L 9 AL 123/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 (12) AL 248/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 123/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21. April 2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Eintritt einer Sperrzeit.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 08.11.2002 Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 16.09.2002 bis 14.03.2003. Sie unterbreitete ihm im Oktober 2002 ein Stellenangebot bei dem Caritasverband für die Region L e.V., der den am 26.11.2002 ausgefüllten Vordruck über den Ausgang der Bewerbung an die Beklagte zurücksandte. Danach hatte sich der Kläger weder gemeldet noch beworben. Dieser erklärte hierzu, dass er das Arbeitsangebot nicht angenommen habe, weil er einen Existenzgründerlehrgang besucht habe. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 13.01.2003 den Eintritt einer Sperrzeit vom 20.10.2002 bis 11.01.2003 fest, weil der Kläger das Arbeitsangebot ohne wichtigen Grund für sein Verhalten abgelehnt habe. Mit Widerspruch am 03.02.2003 machte der Kläger geltend, er habe für die angebotene Stelle vom 16.10.2002 keine Unterlagen. Er bitte um Überprüfung, warum er ab 16.10.2002 keine weiteren Stellenangebote vom Arbeitsamt bekommen habe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 01.07.2003 zurück. Sie führte zur Begründung weiterhin aus, dem Kläger sei das Stellenangebot am 16.10.2002 persönlich mit der erforderlichen Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt worden. Er habe erstmalig am 18.11.2002 von dem Wunsch gesprochen, sich selbstständig zu machen. Er habe daher keinen wichtigen Grund zur Ablehnung des Stellenangebotes gehabt (abgesandt am 01.07.2003).

Hiergegen richtete sich die am 23.07.2003 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, er habe zwar am 16.10.2002 persönlich bei der Beklagten vorgesprochen. Dort seien ihm auch mehrere Stellenangebote ausgedruckt und ausgehändigt worden. Er wisse aber nicht mehr, ob das Angebot bei dem Caritasverband nebst Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt worden sei. Er habe die Unterlagen nicht aufbewahrt. Seiner Ansicht nach habe er ein solches Angebot nicht erhalten. Er habe sich im Anschluss an diesen Termin bei einer Zeitarbeitsfirma beworben. Dasselbe hätte er getan, wenn er das Angebot über die Beschäftigung beim Caritasverband tatsächlich bekommen hätte.

Mit weiterem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.05.2003 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.08.2003 hat die Beklagte während des Klageverfahrens für die Zeit vom 20.10. bis 31.12.2002 die Leistungsbewilligung aufgehoben und den überzahlten Betrag in Höhe von insgesamt 1.615,49 Euro erstattet verlangt. Die Beklagte wies den hiergegen ebenfalls erhobenen Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 25.08.2003 zurück.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten. Sie hat sich ergänzend auf eine dienstliche Stellungnahme ihrer Mitarbeiterin T bezogen, nach der dem Kläger die Vermittlungsvorschläge zunächst ohne Rechtsfolgenbelehrung am 16.10.2002 ausgehändigt worden seien. Nachdem sie den Fehler bemerkt habe, habe sie dem Kläger ein Zusatzblatt mit Rechtsfolgenbelehrung überreicht. Sie habe diesen Vorgang auch gesondert vermerkt.

Das Sozialgericht hat die Mitarbeiterin uneidlich als Zeugin zu der Aushändigung der Frage der Vermittlungsvorschläge an den Kläger vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.04.2004 Bezug genommen.

Es hat sodann der Klage mit Urteil vom 21.04.2004 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide (Bescheid vom 13.01.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2003 sowie Bescheid vom 19.08.2003) aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt, dass jedem Vermittlungsangebot eine eindeutige Rechtsfolgenbelehrung über die Folgen einer Arbeitsangebotsablehnung beigefügt sein müsse, damit sich der Arbeitslose über die Folgen seines Handelns klar werden könne und insoweit vorgewarnt sei. Die Zeugenvernehmung habe ergeben, dass dem Kläger am 16.10.2002 zwei Vermittlungsvorschläge ohne Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt worden seien. In einem Fall sei dem Kläger nachträglich ein Zusatzblatt mit der entsprechenden Belehrung ausgehändigt worden. Für das zweite Stellenangebot lasse sich nicht feststellen, dass ihm entsprechend den formalen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung ein Zusatzblatt überreicht worden sei, das sich auf den konkreten Vermittlungsvorschlag bezogen habe. Dass ihm insoweit eine ausreichende mündliche Rechtsfolgenbelehrung erteilt worden sei, habe auf Grund der Zeugenvernehmung ebenfalls nicht festgestellt werden können.

