az.: 11 RA 9/78, BSGE 47, 168, 170; Meyer-Ladewig, a.a.O.). Da sämtliche Ablehnungsentscheidungen in demselben Rechtsverhältnis ergangen sind und die Frage behandeln, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat, ist es prozessökonomisch, über beide Verwaltungsakte in einem Verfahren zu entscheiden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1 und 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Denn sie kann nach den überzeugenden Gutachten der Sachverständigen L1, PD Dr. U und Dr. B noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Damit ist Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 3 SGB VI gesetzlich ausgeschlossen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Klägerin nämlich noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten. Auszuschließen sind das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten im Knien oder Hocken, Gerüst- und Leiterarbeiten, häufiges Bücken, Akkord- und häufige Überkopfarbeiten, Nacht- und Wechselschichten sowie Arbeiten im Freien ohne Witterungsschutz unter Einwirkung von Gas, Dampf, Rauch, Hitze, Kälte, Lärm, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. An das geistige Leistungsvermögen können einfache bis mittelschwierige, an die kognitiven Fähigkeiten und die Sinnesleistungen noch durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.
Diese Leistungsbeurteilung beruht im Wesentlichen auf Nacken-Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei geringen bis mäßigen Verschleißveränderungen und leichter Fehlstatik der Lendenwirbelsäule, Schulterbeschwerden rechts im Rahmen abgelaufener Reizzustände des Weichteilmantels, Beinbeschwerden rechts aufgrund des rechten Kniegelenkes und einer abgelaufenen Hüftgelenksentzündung im Kindesalter mit geringen Verschleißanzeichen, einer somatoformen Schmerzstörung, leichten schlafbezogenen Atemstörungen, einem Bluthochdruckleiden, Übergewicht und auf einer Blutarmut.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen entnimmt der Senat dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere den Sachverständigengutachten des Neurologen und Dipl. Psychologen PD Dr. U vom 25. Juli 2003 und des Orthopäden, Rheumatologen und Sozialmediziners Dr. B vom 07. August 2003.
Die Sachverständigen haben die Vorbefunde berücksichtigt, sind den Beschwerden der Klägerin sorgfältig nachgegangen und haben sie klinisch, laborchemisch, elektroneuro- und -enzephalographisch, duplex- und dopplersonographisch, posturographisch, polysomnographisch und densitometrisch untersucht. Dr. B hat Funktionsprüfungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen, die Klägerin anatomisch genau untersucht und die Bewegungsausmaße gemessen sowie aktuelle Röntgenbilder (der Lendenwirbelsäule, rechten Hüfte und Schulter, des rechten Kniegelenks und des Beckens) ausgewertet. PD Dr. U hat die Blutdruckverhältnisse getestet (Schellong-Test), eine transcranielle Magnetstimulation durchgeführt und Nervenpotentiale evoziert.
Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Die Gutachten sind schlüssig, plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei. Sie stimmen überdies in wesentlichen Zügen mit dem Verwaltungsgutachten der Internistin, Rheumatologin und Sozialmedizinerin Dr. N vom 23. Mai 2001 überein, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat.
Die Ausführungen des Sachverständigen L1, die Klägerin könne leichte Arbeiten nur noch "6 bis 8 Stunden" täglich verrichten, können das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erschüttern. Es erscheint bereits fraglich, ob der Sachverständige mit dieser Formulierung überhaupt eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf weniger als 8 Stunden ("untervollschichtig") befürworten wollte. Aber selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin annähme, so würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn eine Versicherte, die noch "6 bis 8 Stunden" täglich arbeiten kann, ist nach der gesetzlichen Regelung - wie das SG zu Recht entschieden hat - keinesfalls erwerbsgemindert.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen hat die Klägerin auch noch Zugang zum Arbeitsmarkt. Denn gemäß § 43 Abs. 3, 2. HS SGB VI ist generell davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechsstündig Einsatzfähige genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, so dass eine konkrete Einzelfallprüfung entbehrlich ist (vgl. BSG, Urteile vom 27. Mai 1977, Az.: 5 RJ 28/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 19, vom 21. September 1977, Az.: 4 RJ 131/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 22 und vom 19. April 1978, Az.: 4 RJ 55/77, SozR 2200 § 1246 Nr. 30). Es liegt auch kein sog. "Katalog- oder Seltenheitsfall" vor (vgl. BSG, Urteile vom 25. Juni 1986, Az.: 4a RJ 55/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 137 und vom 09. September 1986, Az ... 