L 3 P 65/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (4) P 27/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 P 65/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.12.2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für Leistungen nach Pflegestufe III in der sozialen Pflegeversicherung bereits für den Zeitraum vom 01.04.2000 bis zum 27.03.2001 vorgelegen haben.

Die im Juli 1922 geborene und nunmehr durch ihren Sohn als Betreuer vertretene Klägerin leidet an den Folgen eines 1999 erlittenen Schlaganfalles mit linksseitiger Lähmung. Wegen dieses Schlaganfalles wurde sie zunächst vom 23.06.1999 bis August 1999 stationär im Krankenhaus behandelt und ab dem 16.08.1999 in das Altenheim L aufgenommen. Der hierzu zwischen der Klägerin und dem Träger des Altenheimes geschlossene Heimvertrag vom 16.08.1999 sieht gestaffelte Pflegesätze von ab Februar 2000 75,21 DM in der Pflegeklasse I, 105,30 DM in der Pflegeklasse II und 157,94 DM in der Pflegeklasse III vor, wobei das tägliche Entgelt für Unterkunft und Verpflegung zusätzlich 75,70 DM, die berechnungsfähigen investiven Aufwendungen 18,50 DM pro Tag ausmachten.

Auf den ersten Antrag vom 17.08.1999 auf Leistungen der vollstationären Pflege ließ die Beklagte die Klägerin durch den Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen - MdK - Dr. X untersuchen, der in seinem Gutachten vom 13.08.1999 einen Grundpflegebedarf von 190 Minuten ermittelte (Körperpflege: 102 Minuten, Nahrungsaufnahme: 20 Minuten, Mobilität: 68 Minuten). Er bejahte einen nächtlichen Grundpflegebedarf und gab an, die Kriterien der Pflegestufe III würden wegen der PEG (Magensonde-)-Ernährung der Klägerin derzeit nicht erreicht. Mit Bescheid vom 19.08.1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin vollstationäre Pflegeleistung nach Pflegestufe II. Auf den vom Pflegeheim unter Vorlage einer Vollmacht des Betreuers der Klägerin gestellten Höherstufungsantrag ließ die Beklagte die Klägerin durch die Pflegefachkraft I am 07.09.2000 erneut untersuchen. Diese gab als pflegebegründende Diagnosen einen Zustand nach Apoplex mit spastischer Hemiparese links, 6/99, Schluckstörungen PEG-Versorgung, Harninkontinenz, Dekubitus-Versorgung, Stuhlinkontinenz und Stuhlschmieren an. Bedingt durch die aktivierende Grundpflege insbesondere im Bereich der Nahrungsaufnahme durch regelmäßige Ess- und Trinkversuche habe sich der Hilfebedarf im Vergleich zum Vorgutachten deutlich erhöht. Im Gutachten vom 11.09.2000 wird ein Gesamtpflegebedarf von 247 Minuten täglich angegeben (Körperpflege: 116 Minuten, Ernährung 89 Minuten, Mobilität 42 Minuten), zudem nächtlicher Grundpflegebedarf in Form von zweimal nächtlich anfallender Lagerung mit Dekubituskontrolle, Vorlagenkontrolle, Anreichen von Getränken, Trinkversuch, bei Bedarf, nicht regelmäßig Mundpflege. Die Gutachterin empfahl Anerkennung der Pflegestufe III, da sich, bedingt durch die aktivierende Grundpflege, der notwendige Hilfebedarf, im Vergleich zum letzten Pflegegutachten vom 13.08.1999 deutlich erhöht habe, z.B. im Bereich der Nahrungsaufnahme durch die regelmäßigen Ess- und Trinkversuche. Es sei nicht konkret nachvollziehbar, seit wann diese durchgeführt würden. Unter Berücksichtigung der Gesamtsituation sei davon auszugehen, dass vor dieser zusätzlichen Tätigkeit ein Hilfebedarf vorgelegen habe, der den Kriterien der Pflegestufe II entsprochen habe. Mit Bescheid vom 13.09.2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.04.2000 Leistungen in Form vollstationärer Pflegeleistungen nach Pflegestufe III. Mit dem Widerspruch vom 27.09.2000 wurde darauf hingewiesen, infolge der Höherstufung ergäben sich wesentlich höhere Heimkosten, die die Mehrleistung der Beklagten überstiegen. Zu den Ess- und Trinkversuchen wurde vorgetragen, diese fänden statt. Meistens sei die Klägerin aber aufgrund ihrer Schluckstörungen nicht in der Lage, mehr als einige Bissen mit großen Mühen zu bewältigen. Dann werde wegen Angst der Angehörigen, die Klägerin könne ersticken, der Essversuch abgebrochen. Die Hauptnahrungsaufnahme erfolge durch die Magensonde. Die Essversuche seien nicht mit dem vollen Zeitansatz der Orientierungswerte für die Ernährung zuzüglich der 20 Minuten für die Sondenkost anzusetzen. Es werde überhaupt nur beim Mittagessen ein Essversuch unternommen. Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin durch die Ärztin K des MdK am 27.03.2001 erneut untersuchen, die in ihrem Gutachten vom 12.04.2001 in Verbindung mit ihrer ergänzenden Stellungnahme auf die Kritik der Klägerseite hin einen Grundpflegebedarf von 318 Minuten festhielt (Körperpflege: 179 Minuten, Ernährung: 79 Minuten, Mobilität: 60 Minuten). Es bestehe nächtlicher Hilfebedarf.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Mit der Klage zum Sozialgericht wurde die Auffassung vertreten, für die Zeit vom 01.04.2000 bis zur erneuten Begutachtung im März 2001 könne allenfalls der um 10 Minuten zu reduzierende Zeitwert aus dem Gutachten von Frau I zugrundegelegt werden. Im Zweitgutachten seien Unstimmigkeiten korrigiert worden. Die Pflegedokumentation weise für den umstrittenen Zeitraum aus, dass bis auf wenige Ausnahmen nur ein Ess- und Trinkversuch täglich durchgeführt worden sei und es auch vorgekommen sei, dass überhaupt kein Ess- und Trinkversuch stattgefunden habe. Die Pflegstufe richte sich aber nach dem tatsächlich betriebenen Aufwand.