Gegen das am 18.05.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.06.2004 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie sieht es nicht als erwiesen an, dass dem Kläger nicht doch zwei Rechtsfolgebelehrungen ausgehändigt worden seien. Dies sei nämlich durchaus möglich gewesen, weil nach den BewA-Vermerken zwei Vermittlungsvorschläge unterbreitet worden seien. Im Übrigen überspanne das Sozialgericht die Anforderungen an das Vorliegen einer korrekten Rechtsfolgenbelehrung, wenn in einem Beratungsgespräch mehrere Vermittlungsvorschläge unterbreitet würden. In diesem Fall müsse es ausreichen, wenn eine einzige Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt werde, weil dem Arbeitslosen auch damit in verständlicher und verbindlicher Form vor Augen geführt werde, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch eintreten würden, wenn er ohne wichtigen Grund das Arbeitsangebot ablehne. Auch in diesem Fall liege ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Vermittlungsangebot und der Rechtsfolgenbelehrung vor.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und betont, dass die als Zeugin gehörten Mitarbeiterin bestätigt habe, nur eine einzige Rechtsfolgenbelehrung ausgehändigt zu haben. Es lasse sich daher nicht feststellen, dass er hinsichtlich des Stellenangebots beim Caritasverband eine solche Belehrung erhalten habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Kunden-Nr.: 000 - Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Verfahrensrechtlich wird ergänzend klargestellt, dass gemäß § 96 SGG nicht nur der den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23.05.2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.08.2003 Gegenstand des Verfahrens geworden ist, sondern auch der sich auf sie beziehende Widerspruchsbescheid vom 25.08.2003.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, denen er sich nach eigener Prüfung und Urteilsfindung vollinhaltlich anschließt, zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht seiner Entscheidung zu Recht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den an eine rechtmäßige Rechtsfolgenbelehrung zu stellenden Anforderungen zu Grunde gelegt hat (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nrn. 15, 18). Danach muss diese unmittelbar mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot im Zusammenhang stehen und ausgehändigt werden. Vorliegend ergibt sich entgegen der Meinung der Beklagten sowohl aus der Aussage der Zeugin als auch aus deren vorheriger dienstlicher Stellungnahme, dass die Aushändigung einer Rechtsfolgenbelehrung unmittelbar bezogen auf das Arbeitsangebot beim Caritasverband nicht feststellbar ist, weil ein zusammenhängender Ausdruck nicht erfolgt ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auf diesen strengen formellen Zusammenhang zwischen jedem einzelnen Angebot und der Belehrung auch nicht verzichtet werden, zumal - wie der Sachverhalt zeigt - die Rechtsfolgenbelehrung ohne weiteres mit Hilfe der EDV mit dem zu erstellenden einzelnen Stellenangebot ausgedruckt werden kann und regelmäßig ausgedruckt wird. Denn in der auf das jeweilige einzelne Angebot bezogenen Rechtsfolgenbelehrung kommt zum Ausdruck, dass es sich aus der Sicht der Arbeitsverwaltung um ein zumutbares - also den persönlichen Umständen des Arbeitslosen entsprechendes - Stellenangebot handelt, dessen unberechtigte Ablehnung nachteilige Folgen haben soll (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 15, Seite 72), nämlich den Eintritt einer Sperrzeit verbunden mit dem Ruhen, äußerstenfalls Erlöschen des Leistungsanspruchs. Diese Betonung der Zumutbarkeit des Arbeitsangebots durch die Androhung einer Sanktion im Fall der unberechtigten Ablehnung ist nur gesichert, wenn bei rein formaler Betrachtungsweise im Sinne des Bundessozialgerichts jedes einzelne konkret unterbreitete Stellenangebot mit der entsprechenden Rechtsfolgenbelehrung über den möglichen Eintritt einer Sperrzeit bzw. im äußersten Fall das Erlöschen des Leistungsanspruchs (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 4, Seite 19) versehen ist, und die Zumutbarkeit dieses einzelnen Angebots unter Berücksichtigung der Folgenandrohung vom Arbeitslosen geprüft werden kann. Die Erteilung einer einzigen Rechtsfolgenbelehrung anlässlich mehrerer ausgehändigter Angebote in einem Beratungstermin kann diese warnende Funktion nicht erfüllen und ist daher nicht ausreichend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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