L 10 KA 5/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 14 KA 94/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KA 5/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2003 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Freistellung des Klägers von der Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst.

Der Kläger nimmt als Facharzt für Psychotherapeutische Medizin in C, Rhein-Sieg-Kreis, an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Nach dem medizinischen Staatsexamen hat der Kläger mehrere Jahre als Anästhesist, Chirurg und Gynäkologe gearbeitet. Von 1983 bis 1989 unterzog er sich einer psychotherapeutischen Weiterbildung und war anschließend psychotherapeutisch tätig. 1994 erwarb er die Zusatzbezeichnung Psychotherapie; 1997 wurde ihm kraft Übergangsregelung der Facharzt für Psychotherapeutische Medizin zuerkannt.

Im August 2001 beantragte der Kläger die Befreiung vom allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienst, weil er seit Ausscheiden aus einer Assistenzarzttätigkeit im Krankenhaus 1983 keinen Patienten mehr körperlich untersucht, kein Medikament verordnet und auch keine Injektion gegeben habe. Mit Bescheid vom 08.10.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab; jeder niedergelassene approbierte Arzt sei zur Teilnahme am organisierten Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Ärztekammer verpflichtet, wenn er nicht aus besonderen Gründen von der Teilnahme befreit worden sei. Die derzeit gültige Notfalldienstordnung verpflichte niedergelassene Ärzte unabhängig von ihrer Fachzugehörigkeit zu regelmäßigen Fortbildungen, die es ihnen ermöglichten, am Notfalldienst bzw. organisierten Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Von dieser Verpflichtung könne auch er als Ärztlicher Psychotherapeut nicht befreit werden. Es bleibe ihm jedoch unbenommen, sich von einem anderen Arzt im organisierten Bereitschaftsdienst vertreten zu lassen, wenn er den Dienst nicht selber durchführen wolle.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, nach der Notfalldienstordnung könne ein Arzt aus schwerwiegenden und besonderen Gründen vom Notfalldienst befreit werden. Er erfülle beide Voraussetzungen. Grundannahme dafür, alle Arztgruppen zum Notdienst zu verpflichten, sei, dass jeder Vertragsarzt gebietsübergreifend fachlich in der Lage sei, bei Notfällen ärztliche Hilfe zu leisten. Diese Regelung berücksichtige jedoch nicht, dass infolge Änderung der Muster-Weiterbildungsordnung im Jahre 1992 und der Schaffung des Arztes für psychotherapeutische Medizin die Möglichkeit bestehe, dass ein Arzt sich ausschließlich auf psychotherapeutische Behandlungen konzentriere und damit nach längerer Zeit zwangsläufig den Kontakt zu rein somatischen Behandlungen verliere. So habe er seit 18 Jahren keinen Patienten mehr körperlich untersucht. Es drohe ihm eher ein Kunstfehler zu unterlaufen und damit eher ein Regress als einem Arzt, der durchgehend somatisch tätig sei. Die Fortbildungen, an denen er teilnehme, bezögen sich im Kernpunkt auf sein Facharztgebiet. Es wäre eine unzumutbare Doppelbelastung, wenn er lediglich für die wenigen Fälle des Notfalleinsatzes eine Weiterbildung auf dem außerordentlich breiten Gebiet der Behandlung somatischer Krankheiten, insbesondere der Notfallbehandlung, durchführen müsste. Hinzu komme, dass er über kein Wartezimmer verfüge; ebenso fehle Personal für den Bereitschaftsdienst.

