L 12 AL 96/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 13 AL 289/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 96/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 90/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.03.2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Bewilligung von Arbeitslosengeld an den Kläger rechtswidrig war und von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden durfte. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob der als Student der Humanmedizin eingeschriebene Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld hat oder nicht.

Der am 00.00.1956 geborene Kläger meldete sich am 24.06.2002 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Der Kläger hat Betriebswirtschaft studiert und im Jahre 1983 den Abschluss eines Diplom-Kaufmanns erreicht. Von 1983 bis 30.09.2001 war er im erlernten Beruf tätig, zuletzt in leitender Funktion als Marketingdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung der zum C-Konzern gehörenden S H Deutschland in O. Sein Bruttoeinkommen betrug zuletzt 21.604,22 DM monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers, nachdem es zu unterschiedlichen Auffassungen über die künftige Unternehmensstrategie in der Geschäftsleitung gekommen war. Nach seinem Ausscheiden bewarb sich der Kläger zunächst ohne Einschaltung des Arbeitsamts um eine neue leitende Funktion im Marketingbereich. Bei der Beantragung von Arbeitslosengeld gab der Kläger an, seit dem 01.10.2000 für das Studium Humanmedizin z. Zt. im 4. Fachsemester) eingeschrieben zu sein. Nach Angaben des Klägers betrug die nach der Ausbildungs- und Studienordnung vorgeschriebene Stundenzahl insgesamt 21,5 Stunden ohne Vor- und Nachbereitung pro Woche. Er gab an, montags, mittwochs und freitags von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr, montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr, dienstags von 11.00 Uhr bis 12.30 Uhr, mittwochs von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr und donnerstags von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr Veranstaltungen und Vorlesungen zu besuchen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 22.07.2002 ab 24.06.2002 Arbeitslosengeld in Höhe von 224,- Euro wöchentlich für vorläufig 96 Leistungstage. Kurz danach gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, dass im Hinblick auf das Studium ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entgegen der Bewilligung nicht bestehe. Mit Schreiben vom 26.07.2002 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung an. Der Kläger erklärte, dass er das Studium aus reinem Eigeninteresse absolviere und dass er sich bereits im 5. Semester befinde, ohne bisher eine relevante Zwischenprüfung abgelegt zu haben, wobei das Ablegen der ärztlichen Vorprüfung nach dem 4. Semester üblich sei.

Mit Bescheid vom 13.08.2002, geändert mit Bescheid vom 18.10.2002, nahm die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 17.08.2002 für die Zukunft zurück. Zur Begründung führte sie aus: Der Kläger stehe als ordentlicher Student der Humanmedizin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er das Studium nicht aktiv mit dem Ziel eines Abschlusses betreibe. Diesen Widerpruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2002 mit der Begründung zurück, die Bewilligung von Arbeitslosengeld sei rechtswidrig gewesen, weil zu vermuten sei, dass der Kläger als Student nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könne und er auch unter Berücksichtigung des objektiven Arbeitsaufwandes für das Studium mit Vor- und Nacharbeitszeiten dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehe. Die Bewilligung der Leistung werde deshalb ab 17.08.2002 mit Wirkung für die Zukunft unter Ausübung von Ermessen zurückgenommen.

Hiergegen hat der Kläger am 12.11.2002 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass er schon neben der Ausübung seiner versicherungpflichtigen Beschäftigung als Student eingeschrieben gewesen sei. Seine Einschreibung sei mit der Absicht erfolgt, seinem allgemeinen Interesse an medizinischen Themen einen methodischen Hintergrund durch gelegentliche Vorlesungsbesuche hinzuzufügen, nicht jedoch in der Absicht, eine Arztlaufbahn anzustreben. Sobald sich eine adäquate Beschäftigungsmöglichkeit ergebe, werde er diese annehmen und sich exmatrikulieren.

