L 13 RJ 5/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (12) RJ 207/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 RJ 5/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2002 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Altersrente, die insbesondere von der Feststellung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit von Juni 1942 bis Mai 1945 abhängt.

Die Klägerin, die Jüdin ist, wurde am 00.00.1928 in C, Distrikt M, Polen, geboren und lebt seit 1948 in Israel. Sie besuchte bis Juni 1939 eine polnischsprachige Volksschule.

Am 01.03.1995 beantragte sie Altersrente unter Anerkennung von Beitrags- und Ersatzzeiten. Hierzu gab sie u. a. an, sie sei NS- Verfolgte; von April 1946 bis Juli 1948 habe sie beitragspflichtig als Schneiderin im DP-Lager V in Deutschland gearbeitet.

Sie hat ausweislich einer Bestätigung des zuständigen israelischen Versicherungsträgers in Israel keine Rentenversicherungszeiten nach dortigem Recht erworben.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 14.09.1995 ab, weil keine Beitragsleistung zur deutschen Rentenversicherung feststellbar sei.

Nachdem die Klägerin u. a. Zeugenerklärungen sowie Lohnlisten der Stadt V über Beschäftigungszeiten von 1947 bis 1948 vorgelegt hatte, wies die Beklagte ihren Widerspruch unter dem 04.08.1998 mit der Begründung zurück, zwar liege eine Beitragszeit in der deutschen Rentenversicherung vom 01.09.1947 bis 31.05.1948, beruhend auf der Tätigkeit im DP-Lager V, vor. Weil die geltend gemachte Ersatzzeit nicht berücksichtigt werden könne, könne Regelaltersrente mangels erfüllter Wartezeit nicht bewilligt werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 25.08.1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Sie hat vorgetragen, sie sei vor der drohenden nationalsozialistischen Verfolgung in die Sowjetunion geflohen, wo sie sich zunächst in Sibirien aufgehalten habe.

Das SG hat Auskünfte des Internationalen Suchdienstes des Roten Kreuzes, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, der LVA Württemberg, des Stadtarchivs V, der AOK V sowie der BfA eingeholt; wegen des Ergebnisses der Auskünfte wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 zu verurteilen, ihr Altersrente unter Berücksichtigung einer Beitragszeit von April 1946 bis Juli 1948 sowie einer Ersatzzeit vom 10. Juni 1942 bis zum 31. Mai 1945 zu gewähren.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 07.05.2002 weitere Beitragszeiten der Klägerin von April 1946 bis August 1947 und von Juni 1948 bis Juli 1948 anerkannt und im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 03.12.2002 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Altersrente unter Berücksichtigung sowohl der geltend gemachten Beitrags- als auch der Ersatzzeiten zu gewähren. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, neben der von der Beklagten zwischenzeitlich anerkannten Beitragszeit liege noch eine Ersatzzeit vom 10.06.1942 bis Mai 1945 nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 des sechsten Buches des Sozialgerichtsgesetzbuches (SGB VI) vor. Die Klägerin sei auch ohne Anerkennung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) durch die Entschädigungsbehörden als Verfolgte im Sinne des § 1 BEG anzusehen. Sie sei Verfolgte aus Gründen der Rasse, weil sie Jüdin sei. Die Annahme der Verfolgteneigenschaft scheitere auch nicht daran, dass sie nur deshalb nicht Opfer konkreter nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen geworden sei, weil sie sich der nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges und der Besetzung ihres Heimatortes durch die Deutschen drohenden Judenverfolgung durch Flucht in das Innere der Sowjetunion entzogen habe. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrer Familie aus Furcht vor der durch die deutschen Besatzer drohenden Judenverfolgung in die Sowjetunion geflüchtet sei. Auf Grund der Verfolgung bzw. Flucht vor der Verfolgung habe die Klägerin sich im Sinne des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI bis Kriegsende im Mai 1945 im Ausland aufgehalten. Da der Klägerin somit nicht nur 28 Monate Beitragszeiten, sondern auch 36 Monate Ersatzzeiten anzuerkennen sei, sei die Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt.

