Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 232/96
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 88/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 188/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 in Verbindung mit Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV): bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch - (2108) langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, - (2110) langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der am 00.00.1935 geborene Kläger war von 1952 an im Fuhrunternehmen seines Vaters, das er in den 70ger Jahren übernahm, als Kraftfahrer tätig und dabei mit dem Transport von Baustoffen, bis 1970 auch von Kohlesäcken befaßt gewesen.
Im Mai 1991 begab er sich wegen LWS-Beschwerden zunächst in ambulante und vom 17. bis 29.05.1991 in stationäre Behandlung. Seitdem geht er keiner wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit nach.
Nach seinem entsprechenden Antrag vom 12.02.1993 erstattete der Orthopäde S aus O am 04.11.1993 wegen des Vorliegens degenerativer Veränderungen der LWS (Osteochondrose L4/L5 und L5/S1 mit Wurzelreizung) eine ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer BK. Nach Anhörung ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.01.1996 Entschädigungsleistungen u.a. wegen der BKen nach Nr. 2108 und 2110 wegen des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ab. Der Kläger legte am 23.01.1996 Widerspruch ein und schilderte seine Arbeitsbelastung. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des TAD wies die Beklagte den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.1996 zurück.
Die am 02.10.1996 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Urteil vom 11.02.1998 im Anschluß an die Feststellungen des TAD abgewiesen.
Gegen das ihm am 13.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.1998 Berufung eingelegt: Die Arbeitsbelastung während seiner Berufstätigkeit sei nicht richtig gewürdigt worden. Er stützt sich hinsichtlich des Kausalzusammenhanges auf das nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten von PD Dr. C, Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium in X, und legt zur weiteren Begründung eine Stellungnahme des Orthopäden T aus X1 vom 18.03.2003 vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 11.02.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1996 zu verurteilen, ihm wegen einer BK Nr. 2108/2110 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente zu zahlen,
hilfsweise,
sachverständig abklären zu lassen, daß ohne seine schweren Wirbelsäulenbelastungen von 1952 bis 1991 bei ihm die hochgradige Osteochondrose L5/S1, die Osteochondrose L4/L5 und die Chrondrose der oberen LWS-Segmente, der Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Kompression des rechten Neurophoraments sowie der Bandscheibenvorfall L4/L5 nicht zu dem betreffenden Zeitpunkt aufgetreten wäre, sondern wesentlich später, wenn denn überhaupt, und daß deshalb die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entsprechend dem Gutachten von Dr. C ab dem 17.05.1991 auf 30 % einzuschätzen ist und ab dem 27.01.1992 auf 40 %, und sachverständig abklären zu lassen, daß seine berufliche Bandscheibenerkrankung sehr wohl an der unteren LWS durch doppelten Bandscheibenvorfall akzentuiert ist und keineswegs nur Teil eines diffusen Befalls der gesamten Wirbelsäule darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist weiter der Auffassung, daß bei dem Kläger keine BK vorliegt.
Der Senat hat zunächst nach § 106 SGG ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. T1 aus T eingeholt, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17.05.1999 unter dem 20.05.1999 und ergänzend unter dem 23.07.1999, 02.08.2000 und 22.05.2001 erstattet hat. Bei Unterstellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen und Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der BKen 2108/2110 verneint Dr. T1 den Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Krankheit, weil der Vergleich der exponierten mit der nicht exponierten Wirbelsäulenregion völlig gleichartige Verschleißveränderungen zeige.
Sodann ist PD Dr. C gehört worden, der den Kläger ambulant am 27.01.2000 untersucht und Zusatzuntersuchungen durch den Orthopäden Dr. T2, die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. I sowie den Radiologen PD Dr. S1 hat durchführen lassen. In seinem Gutachten vom 20.03.2000 mit ergänzender Stellungnahme vom 15.02.2001 kommt Dr. C zu dem Ergebnis, daß mit Wahrscheinlichkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Nrn. 2108/2110 vorliege, und schätzt die MdE mit 30 v.H. ab 17.05.1991 und 40 v.H. ab 27.01.1992 ein. - Gegen dieses Gutachten hat sich die Beklagte gewandt und eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 09.06.2000 vorgelegt, wonach die arbeitstechnischen Voraussetzungen längstens bis 1971 erfüllt gewesen seien.