Wegen der Leistungsbewilligung von nur 96 Leistungstagen (Bescheid vom 22.07.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2002) ist ein weiteres Verfahren vor dem Sozialgericht Düsseldorf unter dem Akteneichen S 13 AL 290/02 anhängig. Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten ruht dieses Verfahren bis zum Abschluss des hier vorliegenden Streitverfahrens.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger vor dem Sozialgericht schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 13.08.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.10.2002, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2002, aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten, dass der Kläger den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes wegen fehlender Arbeitsfähigkeit nicht zur Verfügung stehe. Nach § 120 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) bestehe die Vermutung, dass ein Arbeitsloser, der Student einer Hochschule sei, neben seiner Ausbildung nur versicherungsfreie Beschäftigungen nach dem SGB III ausüben könne. Damit stehe der Kläger wegen fehlender Arbeitsfähigkeit nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB III der Arbeitsvermittlung nicht zu Verfügung. Die Vermutung des § 120 Abs. 2 SGB III sei vom Kläger nicht widerlegt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.03.2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und hat sich der Rechtsauffassung der Beklagten im Widerspruchsbescheid angeschlossen. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass der Kläger die Vermutung des § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III nicht widerlegt habe. Der Kläger habe in keiner Weise dargelegt, dass ihm bei einer wöchentlichen Arbeitsbelastung aus dem ordnungsgemäß erfüllten Studium mit mindestens 43 Stunden noch die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich sei. Der Hinweis, er werde sich bei Aufnahme einer solchen exmatrikulieren, sei nicht ausreichend, da die Verfügbarkeit aktuell und jederzeit bestehen müsse. Wegen des genauen Wortlautes der Entscheidungsgründe wird auf den angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Gegen den ihm am 07.04.2003 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06.05.2003 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger hat zunächst vorgetragen, die Vermutung des § 120 Abs. 2 SGB III sei schon deshalb widerlegt, weil er sich schon während seiner Beschäftigung immatrikuliert und bewiesen habe, dass Studium und Beschäftigung miteinander zu vereinbaren seien. Mit Schriftsatz vom 14.01.2004 und in der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2004 hat der Kläger seinen Vortrag konkretisiert. Er gibt an, zwar seit dem Wintersemester 2000/2001 immatrikuliert zu sein, das Studium jedoch erst nach seiner Arbeitslosigkeit ab Oktober 2001 ernsthaft zu betreiben. Seither habe er sich an die Vorgaben der Studienordnung gehalten, er habe alle nach der Prüfungsordnung vorgeschriebenen Scheine absolviert. Der zeitliche Aufwand betrage 20 Stunden wöchentlich plus 5 bis 8 Stunden für Vor- und Nacharbeit. Ab dem Sommersemester 2003 betrage die Studienzeit ca. 15 bis 20 Stunden pro Woche. Seit Oktober 2002 sei er noch für 10 Stunden wöchentlich als studentische Hilfskraft tätig gewesen während des Semesters. Von Januar bis April 2003 sei eine weitere Tätigkeit von 10 Stunden hinzugekommen. Aktuell arbeite er noch für 10 Stunden in der Woche als studentische Hilfskraft. Er sei weiterhin bereit, das Studium sofort aufzugeben, wenn ihm ein angemessenes Stellenangebot unterbreitet werde. Mit Schriftsatz vom 24.11.2003 hat der Kläger umfangreiche Stellenbewerbungen zu den Akten gereicht, auf die Bezug genommen wird. Der Kläger sieht sich in seiner Rechtsauffassung durch ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25.11.2002 (S 77 AL 3761/01) bestätigt.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldof vom 31.03.2003 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie sieht sich in dieser Auffassung durch die Äußerung des Klägers im Verhandlungstermin vor dem Senat bestätigt. Mit dem Zeitaufwand, mit dem der Kläger sein Studium betreibe, sei die Ausübung einer Tätigkeit unter marktüblichen Bedingungen nicht möglich. Auch das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25.11.2002 könne nicht herangezogen werden, da es schon vom Sachverhalt nicht vergleichbar sei. Während der Kläger mit seinem Studium eine berufliche Neuorientierung im medizinischen Tätigkeitsbereich anstrebe, strebte die Klägerin im Berliner Fall lediglich die Ergänzung ihrer vorhandenen Ausbildung an, um ihre Vermittlungschancen auf der Grundlage der vorhandenen Qualifizierung zu verbessern. Die Fälle unterscheideten sich auch insoweit, als die Klägerin im Berliner Fall ihr stark praxisbezogenes Studium ausschließlich nachmittags und abends ab 14.00 Uhr bzw. 16.30 Uhr betrieben habe, während der Kläger im vorliegenden Verfahren nach dem vorgelegten Studienplan sowohl vormittags als auch nachmittags studieren müsse. Die Beklagte verbleibe dabei, dass der Kläger die Vermutung des § 120 Abs. 2 SGB III nicht widerlegt habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger ab 17.08.2002 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Rücknahme für die Zukunft auch nach § 45 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) gerechtfertigt gewesen wäre, wie das Sozialgericht angenommen hat. Die Bewilligung von Arbeitslosengeld ist mit Bescheid vom 22.07.2002 nur vorläufig erfolgt. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind nach § 328 Abs. 3 Satz 2 1. HS SGB III aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Hier aber verlangt die Beklagte nicht einmal eine Erstattung für die Vergangenheit, sondern hat nur eine Korrektur für die Zukunft ausgesprochen. Inhaltlich ist diese Entscheidung zutreffend, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Anspruch auf Arbeitslosengeld haben nach § 117 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Zwar hat er zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 24.06.2002 die Anwartschaftszeit aufgrund seiner Tätigkeit als Marketingdirektor bei der Firma S H Deutschland erfüllt, denn er hat in der dreijährigen Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden (§§ 123 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 124 Abs. 2 SGB III). Er stand aber in der hier streitigen Zeit ab 17.08.2002 als ordentlicher Student an einer Hochschule der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.

