L 5 KR 201/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (9) KR 33/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 201/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 37/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB d. Bekl. als unzulässig verworfen durch Beschluss vom 27.06.05
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2001 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 23.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2000 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 05.12.1997 bis 04.12.1998 Krankengeld in Höhe von 73,38 Euro brutto kalendertäglich zu gewähren. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld.

Der 1947 geborene Kläger war bis zum 31.10.1996 aufgrund einer krankenversicherungsfreien Beschäftigung als (Gesellschafter-) Geschäftsführer einer GmbH (M1 Systems) bei der BKK der Brauerei Beck & Co., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, freiwillig versichert mit Anspruch auf Krankengeld. Ab dem 01.11.1996 war er Geschäftsführer der Q-Gesellschaft mbH (Q). An dieser Gesellschaft war der Kläger nicht beteiligt. Nach dem Dienstvertrag vom 31.10.1996 war er alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Das Anstellungsverhältnis war auf unbestimmte Zeit geschlossen. Vereinbart war nach § 3 ein festes monatliches Bruttogehalt von 10.000 DM, das 13-mal jährlich gezahlt werden sollte, sowie eine gewinnabhängige Tantieme in Höhe von 33 Prozent des Jahresgewinns. Der Kläger hatte Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub im Umfang von 8 Wochen (§ 6), im Krankheitsfall sollte nach § 7 das Gehalt für zunächst 6 Monate ungekürzt weitergezahlt werden. Der Vertrag konnte gemäß § 8 unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden.

Der Kläger wurde am 28.01.1997 durch Beschluss des damaligen Alleingesellschafters N als Geschäftsführer abberufen, zugleich wurde - durch den früheren Alleingesellschafter O - der Dienstvertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt. In dem Schreiben wird als wichtiger Grund für die Kündigung "Ihre Abgabe der eidesstattlichen Versicherung" angegeben. Der Kläger widersprach dieser Kündigung mit Schreiben vom gleichen Tag und bot seine Arbeitskraft weiter an. Mit Anwaltsschreiben vom 05.03.1997 forderte er die Firma Q zur Zahlung der ausstehenden Vergütungen für die Monate November 1996 bis Februar 1997 in Höhe von 40.000 DM auf, wobei er daraufhin wies, das Verhältnis bestehe ungekündigt fort. Den Anspruch machte er auch klagweise geltend. Die Klage nahm er später zurück, nach seiner Darstellung deshalb, weil die Firma Q mittlerweile insolvent war. Die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde mit Beschluss des Amtsgerichts J vom 25.08.1999 mangels Masse abgelehnt, so dass die GmbH von Amts wegen im Handelsregister gelöscht wurde.

Der Kläger hatte hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der Firma Q am 09.12.1996 die weitere freiwillige Versicherung bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) beantragt. Nach § 16 der Satzung in der damaligen Fassung war der Krankengeldanspruch nur für freiwillige Mitglieder, die nicht oder nur geringfügig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, ausgeschlossen.

Mit Schreiben vom 24.01.1997 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen zur Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft, um festzustellen, ob der Kläger als Geschäftsführer der Firma Q versicherungspflichtig zur Rentenversicherung und beitragspflichtig zur (früheren) Bundesanstalt für Arbeit sei. Da eine Antwort nicht erfolgte, gab die Beklagte die von der Firma Q eingereichte Jahresmeldung für den Kläger mit Schreiben vom 07.03.1997 zurück. Sie führte aus: Da sie aufgrund fehlender Informationen die Arbeitnehmereigenschaft nicht prüfen könne, müsse sie davon ausgehen, dass der Kläger als Selbständiger angestellt worden sei. Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers werde daher auf eine Mitgliedschaft ohne Krankengeldanspruch geändert. Dem Kläger wurde eine Kopie dieses Schreibens zur Kenntnisnahme übersandt.