Wiederum nach § 106 SGG hat der Senat ein chirurgisches Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. C1 aus I eingeholt, das dieser unter dem 19.11.2001 erstattet hat. Prof. Dr. C1 verneint die medizinischen Voraussetzungen der BKen 2108/2110, weil ein vorzeitiger Verschleißprozeß der gesamten Wirbelsäule aus körpereigener Ursache, auch nicht verschlimmert durch eine ausreichende berufliche Exposition, vorliege.
Weiter hat der Senat ein Gutachten nach § 106 SGG von dem Orthopäden Dr. X aus S angefordert, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.06.2002 unter dem 12.08.2002 zu dem Ergebnis gekommen ist, daß wegen der Beteiligung aller drei Wirbelsäulenabschnitte ohne Akzentuierung der LWS unabhängig vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen sei. Abschließend ist Prof. Dr. C1 erneut gehört worden; er ist in seiner Stellungnahme vom 09.06.2003 bei seiner Auffassung verblieben.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die SchwbG-Akte des Versorgungsamtes Düsseldorf haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 04.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1996 ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente wegen einer BK nach den Nrn. 2108/2110, weil der bei ihm vorliegende Bandscheibenschaden an der LWS nicht mit Wahrscheinlichkeit durch das langjährige Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen wesentlich mitbedingt ist.
Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente richtet sich nach den Bestimmungen der nach § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) hier noch anwendbaren Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit den Nrn. 2108/2110 der BKV. Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalles nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet.
Die Voraussetzungen der - nach Rücknahme hinsichtlich der BK 2109 nur noch im Streit befindlichen - BKen 2108/2110 sind nicht erfüllt. Bei dem Kläger liegt zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS insbesondere in den beiden unteren Segmenten L4/5 und L5/S1 vor. Diese Verschleißerscheinungen sind jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf berufsbedingte Belastungen zurückzuführen, wobei das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen offen bleiben kann.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und beruflichen Einwirkungen spricht nämlich entscheidend, wie insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. C1 zur Überzeugung des Senats dargelegt hat, der polysegmentale Befall der gesamten Wirbelsäule, der Ausdruck einer anlagebedingten generellen Verschleißneigung ist. Dieser polysegmentale Befall, also Bandscheibendegenerationen ausgeprägten Schweregrades in allen Bereichen des Achsenorgans, zeigt sich zunächst daran, daß auch die zwei unteren Segmente der Halswirbelsäule - ohne daß diese Verschleißerscheinung typisch für eine BK 2109 wäre - betroffen sind, also parallel zur LWS, aber hinsichtlich dieser auch, wie insbesondere Dr. T1 herausgearbeitet hat, in Form eines eher schadensuntypischen Verteilungsmusters. Weiter ist auch die Brustwirbelsäule des Klägers in erheblichem Maße degenerativ verändert, ohne daß dafür exogene Einflüsse erkennbar wären; für die Brustwirbelsäule ist mangels ausreichender epidemiologischer Erkenntnisse keine BK geschaffen worden, so daß hier von vornherein kein Zusammenhang mit beruflichen Einflüssen gesehen werden kann. Neben dem auch hier vorhandenen Verschleiß aus körpereigener Ursache liegen noch radiologisch erkennbare Zeichen einer alten Scheuermann schen Krankheit in der unteren Hälfte vor, die über eine Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule und eine ausgleichende verstärkte Lendenlordose und die damit verbundene Fehlbelastung der LWS die Entstehung der bandscheibenbedingten degenerativen Schäden in ihren beiden unteren Segmenten gefördert hat. Hinzukommt ebenfalls in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule eine zusätzlich die Statik der LWS ungünstig beeinflussende ausgebreitete ankylosierende Hyperostosis senilis. Diese Krankheitserscheinungen in allen Wirbelsäulenbereichen erklären die das altersübliche Ausmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen des gesamten Achsenorgans weitgehend aus sich heraus. Zudem weisen die fortgeschrittenen arthrotischen Veränderungen in beiden Hüft- und Iliosakralgelenken auf eine besondere Verschleißneigung gelenkiger und bandhafter Verbindungen auch außerhalb der Wirbelsäule hin.
Insofern führt auch das Auftreten des Bandscheibenvorfalles 1991 zu keiner anderen Bewertung, auch nicht mehr, wie der Kläger meint, zu der Frage, ob dieser Vorfall ohne berufliche Einwirkungen später aufgetreten wäre. Denn die bandscheibenbedingten Veränderungen sind insgesamt höchstwahrscheinlich schädigungsfremd.