Die Beklagte und Berufungsführerin hat gegen das ihr am 19.12.2002 zugestellte Urteil am 13.01.2003 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie vorträgt, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit lägen deshalb nicht vor, weil eine Beitragszahlung zur deutschen Rentenversicherung nicht verfolgungsbedingt unterblieben sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 14.08.2003 (B 13 RJ 27/02 R in SozR 4 - 2200 § 1251 Nr. 1) beziehe sich die Kompensation unterbliebener Beitragszahlungen durch die Anerkennung einer Ersatzzeit nur auf solche Zeiten, in denen ohne die verfolgungsbedingte Flucht und den verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalt auf Grund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung Beiträge zur deutschen Rentenversicherung geleistet worden wären. Eine Möglichkeit der Klägerin, eine solche versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben hätte nur bestanden, wenn sie dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) und damit dem Personenkreis des § 17a des Fremdrentengesetzes (FRG) bzw. § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) unterfalle. Dies sei nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen nicht der Fall.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Hierzu hat sie noch erläutert, sie sei bereits, nachdem die deutschen Truppen im September 1939 C besetzt hätten, mit ihrer Familie von dort vertrieben worden. Man sei Richtung Osten geflüchtet, habe die polnisch-russische Grenze überschritten und sei nach Vinitza gelangt, wo man bis zur deutschen Besetzung, d. h. bis Sommer 1941 geblieben sei. Dann sei man unter schweren Bedingungen weiter ostwärts geflüchtet, bis man Ende 1941 nach Sibirien gekommen und dort in ein Arbeitslager geschickt worden sei. 1943 sei die Familie freigelassen worden und habe sich nach Usbekistan begeben. Erst Anfang 1946 habe man nach Polen zurückkehren können.

Sie, die Klägerin, habe auch dem dSK angehört. Im Ergebnis komme es hierauf aber gar nicht an, weil sie durch die nationalsozialistische Verfolgung daran gehindert worden sei, nach Deutschland auszuwandern und dort eine Berufstätigkeit aufzunehmen.

Der Senat hat durch die deutsche Botschaft in Tel Aviv eine Anhörung sowie eine Sprachprüfung der Klägerin veranlasst. Im Rahmen dieser Anhörung hat die Klägerin angegeben, sie habe die deutsche Sprache von ihrer Mutter erlernt, diese aber ausschließlich ihr gegenüber benutzt. Mit ihrem Vater sowie ihren Schulfreunden habe sie Polnisch gesprochen. Auch die Eltern hätten untereinander und mit ihren Bekannten Polnisch gesprochen, weil sich der Vater geweigert habe, die deutsche Sprache zu sprechen. Zu einer freiwilligen Hinwendung zu irgendeinem Kulturkreis habe für sie, die Klägerin, kein Raum bestanden, weil sie bereits 1939 aus Polen und später noch einmal innerhalb Russlands vertrieben worden sei.

Nach dem Eindruck der die Anhörung und die Sprachprüfung durchführenden Konsularbeamtin beherrscht die Klägerin die deutsche Sprache mündlich, obwohl sie offensichtlich oft Deutsch spreche und unbewusst hebräische Worte verwende. Ihre heutigen Sprachkenntnisse ließen darauf schließen, dass sie muttersprachlich deutsch gelernt, aber seit langem nicht mehr regelmäßig gesprochen habe. Allerdings wiesen ihre Aussagen darauf hin, dass sie im persönlichen Lebensbereich überwiegend die polnische Sprache gebraucht habe.

Die Klägerin hat zu ihren Angaben in der deutschen Botschaft erklärt, dass sie von ihrer deutschsprachigen Großmutter aufgezogen worden sei, die gleichen Haus gewohnt habe. Ihr Vater sei sehr oft geschäftlich auf Reisen gewesen. Sie, die Klägerin, habe mit der Großmutter und der Mutter nur Deutsch und dementsprechend in ihren ersten Lebensjahren nur Deutsch gesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente nach dem SGB VI (§ 200 Abs. 2). Die Zeit von Juni 1942 bis Mai 1945 ist nicht als verfolgungsbedingte Ersatzzeit anzuerkennen.

Nach § 35 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie

1. das 65. Lebensjahr vollendet und

2. die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin hat zwar bereits am 10.06.1993 das 65. Lebensjahr vollendet. Sie hat jedoch die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren (§ 50 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGB VI) nicht erfüllt. Nach § 51 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VI werden auf die allgemeine Wartezeit Kalendermonate mit Beitragszeiten sowie mit Ersatzzeiten angerechnet.