Am 17.02.1997 erhielt die Beklagte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Internisten Dr. I für die Zeit vom 05.02. bis 18.02.1997. Ab dem 04.06.1997 bescheinigte der Arzt für Orthopädie M dem Kläger durchgehend Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte erhielt die ersten Bescheinigungen für die Zeit bis 11.08.1997 am 06.08.1997. Mit Schreiben vom 12.08.1997 übersandte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 08.08.1997 bis 21.08.1997. In der Folgezeit erhielt die Beklagte weitere Bescheinigungen, auf die keine Reaktion erfolgte. Die Beteiligten korrespondierten im Jahr 1997 nur wegen der Beiträge. Erst auf die weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 05.01.1998 reagierte die Beklagte und sandte diese mit Fax vom 07.01.1998 mit einer handschriftlichen Anmerkung an den Kläger, die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei nicht erforderlich, da er seit dem 01.11.1996 freiwilliges Mitglied ohne Anspruch auf Krankengeld sei.

Gleichwohl übersandte der Kläger weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und forderte schließlich mit Schreiben vom 18.02.1998 die Zahlung des rückständigen Krankengeldes. Mit Bescheid vom 23.02.1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld ab, da nach der Satzung ein Anspruch auf Krankengeld für freiwillig Versicherte, die nicht gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien, ausgeschlossen sei. Die freiwillige Versicherung werde seit dem 01.11.1996 mit einem ermäßigten Beitragssatz geführt, so dass zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit kein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld bestanden habe. Da gleichwohl in der Folgezeit regelmäßig von dem Orthopäden M ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen übersandt wurden (zuletzt für die Zeit bis 25.10.1998), forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.10.1998 den Arzt auf, künftig keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr zu ihren Lasten auszustellen, da die Versicherung des Klägers keinen Krankengeldanspruch beinhalte.

Auf das Schreiben des Klägers vom 09.03.1999, mit dem er die Zahlung von Krankengeld forderte, vertrat die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 30.03.1999 die Auffassung, er sei als Geschäftsführer der Firma Q nicht abhängig beschäftigt gewesen, da die Kriterien einer Selbständigkeit überwögen. Sie wertete das Schreiben vom 09.03.1999 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.02.1998 und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2000 zurück. Sie bezog sich einerseits auf die Bestandskraft des angefochtenen Bescheides, nahm aber gleichzeitig eine sachliche Prüfung vor und führte aus, auch nach Überprüfung komme der Widerspruchsausschuss zu keinem anderen Ergebnis; die Gewährung von Krankengeld sei zu Recht abgelehnt worden.

Zur Begründung der Klage, die auf die Gewährung von Krankengeld ab dem 05.12.1997 beschränkt worden ist, hat der Kläger vorgetragen: Er sei zwar aufgrund seiner Organstellung als Geschäftsführer befugt gewesen, die Firma nach außen zu vertreten, gleichwohl sei er abhängig beschäftigt gewesen. Er sei in den Betrieb der Q eingebunden und an Weisungen des Gesellschafters gebunden gewesen. Gesellschaftsrechtlich sei zwar die Abberufung als Geschäftsführer am 28.01.1997 wirksam gewesen, sie habe jedoch nicht zu einer sofortigen Beendigung des Dienstverhältnisses geführt. Die Kündigung sei nach dem Dienstvertrag nur zum Ende eines Kalenderjahres möglich gewesen.

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung habe nicht bestanden. Der in dem Kündigungsschreiben behauptete Kündigungsgrund habe nicht vorgelegen, da er die eidesstattliche Versicherung nicht für sich, sondern für die in Konkurs befindliche Firma M1 Systems als deren ehemaliger Geschäftsführer abgegeben habe. Da er nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfalle, greife die Fiktion der Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung bei unterbliebener Kündigungsschutzklage nicht ein. Die Beklagte hat demgegenüber zum einen die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bezweifelt, zum anderen gemeint, da der Kläger die Kündigung nicht erfolgreich angefochten habe, sei diese rechtswirksam.

Mit Urteil vom 20.11.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeld, weil die Arbeitsunfähigkeit erst nach Ende des Dienstverhältnisses eingetreten sei. Dabei ist das Sozialgericht ohne Begründung davon ausgegangen, es habe über die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht zu befinden.