In ihrer Stellungnahme empfahl die Ärztekammer Nordrhein, den Kläger nicht vom ärztlichen Notfalldienst zu befreien. Mit Bescheid vom 02.04.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück; die Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst sei Bestandteil der ärztlichen Versorgung. Wenn ein Vertragsarzt am ärztlichen Notfalldienst nicht teilnehme möchte, könne er sich vertreten lassen. Eine Befreiung von der Teilnahme am Notfalldienst sei nach § 2 Abs. 2 der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der KV Nordrhein (NFDO) nur dann zulässig, wenn dem Arzt aus schwerwiegenden Gründen eine Teilnahme am Notfalldienst nicht zugemutet werden kann. Der Umstand, dass er ausschließlich psychotherapeutisch tätig sei, rechtfertige die Befreiung vom Notfalldienst nicht. Es bestehe die Verpflichtung, sich für die weitere Teilnahme am Notfalldienst weiterzubilden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, es müsse von jedem Vertragsarzt erwartet werden können, dass er über diejenigen ärztlichen Kenntnisse verfügt, um typischen Notfallsituationen wenigstens bis zum Einsatz der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden.

Mit seiner am 29.04.2002 erhobenen Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft. Auch für den Notfalldienst gelte, dass die Leistungserbringer eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten hätten. Zu berücksichtigen sei, dass sich die ärztliche Weiterbildung außerordentlich differenziert und in ihren Inhalten den neu hinzugetretenen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst habe, mit der Folge, dass die Weiterbildungsordnung nunmehr 41 Facharztgebiete vorsehe. Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führe, grundsätzlich nur auf diesem Gebiet tätig werden dürfe. Das führe dazu, dass sich der Facharzt auf den anderen Gebieten, die nicht zu seinem Fachgebiet zählten, sowohl was die theoretischen als auch die praktischen Fertigkeiten angehe, immer mehr vom aktuell gültigen Stand der medizinischen Erkenntnisse und Fertigkeiten entferne. Es sei unlogisch, neue Facharztgebiete für die Weiterbildung einzuführen, den "Spezialisten" auf sein Weiterbildungsgebiet zu begrenzen und gleichwohl davon auszugehen, dass dieser Arzt im Notfalldienst in der Lage sein könne, den Hilfe suchenden Patienten auf allen Gebieten gerecht zu werden. Dies könne auch durch eine Teilnahme an notfallspezifischen Weiterbildungskursen substantiell nicht geändert werden, da diese sich primär auf die Beherrschung der Notfallsituation bezögen, aber den Stand der medizinischen Erkenntnisse auf allen relevanten medizinischen Gebieten nicht vermitteln könnten. Da ihm das im konkreten Fall einschlägige Fachgebiet nicht ausreichend vertraut sei, er deshalb keine eindeutige Diagnose stellen und keine sachgerechte Behandlung durchführen könne, dem Patienten aber keinen Schaden zufügen und sich auch keinem Kunstfehlerprozess aussetzen wolle, müsse er den Patienten in ein Krankenhaus einweisen. Dies sei möglicherweise mit erheblichen Kosten verbunden, die nicht entstanden wären, wenn ein im konkreten Fall mit dem maßgeblichen ärztlichen Fachgebiet vertrauter Arzt verfügbar oder ein fachspezifischer Notfalldienst eingerichtet gewesen wäre. Derzeit lasse er sich im Notfalldienst vertreten. Seine Praxis bestehe im Wesentlichen aus einem Zimmer, das u.a. mit zwei Stühlen, einem Sofa und einer Liege ausgestattet sei, und einem Flur als Wartezimmer. Auch besitze er einen Notfallkoffer.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 08.10.2001 und den Widerspruchsbescheid vom 02.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger gemäß § 2 Abs. 1 der Notfalldienstordnung vom allgemeinen ärztlichen Notfalldienst zu befreien.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid vorgetragen, auch wenn er ausschließlich als Ärztlicher Psychotherapeut tätig sei, so habe er aber zumindest eine ärztliche Ausbildung absolviert. Ihm sei zuzumuten, Weiterbildungskurse in Notfallmedizin zu besuchen oder sich von einem anderen Arzt vertreten zu lassen. Für die Notfallversorgung reichten in einer Praxis eine Liege bzw. Stühle sowie ein Notfallkoffer aus. Ansonsten sei es dem Kläger zuzumuten, Verbesserungen der Praxisausstattung für die ordnungsgemäße qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes und somit zur Erfüllung der vertragsärztlichen Pflichten durchzuführen. Für die Einrichtung eines fachspezifischen Notfalldienstes bestehe im Bereich der Kreisstelle Rhein-Sieg kein Bedarf.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 10.12.2003 die Klage abgewiesen; ein Grund, den Kläger vom Notfalldienst zu befreien, bestehe nicht. Grundsätzlich seien alle Ärzte für den Notfalldienst geeignet. Der Notfallarzt müsse nur den typischen Notfallmaßnahmen gewachsen sein und wenigstens durch Sofortmaßnahmen im Sinne einer vorläufigen Versorgung die Zeit bis zum Einsetzen einer normalen Versorgung überbrücken können. Derjenige Arzt, der sich diesen Anforderungen nicht gewachsen fühle, sei berechtigt, sich vertreten zu lassen. Im übrigen sei jeder Arzt verpflichtet, sich für den Notfalldienst fortzubilden. Komme er dieser Verpflichtung nicht nach, könne dies Anlass zur Verhängung disziplinarischer Maßnahmen oder bei beharrlicher Weigerung sogar zur Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung sein. Die Ausstattung der Praxis des Klägers reiche für die Erstversorgung im Notfalldienst aus. Andernfalls wäre es dem Kläger auch zumutbar, entsprechende Verbesserungen vorzunehmen. Zur Einrichtung eines fachspezifischen Notfalldienstes für psychotherapeutisch tätige Ärzte sei die Beklagte nicht verpflichtet.

