L 5 KR 20/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 85/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 20/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 14/99 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.01.1999 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine vollstationäre Krankenhausbehandlung mit einer Fallpauschale nebst tagesgleichen Pflegesätzen wegen Überschreitung der Grenz-Verweildauer (= Kosten in Höhe von 4.598,37 DM) oder mit einem Sonderentgelt nebst tagesgleichen Pflegesätzen (= Kosten in Höhe von 9.658,65 DM) zu vergüten ist, so daß weitere 5.060,28 DM zu zahlen wären.

Am 27.11.1997 wurde die bei der Beklagten krankenversicherte, am 00.00.1964 geborene N O zwecks vollstationärer Behandlung in das in der Trägerschaft des Klägers als Mitglied der Landeskrankenhausgesellschaft stehende Evangelische Krankenhaus D (Krankenhaus) aufgenommen. Die die Versicherte behandelnde Ärztin G stellte in der Verordnung von Krankenhausbehandlung unter dem 27.11.1997 die Diagnose "dringender Verdacht auf Appendizitis".

In der Aufnahme-Bescheinigung des Krankenhauses lautet die Aufnahme-Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen, 9. Revision (ICD-9) "540.9" (= akute Appendizitis ohne Angabe einer Peritonitis). Die Versicherte wurde noch am Aufnahmetag operiert. In einer weiteren Bescheinigung des Krankenhauses ist die operative Hauptleistung nach dem Operationenschlüssel im Sinne von § 301 SGB V (OPS-301) mit 5-470.02 (= Appendektomie, offen-chirurgisch mit Drainage) bezeichnet. Die Entlassungs-Diagnose nach ICD-9 lautet "540.1" (= akute Appendizitis mit peritonealem Abszeß).

Im OP-Bericht vom 27.11.1997 stellte der Operateur Chefarzt Dr. H folgende Diagnose: Gedeckt perforierte Appendizitis mit perityphlitischem Abszeß; Unterbauchperitonitis. Man habe nach Eröffnung des Peritoneums ein mäßiggradiges gelbliches Serom gefunden, das ausgetupft worden sei. Um den Coekalpol bzw. hinter ihm habe sich ein mirabellengroßes, entzündliches Konglomerat befunden, das nach distal durch eine peritoneale Doppelfalte begrenzt gewesen sei. In dieses Konglomerat sei der periphere Teil einer zeigefingerstarken Appendix, die allenthalben akut-entzündlich infiltriert gewesen sei, verschwunden. Die Appendix sei durch schrittweises Freipräparieren entfernt worden, wobei man nach Lösung der Appendix-Spitze auf einen haselnußgroßen Abszeßraum gestoßen sei, in dem sich eine gelblich, trübe, sämige Flüssigkeit befunden habe. Nach Absaugen dieses Bereiches sei der Appendix-Stumpf versenkt und genäht worden. Bei der Revision des Dünndarmes hätten sich ebenso wie im Unterbauch bis auf eine handflächengroße Infiltration des Peritoneums keinerlei Auffälligkeiten gezeigt. Vor die ausgeräumte Abszeßhöhle sei eine Zieldrainage gelegt worden. Der Wundschluß sei schichtweise unter Legen einer Redondrainage erfolgt.

Im histologischen Bericht von Prof. Dr. X u.a., Pathologisches Institut S, vom 01.12.1997 wird eine 6,5 cm lange aufgetriebene, teils eingerissene Appendix mit bis 0,5 cm Fettgewebe befundet. Es handele sich um eine akute phlegmonöse Appendizitis und Periappendizitis mit Ausbildung eines Divertikels.

