L 18 KN 8/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 14 (4) KN 58/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 8/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09. Dezember 2003 abgeändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 03. Juli 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2002 sowie des Bescheides vom 27. Februar 2002 verurteilt, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Zuordnung der Zeiten vom 15. November 1975 bis zum 28. Februar 1978 und vom 01. März 978 bis zum 09. Juli 1985 zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI neu zu berechnen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rentenrechtliche Bewertung polnischer Versicherungszeiten, hierbei insbesondere, welcher Qualifikationsgruppe die vom Kläger in der Zeit vom 15.11.1975 bis zum 9.7.1985 in Polen verrichteten Beschäftigungen zuzuordnen sind.

Der 00.00.1947 in X/Polen geborene Kläger lebt seit dem 10.7.1985 in der Bundesrepublik Deutschland. Er besuchte in der Zeit vom 1.9.1961 bis zum 7.5.1966 in Polen die Fachoberschule des Schlesischen Forschungsinstituts des Ministeriums der Schwerindustrie in L, die er mit der Reifeprüfung und der Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Elektrotechniker" zu führen, beendete. Danach absolvierte er vom 1.10.1966 bis zum 30.9.1968 ein (Tages-) Studium mit dem Schwerpunkt "Technische Erziehung" an der Pädagogischen Fachhochschule L, aus welcher durch Fusion die Schlesische Universität L entstand. Anschließend war er vom 1.10.1968 bis zum 31.8.1969 als technisch-wissenschaftlicher Assistent an der Universität L tätig und setzte sein Studium in der Abteilung Technik als Abendstudium (1.10.1968 bis zum 30.9.1971) fort. Mit Datum vom 31.5.1972 wurde dem Kläger von der Schlesischen Universität L/Technische Fakultät der Titel Magister der Technik" (Diplom) verliehen. Der Kläger war lange Jahre im Steinkohlebergwerk T/L beschäftigt, zunächst zeitgleich vom 3.10.1969 bis zum 31.5.1972 mit dem an der Universität L absolvierten Abendstudium sowie vom 1.6.1972 bis zum 30.9.1972 als Elektriker unter Tage, anschließend in der Zeit vom 1.10.1972 bis zum 14.11.1975 als Planungsingenieur für Elektrotechnik (Oberprojektant) im betriebseigenen Konstruktionsbüro, in der Zeit vom 15.11.1975 bis zum 28.2.1978 als Aufseher unter Tage und schließlich vom 1.3.1978 bis zum 12.7.1985 als Schichtsteiger unter Tage.

Der Kläger beantragte am 30.11.2000 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und legte u.a. die Arbeitsbescheinigung der Knappschaft L/Kohlengrube T vom 17.7.1985 vor. Danach war er dort vom 3.10.1969 bis zum 30.9.1972 als Elektriker unter Tage, vom 1.10.1972 bis zum 14.11.1975 als Oberprojektant, vom 15.11.1975 bis zum 28.2.1978 als Aufseher elektrischer Anlagen unter Tage und vom 1.3.1978 bis zum 12.7.1985 als Schichtsteiger elektrischer Anlagen unter Tage in Vollzeit beschäftigt. Die genannten Zeiten wurden mit Bescheinigung vom 30.3.2001 von Seiten des polnischen Rentenversicherungsträgers bestätigt. In einer Selbstauskunft vom 18.1.2001 gab der Kläger an, in der Zeit vom 3.10.1969 bis zum 30.9.1972 als Elektriker unter Tage im Arbeiterverhältnis und in der Zeit vom 1.10.1968 bis zum 1.9.1969 und vom 1.10.1972 bis zum 12.7.1985 als Angestellter, zunächst als technischer Assistent, sodann als Planungsingenieur für Elektrotechnik und später als Aufseher und Schichtsteiger für Elektroarbeiten unter Tage beschäftigt gewesen zu sein.