5b RJ 50/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 139), weil die Klägerin wegefähig ist und unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten kann.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 Abs. 1 SGB VI. Denn ihre Erwerbsfähigkeit ist nicht auf weniger als sechs Stunden einer gesunden Vergleichsperson mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Um ihre teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit abzuwenden, kann sie auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihr sozial zugemutet werden können; dabei sind Dauer und Umfang der Ausbildung und des bisherigen Berufs ebenso zu berücksichtigen wie die besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Ausgangspunkt für die Frage einer zumutbaren Verweisung ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs. Um den Verweisungsrahmen zu konkretisieren, hat das BSG zur Rente wegen Berufsunfähigkeit ein Mehrstufenschema entwickelt, das auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entsprechend anwendbar ist. Nach diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe - ausgehend von Umfang und Dauer der Ausbildung - in verschiedene Gruppen eingeteilt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, Az.: 4 RA 60/94, SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Sie sind charakterisiert durch die Leitberufe der Ungelernten, der Angelernten und der Facharbeiterin in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie - basierend auf den besonderen Anforderungen der bisherigen Tätigkeit - durch den Beruf der Facharbeiterin mit Vorgesetztenfunktion bzw. der besonders hochqualifizierten Facharbeiterin. In diesem Rahmen kann die Klägerin im Vergleich zu ihrem bisherigen Beruf allenfalls auf die nächst niedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 02. Dezember 1987, Az.: 1 RA 11/86, DAngVers 1988, 126). Hat sie zuvor keine höherwertigere Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, so ist ihr "bisheriger Beruf" die Beschäftigung, die sie zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 18/01 R).
Bisheriger Beruf der Klägerin ist der der Produktionshelferin. Diese Tätigkeit ist dem Leitberuf der ungelernten Arbeiterin zuzuordnen, weil dafür nur eine Anlernzeit von 1 bis 2 Wochen erforderlich war. Demgemäß ist die Klägerin auf dem Niveau ungelernter Tätigkeiten nach Lohngruppe II a des Einzelhandelstarifvertrags Nordrhein-Westfalen bezahlt worden.
Dagegen ist ihre (höherwertigere) Tätigkeit als Wirtschaftechnikerin in Polen nicht als "bisheriger Beruf" einzuordnen. Zwar ist die Klägerin aufgrund des fremdrentenrechtlichen Eingliederungsprinzips so zu behandeln, als hätte sie im Bundesgebiet bis März 1989 als gelernte Bürokauffrau gearbeitet und dadurch Berufsschutz als Facharbeiterin erworben (vgl. BSG, Urteile vom 18. Dezember 1990, Az.: 8/5a RKn 5/87, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 9 und vom 03. November 1994, Az.: 13 RJ 77/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Diesen Berufsschutz als Facharbeiterin hat sie aber spätestens verloren, als sie im Mai 1998 die minderqualifizierte Tätigkeit als Produktionshelferin aufnahm (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, Az.: 5/12 RJ 132/75, SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Dadurch hat sie sich von ihrem erlernten Beruf endgültig gelöst, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe maßgebend waren. Denn im Mai 1998 konnte die Klägerin ihren erlernten Beruf als Wirtschaftstechnikerin bzw. Bürokauffrau noch vollschichtig und regelmäßig ausüben. Ihre orthopädischen Leiden, auf die sie ihren Rentenanspruch im Wesentlichen stützt, sind nämlich erst im Februar/März 2000 aufgetreten oder haben sich zu diesem Zeitpunkt erheblich verschlechtert. Dies geht aus den Behandlungsberichten des niedergelassenen Orthopäden Dr. L aus F1 vom 03. Mai 2000, des St. Antonius Hospitals in B1 vom 09. Mai 2000, des Internisten und Rheumatologen Dr. C vom 28. November 2000 sowie den Verwaltungsgutachten des Orthopäden Dr. R vom 05. Februar 2001 und des Nervenarztes Dr. T vom 07. April 2001 hervor. Auch bei den Sachverständigen L1 und PD Dr. U hat die Klägerin angegeben, dass sich ihre "gesamte Erkrankung" seit Februar 2000 "deutlich verschlechtert" habe und es "seither bergab" gehe. Gegen eine Berufsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen spricht ferner, dass minderqualifizierte Helfertätigkeiten in der industriellen Produktion im Allgemeinen größere Anforderungen an das körperliche Leistungsvermögen stellen als eine höherqualifizierte Bürotätigkeit. Überdies sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin mit ihrem Restleistungsvermögen einer körperlich leichten Tätigkeit als Bürokauffrau nicht mehr gewachsen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG und trägt der Erfolglosigkeit der Klage Rechnung.