Mit Urteil vom 09.12.2002, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Gegen das am 23.12.2002 zugestellte Urteil richtet sich die gleichen Tages eingegangene Berufung, mit der die Argumentation aus Widerspruchs- und Klageverfahren fortgeführt und betont wird, insbesondere im Bereich der Nahrungsaufnahme rechtfertige die tatsächlich im Pflegeheim gewährte Unterstützung nicht den von Beklagter und Sozialgericht für richtig gehaltenen Zeitansatz. Es werde bestritten, dass mehr als ein Essversuch täglich unternommen worden sei. Mehr sei auch nicht medizinisch sinnvoll und der Klägerin zumutbar gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.12.2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 13.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2001 insofern zu ändern, als darin für die Zeit vom 01.04.2000 bis zum 27.03.2001 Leistungen der Pflegestufe III - statt Leistungen der Pflegestufe II - bewilligt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil auch in Anbetracht der weiteren Erkenntnisse aus dem Berufungsverfahren für richtig.

Der Senat hat Entlassungsberichte zu stationären Behandlungen der Klägerin und einen Befundbericht ihres behandelnden Arztes eingeholt sowie die Pflegedokumentation des Altenheimes L beigezogen. Zu den Verhältnissen dort im streitigen Zeitraum hat der Senat die Pflegekraft C L1 in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2004 vernommen. Zu ihrer Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift, zu weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses auf den Inhalt der Prozessakten unter Einschluss der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 13.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2001 für die Zeit vom 01.04.2000 bis zum 27.03.2001 abgelehnt. Hierbei hat das Sozialgericht die Zulässigkeit der Klage aus der Koppelung des Pflegeentgeltes an die jeweils zuerkannte Pflegestufe hergeleitet und ausgeführt, das Rechtsschutzbedürfnis (der Klägerin) ergebe sich aus ihrer wirtschaftlichen Betroffenheit.

