Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 33 Ka 5/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 202/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 27/03 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2000 abgeändert. Die Bescheide der Beklagten vom 28.05.1998 und 10.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1999 werden aufgehoben, soweit die Ziffer 50 EBM gestrichen und die Ziffer 152 EBM bei Leistungserbringung bis zur achten Lebenswoche einschließlich in die Ziffer 384 EBM umgewandelt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1/3 in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Honorarberichtungen in den Quartalen IV/1997 und I/1998.
Die Kläger sind Ärzte für Orthopädie und waren in den streitigen Quartalen in E zur vertragsärztlichen Versorgung in einer Gemeinschaftspraxis zugelassen.
Mit Bescheiden vom 29.05.1998 und 10.08.1998 berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnungen der Kläger für die streitigen Quartale. Dabei wurde die Abrechnung der EBM-Ziffer 50 gestrichen, weil die Behandlung des Patienten (ambulante Operation) in einer Praxis in L und somit in einer zweiten Betriebsstätte erfolgt sei. Die Beklagte strich ferner die Abrechnung der EBM-Ziffer 955, da diese Leistung für Orthopäden fachfremd sei. Weiterhin wandelte die Beklagte die Abrechnung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 um, da die sonographische Screening-Untersuchung der Säuglingshüften nur bis zur Vollendung der 7. Lebenswoche nach der EBM-Ziffer 152 abgerechnet werden könne.
Die Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.1999 unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden zurück.
Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, der erkennende Senat habe mit rechtskräftiger Entscheidung vom 01.04.1998 - L 11 KA 171/97 - festgestellt, dass die Kläger zur Abrechnung der EBM-Ziffer 50 berechtigt seien. Die der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 zugrundeliegende Leistung sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht fachfremd für Orthopäden; der Kläger zu 1) verfüge über die für diese Untersuchung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Ausbildung. Die in der Leistungslegende der EBM-Ziffer 152 beschriebene Sonographie der Säuglingshüfte sei in der vierten und fünften Lebenswoche im Rahmen der Früherkennungsmaßnahme U 3 vorzunehmen. Es könne aber passieren, dass der Säugling dem Kinderarzt erst in der fünften Lebenswoche vorgestellt werde und somit die streitige Leistung von den Klägern - nach entsprecheder Überweisung durch den Kinderarzt - erst später erbracht werden könne. Diese zeitliche Verschiebung liege dann jedoch nicht im Verantwortungsbereich der Kläger.
Die Kläger haben beantragt,
die Bescheide der Bezirksstelle E der Beklagten vom 29.05.1998 und 10.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Vorstands der Beklagten vom 09.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen nach Nummer 955 und 50 EBM sowie die in die Leistung nach Nummer 384 EBM umgewandelte Leistung nach Nummer 152 EBM nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und ergänzend vorgetragen, dass im Verfahren L 11 KA 171/97 die Streichungen der EBM-Ziffer 50 aufgehoben worden seien aufgrund der Erklärung der Kläger, sie seien an der anästhesiologischen Praxis nicht beteiligt, und des Hinweises des Senates, die EBM-Ziffer 50 könne auch bei eigenen Patienten abgerechnet werden. Die streitigen Streichungen beträfen jedoch ambulante Operationen in der anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. L und Partner in L; der Praxisschwerpunkt "ambulante Operationen" sei daher als ausgelagerte Praxistätigkeit der Kläger zu betrachten und somit von einer Vergütung nach der EBM-Ziffer 50 ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 29.11.2000 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 sei rechtmäßig, da die Kläger die Leistungen nach der sechsten Lebenswoche des Säuglings erbracht hätte; es sei unerheblich, ob dies dem Verantwortungsbereich der Kläger oder der überweisenden Kinderärzte zuzurechnen sei. Die Streichung der EBM-Ziffer 50 sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da nicht die Einrichtungen anderer Ärzte in Anspruch genommen worden seien, sondern ein Operations-Zentrum, das den Klägern aufgrund eines Mietverhältnisses oder kostenfrei zur Verfügung gestellt worden sei. Die Beklagte habe auch zu Recht die EBM-Ziffer 955 gestrichen, denn diese Leistung sei für Orthopäden fachfremd; auf die persönliche Qualifikation des Klägers zu 1) komme es nicht an.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor, hinsichtlich der EBM-Ziffer 152 sei eine wortlautgetreue Anwendung nicht notwendig, da die streitige Leistung auch nach der sechsten Lebenswoche erbracht werden könne und im Übrigen die Beklagte aufgrund ihrer Fürsorgeverfplichtung gehalten sei, für eine andere Abrechnungsorganisation zu sorgen. Die Streichung der EBM-Ziffer 50 sei nicht rechtmäßig, da es allein darauf ankomme, ob ein Arzt das Operationszentrum unbeschränkt, also ohne Zustimmung der Inhaber benutzen könnte; dies ergebe sich aus der Entscheidung des Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vom 24.01.2001 - L 5 KA 3075/00. Die der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 zugrundeliegende Leistung des Arztes betreffe nicht die Feststellung des psychischen Zustandes des Kindes, sondern allein die Feststellung der Lagereaktion; diese Leistung gehöre zum Fachgebiet des Arztes für Orthopädie.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2000 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Düsseldorf - S 25 KA 416/96 und S 25 KA 582/96 - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig und teilweise begründet. Die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 50 sowie die durchgeführte Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 sind rechtswidrig und beeinträchtigen die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG. Die Streichung der EBM-Ziffer 955 hingegen ist rechtmäßig und führt deshalb zu keiner Rechtsbeeinträchtigung der Kläger.