Mit Bescheid vom 3.7.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beginnend ab dem 1.12.2000. Dabei stufte sie die Tätigkeit des Klägers als Planungsingenieur vom 1.10.1972 bis zum 14.11.1975 in die Qualifikationsgruppe 1, die Tätigkeit als Aufseher unter Tage in der Zeit vom 15.11.1975 bis zum 28.2.1978 in die Qualifikationsgruppe 4 und die Tätigkeit als Schichtsteiger unter Tage vom 1.3.1978 bis zum 9.7.1985 in die Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) ein. Die Zeiten als technischer Assistent an der Universität vom 1.10.1968 bis zum 31.8.1969 ordnete sie der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 und dem Bereich 18 (Bildung, Kultur, Gesundheits- und Sozialwesen) der Anlage 14 zum SGB VI zu.

Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Einstufung der Beschäftigungszeiten als Aufseher und Schichtsteiger unter Tage in die Qualifikationsgruppen 4 und 2 und begehrte hinsichtlich beider Tätigkeiten eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1. Die von ihm verübten Tätigkeiten hätten seiner akademischen Qualifikation und langjährigen Praxis entsprochen. Zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit als Aufseher für Elektroarbeiten habe er bereits über ein abgeschlossenes Studium an der technischen Fakultät der Universität L und die notwendigen praktischen Erfahrungen als Elektriker verfügt. Damit habe er die Voraussetzungen für die Zulassung als Aufseher für Elektroarbeiten unter Tage durch das Bergamt erfüllt. Dieses habe ihm die Zulassung nach einer Prüfung am 29.1.1976 erteilt. Er sei in dieser Zeit nicht als Elektriker im Arbeiterverhältnis, sondern als Angestellter im technischen Dienst, mit einem entsprechenden Gehalt, beschäftigt gewesen. Seine Aufgaben seien folgende gewesen:

- Verantwortung für die Ausführung von Elektroarbeiten unter Tage entsprechend den Normen und dem Stand der Technik,
- Aufsicht über Schweißarbeiten,
- Überwachung der Sicherheit des Fachpersonals.

Auch habe die Beklagte seine der Tätigkeit als Aufseher vorgeschaltete Tätigkeit als Planungsingenieur im Konstruktionsbüro des Bergwerkes T der Qualifikationsstufe 1 zugeordnet. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Schichtsteiger für Elektroanlagen, für die ihm vom Bergamt die Zulassung nach der Prüfung am 22.2.1978 erteilt worden sei, sei er im wesentlichen für folgende Aufgaben zuständig gewesen:

- Verantwortung für die Ausführung von Elektroarbeiten unter Tage entsprechend den Normen und dem Stand der Technik,
- Planung und Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen elektrischer Anlagen und Betriebsmittel,
- Zusammenarbeit mit der Spezialabteilung für Prüfen, Errichten, Ändern und Betriebsübergabe von explosionssicheren und eigensicheren Betriebsmittel und Elektroanlagen in den von Methanexplosion gefährdeten Bereichen,
- Mitwirkung bei der laufenden Aktualisierung von Netzplänen auf Nieder- und Mittelspannungsebenen,
- Führen von Revisionsbüchern,
- Änderungen der technischen Dokumentationen,
- Instandsetzung von Elektroanlagen in den Förderabteilungen,
- Anleitung des Fachpersonals und laufende Schulungen im Bereich der Arbeitssicherheit,
- Mitwirkung bei der Einführung modernster Techniken und Anlagen,
- Beurteilung von Rationalisierungsvorschlägen.