Verfügbarkeit liegt nach § 119 Abs. 2 und 3 SGB III nur vor, wenn der Arbeitslose arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf. Dabei wird vermutet, dass der Arbeitslose, der Student einer Hochschule ist, nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben kann (§ 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspfichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in der Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 SGB III). Nach § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III sind Personen versicherungsfrei, die während der Dauer ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung ausüben. Danach ist eine Beschäftigung versicherungsfrei, wenn sie neben dem Studium, das heißt ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt wird, das Studium also die Haupt- und die Beschäftigung die Nebensache ist. Für den Fall, dass diese Personen eine Beschäftigung im Sinne des § 25 Abs. 1 SGB III aufnehmen, sollen diese Tätigkeiten grundsätzlich beitragsfrei sein, vorausgesetzt, dass das Erscheinungssbild eines Studenten trotz der beruflichen Tätigkeit nicht verloren geht, der Beschäftigung also neben dem Studium keine prägende Bedeutung zukommt. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Werkstudentenprivileg, das für den Studenten einerseits zur Beitrags- und Versicherungsfreiheit führt und andererseits einem Anspruch auf Leistungen entgegensteht (vgl. Niesel, SGB III, 2. Auflage 2002, § 120 Randnr. 10 mit Nachweisen).

Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es darauf an, ob die Berufstätigkeit oder das Studium den Schwerpunkt der Tätigkeit ausmacht. Personen, die bereits vor Aufnahme des Studiums berufstätig waren und diese Tätigkeit unvermindert fortsetzen oder das Studium in einem praktisch nicht mehr ins Gewicht fallenden Umfang betreiben, werden als studierende Arbeitnehmer angesehen und sind deshalb versicherungspflichtig. Wessen Arbeitskraft jedoch überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen wird, gilt als arbeitender Studierender. Grundsätzlich wird eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden als Orientierungslinie betrachtet, wobei die Beschäftigung bis zu einem Zeitraum von 20 Wochenstunden grundsätzlich unschädlich ist und nicht zur Begründung von Versicherungspflicht führt. Bei darüber hinausgehender Arbeitszeit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Beschäftigung das dominierende Element ist. Es kommt auf die Verhältnisse des Einzelfalles an (Niesel a.a.O., Randnr. 11 bis 13).