Auf den am 02.12.1997 gestellten Kostenübernahme-Antrag stellte das Krankenhaus der Beklagten unter dem 15.12.197 für die operative Hauptleistung das Sonderentgelt 12.16 der Anlage 2.1 zur BPflV (= Appendektomie, offen-chirurgisch mit 5-470.0,.2; 5-479.1 nach OPS-301) in Höhe von 1.081,93 DM zuzüglich eines Basispflegesatzes für die Zeit vom 27.11. bis 13.12.1997 in Höhe von 1.800,64 DM zuzüglich eines Abteilungspflegesatzes für dieselbe Zeit in Höhe von 7.014,08 DM abzüglich der Zuzahlung der Versicherten für die Zeit vom 27.11. bis 10.12.1997 in Höhe von 238,- DM in Rechnung, so daß man zu einem Endbetrag von 9.658,65 DM gelangt.

Demgegenüber meinte die Beklagte, das Sonderentgelt nebst tagesgleichen Pflegesätzen könne nicht vergütet werden, weil die Fallpauschale 12.05 der Anlage 1.1 zur BPflV (= Appendizitis, non perforata - Appendektomie, offen-chirurgisch mit 540.9, 541, 542, 543 nach ICD-9 sowie 5-470.0,.2; 5-479.1 nach OPS-301) einschlägig sei. Mit der Vergütung nach dieser Fallpauschale in Höhe von 3.515,33 DM seien grundsätzlich die gesamten Leistungen des Krankenhauses in einem Behandlungsfall abgegolten. Im vorliegenden Fall könne man zusätzlich wegen der Überschreitung der Grenz-Verweildauer von 15 Tagen um 2 Tage für diese 2 Tage tagesgleiche Pflegesätze in Höhe von jeweils 660,52 DM (= 1.321,04 DM) vergüten, so daß man nach Abzug der Zuzahlung der Versicherten in Höhe von 238,- DM zu einem Gesamtvergütungsbetrag in Höhe von 4.598,37 DM gelange. Diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger.

Das Krankenhaus entgegnete, seine Beratende Ärztin Dr. X1 habe den Fall nochmals geprüft. Danach sei über Sonderentgelt 12.16 nebst tagesgleichen Pflegesätzen zu vergüten. Die Entlassungs-Diagnose 540.1 nach ICD-9 sei nicht in der Anlage 1.1 zur BPflV bei der Fallpauschale 12.05 vorgesehen.

Die Beklagte schaltete den MDK ein. Der Arzt für Urologie, Sozialmedizin L empfahl in seinem Gutachten vom 13.02.1998, die Vergütung nach der Fallpauschale 12.05 vorzunehmen. Aller Erfahrung nach handele es sich bei einer Appendizitis mit peritonealem Abszeß - anders als bei einer Perforation mit entzündlichem Durchbruch in die Bauchhöhle - um einen lokalen Prozeß, bei dem sich die Appendixentfernung nicht wesentlich von einem routinemäßigen Eingriff unterscheide.

Am 30.03.1998 hat der Kläger Klage erhoben. Er meinte weiterhin, die Vergütung sei über Sonderentgelt 12.16 nebst tagesgleichen Pflegesätzen vorzunehmen. Aufgrund der fortgeschrittenen Keimverschleppung sei es zu einer sekundären Wundheilungsstörung mit verlängertem Krankenhausaufenthalt der Versicherten gekommen. Im übrigen sei der erhöhte Behandlungsaufwand an der vom Krankenhaus als Hauptleistung angegebenen 5-470.02 nach OPS-301 erkennbar; demzufolge habe wegen der Perforation eine Drainage gelegt werden müssen.

Die Beklagte schaltete abermals den MDK ein. Der Arzt für Chirurgie Dr. I führte in seinem Gutachten vom 22.04.1998 aus, ein frischer perityphlitischer Abszeß, dessen Eiter abgesaugt und nach erfolgter problemloser Appendektomie mit einer Drainage versorgt werde, stelle rein operationstechnisch eine wesentlich geringere Leistung dar als z.B. eine sekundäre Appendektomie. Die sekundäre Appendektomie erfordere wegen lokaler Verwachsung und Fibrosierung einen wesentlich höheren operativen Aufwand. Sogar die sekundäre Appendektomie gemäß 5-479.1 nach OPS-301 sei jedoch eine medizinische Prozedur, die die Fallpauschale 12.05 abbilde. Im vorliegenden Falle seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sowohl operative als auch postoperative Leistungen nicht denjenigen der Fallpauschale 12.05 entsprächen.