Gegen das am 29.12.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.01.2004 Berufung eingelegt und ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen vorgetragen, er verweise auf das Urteil des erkennenden Senats vom 23.07.2003 - L 10 KA 69/02 -. Danach müssten die qualitativen Anforderungen an die Leistungserbringer auch im Notfalldienst erfüllt sein. Verletze der Arzt diesen Standard, so begehe er ggf. einen Fehler, der zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich ziehen könne. Die Fortbildungspflicht, auf die das SG hingewiesen habe, könne sich primär nur darauf beziehen, auf dem eigenen Weiterbildungsgebiet den "Anschluss" zu halten. Er halte es im Regelfall für kaum möglich, sich daneben das vertiefte Wissen und die erforderlichen Erfahrungen und Fertigkeiten für die fachlichen Bereiche außerhalb des eigenen Fachgebietes zu erwerben, um dem aktuellen Standard der medizinischen Erkenntnis genügen zu können. Zwar sei die allgemeine Verpflichtung zur Teilnahme am Notfalldienst in früheren Entscheidungen des BSG damit gerechtfertigt worden, dass der Arzt lediglich eine "Notversorgung" zu gewährleisten habe und dann, wenn er sich überfordert sehe, den Patienten ins Krankenhaus einweisen könne. Wenn einem Arzt aufgrund seiner Spezialisierung aber außerhalb seines Fachgebietes kaum noch eine sachlich fundierte diagnostische Abklärung somatischer Befunde möglich sei und er zudem - bei bereits in Behandlung befindlichen Patienten - keinen Zugang zu den Krankenakten des behandelnden Arztes habe, dann sei es ein Glücksspiel, ob er die sachgemäße Entscheidung treffe. Zu beachten sei aber auch, dass typische Notfälle, die i.d.R. nur eine Erstversorgung notwendig machten (Unfallverletzungen mit anschließendem Transport ins Krankenhaus), bereits vom staatlichen Rettungsdienst erfasst würden und der von der KV organisierte Notfalldienst in der Realität hauptsächlich von Patienten in Anspruch genommen werde, die bereits in ärztlicher Behandlung stünden und bei denen sich eine echte - oder vermeintliche - Komplikation oder Beschwerden einstellten. Hier müsse der Notfallarzt aus einem fremden Facharztgebiet aber mit typischen medizinischen Bewertungen des jeweiligen Krankheitsbildes vertraut sein, die Diagnose und die Krankenakten des behandelnden Arztes, auf die er aber derzeit noch keinen Zugriff habe, kennen und wissen, welche der über zehntausend auf dem Markt befindlichen Medikamente der Patient vertrage und welche nicht. Ein somatisch tätiger Arzt habe zwangsläufig diese Probleme besser im Griff. Die Notfalldienstordnung trage diesen Problemstellungen auch grundsätzlich durch Einrichtung fachspezifischer Notfalldienste und spezieller Notfallpraxen Rechnung. Er habe ausschließlich an fachspezifischen Fort- und Ausbildungsveranstaltungen teilgenommen, nicht jedoch an Fortbildungsveranstaltungen für den Notfalldienst.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2003 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 08.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2002 zu verurteilen, den Kläger von der Teilnahme am auszuschließen, hilfsweise ihn hiervon zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.12.2003 zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss der Beklagten ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Ausschluss noch auf Befreiung von der Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst.