Im Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Auffassung fest, dass er als Geschäftsführer abhängig beschäftigt gewesen und die fristlose Kündigung mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam gewesen sei. Durch die Klageerhebung gegen die Q habe er zunächst deutlich gemacht, dass er mit der fristlosen Kündigung nicht einverstanden sei, das Klageverfahren habe er wegen offensichtlicher wirtschaftlicher Sinnlosigkeit nicht weiter verfolgt. Daraus ergebe sich aber nicht, dass er auf die ihm gesetzlich zustehenden Krankengeldansprüche gegen die Beklagte habe verzichten wollen. Auch gegenüber der Beklagten habe er sich konkludent auf die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung berufen. Aus der Übersendung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen habe die Beklagte ersehen können, dass er seinen Krankengeldanspruch weiter verfolge. Das Sozialgericht sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung zu prüfen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2001 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2000 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 05.12.1997 bis 04.06.1999 Krankengeld in Höhe von 73,38 EURO brutto kalendertäglich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung auszugehen sei. Es könne nicht angehen, dass der Kläger eine fristlose Kündigung hinnehme und sie im Rahmen eines anderen Anspruchs deren Wirksamkeit beweisen müsse.

Durch den Berichterstatter sind im Erörterungstermin am 15.05.2003 zwei frühere Mitarbeiterinnen der Firma Q, die Zeuginnen T und Q1, in der mündlichen Verhandlung des Senats am 24.07.2003 der Zeuge N vernommen worden. Wegen des Inhalts ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.05.2003 bzw. 24.07.2003 Bezug genommen. Von dem Orthopäden M ist ein Befundbericht eingeholt worden (Bericht vom 27.10.2003). Er hat bestätigt, dass über den 20.10.1998 hinaus bis zu einer Wirbelsäulenoperation des Klägers im Jahre 2000 Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Bericht verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der beigezogenen KAUG-Akten der (früheren) Bundesanstalt für Arbeit (zu den Stammnummern 000 und 000) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist überwiegend begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht einen Krankengeldanspruch des Klägers verneint. Der Kläger kann wegen der bereits erstinstanzlich vorgenommenen Beschränkung seines Anspruchs allerdings nur Krankengeld bis zum 04.12.1998 beanspruchen.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Klage nicht schon deshalb unbegründet ist, weil der Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.02.1998 verspätet war, denn der Widerspruchsausschuss der Beklagten hat den Widerspruch ausdrücklich auch sachlich geprüft und inhaltlich die angefochtene Entscheidung bestätigt. Die Bindungswirkung steht der Überprüfung im gerichtlichen Verfahren demnach nicht mehr entgegen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 84 Rdnr. 7).

Der Kläger hat Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Absatz 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), denn er war im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (04.06.1997) mit Anspruch auf Krankengeld versichert.

Der Kläger hat seine freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld, die bis zum 31.10.1996 bestand, mit Aufnahme der Beschäftigung bei der Firma Q fortgeführt. Er hat insoweit am 09.12.1996 die weitere Versicherung bei der Beklagten beantragt. Da der Antragsvordruck keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des Krankengeldanspruchs vorsieht und nach § 16 der Satzung der Krankengeldanspruch nur für freiwillige Mitglieder, die nicht oder nur geringfügig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, ausgeschlossen wird, hat der Kläger damit auch die freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld fortführen wollen. Hiervon ist offenkundig auch die Beklagte ausgegangen, denn in dem Schreiben vom 07.03.1997 führt sie aus, die Mitgliedschaft des Klägers wird auf eine Mitgliedschaft ohne Krankengeldanspruch geändert.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Kläger bei der Firma Q abhängig beschäftigt. Grundsätzlich liegt nach der Rechtsprechung des BSG bei Geschäftsführern, die - wie hier der Kläger - am Stammkapital der GmbH nicht beteiligt sind, ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor (vgl. BSG USK 73122; 82, 160). Aus der weisungsfreien Ausführung einer fremdbestimmten Tätigkeit kann allein nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden, da der Fremdgeschäftsführer in einen nicht von ihm selbst gegebene Ordnung des Betriebes eingegliedert ist und auch nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der Gesellschaftsbeschlüsse handeln darf. Er unterliegt somit selbst bei Belassung großer Freiheiten der Überwachung durch die Gesellschafter. Insoweit verfeinert sich die Weisungsgebundenheit des Fremdgeschäftsführers zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess. Die Wahrnehmung der Funktion eines Arbeitgebers gegenüber sonstigen Arbeitnehmern durch den Fremdgeschäftsführer ändert nichts an seiner persönlichen Abhängigkeit. Entscheidend ist insoweit das Fehlen des für die selbständige Tätigkeit kennzeichnenden Unternehmerrisikos. Diese Grundsätze hat das BSG zuletzt im Urteil vom 06.03.2003 (B 11 AL 25/02 R) für einen Gesellschafter-Geschäftsführer, der gesellschaftsrechtlich ihm nicht genehme Anordnungen nicht verhindern konnte, bestätigt und darauf hingewiesen, grundsätzlich müsse bei Fremdgeschäftsführerin eine abhängige Beschäftigung angenommen werden, es sei denn, es lägen besondere Umstände vor, die die Weisungsgebundenheit gegenüber den Gesellschaftern im Einzelfall aufheben würden. Solche Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Aus der Aussage der Zeugin T ergibt sich vielmehr, dass der damalige Alleingesellschafter O im Betrieb mitgewirkt hat und sie auch Arbeitsanweisungen von ihm über den Kläger erhalten hat. Daraus ergibt sich auch, dass der Kläger Weisungen des Gesellschafters unterlag. Die Qualifizierung des Vertragsverhältnisses als Geschäftsbesorgungsvertrag im Sinne des § 675 BGB durch die Beklagte vermag der Senat deshalb nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen verhält sich die Beklagte widersprüchlich, wenn sie die Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der Firma M1 Systems GmbH, an deren Kapital er beteiligt war, als abhängige Beschäftigung angesehen hat, während sie dies hinsichtlich der Firma Q, bei der der Kläger Fremd-Geschäftsführer war, verneinen will. Da somit eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt bestand, war der Kläger auch mit Anspruch auf Krankengeld versichert.

