L 19 (12) AL 253/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 AL 101/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 (12) AL 253/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.07.2004 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren zu 7/8 und im Berufungsverfahren in vollem Umfang zu tragen. Gerichtskosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Höhe eines Eingliederungszuschusses für die Zeit vom 01.05.2002 bis 09.01.2004.

Die Klägerin beschäftigt seit dem 10.01.2002 die seit April 2001 arbeitslose, am 26.06.1947 geborene S Q als Verwaltungsangestellte, für die sie am 07.01.2002 einen Eingliederungszuschuss beantragt hatte. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 10.01.2002 zugrunde, in dem hinsichtlich des zu zahlenden Arbeitsentgeltes unter III. vereinbart war, dass Frau Q eine monatliche Vergütung von 640,00 EUR brutto während der Probezeit, danach 690,00 EUR erhält. Unter Ziffer VI. ist die Probezeit bis zum 30. April 2002 festgelegt.

Mit Bescheid vom 25.02.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer für die Zeit vom 10.01.2002 bis 09.01.2004 in Höhe von 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes, einschließlich des pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Hierbei legte die Beklagte ein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt von monatlich 640,00 EUR - entsprechend dem Bruttoverdienst der Arbeitnehmerin in der Probezeit - zugrunde, zuzüglich eines pauschalierten Zuschuss zum Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag von 20% (gesamter Berücksichtigungsbetrag 768 Euro). Danach ergab sich ein monatlicher Eingliederungszuschuss in Höhe von 384,00 EUR für den gesamten Zeitraum. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, es sei ein Arbeitsentgelt in Höhe von 690,00 EUR monatlich zugrunde zu legen. Vorsorglich habe sie den Arbeitsvertrag mit der Arbeitnehmerin wegen Irrtums angefochten. Die Arbeitnehmerin habe dem Neuabschluss des Vertrages rückwirkend zum 10.01.2002 unter Zugrundelegung eines höheren Arbeitsentgeltes zugestimmt. Hiernach erhalte die Arbeitnehmerin nunmehr eine monatliche Vergütung von 690,00 EUR brutto.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2002 als unbegründet zurück. Eine rückwirkende Änderung des Arbeitsvertrages sei nicht möglich. Es sei die ursprünglich vereinbarte Vergütung in Höhe von 640,00 EUR zuzüglich pauschaliertem Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemäß § 218 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zugrunde zu legen.

Am 03.06.2002 hat die Klägerin dagegen vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 690,00 EUR zugrunde zu legen sei und hiernach die Zuschussgewährung zu erfolgen habe.

Die Klägerin hat schriftlich beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.02.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.04.2002 zu verpflichten, ihr einen Eingliederungszuschuss unter Zugrundelegung eines regelmäßigen Arbeitsentgeltes von 690,00 EUR zuzüglich des pauschalierten Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu bewilligen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Einverständnis mit den Beteiligten hat das SG am 30.07.2004 ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch Urteil entschieden und die Beklagte verurteilt, ab 01.05.2002 Eingliederungszuschuss nach einem Arbeitsentgelt von 690 Euro zu bewilligen zuzüglich des pauschalierten Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Kosten des Verfahrens zu 7/8 der Beklagten und zu 1/8 der Klägerin auferlegt.

Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Beklagte habe zu Unrecht die Höhe des Eingliederungszuschusses für die Zeit ab dem 01.05.2002 bis 09.01.2004 lediglich nach einem Bruttoarbeitsentgelt von 640,00 EUR bemessen. Nach § 218 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB III seien berücksichtungsfähig die vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte und die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitsförderung nicht überstiegen. Die Formulierung "regelmäßig gezahlt" knüpfe an die Zahlungsweise für alle Entgelte in vergleichbaren Beschäftigungen an. Gemäß § 218 Abs. 4 Satz 1 SGB III seien die Zuschüsse zu Beginn der Maßnahme in monatlichen Festbeträgen für die Förderungsdauer festzulegen. Gemäß § 218 Abs. 4 Satz 2 SGB III würden die monatlichen Festbeträge nur angepasst, wenn sich das berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt verringere. Dies solle der Verwaltungsvereinfachung dienen, bedeute aber nicht, dass das zu Beginn des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entgelt für die gesamte Dauer des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen sei, obwohl bereits vor Bewilligung feststehe, dass sich das Entgelt zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einen bestimmten Betrag verändern (erhöhen) werde. Vorliegend habe von Anfang an aufgrund des Arbeitsvertrages festgestanden, dass das Arbeitsentgelt nach drei Monaten von 640,00 EUR auf 690,00 EUR erhöht werde. Es sei der Beklagten also ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand möglich gewesen, bereits im Bewilligungsbescheid die Höhe des maßgeblichen Arbeitsentgeltes gestuft für die ersten drei Monate der Probezeit sowie für den danach folgenden Zeitraum festzulegen. Nur eine solche Verfahrensweise stehe ihm Einklang mit der Vorschrift des § 218 Abs. 3 Satz 1 SGB III sowie 218 Abs. 4 Satz 1 SGB III. Diese verlangten nämlich, dass das regelmäßig gezahlte Arbeitsentgelt maßgebliche Bemessungsgrundlage sein solle. Regelmäßig gezahltes Arbeitsentgelt seien vorliegend ab 01.05.2002 jedoch 690,00 EUR monatlich. Soweit die Klägerin die Berücksichtigung eines monatlichen Bruttoentgeltes von 690,00 EUR bereits ab dem 10.01.2002 verlange, sei die Klage unbegründet.

Das Urteil ist der Beklagten am 10.09.2004 zugestellt worden. Am 29.09.2004 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, dass nach der einhelligen Meinung in der Literatur, die mit dem Wortlaut der Vorschrift übereinstimme, für die Höhe des Eingliederungszuschusses auf das Arbeitsentgelt zu Beginn des Förderungszeitraumes abzustellen sei. Dies gelte auch dann, wenn bereits von vornherein feststehe, dass sich das Entgelt ab einem bestimmten Zeitpunkt erhöhe und der Erhöhungsbetrag schon feststehe. Dabei spiele es keine Rolle, ob sich der Anspruch auf das höhere Entgelt, aus dem Einzelarbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag ergebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30.06.2004 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 144 Abs. 1 S. 2 SGG zulässig, weil sie eine Leistung für mehr als ein Jahr betrifft. Sie ist indes unbegründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Höhe des Eingliederungszuschusses für die Zeit vom 01.05.2002 bis 09.01.2004. Die den Zeitraum davor betreffende Klageabweisung ist von der Klägerin nicht angegriffen worden.

Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab dem 01.05.2002 entsprechend deren Antrag einen Eingliederungszuschuss nach einem Arbeitsentgelt von 690 Euro zuzüglich des pauschalierten Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu bewilligen.

Rechtgrundlage für die Bewilligung und Berechnung des Eingliederungszuschusses ist hier § 218 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Job-AQTIV-Gesetz) vom 10.12.2001 (BGBl. I S. 3443), der nach § 422 SGB III auch über den 31.12.2003 hinaus bis zum Ende der Leistung weiter anzuwenden ist (im folgenden: SGB III aF).

Dem Grunde nach liegen die Voraussetzungen eines Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer nach § 218 Abs. 1 Nr. 3 SGB III aF iVm. § 421 f Abs. 1 SGB III vor, denn die Arbeitnehmerin S Q war vor Beginn ihrer Beschäftigung bei der Klägerin 54 Jahre alt und arbeitslos. Zwar steht die Bewilligung des Eingliederungszuschusses grundsätzlich im Ermessen der Beklagten, jedoch hat diese ihr Entschließungsermessen durch den Bescheid vom 25.02.2002 in der Weise ausgeübt, dass sie der Klägerin den Zuschuss in Höhe von 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelt für 2 Jahre zuerkannte. Dies entspricht der Regelförderung für den Eingliederungszuschuss für ältere Arbeitnehmer nach § 220 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung.