Des weiteren begehrte der Kläger mit seinem Widerspruch, die Beschäftigungszeit vom 1.10.1968 bis zum 31.8.1969 als technischer Assisten dem Wirtschaftsbereich 19 (Wissenschaft, Hoch- und Fachschulwesen) nach Anlage 14 zum SGB VI zu zuordnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.2.2002 hob die Beklagte den Bescheid vom 3.7.2001 teilweise auf und ordnete die Zeiten 1.10.1968 bis zum 31.8.1969 dem Wirtschaftsbereich 19 der Anlage 14 zum SGB VI zu (Ausführungsbescheid vom 27.2.2002). Im übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Begründend führte sie aus, Versicherte seien einer Qualifikationsgruppe nach Anlage 13 zum SGB VI zu zuordnen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hätten. Die Tätigkeit des Klägers als Aufseher im polnischen Bergbau entspreche der eines Brigadeleiters/Meisters im Bergbau der ehemaligen DDR und im Bundesgebiet der Tätigkeit eines Aufsichtshauers. Direkter Vorgesetzter sei der zuständige Schichtsteiger. Für die Tätigkeiten des Brigadeleiters bzw. Aufsichtshauers kämen besonders hochqualifizierte Facharbeiter zum Einsatz. Der Abschluß einer Meisterausbildung, einer Fachschulausbildung oder einer Hochschulausbildung sei nicht gefordert. Dementsprechend sei eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 nicht zu beanstanden. Das gleiche gelte für die Einstufung der Schichtsteigertätigkeit in die Qualifikationsgruppe 2. Denn der Schichtsteiger stehe in der Rangfolge der Steiger an unterster Stelle und Voraussetzung für diese Tätigkeit sei lediglich ein Abschluß auf einer Fachschule, eine Hochschulausbildung sei nicht erforderlich.

Der Kläger hat mit seiner Klage vor dem Sozialgericht sein Begehren auf Höhergruppierung weiterverfolgt. Zur Begründung hat er im wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat er geltend gemacht, ein Vergleich der Tätigkeit des Aufsehers im polnischen Bergbau mit der eines Brigadeleiters oder Aufsichtshauers sei unzutreffend. Als Mindestvorraussetzung für die Tätigkeiten als Aufseher und Schichtsteiger für Elektroanlagen werde im polnischen Bergbau u.a. eine Ausbildung zum Elektrotechniker verlangt. Gleichzeitig bestehe keine Grenze nach oben, weil die weiteren Dienststufen in der technischen Überwachung im Bergbau eine akademische Ausbildung verlangten. Das Fortlassen der Stufen Aufseher und Schichtsteiger im Rahmen von überwachenden Aufgaben unter Tage sei nach dem polnischen Bergbaurecht auch für Akademiker nicht möglich. Zwischen einem Elektrotechniker und einem Akademiker, die als Aufseher oder Schichtsteiger tätig seien, bestünden Unterschiede in der Aufgabenzuteilung und den gestellten Anforderungen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9.1.2003 abgewiesen und sich in seiner Begründung im wesentlichen auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 19.2.2002 gestützt. Zwar habe der Kläger durch den Erwerb des Abschlussdiploms der Hochschule L als Magister der Technik vom 31.5.1972 den Status eines Hochschulabsolventen erlangt, dies führe jedoch nicht zwangsläufig dazu, dass die Tätigkeiten der Qualifikationsgruppe 1 zu zuordnen wären. Denn er habe keine entsprechende Tätigkeit im Sinne der Präambel der Anlage 13 zum SGB VI ausgeübt. Bei der Tätigkeit des Aufsehers habe es sich um eine Facharbeitertätigkeit gehandelt und für die Ausübung der Tätigkeit eines Schichtsteigers sei eine abgeschlossene Fachschulausbildung ausreichend.

Der Kläger hat gegen das Urteil vom 9.1.2003 Berufung erhoben. Ergänzend trägt er vor, die gehobenen Positionen im polnischen Bergbau erforderten ausnahmslos eine mit einem Diplom abgeschlossene Hochschulausbildung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 9.12.2003 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 3.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.2.2002 sowie des Bescheides vom 27.2.2002 zu verurteilen, die Erwerbsunfähigkeitsrente unter Zuordnung der Zeit vom 15.11.1975 bis zum 28.2.1978 sowie vom 1.3.1978 bis zum 9.7.1985 zur Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe die Sach- und Rechtslage nochmals im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 12.11.2003 (B 8 KN 2/03 R) überprüft, halte jedoch an ihrer Einstufung der Tätigkeiten des Klägers weiter fest. Der Aufseher stehe in der Rangfolge der Aufsichtspersonen an unterster Stelle. Ein Hochschulstudium sei keine Voraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit. Hochschulabsolventen, die zunächst als Aufseher elektrischer Anlagen unter Tage eingesetzt werden, sollten unter der Aufsicht eines erfahrenen Steigers in den späteren (höher qualifizierten)