In einem weiteren Gutachten vom 28.08.1998 führte Dr. I ergänzend aus, die sekundäre Wundheilungsstörung, die im vorliegenden Falle aufgetreten sei, rechtfertige nicht die Abkehr von der Fallpauschalenvergütung. Dies sei nämlich nur eine typische Komplikation auch bei "normaler" Appendektomie. Solche Komplikationen seien bis zur Grenz-Verweildauer in eine Fallpauschale einkalkuliert und jenseits dieser Dauer zusätzlich mit tagesgleichen Pflegesätzen zu vergüten.

Darüber hinaus meinte Dr. I in seinem dritten Gutachten vom 16.11.1998, es sei unerheblich, daß das Krankenhaus die Hauptleistung mit 5-470.02 nach OPS-301 bis zur 6. Stelle (= mit Drainage) kodiert habe. In den Entgeltkatalogen zur BPflV seien sowohl für Fallpauschalen als auch für Sonderentgelte die Operationsleistungen nur bis zur 5. Stelle kodiert vorgesehen. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß sowohl für Fallpauschale 12.05 als auch für Sonderentgelt 12.16 die Operationsleistung 5-470.0 nach OPS-301 (= Appendektomie, offen-chirurgisch) vorgesehen sei. Bei beiden Kostenstellen sei der Unterfall der 6. Stelle von 5-470.02 nach OPS-301 (= mit Drainage) daher bereits in die Kalkulation mit einbezogen worden, so daß er als Unterscheidungskriterium für eine Vergütung nach Fallpauschale 12.05 oder Sonderentgelt 12.16 entfalle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, aus Anlaß der vollstationären Behandlung der Versicherten N O im Evangelischen Krankenhaus D die mit Rechnung vom 15.12.1997 abgrechneten Kosten in Höhe von 9.658,65 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 21.01.1999 hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 9.658,65 DM zu zahlen. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte stelle unzutreffenderweise allein auf die Verschlüsselung der Leistung nach Spalte 4 im Entgeltkatalog zur Fallpauschale 12.05 ab. Es sei weitergehend auch auf Spalte 3 abzustellen, wo die vom Krankenhaus festgestellte Diagnose nach 540.1 nach ICD-9 aber gerade nicht aufgeführt sei. Darüber hinaus sei in Spalte 2 des Entgeltkataloges zur Fallpauschale 12.05 zwar die im vorliegenden Falle durchgeführte "Appendektomie, offen-chirurgisch" genannt, aber bloß bezogen auf eine "Appendizitis, non perforata". Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Ziffer 2.b) der Abrechnungs-Bestimmungen nach Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 BPflV berufen, wonach die Fallpauschalen auch bei "entsprechenden" Diagnosen abzurechnen sind, wenn die erbrachte Leistung nach Art und Aufwand der Leistung entspricht, die der Fallpauschalendefinition zugrunde liegt. Diese Abrechnungs-Bestimmungen seien nämlich erst am 01.01.1998 in Kraft getreten.