Die Beklagte ist berechtigt, die Honorarabrechnungen der Kläger auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Honorarabrechnungen zu berichtigen. Dies ergibt sich aus § 45 BMV-Ä sowie 34 Abs. 4 EKV-Ä, die auf der Grundlage von § 82 Abs. 1 SGB V vereinbart worden sind. Danach obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (vgl. BSG in SozR - 2500 § 82 Nr. 3 m.w.N.). Dabei dürfen die Vorschriften des EBM von den Gerichten nicht extensiv interpretiert werden und sind auch einer Analogie im ausweitenden oder restriktiven Sinne nicht zugänglich (BSGE 69, 166, 168). Eine historische sowie eine teleologische Interpretation ist ebenfalls regelmäßig ausgeschlossen, jedoch darf eine systematische Auslegung vom Gericht seiner Entscheidung insoweit zugrunde gelegt werden, als sich mit ihrer Hilfe ein eindeutiger Wortlaut der anzuwendenden Vorschrift ergibt (BSG a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien ergibt sich, dass die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 50 nicht gerechtfertigt ist. Streng am Wortlaut orientiert kommt es allein darauf an, ob die von den Klägern erbrachte Leistung (ambulante Operation) in der Praxis eines anderen Arztes vorgenommen wird. Nach den Feststellungen des Senates ist dies nicht der Fall, da die Kläger die ambulanten Operationen in der anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. L und Partner in L vornehmen. Die in der EBM-Ziffer 50 genannte Ausnahme (Leistungserbringung durch einen Partner derselben Gemeinschaft oder Praxisgemeinschaft) liegt nicht vor, da die Kläger mit den in L niedergelassenen Anästhesisten keine Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft haben. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelt es sich bei dem von den Kläger genutzten Operationszentrum auch nicht um einen ausgelagerten Teil der eigenen Praxis der Kläger. Denn nach den Feststellungen des Senates können die Kläger auf das ambulante Operationszentrum in L nicht unbeschränkt zugreifen, sondern sie haben dort nach freien Terminen anzufragen, was in der Regel durch Übersendung einer Patientenliste geschieht. Für die Nutzung der Operationsräume erhält die anästhesiologische Gemeinschaftspraxis von den Klägern darüber hinaus ein Entgelt, nämlich einen Teil der Zuschlagsziffern.
Im Übrigen spricht auch die historische Entwicklung der EBM-Ziffer 50 dafür, dass dem Operateur, der für die Durchführung ambulanter Operationen Räumlichkeiten eines Anästhesisten benutzt, die Leistung entsprechend der EBM-Ziffer 50 zu vergüten ist. Insoweit nimmt der Senat - nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage - Bezug auf die Ausführungen im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.01.2001 - L 5 KA 3075/00 -, das mit den Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert worden ist.
