Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 4 AL 201/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 36/04 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.07.2004 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt D L, B-Ring 0, S beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt L gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Ausweislich der Leistungsakte der Beklagten erhält er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 20,90 EUR täglich und damit 627 EUR monatlich. Hiervon sind 364 EUR nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO i.V.m. Ziff. 1 der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2004 (BGBl. I, S. 1283) sowie nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO Kosten für Unterkunft und Heizung in einer auch ohne weitere Nachweise plausiblen Höhe von 270,98 EUR abzusetzen.
Die Prozessverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint auch nicht mutwillig. Dem Vortrag des Klägers sind genügende Anhaltspunkte für eine weitere Sachaufklärung zu entnehmen (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, NJW 1997, 2745; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. (2002), § 73a Rdnr. 7). Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen für eine Minderung der Säumniszeit wegen besonderer Härte (§ 145 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) erfüllt sind.
Der Gesetzgeber hat mit § 145 Abs. 3 SGB III der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer Regelung für solche Sonderfälle Rechnung getragen, in denen die pauschale Kürzung des Arbeitslosengeldes für einen Zeitraum von zwei Wochen aufgrund der Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist (vgl. BVerfG SozR 4100 § 120 Nr. 2). Solche Umstände können sich insbesondere aus Unerfahrenheit oder Unverständnis des Leistungsbeziehers für Verwaltungsvorgänge, aber auch mit Blick darauf ergeben, dass der Solidargemeinschaft durch das Meldeversäumnis kein oder ein nur geringer Schaden entstanden ist. Die Entscheidung kann dabei nur aufgrund einer Würdigung aller Gesichtspunkte des Einzelfalles getroffen werden.
Der Kläger hat im vorliegenden Fall Umstände vorgetragen, die es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein Härtefall im Sinne von § 145 Abs. 3 SGB III vorliegt. Er hat unmittelbar nach Erhalt des angefochtenen Bescheides vom 24.07.2003 zur Niederschrift des Arbeitsamtes Recklinghausen angegeben, er sei am 16.07.2003 beim Inhaber des Unternehmens "E", Herrn V T, erschienen, um sich nach einer Arbeitsmöglichkeit zu erkundigen. Dabei habe er die Meldeaufforderung des Arbeitsamtes bei sich gehabt, und Herr T habe deshalb mit Frau S, einer Mitarbeiterin des Arbeitsamtes, telefoniert. Ferner trägt der Kläger im Gerichtsverfahren vor, er habe sich am darauffolgenden Tag, dem 17.07.2003, beim Arbeitsamt gemeldet.
Sollte sich dieser Vortrag als zutreffend erweisen, so könnte dies insoweit für ein reduziertes Verschulden des Klägers sprechen, als dieser der Meldeaufforderung in der Annahme nicht nachgekommen ist, am selben Tag eine Anstellung beim Unternehmen "E" erhalten und auf diese Weise die Leistungsverpflichtung der Solidargemeinschaft ihm gegenüber beenden zu können. Seine Bemühungen, das Arbeitsamt umgehend über den Grund für sein Nichterscheinen zu unterrichten, könnten diese Beurteilung gegebenenfalls stützen. Zusätzlich könnte es sich zu seinen Gunsten auswirken, wenn die Meldeaufforderung der Erörterung nicht eines konkreten Arbeitsangebotes, sondern lediglich seiner beruflichen Situation bzw. der Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen gedient haben und der Solidargemeinschaft durch das Nichterscheinen daher kein Schaden entstanden sein sollte. Schließlich wäre zu berücksichtigen, dass der Kläger sich bereits am nächsten Tag beim Arbeitsamt gemeldet und damit umgehend seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, seinen Mitwirkungspflichten künftig wieder nachzukommen.
Lediglich aus Gründen der Prozessökonomie weist der Senat darauf hin, dass die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zulässig ist. Das gilt auch dann, wenn man dem Vortrag des Klägers folgt, wonach ihm von den zwei Widerspruchsbescheiden vom 06.08.2003 lediglich der im vorliegenden Fall nicht streitbefangene betreffend eine Sperrzeit vom 24.06.2003 bis zum 14.07.2003 - dieser allerdings in dreifacher Ausfertigung, davon angeblich einmal in Gestalt einer Kopie aus der foliierten Leistungsakte der Beklagten - bekannt gegeben worden ist. Denn in diesem Fall fehlt es bis zum heutigen Tage an einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides und damit am Abschluss des nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Vorverfahrens. Die notwendige Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, d.h. die willentliche Entäußerung seitens der Beklagten mit dem Willen des Zugangs beim Kläger, wird nicht dadurch ersetzt, dass der Kläger im Wege der Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Möglichkeit erhalten hat, die zum Verbleib in der Leistungsakte bestimmte Ausfertigung des Widerspruchsbescheides einzusehen. Im Hinblick darauf bietet es sich an, das Klageverfahren auszusetzen und der Beklagten Gelegenheit zum Abschluss des Vorverfahrens zu geben, in dessen Rahmen im Übrigen auch die erwähnten noch ausstehenden Ermittlungen durchgeführt werden können.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat für das Klageverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt L gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Ausweislich der Leistungsakte der Beklagten erhält er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 20,90 EUR täglich und damit 627 EUR monatlich. Hiervon sind 364 EUR nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO i.V.m. Ziff. 1 der Prozesskostenhilfebekanntmachung 2004 (BGBl. I, S. 1283) sowie nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO Kosten für Unterkunft und Heizung in einer auch ohne weitere Nachweise plausiblen Höhe von 270,98 EUR abzusetzen.