Gegen das ihr am 01.02.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.02.1999 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgetragen, es sei zu berücksichtigen, daß der im vorliegenden Falle vom Krankenhaus verwandte Operationenschlüssel 5-470.0 nach OPS-301 sich sowohl bei der Fallpauschale 12.05 als auch beim Sonderentgelt 12.16 in den Entgeltkatalogen (Spalte 4) wiederfinde. Da demgegenüber nur Fallpauschale 12.05, nicht aber Sonderentgelt 12.16 eine ICD-Zuordnung (Spalte 3) gefunden habe, sei nach dem in § 17 KHG verankerten Prinzip leistungsgerechter Entgelte zu prüfen, ob die im vorliegenden Falle erbrachte Leistung das kalkulatorische Maß der Fallpauschale wesentlich überschritten habe. Dies sei vom MDK mit plausibler Begründung verneint worden, wobei für die Vergütung der Krankenhausleistung dem Therapiebezug zutreffenderweise der Vorrang vor dem Diagnosebezug eingeräumt worden sei. Das Sozialgericht habe die Möglichkeit der Abrechnung einer Fallpauschale in tatsächlicher Hinsicht weitgehend ungeprüft gelassen. Schließlich legte die Beklagte ein viertes Gutachten von Dr. I vom 16.02.1999 vor, in dem dieser Arzt seine bisherigen Ausführungen vertiefend wiederholte.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.01.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt zur Begründung ergänzend vor, die Beklagte versuche zu Unrecht, den selbst einem medizinischen Laien bekannten deutlichen Unterschied zwischen einer "Appendizitis, non perforata" und einer Appendizitis mit Peritonealabszeß, im Volksmund "geplatzter Blinddarm" genannt, einzuebnen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Krankenakte des Krankenhauses sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Gemäß § 124 Abs. 2 SGG durfte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Die Klage ist zulässig. Es ist nicht zu beanstanden, daß der Kläger sein Begehren durch Erhebung der sogenannten echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG geltend gemacht hat. Die Beteiligten stehen sich nämlich als Partner des Versorgungsvertrages im Gleichordnungsverhältnis gegenüber (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21.08.1996, Az. 3 RK 2/96).

Die Klage ist aber unbegründet, da eine Vergütung der Krankenhausbehandlung der Versicherten N O vom 27.11. bis 13.12.1997 nach der Fallpauschale 12.05 zuzüglich tagesgleichen Pflegesätzen für zwei Tage jenseits der Grenz-Verweildauer abzüglich der Zuzahlung der Versicherten für 14 Tage in Höhe von insgesamt 4.598,37 DM zu erfolgen hatte; diesen Betrag zahlte die Beklagte an den Kläger.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Zahlung der Beklagten unberücksichtigt gelassen und eine Fallpauschalenvergütung verneint. Der Kläger hat für die erbrachte vollstationäre Krankenhausbehandlung gemäß der Grundsatznorm für das Pflegesatzrecht in § 17 Abs. 1 Satz 2 KHG einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine medizinisch leistungsgerechte Vergütung. Dabei ist dem KHG selbst nicht zu entnehmen, unter welchen Voraussetzungen eine Vergütung leistungsgerecht ist. Vielmehr sind für die Vergütung von allgemeinen Krankenhausleistungen schrittweise Fallpauschalen und Sonderentgelte mit Vorgabe bundeseinheitlicher Bewertungsrelationen einzuführen, die der Abrechnung von Krankenhausleistungen spätestens vom 01.01.1996 an zugrunde zu legen sind, § 17 Abs. 2 a Satz 1 KHG. Die Entgelte werden bis zum 31.12.1997 in der Rechtsverordnung nach § 16 Satz 1 Nr. 1 KHG (= BPflV) bestimmt, § 17 Abs. 2 a Satz 2 KHG. Die Entgeltkataloge sind für die Träger von Krankenhäusern unmittelbar verbindlich, die Mitglied einer Landeskrankenhausgesellschaft sind, § 17 Abs. 2 a Satz 6 Halbsatz 1 KHG. Mit den Fallpauschalen werden die gesamten Leistungen des Krankenhauses für einen bestimmten Behandlungsfall vergütet, § 17 Abs. 2 a Satz 10 KHG. Zur Vergütung der Leistungen des Krankenhauses, die nicht durch Fallpauschalen oder Sonderentgelte vergütet werden, sind Abteilungspflegesätze als Entgelt für ärztliche und pflegerische Leistungen und ein für das Krankenhaus einheitlicher Basispflegesatz als Entgelt für nicht durch ärztliche und pflegerische Tätigkeit veranlaßte Leistungen vorzusehen, § 17 Abs. 2 a Satz 12 KHG.

