L 16 KR 4/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 8 (3) KR 141/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 4/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 17/04 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 9. Dezember 2002 geändert, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, die Kosten für häusliche Krankenpflege ab 1. Januar 2002 und zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Die Klage wird insoweit (für die Zeit vom 1. Januar 2002) abgewiesen. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 9. Dezember 2002 des Weiteren geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 23. bis zum 30. April 2001 die Kosten für die häusliche Krankenpflege in Höhe von 138,24 Euro zu erstatten. Die Beklagte trägt die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zur Hälfte. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Kosten der häuslichen Krankenpflege für die 1925 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin.

Die Klägerin wohnt seit 1998 im "Seniorenhaus J" in I/I, Kreis D. Für diese ursprünglich als Altenheim betriebene Einrichtung hatte der Oberkreisdirektor des Kreises D mit Bescheid vom 04.11.1996 die Anerkennung als Pflegeheim widerrufen. Die von der Klägerin bewohnte Wohnung besteht aus einem Wohn- und Schlafraum, einer Kochnische und einem Bad und hat eine Grundfläche von insgesamt 25 qm. Der Mietzins beträgt seit Beginn des Mietverhältnisses unverändert 650,- DM (332,34 Euro). Die rechtlichen Beziehungen der Klägerin und der O E, B C GbR als Träger des genannten "Seniorenhaus J" regeln ein Mietvertrag und ein "Betreuungsvertrag als Zusatzvertrag zum Mietvertrag für Seniorenwohnungen" (Betreuungsvertrag) vom 01.05.1998. Der Betreuungsvertrag enthält u.a. die nachfolgenden Regelungen:

"§ 1 Ziel des Vertrages, der als Zusatzvertrag zum Vertrag für Seniorenwohnungen gilt, ist es, eine Form des Wohnens und des Zusammenlebens älterer Mitbürger zu schaffen, durch die gleichzeitig größtmögliche Selbständigkeit und bei Bedarf ausreichende Versorgung erreicht werden.

§ 2 Betreuungsumfang Der Vermieter hält dem Bewohner ein Betreuungsangebot vor. Der Betreuungsumfang enthält Grund- und Zusatzleistungen. Die Einzelheiten über die Leistung des Vermieters ergeben sich aus nachfolgendem Leistungskatalog.

§ 3 Leistungskatalog Das vereinbarte Betreuungsentgelt gemäß § 4 beinhaltet folgende Grundleistungen:

- Beratung und Vermittlung von Hilfsdiensten
- Hilfen bei Behördenangelegenheiten
- Betreuungsangebote (kulturelle Veranstaltungen, Ausflüge)
- Angebote zur Kommunikation und Beschäftigung
- Hilfen bei der Gestaltung des Tagesablaufs
- Fahrdienste
- Rufbereitschaft

Frei wählbare Zusatzleistungen:

1) Verpflegung nach Maßgabe des Speiseplans bei folgenden Mahlzeiten: Frühstück, Mittagessen, Kaffeetrinken, Abendessen sowie Diätkost bei Bedarf
2) Reinigung der angemieteten Räume bzw. Sanitäranlagen
3) Bereitstellen von Bettwäsche
4) Wäschedienst in folgendem Umfang ...
5) Zubereitung und Servieren von Zusatzmahlzeiten

Diese Leistungen gelten als Zusatzleistungen und werden nur gegen besondere Vergütung angeboten. Soweit dringende Hilfeleistungen benötigt werden, die in diesem Leistungskatalog nicht aufgeführt sind, wird sich der Vermieter bemühen, diese anzubieten oder zu vermitteln, soweit es ihm möglich ist.

§ 4 Betreuungsentgelt Der Mieter verpflichtet sich, für die Grundleistungen ein pauschales monatliches Entgelt für die Grundleistungen in Höhe von 150,- DM an den Vermieter zu zahlen, unabhängig davon, ob er die Leistung tatsächlich in Anspruch nimmt. Die monatlich zu leistenden Entgelte für Zusatzleistungen sind in der beigefügten Preisliste aufgeführt.

§ 5 Pflegerische Dienste ... Nr. 5 Bedarf der Bewohner einer medizinischen oder pflegerischen Betreuung (wie z.B. Einnahme von Medikamenten, Überwachung der Medikamentengabe, Spritzen, Verbände, Einreibung, Pflegebäder etc.) werden diese - sowie sämtliche pflegerischen Maßnahmen - ausschließlich nur von fachlich geschulten Mitarbeitern eines ambulanten Pflegedienstes übernommen.