Die Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 durch die Beklagte ist ebenfalls nicht gerechtfertigt, soweit die Leistungserbringung bis einschließlich der achten Lebenswoche des Säuglings erfolgt. Nach der Leistungslegende der EBM-Ziffer 152 ist diese Leistung innerhalb des durch die Früherkennungsuntersuchung U 3 (Nr. 143) vorgegebenen Zeitraums (vierte bis sechste Lebenswoche) zu erbringen. Der in dieser EBM-Ziffer vorgegebene zeitliche Rahmen durch Bezugnahme auf die Früherkennungsuntersuchung U 3 einerseits und den in der Ziffer genannten Zeitraum der vierten bis sechsten Lebenswoche andererseits ist nicht eindeutig und somit auszulegen. Denn die Früherkennungsuntersuchung U 3 ist entsprechend den Kinder-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unter Berücksichtigung der im Abschnitt B dieser Kinderrichtlinien beschriebenen Toleranzgrenzen zwischen der dritten und achten Lebenswoche vorzunehmen. Da der Normgeber ausdrücklich darauf abstellt, dass die Untersuchungen unter Berücksichtigung der genannten Toleranzgrenzen in Anspruch genommen werden können, also der Versicherte einen solchen Leistungsanspruch gegen seine Krankenkasse hat, muß auch der diesem Leistungsanspruch korrespondierende Vergütungsanspruch des Vertragsarztes, der sich aus der Leistungslegende in der EBM-Ziffer 152 ergibt, entsprechend ausgelegt werde. Eine engere Auslegung des von der EBM-Ziffer 152 umfaßten Vergütungsanspruchs des Vertragsarztes würde dazu führen, dass er nach Vollendung der sechsten Lebenswoche des Säulings die Leistung als Vertragsarzt nicht erbringen darf, somit ein Fall des sogenannten Systemversagens eintritt und der Versicherte einen Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V hat. Im Rahmen dieser Kostenerstattung hätte dann die Krankenkasse die vom Arzt erbrachte und nach den Vorschriften der GOÄ abgerechnete Leistung zu vergüten.
Die Streichung der EBM-Ziffer 955 durch die Beklagte ist hingegen rechtmäßig, da die Leistung für die Kläger als Orthopäden fachfremd ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der Vertragsarzt verpflichtet, seine Tätigkeit auf das Fachgebiet zu beschränken, für das er zugelassen ist; soweit er Leistungen erbringt, mit denen er in nicht zulässiger Weise sein Fachgebiet überschreitet, besteht grundsätzlich kein Honoraranspruch (BSG, Urteile vom 20.03.1996 - 6 RKa 34/95 - und vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 -). Die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete erfolgt auch im Vertragsarztrecht aufgrund der Bestimmungen der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern. Die Weiterbildungsordnungen unterscheiden zwischen Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten einerseits sowie Vermittlung und Erwerb von Kenntnissen andererseits. Während erstere grundsätzlich die eigene Tätigkeit des Gebietsarztes betreffen, sollen die Vermittlung und der Erwerb bloßer Kenntnisse insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen Gebietsärzten ermöglichen (Urteil des erkennenden Senates vom 14.07.1997 - L 11 KA 191/96 -). Die in der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 beschriebene Untersuchung der kinesiologischen Entwicklung eines Kindes umfaßt die Feststellung der gesamten Bewegungsentwicklung des Säuglinges und nicht nur die Prüfung der Lagereaktion. Die Bewegungsentwicklung eines Kindes hängt aber nicht nur von der Entwicklung des Stütz- und Bewegungsapparates ab, sondern auch von der sonstigen physischen und psychischen Entwicklung des Säuglings. Die Beurteilung der körperlichen, psychischen und intellektuellen Entwicklung des Kindes ist jedoch spezifischer Gegenstand der Weiterbildung in der Kinderheilkunde, wie sie in Ziffer 17 der Anlage I der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein vom 27.09.1994 beschrieben wird. Auf die - vom Senat nicht in Abrede gestellte - persönliche Qualifikation des Klägers zu 1) zur Erbringung dieser Leistung kommt es nicht an.
Selbst wenn man sich der Auffassung der Kläger anschließt, dass die Lagereaktionsprüfung für den Facharzt für Orthopädie nicht als fachfremd anzusehen ist, da gem. Ziffer 29 des ersten Abschnittes der o.g. Weiterbildungsordnung die Prävention, Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen der Stütz- und Bewegungsorgane dem Fachgebiet "Orthopädie" zuzuordnen ist, ist die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 955 rechtmäßig. Denn die Lagereaktionsprüfung ist nur ein Teil der in dieser EBM-Ziffer beschriebenen Leistung. Ein Vergütungsanspruch entsteht somit dann nicht, weil nicht die in der Leistungslegende beschriebene Leistung vollständig vom Vertragsarzt erbracht worden ist.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Honorarberichtungen in den Quartalen IV/1997 und I/1998.
Die Kläger sind Ärzte für Orthopädie und waren in den streitigen Quartalen in E zur vertragsärztlichen Versorgung in einer Gemeinschaftspraxis zugelassen.