Beruf eingeführt werden. Ein Hochschulstudium qualifiziere den Berechtigten z.B. zur Aufsicht über ein gesamtes Abbaurevier oder zur Leitung des gesamten Bergwerkes. Der Aufseher für elektrische Anlagen unter Tage sei hingegen nur für einen eng umgrenzten Bereich zuständig. Man könne daher nicht davon ausgehen, dass es sich um eine Tätigkeit handele, die dem Hochschulniveau im wesentlichen entspreche. Vielmehr handele es sich -wie bereits vorgetragen- um eine Facharbeitertätigkeit. Ähnliches gelte für die Tätigkeit als Schichtsteiger, da für die Ausübung dieses Berufes im Regelfall ein Fachschulabschluß ausreichend sei.

Der Kläger hat Kopien der ihm von der Bezirksbergbaubehörde L erteilten Zulassungen vom 29.1.1976 als "Person der niedrigeren Aufsicht im Bereich der Elektrik in Betrieben für Kohlenbergbau unter Tage" und vom 22.2.1978 als "Person der mittleren Aufsicht im Bereich der Elektrik in Betrieben für Kohlenbergbau unter Tage" vorgelegt. Den Beteiligten ist das Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. O vom 31.7.2001 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 9.11.2001 - eingeholt in dem Verfahren SG Aachen S 2 KN 55/00 - zur Kenntnisnahme übersandt worden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 13.3.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2001 unter Einbeziehung des Ausführungsbescheides vom 27.2.2002 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) als die Beklagte die vom Kläger in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vom 15.11.1975 bis zum 28.21978 und vom 1.3.1978 bis zum 9.7.1985 fehlerhaft den Qualifikationsgruppen 4 bzw. 2 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet und infolgedessen die Entgeltpunkte in unzutreffendem Umfang ermittelt hat. Die Beitragszeiten des Klägers für die streitbefangenen Zeiträume sind der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zu zuordnen und die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der zusätzlichen Entgeltpunkte neu zu berechnen.

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland am 10.7.1985 und damit vor dem 1.1.1991 genommen, so dass sich seine Ansprüche hinsichtlich der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten noch nach dem Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen (DPSVA) 1975 richten. Dieses ist auf den Kläger weiterhin trotz des inzwischen in Kraft getretenen DPSVA vom 8.12.1990 nach dessen Art. 27 Abs. 2 anzuwenden, weil er seinen Wohnsitz seit 1985 im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland hat und die in Polen vor dem 1.1.1991 erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch das neue Abkommen nicht berührt werden.

Nach Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 berücksichtigt der Träger des jeweiligen Wohnsitzstaates bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären. Diese Zeiten sind gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 vom 12.3.1976 (BGBl II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989 (RRG 1992, BGBl I 2261) bei Feststellungen einer Rente nach dem 30.6.1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG), dessen Art. 1 das Fremdrentengesetz (FRG) bildet, zu berücksichtigen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung bis zum 31.12.2001 werden für Zeiten der in den §§ 15 und 16 genannten Art Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB VI ermittelt, d.h. es werden für die jeweiligen Jahre Durchschnittsverdienste berücksichtigt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung zu einer der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Bereiche -die hier nicht mehr streitig sind- ergeben.