Wie bei der Frage der Versicherungsfreiheit kommt es für den Anspruch auf Arbeitslosengeld im Hinblick auf die Verfügbarkeit darauf an, ob der abhängig Beschäftigte nach seinem Erscheinungsbild Arbeitnehmer ist, der nebenbei studiert, oder ob das Studium im Vordergrund steht, wobei die nach Zweck und Dauer untergeordnete Arbeit, als Nebensache bezeichnet werden kann. Die gesetzliche Vermutung in § 120 Abs. 2 SGB III, dass Studenten einer Hochschule nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können, ist eine Konkretisierung der Regelung über die Versicherungsfreiheit. Die Vermutung ist erst dann widerlegt, wenn der Arbeitslose darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt. Dies erfordert den Nachweis, dass die angestrebte Beschäftigung das auch weiterhin ordnungsgemäß durchführbare Studium nach Art und Dauer in den Hintergrund treten lässt. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geführt.

Der Senat geht aufgrund der eigenen Angaben des Klägers im Termin vor dem Senat am 04.02.2004 davon aus, dass er das Medizinstudium seit dem Wintersemester 2001/2002 ernsthaft betreibt und seine Ausbildung entsprechend der Prüfungsordnung vorantreibt. Damit kann entgegen seinen ursprünglichen Angaben nicht davon ausgegangen werden, dass er das Studium nur zum Zeitvertreib betreibt, um sich geistig während der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz fit zu halten. Der Kläger hat ausdrücklich bekundet, dass er inzwischen in dem Medizinstudium einen beruflichen Neuanfang sieht, da er im Marketingbereich für sich keine Einstellungschancen mehr sieht. Es handelt sich also nicht um ein Aufbaustudium im Sinne der erörterten Entscheidung des SG Berlin vom 25.11.2002 (S 77 AL 3761/01), um die Vermittlungschancen im erlernten Beruf zu erhöhen, sondern um eine Neuorientierung, die einem Erststudium gleichzusetzen ist. Auch bedurfte die Frage keiner Entscheidung, wie ein Studium zu beurteilen ist, welches nur pro forma betrieben wird, um sich interessante Vorlesungen anhören zu können und geistig auf dem Laufenden zu bleiben. Ein solches Studium liegt jedenfalls seit Oktober 2001 nicht mehr vor. Streitig ist hier die Zeit ab dem 17.08.2002. Der Kläger gibt selbst an, ab Oktober 2001 durchschnittlich 20 Stunden wöchentlich für vorgeschriebene Vorlesungen, Übungen und Arbeitsgemeinschaften plus 5 bis 8 Stunden für Vor- und Nacharbeit aufgewendet zu haben. Zudem lagen die Vorlesungsstunden unterschiedlich vor- und nachmittags über die Woche verteilt, wie aus den Angaben gegenüber der Beklagten vom 01.07.2002 (Blatt 9 Leistungsakte der Beklagten) hervorgeht. Bei einem Studienaufwand von durchschnittlich 26 Stunden pro Woche war dem Kläger keine vollschichtige Berufstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mehr möglich. Für eine solche vollschichtige Tätigkeit hatte sich der Kläger der Arbeitsverwaltung bei seiner Arbeitslosmeldung zur Verfügung gestellt. Auch in diesem Punkt unterscheidet sich der Fall von dem zitierten Berliner Fall, denn dort hatte sich die Klägerin nur für 30 Stunden zur Verfügung gestellt und das Studium konzentrierte sich auf die Nachmittagsstunden ab 14.00 Uhr bzw. 16.30 Uhr. Dort war es durchaus arbeitsmarktüblich, in der freien Zeit vormittags bis 14.00 Uhr eine bis zu 30 Stunden dauernde versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben zu können. Dies ist hier anders. Nach den Angaben des Klägers im Zusatzbogen für Studenten, wonach er bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in der Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen montags, mittwochs und freitags von 8.00 Uhr bis 9.00 Uhr, montags bis freitags von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr, dienstags von 11.00 Uhr bis 12.30 Uhr, mittwochs von 14.30 Uhr bis 17.30 Uhr und donnerstags von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr Vorlesungen zu besuchen gehabt hätte, ist nicht erkennbar, dass er neben diesen Zeiten noch eine nach Lage und Verteilung der Arbeitszeit arbeitsmarktübliche versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könnte. Dieser Beurteilung durch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil schließt sich der erkennende Senat an.