Das den Senat überzeugende Gutachten von Prof. Dr. C1 steht im Ergebnis in Übereinstimmung mit den Bewertungen von Dr. T1 und Dr. X. Dem Gutachten von Dr. C kann nicht gefolgt werden, weil er die Befunde an der LWS überbetont, insbesondere aber die krankhaften Veränderungen an der Brustwirbelsäule nicht einbezieht und so den polysegmentalen Befall der gesamten Wirbelsäule nicht berücksichtigt. Die von dem Orthopäden T geäußerte Kritik insbesondere an dem Gutachten von Prof. Dr. C1 greift nicht durch, weil er zwar durchaus Veränderungen in allen Bereichen der Wirbelsäule sieht, sich aber mit dem polysegmentalen Befall nicht wertend befaßt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung nach § 9 Abs. 3 SGB VII nicht vor, wonach, wenn in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer BK ausgesetzte Versicherte an einer solchen erkranken, vermutet wird, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Dies gilt aber nur, wenn Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden. Solche Anhaltspunkte sind hier aber gegeben (besondere Verschleißneigung, Fehlstatik).
Den Beweisanträgen des Klägers ist der Senat nicht gefolgt, weil sie im Ergebnis darauf hinauslaufen, ein weiteres Gutachten zur Frage des Ursachenzusammenhangs einzuholen, was sich nicht aufdrängt. Die für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen sind durch die Beweisaufnahme beantwortet. Dies gilt auch und insbesondere hinsichtlich einer "Vorverlegung" des Bandscheibenschadens durch die versicherte Tätigkeit. Prof. Dr. C1, ein zur Beurteilung der BKen 2108/2110 besonders erfahrener Sachverständiger, ist ebenso wie Dr. T1 und Dr. X davon ausgegangen, daß der konkrete Schaden nicht wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden, sondern anlagebedingt entstanden ist. Er hat damit eine Schadensvorverlegung durch die berufliche Tätigkeit (sog. Linksverschiebung), die zu einer Bejahung des streitigen Kausalzusammenhangs geführt hätte, verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 in Verbindung mit Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV): bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (LWS) durch - (2108) langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, - (2110) langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Der am 00.00.1935 geborene Kläger war von 1952 an im Fuhrunternehmen seines Vaters, das er in den 70ger Jahren übernahm, als Kraftfahrer tätig und dabei mit dem Transport von Baustoffen, bis 1970 auch von Kohlesäcken befaßt gewesen.
Im Mai 1991 begab er sich wegen LWS-Beschwerden zunächst in ambulante und vom 17. bis 29.05.1991 in stationäre Behandlung. Seitdem geht er keiner wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit nach.
Nach seinem entsprechenden Antrag vom 12.02.1993 erstattete der Orthopäde S aus O am 04.11.1993 wegen des Vorliegens degenerativer Veränderungen der LWS (Osteochondrose L4/L5 und L5/S1 mit Wurzelreizung) eine ärztliche Anzeige über das Vorliegen einer BK. Nach Anhörung ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.01.1996 Entschädigungsleistungen u.a. wegen der BKen nach Nr. 2108 und 2110 wegen des Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen ab. Der Kläger legte am 23.01.1996 Widerspruch ein und schilderte seine Arbeitsbelastung. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des TAD wies die Beklagte den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.1996 zurück.
Die am 02.10.1996 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Urteil vom 11.02.1998 im Anschluß an die Feststellungen des TAD abgewiesen.
Gegen das ihm am 13.03.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31.03.1998 Berufung eingelegt: Die Arbeitsbelastung während seiner Berufstätigkeit sei nicht richtig gewürdigt worden. Er stützt sich hinsichtlich des Kausalzusammenhanges auf das nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten von PD Dr. C, Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium in X, und legt zur weiteren Begründung eine Stellungnahme des Orthopäden T aus X1 vom 18.03.2003 vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Düsseldorf vom 11.02.1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.01.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1996 zu verurteilen, ihm wegen einer BK Nr. 2108/2110 der Anlage zur BKV eine Verletztenrente zu zahlen,
hilfsweise,
sachverständig abklären zu lassen, daß ohne seine schweren Wirbelsäulenbelastungen von 1952 bis 1991 bei ihm die hochgradige Osteochondrose L5/S1, die Osteochondrose L4/L5 und die Chrondrose der oberen LWS-Segmente, der Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Kompression des rechten Neurophoraments sowie der Bandscheibenvorfall L4/L5 nicht zu dem betreffenden Zeitpunkt aufgetreten wäre, sondern wesentlich später, wenn denn überhaupt, und daß deshalb die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) entsprechend dem Gutachten von Dr. C ab dem 17.05.1991 auf 30 % einzuschätzen ist und ab dem 27.01.1992 auf 40 %, und sachverständig abklären zu lassen, daß seine berufliche Bandscheibenerkrankung sehr wohl an der unteren LWS durch doppelten Bandscheibenvorfall akzentuiert ist und keineswegs nur Teil eines diffusen Befalls der gesamten Wirbelsäule darstellt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist weiter der Auffassung, daß bei dem Kläger keine BK vorliegt.