Nach dem der Anlage 13 zum SGB VI vorangestellten Satz 1 sind Versicherte in eine der nachstehenden Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Die Merkmale der in der Anlage 13 aufgeführten fünf Qualifikationsgruppen spiegeln die Berufswelt der ehemaligen DDR wider und orientieren sich an den Richtlinien der früheren staatlichen Zentralverwaltung für Statistik für die Einstufung einer Beschäftigung in die dortigen fünf Qualifikationsgruppen (vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1989, S. 110f). Auch wenn § 22 Abs. 1 FRG von einer unmittelbaren Anwendung des § 256b Abs. 1 Satz 1, 1.Halbsatz SGB VI und damit auch der Qualifikationsgruppenmerkmale der Anlage 13 zum SGB VI spricht, kann mit Blick auf die Sachverhalte in Vertreibungsgebieten bzw. hier im Vertragsstaat Polen, letztlich nur eine analoge Anwendung erfolgen. Die Bestimmung der maßgeblichen Qualifikationsgruppe der Anlage 13 zum SGB VI erfolgt deshalb ausgehend von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe -übertragen auf die Verhältnisse der DDR- nach den Kriterien der Lohngruppenstatistik der DDR diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht (Bundessozialgericht -BSG- Urteil vom 12.11.2003 -B 8 KN 2/03- in JURIS).

Der Kläger erfüllt die Formalkriterien für die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1 -Hochschulabsolventen-, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Nach Ziffer 1 der Definition der Qualifikationsgruppe 1 gehören Personen, die in Form eines Direkt-, Fern-, Abend- oder externen Studiums an einer Universität, Hochschule, Ingenieurhochschule, Akademie oder an einem Institut mit Hochschulcharakter ein Diplom erworben und ein Staatsexamen abgelegt haben, zu den Hochschulabsolventen. Der Kläger hat am 31.5.1972 von der Universität L das Diplom "Magister der Technik" verliehen bekommen und verfügt damit über einen Hochschulabschluß. Dieser in Polen erworbene Hochschulabschluß entspricht -übertragen auf die Verhältnisse der ehemaligen DDR- auch einem dort erlangten Hochschulabschluß, denn aufgrund der "Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und der Regierung VR Polen über die Äquivalenz der Dokumente der Bildung der akademischen Grade und Titel, die in der DDR und in der VR Polen ausgestellt bzw. verliehen werden vom 24.2.1977" war ein polnischer Hochschulabschluß einem DDR-Hochschulabschluß gleichgestellt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten scheitert die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1 nicht daran, dass der Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen vom 11.5.1975 bis zum 28.2.1978 und vom 1.3.1978 bis zum 9.7.1985 nicht eine seiner Hochschulqualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt hätte. Ob eine im Herkunftsgebiet verrichtete Tätigkeit den Merkmalen der in Betracht kommenden Qualifikationsgruppe entspricht, lässt sich bei der entsprechenden Anwendung des vorangestellten Satzes 1 der Anlage 13 zum SGB VI im Rahmen des § 22 Abs. 1 FRG nur anhand der in den Herkunftsländern, hier des Vertragsstaates Polen herrschenden Verhältnisse feststellen. Im Falle des Klägers liegt dies auf der Hand, denn in der DDR gab es keinen Steinkohlebergbau. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Feststellung einer "entsprechenden Tätigkeit" ausreichend, dass die verrichtete Tätigkeit im wesentlichen der erworbenen Qualifikation entspricht (BSG vom 12.11.2003, aaO). Soweit die Beklagte die Tätigkeiten des Klägers als Aufseher und als Schichtsteiger unter Tage allein aufgrund der für diese Tätigkeiten zwingend vorgeschriebenen Ausbildungen der Qualifikationsgruppe 4 (Facharbeiter) bzw. Qualifikationsgruppe 2 (Fachschulabsolvent) zugeordnet hat, hält sie zu Unrecht weiterhin an ihrer bereits vom BSG in seiner Entscheidung vom 12.11.2003 (aaO) kritisierten, zu engen Auslegung des Tatbestandmerkmals "entsprechende Tätigkeit" fest. Darauf, ob die erlangte Qualifikation für die ausgeübte Tätigkeit zwingend erforderlich ist, kann allein nicht abgestellt werden. Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 3.12.2002 (L 18 KN 87/00) und 17.2.2004 (L 18 KN 65/02) dargelegt hat, reicht es zur Erfüllung des den Qualifikationsgruppen vorangestellten Grundsatzes für die Ausübung einer "entsprechenden" Tätigkeit aus, dass der Betreffende in einem seiner Ausbildung entsprechenden Bereich -also nicht artfremd- tätig war und Aufgaben wahrgenommen hat, die im wesentlichen seinem Ausbildungsniveau entsprochen haben. Die Frage, ob die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten im wesentlichen seiner Qualifikation entsprach, hatte der Senat im Rahmen der allein ihm obliegenden Beweiswürdigung zu beurteilen, wobei zu berücksichtigen war, dass dem Kläger bei der Feststellung sämtlicher für die Einstufung in eine Qualifikationsgruppe maßgeblichen Tatsachen -auch der Fakten für eine "entsprechende Tätigkeit" wegen des vollständigen Verweises auf die Regelungen des FRG im Zustimmungsgesetz zum DPSVA 1975 die Beweiserleichterung des § 4 Abs. 1 FRG zugute kommt, d.h. diese Tatsachen sind nur glaubhaft zu machen (BSG 12.11.2003, aaO).

Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung des Bergwerkes T/L vom 17.7.1985 war der Kläger in der Zeit vom 11.5.1975 bis zum 28.2.1978 als Aufseher der Abteilung für Elektroanlagen unter Tage beschäftigt. Nach seinem glaubhaften Vortrag -der von der Beklagten auch nicht bestritten wird- war er im Rahmen dieser Tätigkeit mit der Aufsicht über die sachgerechte Ausführung von Elektroarbeiten unter Tage und Schweißarbeiten sowie der Überwachung der Sicherheit des Fachpersonals betraut. Ausweislich der Zulassung der Bezirksbergbaubehörde L vom 29.1.1976 handelte es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine anerkannte Aufsichtsfunktion im Elektrobereich unter Tage. Diese höherwertige Aufsichtstätigkeit war nicht artfremd und entsprach als solche im wesentlichen den Ausbildungsinhalten und dem Ausbildungsniveau des Klägers. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass gegebenenfalls auch ein qualifizierter Facharbeiter im polnischen Bergbau nach langjähriger Berufserfahrung diese Tätigkeit hätte ausführen können. Denn der Kläger hat insoweit glaubhaft geltend gemacht, dass ein Fortlassen der Dienststufe des Aufsehers im polnischen Bergbau auch für Akademiker nicht möglich war. Für die Richtigkeit dieses Vortrages sprechen die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. O in seinem Gutachten vom 31.7.2001, wenn dort mitgeteilt wird, dass (auch) Akademiker nach ihrer Studienzeit häufig im polnischen Bergbau unter Tage als Fahr- oder Oberhauer anfangen, um unter bewährter Aufsicht des zuständigen Steigers in ihren späteren Beruf praktisch eingeführt zu werden. Die Tätigkeit des Aufsehers im Elektrobereich entspricht in der Hierarchie der Aufsichtspersonen unter Tage der Tätigkeit des Oberhauers, denn bei beiden handelt es sich jeweils um die unterste Dienststufe der anerkannten Aufsichtspersonen, die in der Regel dem Schichtsteiger unterstellt sind (vgl. Gutachten des Dipl. Ing. O vom 31.7.2002; zu den einzelnen Dienststufen im Elektrobereich unter Tage: Urteil des Senates vom 17.2.2004, L 18 KN 65/02). Das Laufbahnkonzept bestand darin, dem Kläger als Akademiker unter Absolvierung verschiedener Stationen praktische Erfahrungen zu vermitteln und bei schrittweiser Erweiterung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche ihm an die Leitung eines Bergwerkes bzw. einer größeren Einheit bzw. Abteilung (bzw. hier der Leitung der technischen Überwachung) heranzuführen. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 10.8.2004 (L 18 KN 38/01) entschieden, dass einzelne Tätigkeiten, die zur Vorbereitung auf höherwertige Tätigkeiten (auch) von Akademikern zu absolvieren sind, im Rahmen der Frage, ob eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit vorliegt, nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit und im Lichte des vorgesehenen Laufbahnkonzeptes zu würdigen sind. Es kann daher für die Beurteilung der einzelnen Tätigkeiten nicht allein auf die für sie geltenden Ausbildungs- bzw. Mindesteinstellungsvoraussetzungen abgestellt werden, sondern es ist zu würdigen, ob diese Tätigkeiten im Rahmen eines Laufbahnkonzepts von Hochschulabsolventen zu erbringen waren mit dem Ziel der Vorbereitung auf eine höherwertige (Aufsichts-) Tätigkeit, für die das Hochschulstudium die notwendige Grundlage bildet. Auch macht die Tatsache, dass der Kläger bereits nach 2 ½ Jahren nach Aufnahme der Tätigkeit als Aufseher zum Schichtsteiger befördert wurde, deutlich, dass es sich bei der Aufsehertätigkeit lediglich um eine erste Laufbahnstufe handelte, die den Kläger auf die nächste Laufbahnstufe als Schichtsteiger vorbereiten sollte. Schließlich hat der Senat in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen, dass der Kläger, der gelernter Elektriker war, zeitgleich mit der Absolvierung seines Abendstudiums auf der Zeche T tagsüber als Elektriker unter Tage gearbeitet hat, wobei er im Arbeiterverhältnis angestellt war. Nach Abschluß des Studiums am 31.5.1972 war der Kläger zunächst noch einige Monate als Elektroarbeiter auf der Zeche T beschäftigt. Seit dem 1.10.1972 ist er dann von seiner damaligen Arbeitgeberin in das Angestelltenverhältnis übernommen worden und zunächst für drei Jahre im betrieblichen Planungsbüro als Planungsingenieur (Oberprojektant) über Tage und später als Aufsichtsperson unter Tage beschäftigt worden. Durch die Übernahme in das (technische) Angestelltenverhältnis im Oktober 1972 hat die Arbeitgeberin des Klägers deutlich gemacht, dass sie ihn nunmehr zukünftig entsprechend seines erlangten Hochschulabschlusses in höherqualifizierten Tätigkeiten und im Rahmen des oben dargestellten Laufbahnkonzeptes beschäftigen wollte. In der Gesamtbetrachtung wäre es daher zu kurz gegriffen, allein aus der Tätigkeitsbezeichnung "Aufseher", die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Kläger "nur" Tätigkeiten eines Facharbeiters verrichtet hätte, für die für sich genommen die vom Kläger erworbene Qualifikation nicht erforderlich wäre.