Der Bewohner hat die freie Wahl des Pflegedienstes. Eine Vermittlung des Vermieters ist nur in Absprache mit dem Bewohner möglich.

Vertragliche Beziehung besteht nur zwischen dem Bewohner und dem ambulanten Pflegedienst.

§ 6 Vertragsdauer/Vertragserfüllung 1. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Die Auflösung des Betreuungsvertrages ist ohne gleichzeitige Auflösung des Mietverhältnisses grundsätzlich nicht möglich ..."

Die Klägerin nahm spätestens ab dem 01.09.1999 regelmäßig Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der Medikamentengabe in Anspruch. Die Leistungen der häuslichen Krankenpflege wurden erbracht durch den privaten Pflegedienst "D-Pflege-GmbH" aus T. Gemäß Verordnungen des Internisten Dr. Q ist häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Zieles der ärztlichen Behandlung wegen Depressionen und Analphabetismus der Klägerin notwendig. Die Beklagte gewährte die genannte Behandlungspflege zunächst als Sachleistung.

Mit Bescheid vom 19.04.2001 lehnte die Beklagte nach Eingang einer weiteren Verordnung des Dr. Q vom 27.03.2001 für April 2001 am 02.04.2001 eine Kostenübernahme über den 22.04.2001 hinaus ab, da die Einrichtung des betreuten Wohnens keinen eigenen "Haushalt im Sinne der häuslichen Krankenpflege" nach § 37 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) darstelle.

Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin veranlasste die Beklagte eine Wohnungsbesichtigung und ein Gespräch mit Frau A, der Betreuerin der Klägerin, und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2001 zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Wohnung der Klägerin sei zwar mit einer Kochnische ausgestattet, nach Angaben der Klägerin sei ihr aber eine Benutzung der Kochgeräte verboten, sie dürfe sich hingegen nach Angaben ihrer Betreuerin noch kleinere Mahlzeiten (Suppen) und Tees in der Küche zubereiten. Das Zubereiten vollständiger Mahlzeiten und das Waschen der Wäsche seien in ihren Räumlichkeiten nicht möglich. Zudem sei es der Klägerin nicht erlaubt, die Pflege im Seniorenhaus durch eine selbstbeschaffte Pflegekraft sicherzustellen, vielmehr sei die Inanspruchnahme fachlich geschulter Mitarbeiter eines ambulanten Pflegedienstes erforderlich.

Die Klägerin hat hiergegen am 12.07.2001 Klage erhoben. Sie hat vorgebracht, der Klägerin sei weiterhin eine eigenständige Haushaltsführung möglich. Bei "Betreutem Wohnen oder sog. Service-Wohnen" sei eine vollständige Fremdversorgung wie bei einem Altenheim oder Pflegeheim nicht gegeben. Daher biete der Betreuungsvertrag allein Zusatzleistungen an, über deren Inanspruchnahme allein die Bewohner entschieden. Folgerichtig sei die Anerkennung als Pflegeheim aus Dezember 1993 bereits 1996 widerrufen worden. Die Küchennutzung sei ihr nicht verboten.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2001 in Form des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den 22.04.2001 hinaus Kosten für ihre häusliche Pflege zu übernehmen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, jedenfalls ab dem 01.01.2002 die Kosten für häusliche Krankenpflege für sie zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, gemäß Gemeinsamem Rundschreiben der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung vom 03.03.1978 sei auch die von der Klägerin bewohnte Einrichtung des "betreuten Wohnens" als Einrichtung des Heimgesetzes (HeimG) einzuordnen. Es bestehe eine vertragliche Verpflichtung, Behandlungspflege zu erbringen, Betreuung werde entsprechend auch vorgehalten. Der Betreuungsvertrag sei nicht ohne den Mietvertrag kündbar.

Mit Urteil vom 09.12.2002 hat das Sozialgericht (SG) Münster nach Vernehmung der ehrenamtlich im Seniorenstift tätigen N E1 als Zeugin die Beklagte unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Kosten für häusliche Krankenpflege ab dem 01.01.2002 zu tragen und der Beklagten 2/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Das "Seniorenhaus J" als Einrichtung des "Betreuten Wohnens" sei bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes zum HeimG zum 01.01.2002 nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte als anzeigepflichtiges Heim einzuordnen. Gegen die Annahme einer selbständigen Altenwohnung sprächen bereits die vertraglichen Vereinbarungen vom 01.05.1998 und insbesondere die Regelungen des Betreuungsvertrages. Anders sei die Rechtslage ab dem 01.01.2002. Die Anwendung des HeimG sei nunmehr auch dann nicht zwingend, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet seien, allgemeine Betreuungsleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung sei. Nach der Gesetzesbegründung sei die maßgebliche Grenze überschritten, wenn die Betreuungspauschale für die allgemeinen Betreuungsleistungen (GrundService) erheblich über 20 Prozent der Miete inklusive der Betriebskosten liege. Dies sei vorliegend bei einem Verhältnis von 23 Prozent nicht der Fall.

