L 16 B 121/02 KR ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 40 KR 40/02 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 B 121/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 11. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert wird auf 45.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Berechtigung seiner weiteren Teilnahme an dem Modellvorhaben Akupunktur.

Durch Vereinbarung vom 28.12.2000/03.01.2001 wurde der Antragsteller an dem Modellvorhaben Akupunktur durch die Antragsgegnerin beteiligt. Nachdem diese erfahren hatte, dass die Akupunkturbehandlung ihrer Versicherten teilweise durch den Weiterbildungsassistenten Dr. F durchgeführt worden war, schloss sie den Antragsteller nach Anhörung durch Schreiben vom 31.05.2002 fristlos von der weiteren Teilnahme an dem Modellvorhaben aus.

Seinen Antrag auf vorläufige weitere Teilnahme an dem Modellvorhaben hat das Sozialgericht (SG) Detmold mit Beschluss vom 11. Oktober 2002 abgelehnt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihn vorläufig an dem Modellvorhaben Akupunktur weiter teilnehmen zu lassen, ist zulässig. Der Widerspruch gegen diesen Ausschluss hat keine aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Ausschluss stellt keinen Verwaltungsakt, sondern die Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - § 53 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - dar (zur Unterscheidung vgl. BSG SozR 3-2200 § 559 Nr. 1; SozR 3-2500 § 124 Nr. 3). § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass die Durchführung und damit auch die Teilhabe an entsprechenden Modellvorhaben durch Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und zugelassenen Leistungserbringern zu regeln sind. Da diese Bestimmung zum 3. Kapitel des SGB V - Leistungen der Krankenversicherung - gehört und nicht in das 4. Kapitel - Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern - aufgenommen worden ist, handelt es sich nicht um eine Erweiterung der Zulassung, für die auch nicht die einzelne Krankenkasse zuständig ist (§§ 96 ff. SGB V), sondern lediglich um die vertragliche Erweiterung der abrechnungsfähigen Leistungen in eng begrenzten Sonderfällen.

Durch die Kündigung der Vereinbarung hat die Antragsgegnerin in die Rechte des Antragstellers eingegriffen, so dass nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen kann, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ob der für den Erlass einer solchen Sicherungsanordnung erforderliche Anordnungsgrund (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl., Rdn. 27 zu § 86b) allein im Hinblick auf die wirtschaftlichen Einbußen des Antragstellers infolge des Wegfalls der entsprechenden Abrechnungsmöglichkeiten, die er nach seinem Vortrag anderweitig nicht kompensieren kann, gegeben ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Anordnungsanspruch nicht begründet, weil mehr für die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Vertrages spricht, so dass die Interessen der Antragsgegnerin an dem sofortigen Ausschluss des Antragstellers von der Teilnahme an dem Modellvorhaben dessen wirtschaftliche Interessen überwiegen.

Die Rechtsbeziehungen der Beteiligten sind nicht in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern nach den Bestimmungen über den öffentlichen Vertrag gemäß §§ 53 ff. SGB X durch Kündigung gemäß § 59 SGB X oder durch vertraglich vereinbarte Kündigung zu beenden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 559 Nr. 1). § 9 Satz 2 der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung bestimmt, dass bei fortbestehenden oder wiederholten Zweifeln oder bei einem groben Verstoß gegen die Regelungen dieser Vereinbarung oder gegen allgemeine ärztliche Pflichten die Antragsgegnerin berechtigt ist, den Arzt von der weiteren Teilnahme am Modellvorhaben auszuschließen, in schwerwiegenden Fällen ohne Einhaltung einer Frist. Die Beteiligung seines Weiterbildungsassistenten an den Akupunktur-Behandlungen stellt einen solch groben Verstoß des Antragstellers gegen die vertraglichen Regelungen dar. Nach § 4 Abs. 1 der Vereinbarung sind zur Durchführung einer Behandlung mit Akupunktur zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene oder ermächtigte Ärzte berechtigt, die durch eine Teilnahmebescheinigung und ein Zertifikat einer von der AOK anerkannten Akupunkturgesellschaft eine erfolgreich abgelegte theoretische und praktische Prüfung nach mindestens 140 Ausbildungsstunden (davon mindestens ein Drittel praktische Ausbildung) nachweisen. Diese Voraussetzungen erfüllte Dr. F unstreitig nicht. Die Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie umfasste auch nicht die Ausbildung in Akupunktur. Unabhängig davon spricht der Umfang der Akupunkturbehandlungen, die Dr. F durchgeführt hat, gegen die Behauptung des Antragstellers, diese Leistungen seien unter seiner Aufsicht und Verantwortung erfolgt. Hat der Weiterbildungsassistent nämlich schon nach den eigenen Angaben des Antragstellers in einem Quartal 10 bis 20 % der Fälle behandelt, so kann keine Rede von einem gelegentlichen Tätigwerden des Weiterbildungsassistenten sein. Es erscheint daher auch wenig plausibel, dass die Vornahme der Akupunkturbehandlungen unter Aufsicht des Antragstellers erfolgt sein soll, zumal dies auch von den von der Antragsgegnerin befragten Patienten nicht angegeben worden ist. Hinzu kommt, dass der Antragsteller diese Leistungen jeweils als durch ihn selbst erbrachte Leistungen bei der Antragsgegnerin abgerechnet hat. Letzteres spricht auch gegen einen Irrtum des Antragstellers über seine Vertragspflichten, sondern für geplante und zielgerichtete Vertragsverstöße. Da hierdurch die Ergebnisse des Modellvorhabens ernsthaft gefährdet werden können und allein der Umstand, dass der Weiterbildungsassistent nicht mehr bei dem Antragsteller tätig ist, seine Vertragstreue in Zukunft nicht vermuten lässt, handelt es sich um einen schwerwiegenden Verstoß, wie er nach § 9 Satz 2 der Vereinbarung die fristlose Kündigung rechtfertigt.

Die Beschwerde war daher mit der auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung trägt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 13 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) den ausgefallenen Gewinnerwartungen des Antragstellers für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren Rechnung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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