Damit ist bereits fraglich, ob im Falle des Klägers nicht bereits dessen Arbeitsfähigkeit nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB III zu verneinen ist. Jedenfalls aber hat der Kläger die Vermutung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht nach Satz 2 dieser Vorschrift widerlegt. Der Kläger hat selbst zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, wie er bei der angegebenen Belastung durch das Studium noch eine vollschichtige Beschäftigung ausüben könnte, zumal im Wintersemester 2002/2003 noch zwei studentische Hilfstätigkeiten von jeweils 10 Stunden pro Woche hinzugekommen sind. Der Kläger hat immer nur vorgetragen, das Studium sofort zugunsten einer angebotenen angemessenen Beschäftigung aufgeben zu wollen. Er hat nicht einmal dargelegt, ob sein Studium in Übereinstimmung mit den angebotenen Vorlesungen und der Prüfungsordnung überhaupt so zu legen gewesen wäre, dass er zeitlich einer Vollzeitbeschäftigung hätte nachgehen können. Auch insoweit unterscheidet sich dieser Fall von dem von Sozialgericht Berlin entschiedenen Fall. Im Übrigen wäre es auch nicht ausreichend, erst bei dem Angebot einer Beschäftigung die Vorlesungen so zu legen, dass sie die Ausübung einer Tätigkeit ermöglichen oder das Studium abzubrechen. Denn die Verfügbarkeit muss für jeden Tag, für den die Leistungen begehrt werden, bereits bestehen, es genügt nicht, sie erst herzustellen, wenn ein entsprechendes Angebot unterbreitet wird (vgl. BSG v. 24.07.1997 - 11 RAr 99/96 -). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob dem Sozialgericht Berlin zu folgen wäre, welches in der bereits zitierten Einzelfallentscheidung die Vermutung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III ausnahmsweise als widerlegt angesehen hatte, weil die dortige Klägerin tatsächlich bereit war, jederzeit bei einem entsprechenden Arbeitsangebot das Studium zugunsten der Beschäftigung abzubrechen. Der Fall des SG Berlin ist auch in diesem Punkt mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. In jenen Fall hatte es sich um ein Zusatzstudium zur Verbreiterung der Marktchancen angesichts der erheblichen Dauer der Arbeitslosigkeit gehandelt. Die dortige Klägerin hatte das Studium erst während ihrer Arbeitslosigkeit aufgenommen. Hier aber wurde das Studium bereits während der Berufstätigkeit des Klägers aufgenommen und es handelt sich inzwischen um eine Neuorientierung, die man nicht mehr als Aufbaustudium bezeichnen kann. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das Berliner Urteil nicht rechtskräftig geworden ist, sondern mit der Berufung, anhängig beim LSG Berlin unter dem Az.: L 8 AL 8/03, angefochten worden ist. Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG aufgestellten Voraussetungen nicht erfüllt sind. Der Senat weicht insbesondere nicht von der Rechtsprechung des BSG ab, sondern macht sie im Gegenteil zur Grundlage seiner eigenen Entscheidung.
Rechtskraft
Aus
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