Gemäß den, insoweit nicht angegriffenen, Bescheiden sowie gemäß dem schriftsätzlichen Anerkenntnis der Beklagten vom 07.05.2002 sind für die Klägerin für die Zeit vom 01.04.1946 bis zum 31.07.1948 28 Monate mit Beitragszeiten anzurechnen. Weitere Beitragszeiten hat die Klägerin nicht zurückgelegt.

Sie hat auch keine Ersatzzeiten zurückgelegt, die auf die allgemeine Wartezeit angerechnet werden könnten. Nachdem dem hier allein in Betracht kommenden § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI sind Ersatzzeiten Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43, 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind, oder infolge Verfolgungsmaßnahmen

a) arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946, oder

b) bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949, wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (Verfolgungszeit).

Zwar scheitert vorliegend die Anerkennung der Ersatzzeit auf die Wartezeit nicht bereits daran, dass die Klägerin vor Eintritt des Ersatzzeittatbestandes keine Zeiten in der deutschen Rentenversicherung zurückgelegt hat, weil die in den Vorgängervorschriften des § 1251 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. § 28 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) noch ausdrücklich geforderte Vorversicherung in § 250 SGB VI nicht mehr verlangt wird. Seit Inkrafttreten des SGB VI bedarf es für den Erwerb einer Ersatzzeit grundsätzlich nur noch mindestens eines Beitrags, weil im Zeitpunkt des Rentenfalls die Versicherteneigenschaft verlangt wird. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin aber wegen der anzuerkennenden Beitragszeiten.

Die Klägerin gehört jedoch entgegen der Ansicht des SG nicht zum Personenkreis des § 1 BEG. Die Anerkennung der Verfolgteneigenschaft nach dem BEG scheitert zwar entsprechend den Ausführungen des SG nicht daran, dass eine formelle Anerkennung durch die zuständigen Entschädigungsbehörden nicht vorliegt. Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft ist im Rahmen des § 250 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI vom Rentenversicherungsträger bzw. den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit zu treffen (h.M., vgl. u. a. nur Urteil des BSG vom 14.08.2003, aaO., mwN.). Nach dessen § 1 Absatz 1 BEG ist Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist, und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Zwar ist die Klägerin, worauf bereits das SG zutreffend hingewiesen hat, Verfolgte aus Gründen der Rasse, weil sie Jüdin ist. Sie hat jedoch keinen in der Rentenversicherung maßgeblichen Schaden durch die nationalsozialistische Verfolgung erlitten. Bei der Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ist allein der Ausgleich rentenrechtlicher Nachteile für infolge der verfolgungsbedingten Flucht nicht zurückgelegte Beitragszeiten maßgeblich (vgl. Urteil des BSG vom 14.08.2003, aaO.). Der Senat kann dabei offen lassen, ob die Klägerin vom Inland, d. h. vom Gebiet des damaligen deutschen Reiches ins Ausland geflohen ist, also ein Auslandsaufenthalt im Sinne der maßgeblichen Vorschriften vorliegt, der voraussetzt, dass das Inland wegen drohender Verfolgungsmaßnahmen verlassen wurde. Jedenfalls hat die Klägerin durch eine etwaige als maßgeblich zu berücksichtigende verfolgsbedingte Flucht keine rentenrechtlichen Nachteile durch nicht zurückgelegte (weitere) Beitragszeiten erlitten. Der Heimatort der Klägerin, C, gehörte zum sogenannten Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete. Dieses Generalgouvernement wurde im Gegensatz zu anderen Gebieten Polens dem deutschen Reich zwar an- aber nicht eingegliedert. Das bisher geltende Rentenrecht blieb grundsätzlich in Kraft, so dass jedenfalls für die nichtdeutschen Staatsangehörigen weiterhin die polnischen Sozialversicherungsgesetze galten (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil des BSG vom 23.08.2001, B 13 RJ 59/00 R in SozR 3 - 2200 § 1248, 17 mwN.). Damit hätte für die Klägerin eine Möglichkeit zum Erwerb von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nur nach dem FRG bestanden.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Nach Maßgabe des § 16 FRG gilt entsprechendes für Beschäftigungszeiten im Vertreibungsgebiet. Da die Klägerin nicht zu dem nach § 1 FRG begünstigten Personenkreis gehört, insbesondere keine anerkannte Vertriebene im Sinne des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes ist, können ihr diese Vorschriften nach den §§ 17a FRG/20 WGSVG nur dann zugute kommen, wenn sie zu irgendeinem Zeitpunkt - vorliegend kann dahin stehen, zu welchem - dem dSK angehörte.