Bis zum 31.12.1997 sind die Entgeltkataloge im Sinne von § 17 Abs. 2 a Satz 2 i.V.m. Satz 6 Halbsatz 1 KHG vom Geber der BPflV in der Anlage 1.1 (Fallpauschalen) und 2.1 (Sonderentgelte) im einzelnen festgelegt worden. Mit den Fallpauschalen werden die allgemeinen Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet, § 11 Abs. 1 BPflV. Mit den Sonderentgelten wird ein Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen für einen in den Entgeltkatalogen bestimmten Leistungskomplex eines Behandlungsfalles vergütet, § 11 Abs. 2 Satz 1 BPflV. Die Berechnung von Sonderentgelten und tagesgleichen Pflegesätzen ist ausgeschlossen, wenn die Berechnung einer Fallpauschale möglich ist, § 14 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 BPflV.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund gilt es, die Leistungen einer vollstationären Krankenhausbehandlung danach zu unterscheiden, ob ein bestimmter Leistungskomplex unter eine der in Anlage 2.1 zur BPflV typisierten Leistungslegenden (= Spalte 4: Operationsmethoden nach OPS-301, Spalte 3: Krankheiten nach ICD-9, Spalte 2: Sonderentgeltdefinitionen) subsumiert werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, kann ausnahmsweise nach einem Sonderentgelt für einen bestimmten Leistungskomplex nebst tagesgleichen Pflegesätzen für die übrigen Leistungen vergütet werden. Im übrigen verbleibt es grundsätzlich bei der Vergütung nach einer Fallpauschale nebst ggf. tagesgleichen Pflegesätzen bei Überschreitung der Grenz-Verweildauer, wobei eine Subsumtion unter die in der Anlage 1.1 zur BPflV typisierten Leistungslegenden (= Spalte 4: Operationsmethoden nach OPS-301, Spalte 3: Krankheiten nach ICD-9, Spalte 2: Fallpauschalendefinitionen) zu erfolgen hat.

Diese Abgrenzung zwischen Sonderentgelt und Fallpauschale ist nach dem in § 17 Abs. 1 Satz 2 KHG bestimmten Grundsatz der medizinisch leistungsgerechten Vergütung vorzunehmen. Bei einer in diesem Sinne nach den allgemeinen juristischen Auslegungsregeln im wesentlichen teleologisch bestimmten Zuordnung erbrachter Krankenhausleistungen zu den typisierten Leistungslegenden in den Anlagen 1.1 und 2.1 zur BPflV kann allein der durch den Inhalt der erbrachten Tätigkeit verursachte Aufwand maßgebend sein.

Dabei hat das Sozialgericht zwar zutreffend ausgeführt, daß die Abrechnungs-Bestimmungen der Vertragspartner auf Bundesebene als Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 BPflV erst ab 01.01.1998 in Kraft getreten sind und deswegen im vorliegenden Falle keine Anwendung finden können, weil die Krankenhausbehandlung der Versicherten N O bereits im Jahre 1997 erfolgte. Das Sozialgericht hat jedoch außer acht gelassen, daß für die hier relevante Zeit vor dem 01.01.1998 seitens des Bundesministeriums für Gesundheit durchaus bereits Grundsätze für die Zuordnung von Behandlungsfällen bei Abrechnung von Fallpauschalen und Sonderentgelten geschaffen worden waren. Obschon diese durch die Verwaltung geschaffenen Grundsätze keine Rechtsquelle darstellen, hält der Senat sie - soweit sie im Folgenden auszugsweise im Wortlaut wiedergegeben werden - für uneingeschränkt sachgerecht, um die oben entwickelten Grundsätze für die Zuordnung erbrachter Krankenhausleistungen im einzelnen auszufüllen. Die vom Bundesministerium für Gesundheit entwickelten Grundsätze lauten, soweit sie für den vorliegenden Fall relevant sind, auszugsweise wie folgt:

" ... 5. Daraus ergibt sich folgende Rangfolge oder Vorgehensweise bei der Zuordnung:

- Die Zuordnung von Behandlungsfällen ist in erster Linie nach dem Operationenschlüssel (OPS-301) in Spalte 4 vorzunehmen. Diese dort ausgewiesenen OPS-301-Kodes stellen eine Minimaldefinition der durchgeführten operativen Leistungen dar. Es ist die operative Hauptleistung ausgewiesen. Die Kodes für weitere Teileingriffe, die in der gleichen Operationssitzung erfolgen, sind in Spalte 4 in der Regel nicht ausgewiesen.