Das Beschäftigungsverhältnis (und damit die Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld) bestand noch bei Eintritt des Versicherungsfalles am 05.06.1997. Die fristlose Kündigung vom 28.01.1997 hat das Beschäftigungsverhältnis nicht beendet. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass zwischen der gesellschaftsrechtlich sofort wirksamen Abberufung als Geschäftsführer und der Beendigung des Dienstverhältnisses zu unterscheiden ist. Ordentlich konnte das Dienstverhältnis nach § 8 des Dienstvertrages nur zum 31.12.1997 gekündigt werden. Die daneben mögliche außerordentliche Kündigung nach § 626 Absatz 2 BGB setzt das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Die fristlose Kündigung ist nur wirksam, wenn tatsächlich ein wichtiger Grund im Sinne dieser Vorschrift vorgelegen hat (MünchArbR/ Wank, § 120 Randziffer 27; Palandt/Thomas, BGB, 63. Auflage, § 626 Randnummer 9). Da nach § 14 Absatz 1 Nr. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dieses Gesetz nicht für Mitglieder eines Organs einer juristischen Person gilt, ist die fristlose Kündigung nicht gemäß § 13 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit § 7 KSchG wirksam geworden, weil der Kläger keine Kündigungsschutzklage erhoben hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten, die außer Unbilligkeitserwägungen keine substantiierten Argumente nennt, und des Sozialgerichts, das letztlich eine Begründung für die Wirksamkeit der Kündigung schuldig bleibt, ist somit die Wirksamkeit der Kündigung als Vorfrage des Krankengeldanspruchs zu prüfen. Insoweit ist allerdings das Verhalten des Klägers nach der Kündigung von Belang. Hätte der Kläger die Kündigung ohne Widerspruch hingenommen und seine Tätigkeit beendet, ohne seine Arbeitskraft erneut anzubieten, wäre selbst bei Unwirksamkeit der Kündigung das Beschäftigungsverhältnis beendet worden (vgl. BSG SozR. 2400 § 2 Nr. 25). So liegt es hier aber nicht, denn der Kläger hat nicht nur am gleichen Tag der Kündigung widersprochen und seine Arbeitskraft weiter angeboten, er hat später auch die Gehaltsansprüche klagweise geltend gemacht und dabei erneut auf das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses hingewiesen. Dass der Kläger dann wegen der Überschuldung der Firma Q die Klage zurückgenommen hat, ist wirtschaftlich verständlich und kann ihm nicht als widersprüchliches Verhalten angelastet werden.

Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 2 BGB hat nicht vorgelegen. Erforderlich ist insoweit, dass objektive Tatsachen vorliegen, die das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belasten (vgl. Schaub/ Link, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Auflage, § 125 Randnummer 44). Als Grund für die Kündigung wird in dem Kündigungsschreiben angegeben, der Kläger habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Insoweit könnte ein wichtiger Grund allenfalls vorliegen, wenn der Kläger die Erklärung für die eigene Person abgegeben hätte (siehe aber auch a. a. O. Randnummer 97, wonach eine starke Verschuldung nur ausnahmsweise ein geeigneter Kündigungsgrund ist). Der Kläger hat jedoch glaubhaft versichert, er habe die eidesstattliche Versicherung in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer der Firma M1 Systems GmbH abgegeben. Dies wird bestätigt durch das Schreiben der Firma Q vom 10.03.1997, in der diese ausführt, der Kläger habe die Abberufung als Geschäftsführer verursacht, weil er die Firma Q darüber im Unklaren gelassen habe, dass er für die Firma M1 Systems Konkursantrag gestellt und in dieser Angelegenheit am 09.01.1997 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber wusste, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung nicht für seine Person abgegeben hatte. Dass andererseits die Angabe des Klägers, ihm sei nur wegen der Stellung des Konkursantrages für die Firma Q gekündigt worden, zutreffend ist, ergibt sich schon aus der zeitlichen Koinzidenz, denn der Konkursantrag war am 27.01.1997 vom Kläger gestellt worden. Die Angabe des Klägers ist auch durch die Zeugin T bestätigt worden. Diese hat ausgesagt, unmittelbar im Zusammenhang mit der Stellung des Konkursantrages sei die Kündigung erfolgt. Herr O sei bei ihr gewesen und habe sich bitterlich darüber beschwert, dass der Kläger den Konkursantrag gestellt habe. Der Zeuge N, der als damaliger Alleingesellschafter den Beschluss zur Abberufung des Klägers gefasst hat (wobei bezeichnenderweise die Kündigung von dem früheren Gesellschafter O unterschrieben worden ist) konnte sich zwar an keine Gründe für die Kündigung erinnern, hat aber bekundet, Herr O habe geäußert, der Kläger habe sich um Dinge gekümmert, die ihn nichts angegangen seien. An die Tatsache der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Zusammenhang mit der Kündigung des Klägers konnte er sich jedenfalls nicht erinnern. Zwar wäre auch die unberechtigte Stellung eines Konkursantrages ein wichtiger Grund für eine Kündigung gewesen. Dass tatsächlich aber die Firma Q überschuldet war, ergibt sich schon daraus, dass - wie den beigezogenen Kaug- Akten zu entnehmen ist - jedenfalls seit Januar 1997 die Gehälter der Beschäftigten nicht mehr gezahlt worden waren. Außerdem hat die Zeugin T bekundet, sie selbst habe die Krankenkasse, bei der sie versichert gewesen war, um Stellung eines Konkursantrages gebeten. Mithin liegen keine Tatsachen vor, die im Sinne eines wichtigen Grundes die fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten.

Das Beschäftigungsverhältnis ist auch nicht dadurch beendet worden, dass der Kläger tatsächlich nicht mehr gearbeitet und sich am 19.02.1997 arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Wenn der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis kündigt und auf die Verfügungsbefugnis verzichtet, kann sich ein Versicherter arbeitslos melden. Gleichwohl beendet eine unwirksame Kündigung durch den Arbeitgeber weder das Arbeits- noch das Beschäftigungsverhältnis, auch wenn der Arbeitnehmer tatsächlich von der Arbeitsleistung freigestellt worden ist (vgl. BSGE 59, 183; BSG SozR. 2400 § 2 Nr. 25). Das Beschäftigungsverhältnis besteht vielmehr bei einer unwirksamen Kündigung solange fort, wie der Dienstverpflichtete tatsächlich bereit ist, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und ihm Anspruch auf Entgelt zustand. Diese Voraussetzungen liegen vor, denn der Kläger hatte seine Arbeitsleistung bereits mit seinem Widerspruch gegen die Kündigung vom 28.01.1997 gegenüber der Firma Q angeboten. Auch der Anspruch auf das monatliche Gehalt bestand nach dem Dienstvertrag wegen des Annahmeverzuges des Arbeitgebers (§ 615 Satz 1 BGB) fort. Mithin bestand im Juni 1997 noch eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt im Sinne der Satzungsbestimmung der Beklagten, so dass demgemäß zu diesem Zeitpunkt auch noch eine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld bestand.