Dies ist zweifelhaft, da bislang keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Klägerin von der Absenkung ihrer Pflegestufe für die Vergangenheit im Hinblick auf ihre finanziellen Verpflichtungen dem Heimträger gegenüber profitieren könnte: Die Heimleitung ist, soweit ersichtlich, bislang nicht auf den von der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterbreiteten Vorschlag im Schreiben vom 07.02.2001 eingegangen, die Begleichung der Nachforderung für den streitigen Zeitraum von 9777,40 DM (Mahnung vom 25.01.2001) vom Ausgang dieses Verfahrens abhängig zu machen. Eine solche Abhängigkeit besteht auch nicht aufgrund des Heimvertrages vom 16.08.1999, nach dessen § 4 Abs. 4 Satz 2 der entsprechend ermäßigte oder erhöhte Entgeltsatz bei "einem Wechsel in der Klasse/Stufe der Pflegebedürftigkeit infolge eines verbesserten oder verschlechterten Pflege- und Gesundheitszustandes" gelten soll.

Pflegeklasse und Pflegestufe sind jedoch weder austauschbare Begriffe noch (notwendig) in der Höhe voneinander abhängig: Die Begriffe stehen vielmehr schon nach der Konzeption des SGB XI in unterschiedlichen Zusammenhängen, wobei die Pflegestufen für die Höhe des Leistungsanspruches des Pflegebedürftigen gegenüber der Pflegeversicherung maßgeblich ist (§§ 14, 15 SGB XI), Pflegeklassen dagegen für den Vergütungsanspruch des Pflegeheimes gegenüber dem Bewohner bzw. seinem Kostenträger (§ 84 SGB XI). Bei der Zuordnung der Pflegebedürftigen zu den Pflegeklassen sind dabei nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI die Pflegestufen gemäß § 15 zugrunde zu legen, soweit nicht nach der gemeinsamen Beurteilung des Medizinischen Dienstes und der Pflegeleitung des Pflegeheimes die Zuordnung zu einer anderen Pflegeklasse notwendig oder ausreichend ist. Diese Öffnungsklausel berücksichtigt, dass der Umfang der Leistungserbringung durch das Pflegeheim wegen sozialer Betreuung oder Behandlungspflege deutlich weiter gehen kann, als es nach dem in §§ 14,15 SGB XI festgelegten Maßstab für die Zuordnung zu einer Pflegestufe Berücksichtigung finden kann, bei der die soziale Betreuung- und Behandlungspflege nicht in gleicher Weise berücksichtigungsfähig ist (BSG Urteil vom 10.02.2000 - B 3 P 12/99 R - BSGE 85, 278 - SozR 3-3300 § 43 Nr. 1). Da der Pflegebedürftige bei stationärer Pflege einerseits umfassend zu versorgen ist, das Pflegeheim andererseits für sämtliche von ihm zu erbringenden Leistungen eine "leistungsgerechte Vergütung" (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI) verlangen kann, wurde die für die Höhe des Pflegesatzes maßgebende Pflegeklassenzuordnung nur grundsätzlich an den für die Zuordnung der Pflegestufen geltenden Maßstab gebunden. Mangels hinreichender Berücksichtigung der sozialen Betreuungs- und Behandlungspflege drohte die zwingende Übernahme der Pflegestufeneinordnung auch für die Festlegung der Pflegeklasse (die wie auch hier für die Höhe des Pflegesatzes und damit für die leistungsgerechte Vergütung maßgeblich ist) sonst zu einer mit Art. 12 und 14 des Grundgesetzes nicht zu vereinbarenden Vergütung zu führen (BSG, Urteil vom 10.02.2000, a.a.O.). Wortlaut, Regelungs- und Sinnzusammenhang der Vorschriften des SGB XI machen damit deutlich, dass Einstufung in Pflegestufe und Pflegeklasse nicht identisch sein müssen (mit weiterer Begründung: LSG NRW Urteil vom 18.12.2003 - L 2 Kn 69/03 P -; Urteil des erkennenden Senates vom 08.03.2004 - L 3 P 29/03 - m.w.N.). Im Falle eines Obsiegens im Streit um die auch hier begehrte Absenkung einer Pflegestufe kann der Versicherte daher nicht nur wegen unveränderter Pflegeklasse gleichfalls unverändert hohen Forderungen des Heimes ausgesetzt sein, er müsste vielmehr aufgrund seiner privatrechtlichen Verpflichtung aus dem Heimvertrag dem Heimträger gegenüber zudem in Höhe der an die Pflegestufe gekoppelten und wegen deren Absenkung ausfallenden Leistungen der Pflegeversicherung (§ 43 Abs. 5 SGB 11) nun zusätzlich selbst eintreten. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin lässt sich daher nicht ohne Weiteres aus einem finanziellen Interesse der Klägerin ableiten.