Anlass, die Berufung gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG zuzulassen, besteht nicht
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Januar 2001.
Die im Oktober 1953 geborene Klägerin stammt aus I/Oberschlesien, ist Vertriebene mit dem Vertriebenenausweis A und hat in Polen eine Ausbildung zur Wirtschaftstechnikerin erfolgreich durchlaufen. Bis zu ihrer Ausreise im März 1989 übte sie diesen Beruf aus, der in Deutschland Bürokaufleuten gleichgestellt ist. Ihre Beschäftigungszeiten in Polen hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) nach dem Fremdrentengesetz (FRG) aufgrund des Deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 09. Oktober 1975 (DPSVA) als nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten vorgemerkt (Feststellungsbescheid vom 13. Oktober 1999).
Im Bundesgebiet arbeitete die Klägerin von Mai 1998 bis zum Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit im März 2000 als Produktionshelferin bei der Fa. N T GmbH (Arbeitgeberin) in X. Dort war sie im Wesentlichen mit dem Zusammenstecken von PC-Komponenten, dem Bündeln von Kabeln sowie dem Aufspielen von Software betraut. Nach Auskunft der Arbeitgeberin vom 07. Februar 2002 erforderte diese Tätigkeit eine Anlernzeit von 1 bis 2 Wochen und wurde nach Lohngruppe II a des Einzelhandelstarifvertrags Nordrhein-Westfalen bezahlt. Seitdem geht die Klägerin keiner Beschäftigung mehr nach. Bis August 2001 bezog sie Krankengeld und anschließend Leistungen der Arbeitsverwaltung.
Bei der BfA beantragte die Klägerin am 12. Dezember 2000 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und legte ein Attest des niedergelassenen Allgemeinmediziners Dr. G aus B vom 07. Dezember 2000 vor, wonach sie auf Dauer berufsunfähig sei. Die BfA ließ sie durch den niedergelassenen Orthopäden Dr. R aus X und den niedergelassenen Neurologen und Psychiater Dr. T aus B1 untersuchen. Dr. R gab in seinem Gutachten vom 05. Februar 2001 keine Leistungsbeurteilung ab, weil die Klägerin "mit Absicht ihre Beschwerden verstärkt demonstriert" habe; Dr. T sah in seinem Gutachten vom 07. April 2001 aus neu- ropsychiatrischer Sicht keine Leistungseinschränkungen. Nachdem die Beklagte den Rentenvorgang zuständigkeitshalber übernommen hatte, zog sie ein Aktengutachten ihres ärztlichen Dienstes, erstellt von der Internistin, Rheumatologin und Sozialmedizinerin Dr. N aus B1 am 23. Mai 2001, bei. Diese traute der Klägerin noch körperlich mittelschwere Arbeiten ohne andauernde wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, ständiges Klettern, andauernde Überkopfarbeiten sowie ohne ständiges Heben von Lasten vollschichtig zu.
Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 07. Juni 2001 ab, weil "weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit" vorliege. Dagegen erhob die Klägerin am 06. Juli 2001 Widerspruch und fügte zur Begründung ein Attest des niedergelassenen Internisten und Rheumatologen Dr. C aus H vom 12. Juli 2001 bei, wonach sie körperlich leichte Arbeiten "max. halbschichtig" verrichten könne.
Im Widerspruchsverfahren forderte die Beklagte einen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. G vom 28. August 2001 an und zog aus dem Klageverfahren S 3 SB 255/01 vor dem Sozialgericht (SG) Aachen einen Befundbericht des Internisten Dr. C vom 11. Dezember 2001 bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 wies sie den Widerspruch zurück, weil die Klägerin noch leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig verrichten könne. Da sie keinen Berufsschutz genieße, komme eine Rentenzahlung nicht in Betracht. Keine günstigere Entscheidung ergebe sich, wenn man das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit berücksichtige, das am 01. Januar 2001 in Kraft getreten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 24. April 2002 Klage vor dem SG Aachen erhoben und vorgetragen, ihr sei der allgemeine Arbeitsmarkt "praktisch verschlossen".
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 07.06.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.04.2002 zu verurteilen, der Klägerin ab 01.01.2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich in ihrer Klageerwiderung im Wesentlichen auf die Gründe des Widerspruchbescheides bezogen.