Der Kläger war im streitigen Zeitraum arbeitsunfähig, denn er konnte wegen der LWS-Beschwerden seine Tätigkeit nicht verrichten. Dies ergibt sich aus dem Bericht des Orthopäden M vom 27.10.2003. Dieser hatte schon durchgehend vom 04.06.1997 bis 20.10.1998 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Da nach seinem Bericht sich die Befunde seit Beginn der Behandlung bis zur Zeit der Operation am 16.07.2001 ständig verschlechtert haben, ist seine Beurteilung plausibel, dass auch über den 20.10.1998 hinaus Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Die Beklagte hat das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit auch nicht in Frage gestellt.

Unerheblich ist, dass nach dem 20.10.1998 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr vorgelegt worden sind. Soweit nach diesem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr gemeldet und unter Umständen auch nicht ausdrücklich ärztlich festgestellt worden ist (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2000 - B 1 KR 11/98 R = SozR 3-2500, § 49 Nr. 4) steht dies dem Krankengeldanspruch nicht entgegen. Das Krankengeld ruhte insoweit nicht nach § 49 Absatz 1 Nr. 5 SGB V, denn die unterbliebene Feststellung und Meldung hat allein die Beklagte zu vertreten. Die Beklagte hatte nicht nur mit Fax vom 07.01.1998 dem Kläger mitgeteilt, er brauche wegen des fehlenden Anspruchs auf Krankengeld keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr zu übersenden, sondern auch den Orthopäden M mit Schreiben vom 15.10.1998 aufgefordert, keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mehr zu ihren Lasten auszustellen. Die unterbliebene Feststellung und Meldung ist somit allein auf Umstände zurückzuführen, die im Verantwortungsbereich der Beklagten liegen, so dass ein Ruhen des Krankengeldanspruchs eine unangemessene Benachteiligung des Klägers bedeuten würde (vgl. BSG a. a. O).

Der Kläger kann das Krankengeld aber nur 52 Wochen vom 05.12.1997 bis 04.12.1998 beanspruchen. Zwar war er schon seit 04.06.1997 arbeitsunfähig, so dass der Krankengeldanspruch am 05.06.1997 entstand (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Allerdings ruhte der Krankengeldanspruch bis zum 06.08.1997, da erst an diesem Tag die erste Meldung bei der Beklagten einging (§ 49 Absatz 1 Nr. 5 SGB V). Der Kläger hat aber in seinem erstinstanzlichen Antrag Krankengeld erst ab 05.12.1997 "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" gefordert. Offenkundig wollte er mit diesem Antrag seinem Anspruch auf Gehaltsfortzahlung Rechnung tragen und somit Krankengeld erst ab dem Zeitpunkt des Endes der im Dienstvertrag vorgesehenen sechsmonatigen Gehaltsfortzahlung beanspruchen. Nach dem Gesetz ruht der Krankengeldanspruch bei Anspruch auf Lohnfortzahlung freilich nur, soweit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommt, der Versicherte das Entgelt also tatsächlich erhält (§ 49 Absatz 1 Nr. 1 SGB V). Vor dem gesetzlichen Hintergrund muss dem Antrag des Klägers der objektive Erklärungswert beigemessen werden, dass er für die Dauer des Gehaltsfortzahlungsanspruchs (ungeachtet dessen Nichterfüllung) das Krankengeld von der Beklagten nicht fordert, also insoweit auf den Anspruch verzichtet. Ohnehin dürfte es nicht möglich sein, innerhalb des für die Höchstanspruchsdauer maßgeblichen Drei-Jahres-Zeitraums (§ 48 Absatz 1 Satz 1 SGB V) über den Beginn des Zeitraums für den Anspruch zu disponieren, da § 48 Absatz 1 Satz 1 SGB V ausdrücklich vorsieht, dass die 78 Wochen für die Höchstanspruchsdauer vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit zu rechnen sind.

Die Höhe des kalendertäglichen Krankengeldes steht außer Streit. Sie ist von der Beklagten selbst errechnet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger hat entsprechend dem Maß seines Obsiegens Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Kosten.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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