Kein Ermessen ist der Beklagten indes eingeräumt bei der Bestimmung des konkret zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts: Insoweit legt § 218 Abs. 3 SGB III aF fest, dass für die Zuschüsse berücksichtigungsfähig sind:

1.die vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlten Arbeitsentgelte, soweit sie die tariflichen Arbeitsentgelte oder, wenn eine tarifliche Regelung nicht besteht, die für vergleichbare Tätigkeiten ortsüblichen Arbeitentgelte und soweit sie die Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitsförderung nicht übersteigen,

2.der pauschalierte Anteil des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Danach steht der Klägerin ein Anspruch auf Eingliederungszuschuss ab dem 01.05.2002 auf der Grundlage eines monatlichen Arbeitsentgelts von 690 Euro zuzüglich des pauschalierten Anteils des Arbeitgebers am Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu. Die Klägerin zahlt der Arbeitnehmerin S Q nämlich ab dem 01.05.2002 eine monatliche Vergütung von 690 Euro für eine Tätigkeit als Verwaltungsangestellte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich. Dass es sich hierbei um regelmäßig gezahltes Arbeitsentgelt handelt, das sich auch im Rahmen der tariflichen bzw. ortsüblichen Arbeitsentgelte bewegt, ist nicht zweifelhaft.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Berücksichtigung eines monatlichen Arbeitsentgelts von 690 Euro auch nicht § 218 Abs 4 SGB III aF deshalb entgegen, weil die Vergütung der Arbeitnehmerin in der Probezeit vom 10.01.2002 bis 30.04.2001 nach dem ursprünglichen Arbeitsvertrag nur 640 Euro monatlich betrug.

In § 218 Abs 4 SGB III aF ist geregelt, dass die Zuschüsse zu Beginn der Maßnahme in monatlichen Festbeträgen festgelegt werden (Satz 1). Diese monatlichen Festbeträge werden nach Satz 2 nur angepasst, wenn sich das berücksichtigungsfähige Arbeitsentgelt verringert.

Geht man vom Wortlaut der Regelung aus, ist zunächst von Bedeutung, dass Satz 1 nicht vorschreibt, die monatlichen Festbeträge müssten gleich hoch sein. Allein aus dem Begriff "Festbetrag" kann dies nicht geschlossen werden. Der Gesetzgeber hätte bei einem solchen Verständnis zudem nicht den Plural verwenden dürfen. Auch Satz 2 lässt sich Entsprechendes nicht entnehmen. Dieser enthält eine Regelung zur "Anpassung", die aber auch bei von vornherein unterschiedlich hohen Festbeträgen eingreifen kann. Steht - wie hier - von vornherein fest, dass im Förderzeitraum unterschiedlich hohes Arbeitsentgelt gezahlt wird - aus welchen Gründen auch immer - kann die Bewilligung ebenfalls durch unterschiedlich hohe monatliche Festbeträge für die gesamte Förderungsdauer erfolgen. Dies erscheint beispielsweise auch dann sinnvoll, wenn die Arbeitszeit im Rahmen der Eingliederung nach einer bestimmten Zeit erhöht wird, verbunden mit einer entsprechender Verdienststeigerung.

Sinn und Zweck der Regelung, nämlich Verwaltungsvereinfachung (vgl Bundestagsdrucksache 13/4941 S. 192 zu § 216), steht diesem Verständnis des § 218 Abs 4 SGB III aF nicht entgegen. Denn es bleibt gewährleistet, dass die zu Beginn der Förderung festgelegten Festbeträge nicht verändert werden können, es sei denn, das Entgelt verringert sich. Zu Beginn der Förderung sind zwar eine differenziertere Bearbeitung des Falles und eine entsprechende Bewilligung erforderlich. Dies ist aber im Hinblick auf die verbesserte Zielrichtung und Wirkungsweise der Förderung hinzunehmen. Auch die von der Beklagten zitierte Literatur rechtfertigt keine andere Beurteilung. Darin wird nicht ausreichend differenziert zwischen Änderungen, die - wie hier - zu Beginn der Förderung bereits feststehen und deshalb auch bereits berücksichtigt werden können, und solchen, die sich erst im Laufe der Förderung ergeben (klassisches Beispiel: Tariflohnerhöhungen). Nur bei letzteren gilt uneingeschränkt, dass keine Anpassung des Entgelts vorzunehmen ist, weil dies mit erhöhtem und kaum überschaubarem Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. § 197a ist nicht anzuwenden, denn Arbeitgeber, die Lohnkostenzuschüsse geltend machen, sind als Leistungsempfänger iSd. § 183 SGG anzusehen (BSG 22.09. 2004 - B 11 AL 33/03 R -, SozR 4-1500 § 183 Nr 2).

Die Revision wird zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der behandelten Rechtsfrage, die sich im Rahmen des § 220 SGB III auch weiterhin stellt.
Rechtskraft
Aus
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