Gem. §. 75 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die KVen verpflichtet, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Diese umfasst gem. Satz 2 der genannten Vorschrift auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notfalldienst). Gleichzeitig umfasst diese Regelung die Verpflichtung der Vertragsärzte zur Teilnahme am Notfalldienst (BSG, Urteil vom 28.10.1992 - 6 RKa 2/92 -, SozR 3-2500 § 75 Nr.2). Die sich auf den genannten Vorschriften gründende Einrichtung eines Notfalldienstes ist für die Vertragsärzte (und auch für privatärztlich tätige Ärzte) im Bereich Nordrhein in der Gemeinsamen Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der KV Nordrhein (NFDO) geregelt. Die Verpflichtung des Arztes, am ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen, sofern er in eigener Praxis tätig ist, bestimmen auch § 30 Ziff. 2 Heilberufsgesetz NRW und § 26 der Berufsordnung der Ärztekammer Nordrhein.

Bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (BSG, Urteile vom 19.10.1971 - 6 RKa 24/70 -, BSGE 33, 165 ff.; vom 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 -, BSGE 44, 252 ff.; vom 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 -). Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) ist deshalb auch dann hinzunehmen, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt (BSG, Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 -).

Der Ausschluss vom Notfalldienst setzt gem. § 4 Abs. NFDO Ungeeignetheit, die Befreiung von diesem Dienst gem. § 2 Abs. 1, 2 NFDO schwerwiegende Gründe voraus.

1. Ungeeignet zur Teilnahme am ärztlichen Notdienst ist insbesondere, wer fachlich und/oder persönlich nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße und qualifizierte Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes bietet oder wenn sonstige Gründe vorliegen, die den Arzt als Vertragsarzt ungeeignet erscheinen lassen (§ 4 Abs. 2 NFDO).

Grundsätzlich sind alle Ärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst geeignet, sobald sie mit der Approbation und der Ableistung der kassenärztlichen Vorbereitungszeit zulassungsfähig geworden sind (BSG, Urteil vom 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 -, SozR 2200 § 368n RVO, Nr. 12). Dazu gehören grundsätzlich auch Ärztliche Psychotherapeuten; nicht herangezogen werden können lediglich die Psychologischen Psychotherapeuten. Geeignet ist der Arzt, der die Mindesterfordernisse für die Qualifikation eines Vertragsarztes für den Notfalldienst erfüllt. Diese ergeben sich aus der Aufgabe, die der ärztliche Notfalldienst zu erfüllen hat. Die Behandlung im Rahmen des Notfalldienstes ist darauf ausgerichtet, den Patienten bis zur nächstmöglichen ambulanten oder stationären Behandlung ärztlich zweckmäßig und ausreichend zu versorgen. Im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes kann keine optimale ärztliche Versorgung erwartet werden. Der Notfallarzt muss jedoch in der Lage sein, den typischen Notfallsituationen des ärztlichen Alltags abzuhelfen. Er muss zur unmittelbaren ärztlichen Hilfe befähigt sein; d.h. er muss geeignet sein, mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Notfalldienstes in der Regel wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden (BSG, Urteil vom 19.10.1971 - 6 Rka 24/70 -, a.a.O. und Urteil vom 15.09.1977 - 6 RKa 8/77 -, a.a,O ). Dem steht die vom Kläger zitierte Entscheidung des erkennenden Senats vom 23.07.2003 (L 10 KA 69/02), die die Abrechnung im Notfalldienst erbrachter nicht genehmigter radiologischer Leistungen zum Gegenstand hatte, nicht entgegen.