Massive Zweifel hegt der Senat zudem hinsichtlich des Bestehens einer Klagebefugnis/Beschwer als in jedem Stadium des Verfahrens zu prüfender Sachentscheidungsvoraussetzung (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, vor § 51 Rdnr. 13). Diese Zweifel löst der Umstand aus, dass die Klägerin zwar einerseits die dem Antrag entsprechende höhere Pflegestufe III erhalten hat, andererseits aber annimmt, diese Pflegestufe für den streitigen Zeitraum zu Unrecht zuerkannt bekommen zu haben.

Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist die Klage gegen einen Verwaltungsakt zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. In § 54 Abs. 2 Satz 1 heißt es weiter: "Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes rechtswidrig ist". Damit weicht das Sozialgerichtsgesetz von der Formulierung anderer Verfahrensordnungen der allgemeinen und speziellen Verwaltungsgerichtsbarkeit hierzu ab. So heißt es in §§ 42 Abs. 2 VwGO - Verwaltungsgerichtsordnung -, bzw. 42 Abs. 2 FGO -Finanzgerichtsordnung-:"Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein".

Dem Wortlaut nach fordern die anderen Verfahrensordnungen daher sowohl die Behauptung einer objektiven Rechtswidrigkeit der Verwaltungshandlung als auch der subjektiven Betroffenheit im Sinne eines Eingriffs in die eigene Rechtssphäre (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auf. 2003, § 72 Rdnr. 175 ff.), während das Sozialgerichtsgesetz alleine die Behauptung einer objektiven Rechtswidrigkeit der Verwaltungshandlung zu fordern scheint. Bei diesem Verständnis folgte eine Beschwer der Klägerin unproblematisch aus ihrer Behauptung, für den streitigen Zeitraum mit der Pflegestufe III eine andere als die tatsächlich zustehende Pflegestufe II zuerkannt bekommen zu haben. Nach dem (soweit ersichtlich: ausschließlichen) Verständnis der Regelung in Rechtsprechung und Literatur dient § 54 Abs. 1,2 SGG - genauso wie die entsprechenden Regelungen der anderen Verwaltungsgerichtsordnungen - dem Ausschluss der Popularklage, so dass für die Zulässigkeit der Klage neben der Behauptung einer objektiven Rechtswidrigkeit der Verwaltungshandlung zudem die Behauptung einer Verletzung in eigenen rechtlich geschützten Interessen vorliegen muss (z.B. BSG Urteil vom 15.05.1991, - 6 RKa 22/90 = BSGE 68, 291; BSG Urteil vom 23.10.1996 - 4 RLw 6/96 = SozR 3-1500 § 54 Nr. 33, Gründe bei 5864, § 14 Nr. 1; Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnrn. 10 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen).

Bei diesem Verständnis liegt eine Beschwer der Klägerin durch den Verwaltungsakt der Beklagten vom 13.09.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2001 nicht vor, denn die Klägerin kann nicht behaupten, hiermit habe die Beklagte rechtswidrigerweise zu ihrem Nachteil in ihre rechtlich geschützten Interessen eingegriffen. Der angefochtene Verwaltungsakt trifft nämlich eine ausschließlich begünstigende Regelung, indem er die beantragte höhere Pflegestufe zuerkennt. Der schriftliche "Widerrufsvorbehalt" des betreuenden Sohnes der Klägerin ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung; Prozessvoraussetzungen sind nicht disponibel. Da die Beklagte im insoweit alleine maßgeblichen Verhältnis zur Klägerin als einziger Verfahrensbeteiligter (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X - Sozialgesetzbuch 10. Buch) eine ausschließlich begünstigende Regelung getroffen hat, liegt keine Beschwer vor, weil die Klägerin alles erhalten hat, was sie beantragt hatte (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 10) bzw. weil "der Verwaltungsakt also in einer für die Klägerin nachteiligen Weise nicht auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten einwirken kann" (BSG, Urteil vom 23.10.1996 - 4 RLw 6/96 -, a.a.O., m.w.N.).