- Bei Fallpauschalen muß ein OPS-301-Kode nach Spalte 4 der Leistung zugeordnet werden können. Zusätzlich muß die genannte Hauptdiagnose oder eine entsprechende Diagnose zutreffen. Fallpauschalen können somit auch bei Diagnosen abgerechnet werden, die nicht im Entgeltkatalog ausgewiesen sind, wenn die vom Krankenhaus angegebene Diagnose die Operation ausreichend begründet.

In der Praxis muß von dem Operationenschlüssel (OPS-301) ausgegangen werden. In einem zweiten Schritt ist die korrekte Zuordnung zur angegebenen Hauptdiagnose oder zu einer entsprechenden Diagnose zu prüfen. Eine Zuordnung, die in erster Linie von der Hauptdiagnose nach dem ICD-9 ausgeht (und damit nicht von der Operation nach dem OPS- 301) führt zu falschen Ergebnissen.

- Bei Sonderentgelten ist ein ICD-9-Kode nur dann angegeben, wenn der Leistungskomplex mit dem Operationsschlüssel allein nicht eindeutig abgegrenzt werden konnte.

- Die textliche Leistungsbeschreibung in der Spalte 2 der Entgeltkataloge hat in der Regel eine erläuternde und ergänzende Funktion. Weil die Klassifikationen des OPS-301 und der ICD-9 für allgemeine dokumentarische und wissenschaftliche Zwecke entwickelt wurden und genutzt werden, gibt es einige Fälle, in denen eine eindeutige Definition der Fallpauschale über den OPS-301 und ergänzend über die ICD-9 nicht möglich war. Nur in diesen wenigen Fällen ist für die Zuordnung zu den Entgelten ergänzend die textliche Leistungsbeschreibung heranzuziehen."

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so zeigt sich zum einen, daß in Spalte 4 sowohl bei der Fallpauschale 12.05 als auch beim Sonderentgelt 12.16 dieselben drei Operationenschlüssel 5-470.0 (= Appendektomie, offen-chirurgisch), 5-470.2 (= Umsteigen von laparoskopischem auf offen-chirurgisches Vorgehen bei einer Appendektomie) und 5-479.1 (= sekundäre Appendektomie nach Drainage eines perityphlitischen Abszesses) enthalten sind, wobei im vorliegende Falle die erbrachte Operationsleistung derjenigen nach 5-470.0 entspricht, was selbst der Kläger nicht bezweifelt.

Andererseits sind allein in Spalte 3 der Fallpauschale 12.05 Krankheitsbezeichnungen nach ICD-9 aufgeführt: 006.8 (für den vorliegenden Fall nicht relevant); 540.9 (= akute Appendizitis ohne Angabe einer Peritonitis), 541 (= Appendizitis ohne nähere Angabe), 542 (= sonstige Appendizitis) und 543 (= sonstige Krankheiten der Appendix). Ferner sind die immerhin im medizinischen Sachzusammenhang (Überschrift nach ICD-9: "540.- Akute Appendizitis") stehenden Krankheiten nach 540.0 (= akute Appendizitis mit generalisierter Peritonitis) und 540.1 (= akute Appendizitis mit peritonealem Abszeß) nach ICD-9 nicht einmal in der Spalte 3 der Fallpauschale 12.05 enthalten.