Soweit die Beklagte im Hinblick auf ihre fehlerhafte Einstufung argumentiert, ein Hochschulstudium qualifiziere den Berechtigten zur Aufsicht über ein gesamtes Abbaurevier oder zur Leitung eines gesamten Bergwerkes und die Tätigkeit des Aufsehers könne auch ein Facharbeiter erbringen, ist hierzu festzustellen, dass die Hochschulausbildung dem Betreffenden die erforderlichen Grundlagen für eine hochqualifizierte (Aufsichts- bzw. Leitungs-) Tätigkeit vermittelt. Gleichwohl entspricht es -auch hierzulande- in der Regel nicht den tatsächlichen Gegebenheiten in der Wirtschaft, dass ein Hochschulabsolvent unmittelbar bzw. kurz nach seinem Berufseinstieg in leitender Position mit Aufsichts- und Weisungsbefugnissen über eine große Einheit oder Abteilung oder gar als Leiter eines Unternehmens tätig wird. Vielmehr "qualifizieren" sich die Berufseinsteiger im Rahmen einer -oft mehrjährigen- Tätigkeit für solche anspruchsvollen Führungsaufgaben. Anfangs werden ihnen typischerweise Aufsichtsfunktionen zunächst nur für einen eng begrenzten Bereich übertragen, so wie es auch im Fall des Klägers im Rahmen seiner Tätigkeit als Aufseher für Elektroarbeiten erfolgte. Auch ist der Vortrag der Beklagten, die Tätigkeit des Aufsehers im polnischen Bergbau entspreche der Tätigkeit eines westdeutschen Aufsichtshauers und sei daher eine Facharbeiterqualifikation, nicht haltbar. Insoweit wird von dem Sachverständigen Dipl. Ing. O in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 9.11.2001 darauf hingewiesen, dass der Aufsichtshauer im Arbeiterverhältnis beschäftigt wird und keine von der Bergbehörde anerkannte bzw. bestellte Aufsichtsperson (§ 58 Bundesberggesetz -BBergG-) ist.