Die Prozessverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint auch nicht mutwillig. Dem Vortrag des Klägers sind genügende Anhaltspunkte für eine weitere Sachaufklärung zu entnehmen (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, NJW 1997, 2745; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. (2002), § 73a Rdnr. 7). Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen für eine Minderung der Säumniszeit wegen besonderer Härte (§ 145 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]) erfüllt sind.
Der Gesetzgeber hat mit § 145 Abs. 3 SGB III der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer Regelung für solche Sonderfälle Rechnung getragen, in denen die pauschale Kürzung des Arbeitslosengeldes für einen Zeitraum von zwei Wochen aufgrund der Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist (vgl. BVerfG SozR 4100 § 120 Nr. 2). Solche Umstände können sich insbesondere aus Unerfahrenheit oder Unverständnis des Leistungsbeziehers für Verwaltungsvorgänge, aber auch mit Blick darauf ergeben, dass der Solidargemeinschaft durch das Meldeversäumnis kein oder ein nur geringer Schaden entstanden ist. Die Entscheidung kann dabei nur aufgrund einer Würdigung aller Gesichtspunkte des Einzelfalles getroffen werden.
Der Kläger hat im vorliegenden Fall Umstände vorgetragen, die es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen, dass ein Härtefall im Sinne von § 145 Abs. 3 SGB III vorliegt. Er hat unmittelbar nach Erhalt des angefochtenen Bescheides vom 24.07.2003 zur Niederschrift des Arbeitsamtes Recklinghausen angegeben, er sei am 16.07.2003 beim Inhaber des Unternehmens "E", Herrn V T, erschienen, um sich nach einer Arbeitsmöglichkeit zu erkundigen. Dabei habe er die Meldeaufforderung des Arbeitsamtes bei sich gehabt, und Herr T habe deshalb mit Frau S, einer Mitarbeiterin des Arbeitsamtes, telefoniert. Ferner trägt der Kläger im Gerichtsverfahren vor, er habe sich am darauffolgenden Tag, dem 17.07.2003, beim Arbeitsamt gemeldet.
Sollte sich dieser Vortrag als zutreffend erweisen, so könnte dies insoweit für ein reduziertes Verschulden des Klägers sprechen, als dieser der Meldeaufforderung in der Annahme nicht nachgekommen ist, am selben Tag eine Anstellung beim Unternehmen "E" erhalten und auf diese Weise die Leistungsverpflichtung der Solidargemeinschaft ihm gegenüber beenden zu können. Seine Bemühungen, das Arbeitsamt umgehend über den Grund für sein Nichterscheinen zu unterrichten, könnten diese Beurteilung gegebenenfalls stützen. Zusätzlich könnte es sich zu seinen Gunsten auswirken, wenn die Meldeaufforderung der Erörterung nicht eines konkreten Arbeitsangebotes, sondern lediglich seiner beruflichen Situation bzw. der Kontrolle der Leistungsvoraussetzungen gedient haben und der Solidargemeinschaft durch das Nichterscheinen daher kein Schaden entstanden sein sollte. Schließlich wäre zu berücksichtigen, dass der Kläger sich bereits am nächsten Tag beim Arbeitsamt gemeldet und damit umgehend seine Bereitschaft zum Ausdruck gebracht hat, seinen Mitwirkungspflichten künftig wieder nachzukommen.
Lediglich aus Gründen der Prozessökonomie weist der Senat darauf hin, dass die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht zulässig ist. Das gilt auch dann, wenn man dem Vortrag des Klägers folgt, wonach ihm von den zwei Widerspruchsbescheiden vom 06.08.2003 lediglich der im vorliegenden Fall nicht streitbefangene betreffend eine Sperrzeit vom 24.06.2003 bis zum 14.07.2003 - dieser allerdings in dreifacher Ausfertigung, davon angeblich einmal in Gestalt einer Kopie aus der foliierten Leistungsakte der Beklagten - bekannt gegeben worden ist. Denn in diesem Fall fehlt es bis zum heutigen Tage an einer Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides und damit am Abschluss des nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG erforderlichen Vorverfahrens. Die notwendige Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides, d.h. die willentliche Entäußerung seitens der Beklagten mit dem Willen des Zugangs beim Kläger, wird nicht dadurch ersetzt, dass der Kläger im Wege der Akteneinsicht nach § 25 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Möglichkeit erhalten hat, die zum Verbleib in der Leistungsakte bestimmte Ausfertigung des Widerspruchsbescheides einzusehen. Im Hinblick darauf bietet es sich an, das Klageverfahren auszusetzen und der Beklagten Gelegenheit zum Abschluss des Vorverfahrens zu geben, in dessen Rahmen im Übrigen auch die erwähnten noch ausstehenden Ermittlungen durchgeführt werden können.
Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erscheint erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung betreffend das Beschwerdeverfahren beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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