Mit Bescheiden vom 29.05.1998 und 10.08.1998 berichtigte die Beklagte die Honorarabrechnungen der Kläger für die streitigen Quartale. Dabei wurde die Abrechnung der EBM-Ziffer 50 gestrichen, weil die Behandlung des Patienten (ambulante Operation) in einer Praxis in L und somit in einer zweiten Betriebsstätte erfolgt sei. Die Beklagte strich ferner die Abrechnung der EBM-Ziffer 955, da diese Leistung für Orthopäden fachfremd sei. Weiterhin wandelte die Beklagte die Abrechnung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 um, da die sonographische Screening-Untersuchung der Säuglingshüften nur bis zur Vollendung der 7. Lebenswoche nach der EBM-Ziffer 152 abgerechnet werden könne.
Die Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.1999 unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden zurück.
Im Klageverfahren haben die Kläger vorgetragen, der erkennende Senat habe mit rechtskräftiger Entscheidung vom 01.04.1998 - L 11 KA 171/97 - festgestellt, dass die Kläger zur Abrechnung der EBM-Ziffer 50 berechtigt seien. Die der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 zugrundeliegende Leistung sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht fachfremd für Orthopäden; der Kläger zu 1) verfüge über die für diese Untersuchung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Ausbildung. Die in der Leistungslegende der EBM-Ziffer 152 beschriebene Sonographie der Säuglingshüfte sei in der vierten und fünften Lebenswoche im Rahmen der Früherkennungsmaßnahme U 3 vorzunehmen. Es könne aber passieren, dass der Säugling dem Kinderarzt erst in der fünften Lebenswoche vorgestellt werde und somit die streitige Leistung von den Klägern - nach entsprecheder Überweisung durch den Kinderarzt - erst später erbracht werden könne. Diese zeitliche Verschiebung liege dann jedoch nicht im Verantwortungsbereich der Kläger.
Die Kläger haben beantragt,
die Bescheide der Bezirksstelle E der Beklagten vom 29.05.1998 und 10.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Vorstands der Beklagten vom 09.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen nach Nummer 955 und 50 EBM sowie die in die Leistung nach Nummer 384 EBM umgewandelte Leistung nach Nummer 152 EBM nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen und ergänzend vorgetragen, dass im Verfahren L 11 KA 171/97 die Streichungen der EBM-Ziffer 50 aufgehoben worden seien aufgrund der Erklärung der Kläger, sie seien an der anästhesiologischen Praxis nicht beteiligt, und des Hinweises des Senates, die EBM-Ziffer 50 könne auch bei eigenen Patienten abgerechnet werden. Die streitigen Streichungen beträfen jedoch ambulante Operationen in der anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. L und Partner in L; der Praxisschwerpunkt "ambulante Operationen" sei daher als ausgelagerte Praxistätigkeit der Kläger zu betrachten und somit von einer Vergütung nach der EBM-Ziffer 50 ausgeschlossen.
Mit Urteil vom 29.11.2000 hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 sei rechtmäßig, da die Kläger die Leistungen nach der sechsten Lebenswoche des Säuglings erbracht hätte; es sei unerheblich, ob dies dem Verantwortungsbereich der Kläger oder der überweisenden Kinderärzte zuzurechnen sei. Die Streichung der EBM-Ziffer 50 sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da nicht die Einrichtungen anderer Ärzte in Anspruch genommen worden seien, sondern ein Operations-Zentrum, das den Klägern aufgrund eines Mietverhältnisses oder kostenfrei zur Verfügung gestellt worden sei. Die Beklagte habe auch zu Recht die EBM-Ziffer 955 gestrichen, denn diese Leistung sei für Orthopäden fachfremd; auf die persönliche Qualifikation des Klägers zu 1) komme es nicht an.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr bisheriges Vorbringen und tragen ergänzend vor, hinsichtlich der EBM-Ziffer 152 sei eine wortlautgetreue Anwendung nicht notwendig, da die streitige Leistung auch nach der sechsten Lebenswoche erbracht werden könne und im Übrigen die Beklagte aufgrund ihrer Fürsorgeverfplichtung gehalten sei, für eine andere Abrechnungsorganisation zu sorgen. Die Streichung der EBM-Ziffer 50 sei nicht rechtmäßig, da es allein darauf ankomme, ob ein Arzt das Operationszentrum unbeschränkt, also ohne Zustimmung der Inhaber benutzen könnte; dies ergebe sich aus der Entscheidung des Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vom 24.01.2001 - L 5 KA 3075/00. Die der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 zugrundeliegende Leistung des Arztes betreffe nicht die Feststellung des psychischen Zustandes des Kindes, sondern allein die Feststellung der Lagereaktion; diese Leistung gehöre zum Fachgebiet des Arztes für Orthopädie.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2000 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Sozialgerichts Düsseldorf - S 25 KA 416/96 und S 25 KA 582/96 - haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Auf den Inhalt dieser Akten und den der Streitakten wird - insbesondere hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten - ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig und teilweise begründet. Die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 50 sowie die durchgeführte Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 sind rechtswidrig und beeinträchtigen die Kläger in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG. Die Streichung der EBM-Ziffer 955 hingegen ist rechtmäßig und führt deshalb zu keiner Rechtsbeeinträchtigung der Kläger.