Der Senat hat zunächst nach § 106 SGG ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. T1 aus T eingeholt, das dieser nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17.05.1999 unter dem 20.05.1999 und ergänzend unter dem 23.07.1999, 02.08.2000 und 22.05.2001 erstattet hat. Bei Unterstellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen und Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der BKen 2108/2110 verneint Dr. T1 den Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Exposition und Krankheit, weil der Vergleich der exponierten mit der nicht exponierten Wirbelsäulenregion völlig gleichartige Verschleißveränderungen zeige.
Sodann ist PD Dr. C gehört worden, der den Kläger ambulant am 27.01.2000 untersucht und Zusatzuntersuchungen durch den Orthopäden Dr. T2, die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. I sowie den Radiologen PD Dr. S1 hat durchführen lassen. In seinem Gutachten vom 20.03.2000 mit ergänzender Stellungnahme vom 15.02.2001 kommt Dr. C zu dem Ergebnis, daß mit Wahrscheinlichkeit eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Nrn. 2108/2110 vorliege, und schätzt die MdE mit 30 v.H. ab 17.05.1991 und 40 v.H. ab 27.01.1992 ein. - Gegen dieses Gutachten hat sich die Beklagte gewandt und eine weitere Stellungnahme ihres TAD vom 09.06.2000 vorgelegt, wonach die arbeitstechnischen Voraussetzungen längstens bis 1971 erfüllt gewesen seien.
Wiederum nach § 106 SGG hat der Senat ein chirurgisches Gutachten nach Aktenlage von Prof. Dr. C1 aus I eingeholt, das dieser unter dem 19.11.2001 erstattet hat. Prof. Dr. C1 verneint die medizinischen Voraussetzungen der BKen 2108/2110, weil ein vorzeitiger Verschleißprozeß der gesamten Wirbelsäule aus körpereigener Ursache, auch nicht verschlimmert durch eine ausreichende berufliche Exposition, vorliege.
Weiter hat der Senat ein Gutachten nach § 106 SGG von dem Orthopäden Dr. X aus S angefordert, der nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 20.06.2002 unter dem 12.08.2002 zu dem Ergebnis gekommen ist, daß wegen der Beteiligung aller drei Wirbelsäulenabschnitte ohne Akzentuierung der LWS unabhängig vom Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen sei. Abschließend ist Prof. Dr. C1 erneut gehört worden; er ist in seiner Stellungnahme vom 09.06.2003 bei seiner Auffassung verblieben.
Die Verwaltungsakten der Beklagten und die SchwbG-Akte des Versorgungsamtes Düsseldorf haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 04.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.1996 ist nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente wegen einer BK nach den Nrn. 2108/2110, weil der bei ihm vorliegende Bandscheibenschaden an der LWS nicht mit Wahrscheinlichkeit durch das langjährige Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen wesentlich mitbedingt ist.
Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente richtet sich nach den Bestimmungen der nach § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) hier noch anwendbaren Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit den Nrn. 2108/2110 der BKV. Nach § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt des Arbeitsunfalles nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Leistungen, insbesondere Verletztenrente. Als Arbeitsunfall gilt gemäß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BKen sind nach § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO benannten Tätigkeiten erleidet.
Die Voraussetzungen der - nach Rücknahme hinsichtlich der BK 2109 nur noch im Streit befindlichen - BKen 2108/2110 sind nicht erfüllt. Bei dem Kläger liegt zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS insbesondere in den beiden unteren Segmenten L4/5 und L5/S1 vor. Diese Verschleißerscheinungen sind jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf berufsbedingte Belastungen zurückzuführen, wobei das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen offen bleiben kann.
Gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und beruflichen Einwirkungen spricht nämlich entscheidend, wie insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. C1 zur Überzeugung des Senats dargelegt hat, der polysegmentale Befall der gesamten Wirbelsäule, der Ausdruck einer anlagebedingten generellen Verschleißneigung ist. Dieser polysegmentale Befall, also Bandscheibendegenerationen ausgeprägten Schweregrades in allen Bereichen des Achsenorgans, zeigt sich zunächst daran, daß auch die zwei unteren Segmente der Halswirbelsäule - ohne daß diese Verschleißerscheinung typisch für eine BK 2109 wäre - betroffen sind, also parallel zur LWS, aber hinsichtlich dieser auch, wie insbesondere Dr. T1 herausgearbeitet hat, in Form eines eher schadensuntypischen Verteilungsmusters. Weiter ist auch die Brustwirbelsäule des Klägers in erheblichem Maße degenerativ verändert, ohne daß dafür exogene Einflüsse erkennbar wären; für die Brustwirbelsäule ist mangels ausreichender epidemiologischer Erkenntnisse keine BK geschaffen worden, so daß hier von vornherein kein Zusammenhang mit beruflichen Einflüssen gesehen werden kann. Neben dem auch hier vorhandenen Verschleiß aus körpereigener Ursache liegen noch radiologisch erkennbare Zeichen einer alten Scheuermann schen Krankheit in der unteren Hälfte vor, die über eine Kyphoskoliose der Brustwirbelsäule und eine ausgleichende verstärkte Lendenlordose und die damit verbundene Fehlbelastung der LWS die Entstehung der bandscheibenbedingten degenerativen Schäden in ihren beiden unteren Segmenten gefördert hat. Hinzukommt ebenfalls in der unteren Hälfte der Brustwirbelsäule eine zusätzlich die Statik der LWS ungünstig beeinflussende ausgebreitete ankylosierende Hyperostosis senilis. Diese Krankheitserscheinungen in allen Wirbelsäulenbereichen erklären die das altersübliche Ausmaß überschreitenden degenerativen Veränderungen des gesamten Achsenorgans weitgehend aus sich heraus. Zudem weisen die fortgeschrittenen arthrotischen Veränderungen in beiden Hüft- und Iliosakralgelenken auf eine besondere Verschleißneigung gelenkiger und bandhafter Verbindungen auch außerhalb der Wirbelsäule hin.
Insofern führt auch das Auftreten des Bandscheibenvorfalles 1991 zu keiner anderen Bewertung, auch nicht mehr, wie der Kläger meint, zu der Frage, ob dieser Vorfall ohne berufliche Einwirkungen später aufgetreten wäre. Denn die bandscheibenbedingten Veränderungen sind insgesamt höchstwahrscheinlich schädigungsfremd.
Das den Senat überzeugende Gutachten von Prof. Dr. C1 steht im Ergebnis in Übereinstimmung mit den Bewertungen von Dr. T1 und Dr. X. Dem Gutachten von Dr. C kann nicht gefolgt werden, weil er die Befunde an der LWS überbetont, insbesondere aber die krankhaften Veränderungen an der Brustwirbelsäule nicht einbezieht und so den polysegmentalen Befall der gesamten Wirbelsäule nicht berücksichtigt. Die von dem Orthopäden T geäußerte Kritik insbesondere an dem Gutachten von Prof. Dr. C1 greift nicht durch, weil er zwar durchaus Veränderungen in allen Bereichen der Wirbelsäule sieht, sich aber mit dem polysegmentalen Befall nicht wertend befaßt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung nach § 9 Abs. 3 SGB VII nicht vor, wonach, wenn in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer BK ausgesetzte Versicherte an einer solchen erkranken, vermutet wird, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Dies gilt aber nur, wenn Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden. Solche Anhaltspunkte sind hier aber gegeben (besondere Verschleißneigung, Fehlstatik).
Den Beweisanträgen des Klägers ist der Senat nicht gefolgt, weil sie im Ergebnis darauf hinauslaufen, ein weiteres Gutachten zur Frage des Ursachenzusammenhangs einzuholen, was sich nicht aufdrängt. Die für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen sind durch die Beweisaufnahme beantwortet. Dies gilt auch und insbesondere hinsichtlich einer "Vorverlegung" des Bandscheibenschadens durch die versicherte Tätigkeit. Prof. Dr. C1, ein zur Beurteilung der BKen 2108/2110 besonders erfahrener Sachverständiger, ist ebenso wie Dr. T1 und Dr. X davon ausgegangen, daß der konkrete Schaden nicht wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden, sondern anlagebedingt entstanden ist. Er hat damit eine Schadensvorverlegung durch die berufliche Tätigkeit (sog. Linksverschiebung), die zu einer Bejahung des streitigen Kausalzusammenhangs geführt hätte, verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
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