Gegen dieses ihr am 19.12.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.01.2003 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, es fehle an einem eigenem Haushalt. Die Klägerin habe sich ja gerade in das Seniorenhaus J begeben, weil sie keinen eigenen Haushalt mehr habe führen können oder wollen. Es könne dahinstehen, ob das Seniorenstift als Heim anzuerkennen sei oder nicht. Das Seniorenstift sei früher als Heim anerkannt gewesen; seitdem habe sich die Art der Wohnform für die Bewohner nicht geändert. Ob die Betreuungs- und Pflegeleistungen von dem Heim selbst vorgenommen oder ob sie von dem Heim durch außenstehende Personen beschafft würden, ändere nichts an der Art des Wohnens. Im Übrigen sei auch bei einem Verhältnis von 23 Prozent des Wertes der Betreuungsleistungen zur Miete bereits von einer erheblichen Überschreitung der Kostengrenze für die Betreuungsleistungen auszugehen. Schließlich müsse man selbst bei Annahme eines eigenständigen Haushaltes prüfen, ob nicht einer der Mitbewohner in der Lage wäre, etwa für die Tabletteneinnahme der Klägerin zu sorgen. Hierzu sei zu überprüfen, ob jeder Bewohner einen eigenen Haushalt führe oder ob nicht vielmehr eine Wohngemeinschaft von mehreren Bewohnern vorliege, die Teil einer als Ganzes zu sehenden Einrichtung sei.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 18.12.2002 zugestellte Urteil am 22.05.2003 Anschlussberufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, maßgebliches Kriterium sei alleine die tatsächlich vorhandene Möglichkeit der eigenen hauswirtschaftlichen Versorgung, so dass auch für den Zeitraum vom 23.04.2001 bis 31.12.2001 ein Anspruch auf Kostenerstattung für die in Anspruch genommene häusliche Krankenpflege bestehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 09.12.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt (nach Beschränkung ihres Klageantrages für das Jahr 2001), die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Münster vom 09.12.2002 und Aufhebung des Bescheides vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 zu verurteilen, auch die Kosten für die vom 23.04.2001 bis zum 30.04.2001 in Anspruch genommene häusliche Krankenpflege in Höhe von 138,24 Euro zu erstatten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, jedoch nur zum Teil begründet. Die Berufung ist insoweit begründet, als sie sich gegen die Verurteilung für die Zeit ab Januar 2002 richtet, denn insoweit war die Klage bereits unzulässig. Die Anschlussberufung ist nach Beschränkung des Antrages in vollem Umfang begründet, da sie nur noch auf Erstattung der Kosten für die Zeit vom 23.04. - 30.04.2001 gerichtet ist.

1) Die Klage auf Erstattung der Kosten für die Zeit nach dem 30.04.2001 ist unzulässig, weil es an der Durchführung von Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren fehlt. Der angefochtene Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 bezieht sich ausdrücklich auf die vorgelegte Verordnung für den Monat April 2001. Weitere Bescheide, die ggf. im Wege der Klageerweiterung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hätten werden können (vgl. dazu und zur Nichtgeltung des § 96 SGG Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28.05.2003 - B 3 KR 32/02 R - = Die Sozialgerichtsbarkeit 2003, 229 f.) oder wegen derer aus Gründen der Prozessökonomie Gelegenheit zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens zu geben gewesen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - = BSGE 90, 143f.), liegen nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten nicht vor. Die Beklagte verwies den Pflegedienst nach Vorlage von Verordnungen für Folgemonate nur auf das laufende Klageverfahren.

2) Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 19.04.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 aber beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da ihr ein Anspruch auf die Erstattung der Kosten bzw. Freistellung von den Kosten für die vom 23.04. - 30.04.2001 häusliche Krankenpflege zusteht.

Der Anspruch auf Kostenerstattung bzw. Freistellung von den Kosten ergibt sich aus § 13 Abs. 3 SGB V (vgl. zur Erfassung auch des Freistellungsanspruchs zuletzt unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung BSG, Urteil vom 21.11.2002 - B 3 KR 13/02 R - a.a.O.).

Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alternative) oder eine Leistung zu Unrecht ablehnt und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (2. Alternative), diese in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Die Klägerin hat häusliche Krankenpflege durch Medikamentengabe für April 2001 unter Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung des Dr. Q vom 27.03.2001 per Fax am 02.04.2001 rechtzeitig beantragt. Die Maßnahmen mussten aus medizinischen Gründen dreimal täglich erfolgen und waren somit unaufschiebbar. Nach Erlass des Bescheides vom 19.04.2001 hat sich die Klägerin die Leistung zudem infolge rechtswidriger Ablehnung durch die Beklagte selbst beschafft.

Die Klägerin hatte gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Zeit vom 23.04. - 30.04.2001 auch Anspruch auf Gewährung von Behandlungspflege. Nach dieser Vorschrift erhalten Versicherte in ihrem Haushalt oder ihrer Familie Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die medizinische Notwendigkeit der regelmäßigen und zeitgenauen Medikamentengabe ist unbestritten. Hierbei handelt es sich auch um eine Maßnahme der Behandlungspflege i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Zur Behandlungspflege gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts alle Pflegemaßnahmen, die durch eine bestimmte Erkrankung erforderlich werden, auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten bzw. Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R -, a.a.O., m.w.N.). Hierzu zählt auch die Medikamentengabe als einfache Behandlungspflege (vgl. BSGE 86,101 = SozR 3-2500 § 37 Nr. 2).

Bei der Wohnung der Klägerin in dem Seniorenstift handelt es sich auch um einen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V.

Eine Legaldefinition des Begriffs "Haushalt" existiert nicht. Dem Gesetzgeber ging es bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes des Versicherten im Rahmen der Behandlungspflege vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich, in dem eine Leistungsverpflichtung gemäß § 37 Abs. 2 SGB V nicht bestehen soll (vgl. BSG, Urteil vom 21. November 2002 - B 3 KR 13/02 R - ,a.a.O., m.w.N.).

Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist nach Auffassung des Senats angesichts der Vielzahl vorstellbarer Wohnformen, ob dem/der Versicherten eine eigene hauswirtschaftliche Versorgung möglich ist. Insoweit kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob der Haushalt im vollen Umfang selbständig geführt wird. Zur Definition des Haushaltsbegriffs wird daher regelmäßig ausgeführt, dass externe Einrichtungen, wie Pflegeheime etc., nicht unter den Haushalts-Begriff fallen, wohl aber eine Senioren(Alten)-Wohnung oder eine selbständige Wohneinheit in einem Altenwohnheim, da in diesen Einrichtungen die hauswirtschaftliche Versorgung grundsätzlich Angelegenheit der Bewohner sei (vgl. nur Krauskopf, Soziale Kranken-versicherung, Loseblattkommentar [Stand 2003], § 37 SGB V, Rdnr. 3).

Die Klägerin bewohnt bereits nach den Feststellungen der Beklagten eine abgeschlossene Wohneinheit, die aus einer Kochnische, einem Bad mit Dusche sowie einem Wohn- und Schlafraum besteht. Die tatsächlichen Wohnverhältnisse erlauben somit erkennbar eine selbständige hauswirtschaftliche Versorgung. Sämtliche dem häuslichen Bereich zuzuordnenden Verrichtungen des täglichen Lebens sind in der Wohnung der Klägerin möglich (Höfler in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht [Stand 2003], § 37 SGB V Rdnr. 12, spricht in diesem Zusammenhang von den menschlichen Grundbedürfnissen Ernährung, Kleidung, Körperpflege und Hygiene, Ruhe und Schlaf). Es kann daher dahinstehen, ob ein eigener Haushalt sogar dann vorliegt, wenn eine Nasszelle mit WC innerhalb des ausschließlichen Wohnbereichs nicht existiert (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 16.06.2000 - L 4 KR 4615/99 - = Pflegerecht (PflR) 2001, 411ff.) oder Koch- und Waschgelegenheiten Gemeinschaftseinrichtungen sind (vgl. SG Hamburg, Urteil vom 22.12.1993 - 22 KR 40/92 - = Juris-Dok. KSRE 045660218 ).