Dies ist nach dem Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen nicht der Fall. Für die Zugehörigkeit zum dSK ist der Gebrauch der deutschen Sprache von ausschlaggebender Bedeutung. Diese muss zumindest im Bereich im persönlichen Lebens überwiegend gebraucht worden sein, denn wer eine Sprache im seinem persönlichen Lebensbereich dauernd gebraucht, gehört nicht nur diesem Sprach- sondern auch dem durch sie vermittelten Kulturkreis an. Bei mehrsprachigen Personen, wie der Klägerin, die selbst einräumt, neben der deutschen Sprache zumindest noch die polnische Sprache gesprochen zu haben, lässt sich die Zugehörigkeit zum dSK nicht allein nach ihrer Sprachfertigkeit beurteilen, weil die Kenntnis der deutschen Sprache nicht ausschließt, dass sie einer anderen Sprach- und Denkwelt stärker verhaftet waren. Aus diesem Grund genügt es nicht allein, wenn die deutsche Sprache wie eine Muttersprache gesprochen wurde. Vielmehr muss sie im persönlichen Lebensbereich auch überwiegend gebraucht worden sein.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FRG genügt für die Feststellung der Zugehörigkeit zum dSK die Glaubhaftmachung. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit bedeutet die gute Möglichkeit, dass ein bestimmter Sachverhalt so liegt, wie behauptet bzw. ein Vorgang sich so zugetragen hat, wobei gewisse Zweifel bestehen können.

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich in diesem Sinne, dass die Klägerin dem dSK angehört hat.

Der Senat hat sich nach Anhören der von der Deutschen Botschaft in Israel angefertigten Tonaufzeichnung nur davon überzeugen können, dass die Einschätzung der Konsularbeamtin, die Klägerin habe muttersprachlich die deutsche Sprache erlernt, zutrifft.

Es besteht jedoch nicht die gute Möglichkeit, dass die Klägerin die deutsche Sprache im persönlichen Lebensbereich auch überwiegend gebraucht hat. Es erscheint auch gut möglich, dass sie die polnische Sprache überwiegend benutzte. So hat sie selber angegeben, mit dem Vater sowie den Schulfreunden ausschließlich Polnisch gesprochen zu haben. Dem entspricht, dass sie nach eigenen Angaben eine Volksschule mit polnischer Unterrichtssprache besuchte. Auch die Eltern untereinander sowie mit ihren Bekannten sprachen Polnisch, weil der Vater der Klägerin sich weigerte, Deutsch zu sprechen. Nur im Gespräch mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter konnte die Klägerin sich der deutschen Sprache bedienen. Damit spielte die polnische Sprache über einen zumindest nicht zeitlich völlig unbedeutenden Zeitraum eine wesentliche Rolle bei ihrer sprachlich-kulturellen Erziehung und Bildung. Auch nach der Flucht aus dem Heitmatort konnte die Klägerin nur im Umgang mit der Mutter Gelegenheit haben, die deutsche Sprache überhaupt zu benutzen. Sie hielt sich in einer nicht deutschsprachigen Umgebung auf und sie hatte ausschließlich eine Schule besucht, in der in der polnischen Sprache unterrichtet wurde.

Die Klägerin hätte damit keine Möglichkeit gehabt, Versicherungszeiten aus den Vorschriften des WGSVG oder des FRG gar herzuleiten. Sie hat durch die Verfolgung bzw. die verfolgsbedingte Flucht keinen Schaden in der deutschen Rentenversicherung erlitten, so dass sie nicht zum Personenkreis des § 1 BEG gehört. Die Klägerin hat auch keine anderen Ersatzzeiten zurückgelegt. Zudem sind für sie auch keine anderen Versicherungszeiten auf Grund zwischen- oder überstaatlichen Rechts, wie insbesondere dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit vom 17.12.1973 bzw. dem Zusatzabkommen hierzu vom 12.02.1995 zurückgelegt. Sie erfüllt mithin nicht die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für die Regelaltersrente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Der Senat hat nach § 160 Abs. 2 Satz 1 SGG die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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