Daraus folgt, daß die Krankenhausbehandlung der beiden aus medizinischer Sicht schlimmsten Fälle der Appendizitis gemäß 540 bis 543 nach ICD-9, nämlich diejenige mit generalisierter Peritonitis (540.0) und diejenige mit peritonealem Abszeß (540.1) weder von vornherein nach Fallpauschale 12.05 noch nach dem Sonderentgelt 12.16 abzurechnen sind. Deswegen bedarf es für die im vorliegenden Falle behandelte Krankheit 540.1 nach ICD-9, die aus medizinischer Sicht durchaus verschiedener Ausprägung mit entsprechend verschiedenem operativen - der Leistungsinhalt nach Sonderentgelt ist nämlich ausschließlich operativer Art - Behandlungsaufwand sein kann, der Prüfung, ob es sich nach Grad von Ausprägung und operativem Behandlungsaufwand um eine den in Spalte 3 der Fallpauschale 12.05 genannten Krankheiten entsprechenden Diagnose handelt (dann Vergütung nach Fallpauschale 12.05) oder nicht (dann Vergütung nach Sonderentgelt 12.16).

Der Senat ist zu dem Ergebnis gelangt, daß Ausprägung und operativer Behandlungsaufwand im vorliegenden Falle trotz des vorhandenen peritonealen bzw. perityphlitischen Abszesses sowie der gedeckten Perforation noch so geringen Ausmaßes waren, daß man von einer entsprechenden Diagnose im Sinne von Spalte 3 der Fallpauschale 12.05 ausgehen muß, so daß keine besonderen operativen Leistungen zu erbringen waren, die die ausnahmsweise Abrechnung nach Sonderentgelt 12.16 rechtfertigen könnten. Namentlich im OP-Bericht vom 27.11.1997 ist nur von einem Absaugen eines örtlich äußerst begrenzten Abszeßraumes die Rede. Mit der in der dortigen Diagnose beschriebenen gedeckten Perforation (d.h. ein umfangreicher Durchbruch in die Bauchhöhle ist noch nicht erfolgt, sondern wird durch eine unmittelbare Anlagerung von Perforationsstellen an die Bauchwand vermieden) steht es im Einklang, daß im übrigen nach Eröffnung des Peritoneums lediglich ein mäßiggradig gelbliches Serom abzutupfen war. Auch macht die geringe Ausprägung des gedeckt perforierten Abszesses es erklärlich, daß der Unterbauch bis auf eine der Größe nach äußerst eingeschränkte peritonitische Infiltration unauffällige Verhältnisse aufwies. Dementsprechend brauchte schließlich auch nur eine Zieldrainage in die ausgeräumte Abszeßhöhle sowie eine Redondrainage nach schichtweisem Wundschluß gelegt zu werden. Ferner ist dem histologischen Bericht des Pathologischen Instituts Recklinghausen vom 01.12.1997 nichts zu entnehmen, das Zweifel an den im OP-Bericht dokumentierten Befunden hervorrufen könnte. Im übrigen bestätigen sämtliche MDK-Gutachten die im OP-Bericht originär beschriebenen Befunde. In diesem Zusammenhang bedarf lediglich der Erwähnung, daß Dr. I in seinem Gutachten vom 28.08.1998 zutreffend ausführt, daß auch sekundäre Wundheilungsstörungen eine Abkehr von der Fallpauschalenvergütung nicht rechtfertigen. Bei solchen Wundheilungsstörungen handelt es sich nämlich um eine typische Komplikation, die infolge jeder Appendektomie auftreten kann. Demgemäß ist eine solche Komplikation ggf. bis zur Grenz-Verweildauer in eine Fallpauschale einkalkuliert.

Da nach alledem eine eindeutige Zuordnung der streitbefangenen Leistungen zu Fallpauschale 12.05 bereits mittels OPS-301 (Spalte 4) und ICD-9 (Spalte 3) möglich war, kommt es entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und im Sinne der Zuordnungsgrundsätze des Bundesministeriums für Gesundheit nicht mehr auf die textliche Leistungsbeschreibung (Spalte 2) an.

Schließlich hat der Kläger außer der Vergütung nach Fallpauschale 12.05 gemäß § 14 Abs. 7 Satz 1 BPflV einen Anspruch auf tagesgleiche Pflegesätze für zwei Tage, weil die Versicherte N O wegen der Wundheilungsstörungen für diese Zeit jenseits der Grenz-Verweildauer behandelt werden mußte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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