Ein nachträglicher Verlust der Eignung, der individuell zu überprüfen ist, kann - auch bei einer längeren, ausschließlich fachärztlichen Tätigkeit - nicht ohne Weiteres unterstellt oder vermutet werden. Der sich auf einen solchen Eignungsverlust berufende Arzt hat alle dafür sprechenden Umstände darzulegen und im einzelnen zu begründen; er trägt dafür die Feststellungslast (BSG, Urteil vom 15.09.19977 - 6RKa 8/77 -, a.a.O.).

Ausgehend davon konnte sich der Senat unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des beruflichen Werdeganges des Klägers, unter Einbeziehung der Sachkunde der ehrenamtlichen Richter nicht die volle Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Kläger zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst ungeeignet ist.

Der Kläger war nach Abschluss des Medizinstudiums im Jahre 1976 bis 1983 im Bereich Anästhesie, Chirurgie und Gynäkologie ärztlich tätig. Mit dieser Tätigkeit hat er die Grundlagen für die Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst erworben. Denn diese Bereiche beinhalten die für die Ausübung des Notfalldienstes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, wie z.B. Wiederbelebung, Beurteilung und Behandlung chirurgischer Verletzungen, plötzlich auftretende Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaften. Allein der Umstand, dass der Kläger nach seinem Vorbringen seit 1983 mit der Behandlung somatischer Erkrankungen nicht mehr befasst war, vermag den Verlust der Eignung zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst nicht zu begründen. Auch wenn der Kläger den Facharzt für Psychotherapeutische Medizin 1997 kraft Übergangsregelung zuerkannt bekommen hat, bedeutet dies nicht, dass er den Anforderungen, die an einen Arzt für Psychotherapeutische Medizin gestellt werden, nicht zu genügen braucht. Die Ausübung dieser Tätigkeit verlangt gem. Abschnitt 1 Ziff. 37 Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein (WO) eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Diagnostik und Differentialdiagnostik häufiger innerer Erkrankungen einschließlich der medikamentösen, diätetischen, physikalischen Behandlung, der Therapie chronischer Erkrankungen, der Notfalltherapie und Rehabilitation, soweit für psychosomatische Erkrankungen erforderlich. Dass der Kläger über Kenntnisse somatischer Erkrankungen verfügt, wird auch durch sein Abrechnungsverhalten belegt. Denn die Ziffern 870, 871 und 872 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), die der Kläger abrechnet, setzen die Erbringung der Leistungen nach den Ziffern 860 und 861 EBM voraus. Danach sind auch Kenntnisse somatischer Erkrankungen erforderlich, um eine differentialdiagnostische Einordnung des Krankheitsbildes und eine psychotherapeutische Indikationsstellung vornehmen zu können.