Zur Sachaufklärung hat das SG aus dem Klageverfahren S 3 SB 255/01 das internistisch-rheumatologische Gutachten des niedergelassenen Facharztes für Innere Medizin, Rheumatologie und psychotherapeutische Medizin L1 aus B1 vom 30. April 2002 beigezogen und ihn von Amts wegen beauftragt, ein Rentengutachten nach Aktenlage zu erstellen. In seinem Aktengutachten vom 09. September 2002 traute er der Klägerin nur noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen "6 bis 8 Stunden" täglich an 5 Tagen in der Woche zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 76 bis 87 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 05. November 2002 hat das SG die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei weder vollständig noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie als ungelernte bzw. kurzfristig angelernte Arbeiterin mit dem verbliebenen Leistungsvermögen auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Nach Zustellung am 20. November 2002 hat die Klägerin gegen diese Entscheidung am 02. Dezember 2002 Berufung eingelegt und behauptet, ihren erlernten Beruf als Wirtschaftstechnikerin aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben. Außerdem hat sie ein Attest des Internisten Dr. C vom 25. Juni 2002 überreicht, wonach sie beruflich nicht mehr einsetzbar sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 05. November 2002 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 16. April 2002 zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab dem 01. Januar 2001 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Zusatzgutachtens des Neurologen und Dipl. Psychologen PD Dr. U, Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Fachklinik S/S in F, und eines orthopädisch-sozialmedizinischen Hauptgutachtens des Arztes für Orthopädie, Rheumatologie und Sozialmedizin Dr. B, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Rheumatologie ebenda. Unter Berücksichtigung des Zusatzgutachtens vom 25. Juli 2003 mutet Dr. B der Klägerin in seinem Hauptgutachten vom 07. August 2003 zumindest noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen vollschichtig zu. Hinsichtlich der übrigen Details wird auf Bl. 192 bis 235 und Bl. 237 bis 261 der Gerichtsakte verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: 000) Bezug genommen. Beide Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), weil sie rechtmäßig sind.
Der Bescheid vom 07. Juni 2001 und der Widerspruchbescheid vom 16. April 2002 binden die Beteiligten in der Sache (§ 77 SGG), soweit sie der Klägerin Rentenleistungen wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit versagen. In diesem Umfang wurden die Bescheide nämlich bestandskräftig, als die Klägerin in erster Instanz ihr Klagebegehren (konkludent) begrenzte und nur noch beantragte, ihr "ab 01.01.2001 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen". Gemäß § 157 Satz 1 SGG darf der Senat den Streitfall lediglich in diesem Umfang nachprüfen.
Streitgegenstand ist deshalb nur noch der Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 16. April 2002 durch einen neuen, eigenständigen Verwaltungsakt abgelehnt. Eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung liegt deshalb vor. Dieser neue, selbständige Verwaltungsakt, den die Beklagte im Begründungsteil des Widerspruchsbescheids verlautbart hat, ist gem. § 86 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Vorverfahrens und damit auch des Klage- bzw. Berufungsverfahrens geworden. Nach § 86 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, wenn er den alten, ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt ändert. Diese Regelung ist - wie die Parallelvorschrift des § 96 Abs. 1 SGG - weit auszulegen; maßgeblicher Gesichtspunkt ist der der Prozessökonomie (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 96 Rn. 4). Rechtfertigt dieser Grundgedanke die Einbeziehung und steht der neue Verwaltungsakt mit dem bisherigen Streitstoff in Zusammenhang, so sind die §§ 86 und 96 SGG nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zumindest entsprechend anwendbar (Urteil vom 24. November 1978, Az.: 11 RA 9/78, BSGE 47, 168, 170; Meyer-Ladewig, a.a.O.). Da sämtliche Ablehnungsentscheidungen in demselben Rechtsverhältnis ergangen sind und die Frage behandeln, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat, ist es prozessökonomisch, über beide Verwaltungsakte in einem Verfahren zu entscheiden.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1 und 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Denn sie kann nach den überzeugenden Gutachten der Sachverständigen L1, PD Dr. U und Dr. B noch körperlich leichte Arbeiten bei weiteren Einschränkungen mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Damit ist Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 3 SGB VI gesetzlich ausgeschlossen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Klägerin nämlich noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten. Auszuschließen sind das Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten im Knien oder Hocken, Gerüst- und Leiterarbeiten, häufiges Bücken, Akkord- und häufige Überkopfarbeiten, Nacht- und Wechselschichten sowie Arbeiten im Freien ohne Witterungsschutz unter Einwirkung von Gas, Dampf, Rauch, Hitze, Kälte, Lärm, Nässe, Zugluft und starken Temperaturschwankungen. An das geistige Leistungsvermögen können einfache bis mittelschwierige, an die kognitiven Fähigkeiten und die Sinnesleistungen noch durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.