Die Beklagte ist berechtigt, die Honorarabrechnungen der Kläger auf sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Honorarabrechnungen zu berichtigen. Dies ergibt sich aus § 45 BMV-Ä sowie 34 Abs. 4 EKV-Ä, die auf der Grundlage von § 82 Abs. 1 SGB V vereinbart worden sind. Danach obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (vgl. BSG in SozR - 2500 § 82 Nr. 3 m.w.N.). Dabei dürfen die Vorschriften des EBM von den Gerichten nicht extensiv interpretiert werden und sind auch einer Analogie im ausweitenden oder restriktiven Sinne nicht zugänglich (BSGE 69, 166, 168). Eine historische sowie eine teleologische Interpretation ist ebenfalls regelmäßig ausgeschlossen, jedoch darf eine systematische Auslegung vom Gericht seiner Entscheidung insoweit zugrunde gelegt werden, als sich mit ihrer Hilfe ein eindeutiger Wortlaut der anzuwendenden Vorschrift ergibt (BSG a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Auslegungskriterien ergibt sich, dass die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 50 nicht gerechtfertigt ist. Streng am Wortlaut orientiert kommt es allein darauf an, ob die von den Klägern erbrachte Leistung (ambulante Operation) in der Praxis eines anderen Arztes vorgenommen wird. Nach den Feststellungen des Senates ist dies nicht der Fall, da die Kläger die ambulanten Operationen in der anästhesiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. L und Partner in L vornehmen. Die in der EBM-Ziffer 50 genannte Ausnahme (Leistungserbringung durch einen Partner derselben Gemeinschaft oder Praxisgemeinschaft) liegt nicht vor, da die Kläger mit den in L niedergelassenen Anästhesisten keine Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft haben. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelt es sich bei dem von den Kläger genutzten Operationszentrum auch nicht um einen ausgelagerten Teil der eigenen Praxis der Kläger. Denn nach den Feststellungen des Senates können die Kläger auf das ambulante Operationszentrum in L nicht unbeschränkt zugreifen, sondern sie haben dort nach freien Terminen anzufragen, was in der Regel durch Übersendung einer Patientenliste geschieht. Für die Nutzung der Operationsräume erhält die anästhesiologische Gemeinschaftspraxis von den Klägern darüber hinaus ein Entgelt, nämlich einen Teil der Zuschlagsziffern.
Im Übrigen spricht auch die historische Entwicklung der EBM-Ziffer 50 dafür, dass dem Operateur, der für die Durchführung ambulanter Operationen Räumlichkeiten eines Anästhesisten benutzt, die Leistung entsprechend der EBM-Ziffer 50 zu vergüten ist. Insoweit nimmt der Senat - nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage - Bezug auf die Ausführungen im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24.01.2001 - L 5 KA 3075/00 -, das mit den Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert worden ist.