Nicht gehört werden kann der Kläger mit dem Einwand, etwaige für den Notfalldienst erworbene Kenntnisse und Erfahrung "verloren" zu haben. Dem steht entgegen, dass Ärzte, insbesondere auch solche, die schon langjährig als Spezialisten tätig sind, zur beruflichen Fortbildung - auch für den Notfalldienst - verpflichtet sind (§ 30 Heilberufsgesetz NRW, § 1 Abs. 1 Satz 3 NFDO). Das gebietet der Sicherstellungsauftrag (§ 72 Abs. 1 SGB V) sowie der Grundsatz, dass alle Ärzte gleichmäßig zum gemeinsamen ärztlichen Notfalldienst heranzuziehen sind (BSG, Urteile vom 19.10.1971 - 6 RKA 24/90 - und 15.09.1977 - 6 RKA 8/77 - sowie vom 18.10.1995 - 6 Rka 66/94 -). Nötigenfalls wird die zuständige KV einen Vertragsarzt, der sich auf "Kenntnisverlust" beruft, mittels Auflagen zur Fortbildung anhalten müssen. Sofern ein Vertragsarzt die ihm durch das Heilberufsgesetz bzw. die NFDO auferlegten Fortbidlungspflichten missachtet bzw. die diese konkretisierenden Auflagen der KV nicht erfüllt, stellt sich weniger die Frage, ob er ungeeignet ist, um am ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen. Im Vordergrund steht dann vielmehr, dass ein jahrelanger Verstoß gegen Fortbildungspflichten die Ungeeignetheit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung indiziert und ggf. einen Zulassungsentzug rechtfertigen kann und/oder durch disziplinarische Maßnahmen geahndet werden muss.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Praxisausstattung nicht zur Durchführung des Notfalldienstes ausreicht. Andernfalls wäre der Kläger angesichts der durch das Heilberufsgesetz NRW und die NFDO ausgesprochenen Verpflichtung zur Teilnahme am organisierten ärztlichen Notfalldienst gehalten, für eine die Ausübung des Notfalldienstes ermöglichende sächliche und personelle Ausstattung der Praxis zu sorgen.

Zwar kann ein für den Notfalldienst ungeeigneter Arzt nicht auf die Möglichkeit, einen Vertreter zu bestellen, verwiesen werden, da dann jede Befreiung mit dem Hinweis hierauf verweigert werden könnte (VGH Baden-Würtemberg, Urteil vom 03.11.1998 - 9 S 3399/96 - MedR 1999, 228 ff.); allerdings bleibt es dem zur Teilnahme am Notfalldienst geeigneten Kläger unbenommen, sich vertreten zu lassen, wenn er sich - subjektiv - außerstande sehen sollte, den Notfalldienst persönlich zu verrichten (§ 1 Abs. 2, 3 NFDO).

Für Ärzte für Psychotherapeutische Medizin einen fachspezifischen Notdienst einzurichten, ist die Beklagte - worauf das SG ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - nicht verpflichtet.

2. Ebenso wenig liegt ein Grund vor, der die Befreiung des Klägers vom Notfalldienst rechtfertigte. Diese setzt einen "schwerwiegenden" Grund voraus (§ 2 Abs. 1 NFDO). Liegen daneben "besondere" Gründe vor, kann die Freistellung für bestimmte Zeiten ausgesprochen werden (§ 2 Abs. 2 NFDO).

Zu den "schwerwiegenden" Gründen zählen insbesondere Krankheit oder körperliche Behinderung, besonders belastende familiäre Pflichten, Teilnahme an einem klinischen Bereitschaftsdienst mit Notfallversorgung in vergleichbarem Umfang, Ärztinnen während ihrer Schwangerschaft und bis zu 12 Monaten nach der Entbindung, Ärztinnen und Ärzte über 65 Jahre (§ 2 Abs Abs. 1 Ziff. 1-5 NFDO). Die genannten Befreiungstatbestände sind zwar nicht abschließend. Ein anderer Grund ist jedoch nur dann ein den ausdrücklich genannten Befreiungstatbeständen vergleichbarer "schwerwiegender Grund", wenn dieser eine Einschränkung der vertragsärztlichen Praxis zur Folge hat (BSG, Urteil vom 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 -, MedR 1987, 122 ff.). Gründe, die mit den in § 2 Abs Abs. 1 Ziff. 1-5 NFDO ausdrücklich aufgeführten vergleichbar wären und es rechtfertigten, ihn von der Teilnahme am Notfalldienst zu befreien, hat der Kläger nicht genannt; auch hat er weder eine Einschränkung der Praxistätigkeit dargetan noch behauptet, dass ihm die Kosten einer Vertretung im Notfalldienst nicht zuzumuten seien.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen; die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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