Auch die vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit den Trägern des Seniorenstifts, wie sie Miet- und insbesondere der Betreuungsvertrag vorsehen, sprechen nicht gegen die Annahme eines eigenen Haushalts. Sämtliche hauswirtschaftliche Versorgungen können zwar gegen ein gesondertes Entgelt in Anspruch genommen werden; eine vertragliche Verpflichtung besteht hinsichtlich dieser als frei wählbar bezeichneten Zusatzleistungen nicht. Eine Verpflichtung der Träger zur Sicherstellung und Erbringung der Behandlungspflege ist vertraglich nicht geregelt (vgl. zu dieser Konstellation BSG, Urteil vom 28.05.2003 - B 3 KR 32/02 R - Sozialtherapeutische Wohngruppen, a.a.O.).

§ 5 Nr. 5 des zwischen der Klägerin und der Seniorenhaus-GbR geschlossenen Betreuungsvertrages bestimmt insoweit, dass bei Bedarf einer medizinischen oder pflegerischen Betreuung (wie z.B. Einnahme von Medikamenten, Überwachung der Medikamentengabe, Spritzen, Verbände, Einreibung, Pflegebäder etc.) sowie sämtlicher pflegerischer Maßnahmen ambulante Pflegedienste nach freier Wahl des Bewohners (ggf. unter Vermittlung des Vermieters) zum Einsatz kommen. Vertragliche Beziehungen sollen danach ausschließlich zwischen dem "ambulanten Pflegedienst" und dem Bewohner bestehen. Nicht primär entscheidend ist, ob eine Wohneinrichtung ein Heim im Sinne des HeimG ist. Vielmehr ist - wie geschehen - nach den tatsächlichen Umständen zu entscheiden, ob ein Haushalt im Sinne des § 37 SGB V vorliegt. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die zuständigen Behörden die dem "Seniorenhaus J" ursprünglich ausgesprochene Anerkennung als Pflegeheim widerrufen haben. Im Übrigen unterscheiden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen insoweit auch von denjenigen, die den vom SG zitierten Urteilen der Oberverwaltungsgerichte (OVG) für das Land Brandenburg (Urteil vom 01.12.1999 - 4 B 127/99 - = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1435ff.) und für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) (Urteil vom 28.01.1999 - 4 A 589/98 - = PflR 1999, 74f.) zu Grunde lagen. Im erstgenannten Fall war dem Seniorenstift eine Pflegedienst angeschlossen, so dass das OVG maßgeblich auf das Vorhalten von pflegerischen Betreuungsleistungen abstellen konnte. Im vom OVG NRW zu beurteilenden Sachverhalt mussten die Bewohner der Einrichtung neben dem Mietvertrag einen Betreuungsvertrag mit dem Caritasverband abschließen (eine solche inhaltliche Verknüpfung von Miet- und Betreuungsvertrag besteht auch hier). Das OVG unterstellte, dass es sich bei den vorzuhaltenden Betreuungsleistungen in erster Linie um Verpflegung handelte. Nach dem hier vorliegenden Betreuungsvertrag handelt es sich jedenfalls hinsichtlich der hauswirtschaftlichen Dienste aber nicht um vom Vermieter vorzuhaltende Betreuungsleistungen, die unabhängig von der Inanspruchnahme durch die Bewohner zu vergüten sind. Eine Verpflichtung zur Erbringung dieser "frei wählbaren Zusatzleistungen" setzt vertragsgemäß eine gesonderte Willensbetätigung der Bewohner voraus.

Angesichts der Einstufung der Wohnung der Klägerin als eigenständiger Haushalt im Sinne des § 37 SGB V kann es dahinstehen, ob ein anderer Bewohner der Gesamteinrichtung die Klägerin gemäß § 37 Abs. 3 SGB V pflegen und versorgen kann, da eine solche Person nicht im Haushalt der Klägerin lebt.

Schließlich ist die Klägerin auch Leistungsansprüchen des Pflegedienstes D ausgesetzt (vgl. zur Erforderlichkeit einer bereits eingetretenen oder absehbaren Kostenbelastung: BSG, Urteil vom 15.04.1997 - 1 RK 4/96 - = BSGE 80, 181f.; BSG, Urteil vom 28.03.2000, B 1 KR 21/99 R - BSGE 86, 66ff.). Denn die tatsächliche weitere Inanspruchnahme des Pflegedienstes nach der allen Beteiligten bekanntgewordenen Weigerung der Beklagten bewirkte das zumindest konkludente Zustandekommen eines privatrechtlichen Pflegevertrages mit dem Pflegedienst. Das ist von den Verfahrensbeteiligten auch nicht angezweifelt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die grundsätzliche Bedeutung für die Beteiligten über den letztlich streitbefangenen Zeitraum hinaus.

Der Senat misst der Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs "Haushalt" in § 37 SGB V grundsätzliche Bedeutung bei, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision erfüllt sind (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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