Angesichts dessen ist erst recht die Zeit vom 1.3.1976 bis zum 9.1.1985 der Qualifikationsgruppe 1 zuzuordnen. Dies nicht etwa nur deshalb, weil der Kläger als Schichtsteiger -wie aus der amtlichen Anerkennung als "Person mittlerer Aufsicht" durch die Bezirksbergbaubehörde L deutlich wird- erweiterte Aufsichtsbefugnisse und Verantwortlichkeiten oblagen, sondern auch vor dem Hintergrund, dass diese Tätigkeit eine weitere Station im Rahmen des für ihn vorgesehenen Laufbahnkonzepts dargestellte.

Der Einstufung der Tätigkeiten in der streitbefangenen Zeit in die Qualifikationsgruppe 1 steht auch nicht entgegen, dass der Kläger bis zu seinem Ausscheiden aus dem polnischen Bergbau im Jahr 1985 die Tätigkeit des Schichtsteigers ausgeübt hat und weitere Beförderungen auf nächsthöhere Dienststufen (Abteilungssteiger, Elektroobersteiger etc.) unterblieben sind. Im Einzelfall kann es nicht darauf ankommen, ob der Versicherte am Ende seiner Beschäftigung tatsächlich alle Stationen eines vorgesehenen Laufbahnkonzeptes durchlaufen und letztlich eine hochqualifizierte Tätigkeit erreicht hat oder ob er auf einer der -notwendig zu absolvierenden- Laufbahnstufen verblieben ist. Dies wird jedenfalls dann gelten müssen, wenn der Versicherte in jungem Alter ausgeschieden ist und deshalb nicht auszuschließen ist, dass bei einer -unterstellten- fortdauernden Beschäftigung der Versicherte eine entsprechende höherqualifizierte Tätigkeit, für die ein Hochschulstudium die Grundlage bildet, erreicht hätte. Der Kläger war im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem polnischen Bergbau erst 38 Jahre alt, so dass sein Alter weitere Beförderungen im polnischen Bergbau zugelassen hätte. Er ist nach seinen glaubhaften Angaben vom polnischen Bergbau abgekehrt, weil er an einem weiteren beruflichen Fortkommen aus politischen Gründen gehindert war. In diesem Zusammenhang spielten ein von seinen Eltern Ende der 70er Jahre gestellter Ausreiseantrag, die tatsächliche Ausreise seiner Schwiegereltern nach Deutschland im Jahr 1982 sowie sein eigener Ausreiseantrag im Jahr 1985 eine Rolle. Mit Blick auf das -jedenfalls nicht qualifikations- bzw. leistungsbedingte- frühzeitige Ausscheiden aus dem Bergbau bleibt in der Gesamtwürdigung maßgebend, dass der Kläger nach seinem Hochschulstudium von seiner Arbeitgeberin bis zu seiner Abkehr mit Tätigkeiten beschäftigt worden ist, die mit Blick auf das entsprechende Laufbahnkonzept im polnischen Bergbau seiner Hochschulqualifikation entsprochen haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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