Die Umwandlung der EBM-Ziffer 152 in die EBM-Ziffer 384 durch die Beklagte ist ebenfalls nicht gerechtfertigt, soweit die Leistungserbringung bis einschließlich der achten Lebenswoche des Säuglings erfolgt. Nach der Leistungslegende der EBM-Ziffer 152 ist diese Leistung innerhalb des durch die Früherkennungsuntersuchung U 3 (Nr. 143) vorgegebenen Zeitraums (vierte bis sechste Lebenswoche) zu erbringen. Der in dieser EBM-Ziffer vorgegebene zeitliche Rahmen durch Bezugnahme auf die Früherkennungsuntersuchung U 3 einerseits und den in der Ziffer genannten Zeitraum der vierten bis sechsten Lebenswoche andererseits ist nicht eindeutig und somit auszulegen. Denn die Früherkennungsuntersuchung U 3 ist entsprechend den Kinder-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen unter Berücksichtigung der im Abschnitt B dieser Kinderrichtlinien beschriebenen Toleranzgrenzen zwischen der dritten und achten Lebenswoche vorzunehmen. Da der Normgeber ausdrücklich darauf abstellt, dass die Untersuchungen unter Berücksichtigung der genannten Toleranzgrenzen in Anspruch genommen werden können, also der Versicherte einen solchen Leistungsanspruch gegen seine Krankenkasse hat, muß auch der diesem Leistungsanspruch korrespondierende Vergütungsanspruch des Vertragsarztes, der sich aus der Leistungslegende in der EBM-Ziffer 152 ergibt, entsprechend ausgelegt werde. Eine engere Auslegung des von der EBM-Ziffer 152 umfaßten Vergütungsanspruchs des Vertragsarztes würde dazu führen, dass er nach Vollendung der sechsten Lebenswoche des Säulings die Leistung als Vertragsarzt nicht erbringen darf, somit ein Fall des sogenannten Systemversagens eintritt und der Versicherte einen Anspruch gegen seine Krankenkasse auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V hat. Im Rahmen dieser Kostenerstattung hätte dann die Krankenkasse die vom Arzt erbrachte und nach den Vorschriften der GOÄ abgerechnete Leistung zu vergüten.
Die Streichung der EBM-Ziffer 955 durch die Beklagte ist hingegen rechtmäßig, da die Leistung für die Kläger als Orthopäden fachfremd ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist der Vertragsarzt verpflichtet, seine Tätigkeit auf das Fachgebiet zu beschränken, für das er zugelassen ist; soweit er Leistungen erbringt, mit denen er in nicht zulässiger Weise sein Fachgebiet überschreitet, besteht grundsätzlich kein Honoraranspruch (BSG, Urteile vom 20.03.1996 - 6 RKa 34/95 - und vom 18.10.1995 - 6 RKa 52/94 -). Die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete erfolgt auch im Vertragsarztrecht aufgrund der Bestimmungen der Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern. Die Weiterbildungsordnungen unterscheiden zwischen Vermittlung, Erwerb und Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten einerseits sowie Vermittlung und Erwerb von Kenntnissen andererseits. Während erstere grundsätzlich die eigene Tätigkeit des Gebietsarztes betreffen, sollen die Vermittlung und der Erwerb bloßer Kenntnisse insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen Gebietsärzten ermöglichen (Urteil des erkennenden Senates vom 14.07.1997 - L 11 KA 191/96 -). Die in der Leistungslegende der EBM-Ziffer 955 beschriebene Untersuchung der kinesiologischen Entwicklung eines Kindes umfaßt die Feststellung der gesamten Bewegungsentwicklung des Säuglinges und nicht nur die Prüfung der Lagereaktion. Die Bewegungsentwicklung eines Kindes hängt aber nicht nur von der Entwicklung des Stütz- und Bewegungsapparates ab, sondern auch von der sonstigen physischen und psychischen Entwicklung des Säuglings. Die Beurteilung der körperlichen, psychischen und intellektuellen Entwicklung des Kindes ist jedoch spezifischer Gegenstand der Weiterbildung in der Kinderheilkunde, wie sie in Ziffer 17 der Anlage I der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein vom 27.09.1994 beschrieben wird. Auf die - vom Senat nicht in Abrede gestellte - persönliche Qualifikation des Klägers zu 1) zur Erbringung dieser Leistung kommt es nicht an.
Selbst wenn man sich der Auffassung der Kläger anschließt, dass die Lagereaktionsprüfung für den Facharzt für Orthopädie nicht als fachfremd anzusehen ist, da gem. Ziffer 29 des ersten Abschnittes der o.g. Weiterbildungsordnung die Prävention, Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen der Stütz- und Bewegungsorgane dem Fachgebiet "Orthopädie" zuzuordnen ist, ist die von der Beklagten vorgenommene Streichung der EBM-Ziffer 955 rechtmäßig. Denn die Lagereaktionsprüfung ist nur ein Teil der in dieser EBM-Ziffer beschriebenen Leistung. Ein Vergütungsanspruch entsteht somit dann nicht, weil nicht die in der Leistungslegende beschriebene Leistung vollständig vom Vertragsarzt erbracht worden ist.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus §§ 183 und 193 SGG in der Fassung bis zum 01.01.2002.
Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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