Eine Beschwer lässt sich auch wohl nicht daraus herleiten, dass mit der Erhöhung der Pflegestufe durch die angefochtenen Bescheide (zugleich) über die maßgebliche Pflegestufe und damit den Vergütungsanspruch des Heimträgers der Klägerin gegenüber entschieden wird.

Eine direkte Abhängigkeit besteht insoweit nach der Gesetzeskonzeption nicht (vgl. oben zum Rechtsschutzbedürfnis). Die mögliche faktische Auswirkung, dass nämlich sowohl der Heimträger wie auch die Klägerin den eigentlich nach der Pflegeklasse zu bestimmenden Vergütungsanspruch nach der Pflegestufe ausrichten, stellt einen bloßen "Rechtsreflex" dar.

Insbesondere ergibt sich eine Beschwer der Klägerin nicht daraus, dass eine abschließende Festlegung der Pflegeklasse den privatrechtlich ausgestaltender Heimvertrag zwischen der Klägerin und dem Heimträger berührte, und damit auch in dessen durch Artikel 12 Abs. 1, 14 des Grundgesetzes geschützte Interessen an einer leistungsgerechten Vergütung eingriffe (BSG, Urteil vom 10.02.2000, a.a.O.). Hierfür bedürfte es schon nach dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung, die hier nicht zu erkennen ist. Auf der Ebene des Verwaltungsrechts wäre dann bei beabsichtigter rechtsgestaltender Wirkung auch für den Heimträger als einem "Dritten" dieser von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen und auf Antrag hinzuzuziehen (gewesen), § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB X. Dies wird, soweit ersichtlich, weder in Rechtsprechung noch Literatur vertreten. Gegenläufig zu diesen Überlegungen nehmen allerdings Teile der Kommentierung und Literatur eine Klagebefugnis von Pflegeeinrichtungen gegen Pflegekassen wegen der Pflegestufe (nicht: - klasse) an, weil der Verwaltungsakt gegen den Pflegebedürftigen auch in Rechte der Pflegeeinrichtungen eingreife (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rdnr. 12 m.w.N.). Wenn dies richtig wäre und wenn die rechtliche Betroffenheit der Pflegeinrichtung nicht nur aus ihrem veränderten Vergütungsanspruch gegenüber der Pflegekasse herrührte (§§ 72 Abs. 4 Satz 3, 84 Abs. 2 Satz 3 SGB XI), sondern zudem aus dem veränderten (privatrechtlichen) Anspruch aus dem Heimvertrag gegen den Versicherten, wäre die nach Auffassung des Senats näherliegende Annahme, bei der Entscheidung über die Pflegestufe trete eine privatrechtsgestaltender Wirkung im Verhältnis des Versicherten zum Heimträger nicht auf, nicht mehr haltbar: In diesem Falle wäre die Annahme einer Beschwer auch des durch Erhöhung der Pflegestufe begünstigten Versicherten unausweichlich wegen der (den finanziellen Auswirkungen nach typischerweise nachteiligen) Veränderung im Rechtsverhältnis zum Heimträger. Dann nämlich wäre die Annahme eines "Rechtsreflexes" nicht mehr berechtigt, es läge "Drittbetroffenheit" vor. Die Rechtsprechung hat sich hierzu, soweit ersichtlich, bislang noch nicht festgelegt.

Auch hier besteht kein Bedarf zur abschließenden Klärung, da die Berufung jedenfalls deswegen zurückzuweisen ist, weil die Klage unbegründet war.