Diese Leistungsbeurteilung beruht im Wesentlichen auf Nacken-Hals- und Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei geringen bis mäßigen Verschleißveränderungen und leichter Fehlstatik der Lendenwirbelsäule, Schulterbeschwerden rechts im Rahmen abgelaufener Reizzustände des Weichteilmantels, Beinbeschwerden rechts aufgrund des rechten Kniegelenkes und einer abgelaufenen Hüftgelenksentzündung im Kindesalter mit geringen Verschleißanzeichen, einer somatoformen Schmerzstörung, leichten schlafbezogenen Atemstörungen, einem Bluthochdruckleiden, Übergewicht und auf einer Blutarmut.
Diese Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Leistungsvermögen entnimmt der Senat dem Gesamtergebnis der Ermittlungen und der Beweisaufnahme, insbesondere den Sachverständigengutachten des Neurologen und Dipl. Psychologen PD Dr. U vom 25. Juli 2003 und des Orthopäden, Rheumatologen und Sozialmediziners Dr. B vom 07. August 2003.
Die Sachverständigen haben die Vorbefunde berücksichtigt, sind den Beschwerden der Klägerin sorgfältig nachgegangen und haben sie klinisch, laborchemisch, elektroneuro- und -enzephalographisch, duplex- und dopplersonographisch, posturographisch, polysomnographisch und densitometrisch untersucht. Dr. B hat Funktionsprüfungen der Wirbelsäule und der Extremitäten vorgenommen, die Klägerin anatomisch genau untersucht und die Bewegungsausmaße gemessen sowie aktuelle Röntgenbilder (der Lendenwirbelsäule, rechten Hüfte und Schulter, des rechten Kniegelenks und des Beckens) ausgewertet. PD Dr. U hat die Blutdruckverhältnisse getestet (Schellong-Test), eine transcranielle Magnetstimulation durchgeführt und Nervenpotentiale evoziert.
Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Die Gutachten sind schlüssig, plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei. Sie stimmen überdies in wesentlichen Zügen mit dem Verwaltungsgutachten der Internistin, Rheumatologin und Sozialmedizinerin Dr. N vom 23. Mai 2001 überein, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat.
Die Ausführungen des Sachverständigen L1, die Klägerin könne leichte Arbeiten nur noch "6 bis 8 Stunden" täglich verrichten, können das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erschüttern. Es erscheint bereits fraglich, ob der Sachverständige mit dieser Formulierung überhaupt eine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auf weniger als 8 Stunden ("untervollschichtig") befürworten wollte. Aber selbst wenn man dies zugunsten der Klägerin annähme, so würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn eine Versicherte, die noch "6 bis 8 Stunden" täglich arbeiten kann, ist nach der gesetzlichen Regelung - wie das SG zu Recht entschieden hat - keinesfalls erwerbsgemindert.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen hat die Klägerin auch noch Zugang zum Arbeitsmarkt. Denn gemäß § 43 Abs. 3, 2. HS SGB VI ist generell davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechsstündig Einsatzfähige genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, so dass eine konkrete Einzelfallprüfung entbehrlich ist (vgl. BSG, Urteile vom 27. Mai 1977, Az.: 5 RJ 28/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 19, vom 21. September 1977, Az.: 4 RJ 131/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 22 und vom 19. April 1978, Az.: 4 RJ 55/77, SozR 2200 § 1246 Nr. 30). Es liegt auch kein sog. "Katalog- oder Seltenheitsfall" vor (vgl. BSG, Urteile vom 25. Juni 1986, Az.: 4a RJ 55/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 137 und vom 09. September 1986, Az ... 5b RJ 50/84, SozR 2200 § 1246 Nr. 139), weil die Klägerin wegefähig ist und unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten kann.
Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 Abs. 1 SGB VI. Denn ihre Erwerbsfähigkeit ist nicht auf weniger als sechs Stunden einer gesunden Vergleichsperson mit ähnlicher Ausbildung, gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Um ihre teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit abzuwenden, kann sie auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihr sozial zugemutet werden können; dabei sind Dauer und Umfang der Ausbildung und des bisherigen Berufs ebenso zu berücksichtigen wie die besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Ausgangspunkt für die Frage einer zumutbaren Verweisung ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs. Um den Verweisungsrahmen zu konkretisieren, hat das BSG zur Rente wegen Berufsunfähigkeit ein Mehrstufenschema entwickelt, das auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit entsprechend anwendbar ist. Nach diesem Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe - ausgehend von Umfang und Dauer der Ausbildung - in verschiedene Gruppen eingeteilt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996, Az.: 4 RA 60/94, SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Sie sind charakterisiert durch die Leitberufe der Ungelernten, der Angelernten und der Facharbeiterin in einem anerkannten Ausbildungsberuf sowie - basierend auf den besonderen Anforderungen der bisherigen Tätigkeit - durch den Beruf der Facharbeiterin mit Vorgesetztenfunktion bzw. der besonders hochqualifizierten Facharbeiterin. In diesem Rahmen kann die Klägerin im Vergleich zu ihrem bisherigen Beruf allenfalls auf die nächst niedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 02. Dezember 1987, Az.: 1 RA 11/86, DAngVers 1988, 126). Hat sie zuvor keine höherwertigere Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, so ist ihr "bisheriger Beruf" die Beschäftigung, die sie zuletzt versicherungspflichtig ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 03. Juli 2002, Az.: B 5 RJ 18/01 R).
Bisheriger Beruf der Klägerin ist der der Produktionshelferin. Diese Tätigkeit ist dem Leitberuf der ungelernten Arbeiterin zuzuordnen, weil dafür nur eine Anlernzeit von 1 bis 2 Wochen erforderlich war. Demgemäß ist die Klägerin auf dem Niveau ungelernter Tätigkeiten nach Lohngruppe II a des Einzelhandelstarifvertrags Nordrhein-Westfalen bezahlt worden.
Dagegen ist ihre (höherwertigere) Tätigkeit als Wirtschaftechnikerin in Polen nicht als "bisheriger Beruf" einzuordnen. Zwar ist die Klägerin aufgrund des fremdrentenrechtlichen Eingliederungsprinzips so zu behandeln, als hätte sie im Bundesgebiet bis März 1989 als gelernte Bürokauffrau gearbeitet und dadurch Berufsschutz als Facharbeiterin erworben (vgl. BSG, Urteile vom 18. Dezember 1990, Az.: 8/5a RKn 5/87, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 9 und vom 03. November 1994, Az.: 13 RJ 77/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Diesen Berufsschutz als Facharbeiterin hat sie aber spätestens verloren, als sie im Mai 1998 die minderqualifizierte Tätigkeit als Produktionshelferin aufnahm (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, Az.: 5/12 RJ 132/75, SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Dadurch hat sie sich von ihrem erlernten Beruf endgültig gelöst, ohne dass hierfür gesundheitliche Gründe maßgebend waren. Denn im Mai 1998 konnte die Klägerin ihren erlernten Beruf als Wirtschaftstechnikerin bzw. Bürokauffrau noch vollschichtig und regelmäßig ausüben. Ihre orthopädischen Leiden, auf die sie ihren Rentenanspruch im Wesentlichen stützt, sind nämlich erst im Februar/März 2000 aufgetreten oder haben sich zu diesem Zeitpunkt erheblich verschlechtert. Dies geht aus den Behandlungsberichten des niedergelassenen Orthopäden Dr. L aus F1 vom 03. Mai 2000, des St. Antonius Hospitals in B1 vom 09. Mai 2000, des Internisten und Rheumatologen Dr. C vom 28. November 2000 sowie den Verwaltungsgutachten des Orthopäden Dr. R vom 05. Februar 2001 und des Nervenarztes Dr. T vom 07. April 2001 hervor. Auch bei den Sachverständigen L1 und PD Dr. U hat die Klägerin angegeben, dass sich ihre "gesamte Erkrankung" seit Februar 2000 "deutlich verschlechtert" habe und es "seither bergab" gehe. Gegen eine Berufsaufgabe aus gesundheitlichen Gründen spricht ferner, dass minderqualifizierte Helfertätigkeiten in der industriellen Produktion im Allgemeinen größere Anforderungen an das körperliche Leistungsvermögen stellen als eine höherqualifizierte Bürotätigkeit. Überdies sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin mit ihrem Restleistungsvermögen einer körperlich leichten Tätigkeit als Bürokauffrau nicht mehr gewachsen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG und trägt der Erfolglosigkeit der Klage Rechnung.
Anlass, die Berufung gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG zuzulassen, besteht nicht
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