Berufung und Klage sind unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide hat. Denn diese sind nicht rechtswidrig, weil bei der Klägerin auch im Zeitraum vom 01.04.2000 bis zum 27.03.2001 die Voraussetzungen der Pflegestufe III vorgelegen haben. Dies hat das Sozialgericht mit rechtlich zutreffendem Ansatz und mit nicht ergänzungsbedürftiger Beweiswürdigung festgestellt, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG). Insbesondere das Ergebnis der Beweisaufnahme stützt das Urteil. Dabei kommt es auch bei stationärer Unterbringung des Pflegebedürftigen alleine auf den (fiktiven) Pflegeaufwand eines Laienpflegers unter durchschnittlichen häuslichen Bedingungen an (BSG Urteil vom 10.02.2002, a.a.O.; Udsching, SGB XI, 2. Auflage 2000, § 43 Rdnr. 8a).

Dass eine aktivierende Pflege mit dem Ziel, die Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme auf natürlichem Weg wieder aufleben zu lassen, den Zielen der Pflegeversicherung entspricht (hierzu u.a. BSG a.a.O.) wird mit der Berufung nicht in Frage gestellt. Somit kann sich die Berufung allein noch auf die Behauptung stützen, der seitens der Beklagten sowie des Sozialgerichts zugrunde gelegte Zeitaufwand zur aktivierenden Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme neben der PEG-Ernährung sei verschwendeter und letztlich nicht von ihr selbst zu tragender Aufwand, weil eine absolute Unmöglichkeit bestanden habe, die Fähigkeit zur natürlichen Nahrungsaufnahme erneut zu erwerben. Hierfür sprach schon zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteiles zunächst aus den bereits vom Sozialgericht aufgeführten Gründen nichts, weil sowohl die fachlich versierten Gutachter des MdK wie auch die Pflegeleitung des L bei Aufstellung der Pflegeplanungsliste vom 26.03.2000 dies als sinnvoll angesehen hatten. Bereits zuvor, nämlich bereits im Rahmen der stationären Unterbringung der Klägerin nach ihrem Schlaganfall war auf das Förderungsziel einer natürlichen Nahrungsaufnahme neben der PEG-Ernährung hingewiesen worden (Entlassungsbericht des St. K-Hospitales C vom 29.09.1999.

Die Beweisaufnahme des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2004 stützt auch nicht die Annahme, es sei im streitigen Zeitraum unmöglich und aussichtslos gewesen, der Klägerin trotz fortgesetzter PEG-Ernährung aktivierende Pflege in Form der Unterstützung zu löffel- und schluckweisen Nahrungsaufnahme zukommen zu lassen.

Vielmehr hat die Aussage der vom Senat als verlässlich angesehenen Zeugin L1 ergeben, dass - bei grundsätzlicher Bindung des Pflegepersonals an die Pflegeplanungsliste vom 26.03.2000 - 5-6 mal tägliche Essensangebote und Trinken in kleinen Mengen alle vier Stunden vorgesehen waren und dass die Klägerin tatsächlich im November 2000 mit Unterstützung gegessen und löffelweise Tee aufgenommen hat.

Der Senat sieht dabei sehr wohl, dass nach der von der Zeugin L1 beschriebenen Personalausstattung des Altenheimes L eine Erbringung der den Bewohnern der Station S nach ihren Pflegestufen zustehenden Pflegeleistungen kaum möglich gewesen sein dürfte, weil die Summe der den Pflegestufen zugrundeliegenden Zeitansätzen deutlich jenseits der insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitszeit der beschäftigten Kräfte gelegen hat. Dies ist jedoch hinsichtlich der Zuteilung der Pflegestufe im Verhältnis der Klägerin zur Pflegekasse kein relevantes Problem. Insoweit mag eine Schlecht- oder Nichterfüllung der sich aus dem Heimvertrag ergebenden privatrechtlichen Verpflichtung des Heimträgers gegenüber der Klägerin vorliegen, denn das Heim hat eine "dem Pflegebedarf sowie dem Gesundheitszustand entsprechenden Pflege und Betreuung nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse einschließlich von aktivierender Pflege nach dem SGB XI (Pflegeklasse/Pflegestufe)" zu erbringen (§ 2 Abs. 1c des Heimvertrages vom 16.08.1999). Die Durchsetzung dieses Anspruchs wäre zivilgerichtlich geltend zu machen (z.B. BGH Urteil vom 22. Januar 2004 - III ZR 68/03 - zu einem anteiligen Rückzahlungsanspruch für wegen Sondennahrung nicht in Anspruch genommener Verpflegung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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