L 1 B 48/04 AL

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 (13) AL 54/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 B 48/04 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.11.2004 geändert. Dem Kläger wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt N I, M-str. 00, H beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) nicht abgeholfen hat, ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (§ 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG] i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung [ZPO]), da er die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Kläger kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen:

Das SG hat seinen ablehnenden Beschluss im Abhilfeverfahren mit dem Argument aufrecht erhalten, der Kläger habe nicht schlüssig dargelegt, wie er den Unterhalt für sich und seine Familie von einem monatlich zur Verfügung stehenden Gewinn von 655 EUR aus selbstständiger Tätigkeit bestreiten wolle. Dieser Beurteilung folgt der erkennende Senat nicht:

Nach den vorgelegten Erklärungen und Unterlagen ist im Rahmen des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe davon auszugehen, dass dem Kläger und seiner Familie zum Lebensunterhalt monatlich rund 900 EUR Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit, außerdem Kindergeld in Höhe von rund 154 EUR und Erziehungsgeld in Höhe von 300 EUR, insgesamt also 1.354 EUR zur Verfügung stehen. Auch wenn Kinder- und Erziehungsgeld nicht als Einkünfte im Sinne des Prozesskostenhilferechts gelten, können diese Sozialleistungen zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob die Einkünfte nachvollziehbar und vollständig dargelegt worden sind. Denn sie bestimmen die wirtschaftliche Situation der Familie in erheblicher Weise mit. Der Betrag von 1.354 EUR wird sodann um die monatlichen Betriebsausgaben von rund 255 EUR geschmälert. Von dem dann verbleibenden Betrag von rund 1.100 EUR sind allerdings die geltend gemachten Ausgaben für Wohnungs- und Garagenmiete oder Kfz-Versicherung zumindest nicht in vollem Umfang abzusetzen. Ausweislich der vorläufigen Einnahmen-Überschussrechnung sind sie zu erheblichen Teilen nämlich bereits in den Betriebsausgaben mit enthalten, zumal der Kläger sein Gewerbe unter seiner Wohnanschrift betreibt. Insgesamt bestehen daher keine durchgreifenden Zweifel, dass die Familie des Klägers bei sparsamer Wirtschaftsführung mit den angegebenen Einnahmen auskommen kann.

Mit den dargelegten Einkünften ist der Kläger nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Von den Einkünften in Höhe von 900,00 EUR (§ 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sind gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO 173,00 EUR, gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO Grundfreibeträge von 871,92 EUR und schließlich angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung von 531,14 EUR (§ 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 und 4 ZPO) abzuziehen. Es verbleiben danach keine verwertbaren Einkünfte.

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig. Denn es sind noch weitere Ermittlungen von Amts wegen erforderlich (vgl. zu diesem Kriterium BVerfG, NJW 1997, 2745; Senat, Beschlüsse vom 02.06.2004 - L 1 B 38/03 AL - sowie 13.07.2004 - L 1 B 36/04 AL - sozialgerichtsbarkeit.de).

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahren ist der Bescheid vom 26.08.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004, mit dem die Beklagte den Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld vom 06.03.2002 bis zum 03.12.2002 aufgehoben und überzahltes Arbeitslosengeld in Höhe von 3.915,34 EUR zurückgefordert hat. Zur Begründung hat sich die Beklagte darauf berufen, der Kläger habe im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch grob fahrlässig nicht erkannt, dass die Bewilligung zu Unrecht erfolgt sei, weil sie - die Beklagte - es versehentlich unterlassen habe, das vom Kläger im Leistungsantrag angegebene Nebeneinkommen gemäß § 141 Drittes Buch Sozialgesetzbuch auf das Arbeitslosengeld anzurechnen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, lässt sich ohne weitere Ermittlungen seitens des SG derzeit noch nicht beurteilen.

Zunächst steht schon nicht fest, welches anrechenbare Nebeneinkommen der Kläger im fraglichen Bewilligungszeitraum tatsächlich erzielt hat. Die Beklagte ist insoweit bislang von seinen - geschätzten - Angaben ausgegangen, seine Einkünfte hätten sich auf monatlich 812 EUR belaufen. Der Kläger hat indessen im Verfahren S 13 AL 263/03 SG Düsseldorf zur Frage, ob die Beklagte ihm im Anschluss an das Arbeitslosengeld Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit verweigern durfte, vorgetragen, bei diesem Betrag seien die Betriebsausgaben unberücksichtigt geblieben. Ebenso wie in diesem Verfahren wird daher auch im vorliegenden Verfahren zu klären sein, wie hoch genau das Arbeitseinkommen des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit gewesen ist.

Besondere Sorgfalt wird weiter auf die Frage zu verwenden sein, ob der Kläger - gegebenenfalls - die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides grob fahrlässig nicht erkannt hat.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn der Kläger die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Klägers sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen. Voraussetzung ist, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben haben und für das Einsichtsvermögen des Klägers ohne weiteres erkennbar gewesen sind.

Zur Feststellung dieser Voraussetzungen wird das SG es nicht bei dem Vortrag der Beklagten bewenden lassen können, die Anrechnung ergebe sich aus dem Merkblatt für Arbeitslose. Vielmehr wird zunächst das Maß der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens des Klägers, unter Einschluss etwaiger sprachlicher Schwierigkeiten, festzustellen sein. Außerdem ist zu klären, inwieweit sich die Berechnung des Arbeitslosengeldes aus dem Bewilligungsbescheid ergeben hat, ob der Kläger hinsichtlich der Anrechnung des Nebeneinkommens mündliche Erläuterungen der Beklagten erhalten hat und ob ihm aus den Gesamtumständen ohne Weiteres einleuchten musste, dass die Bewilligung des Arbeitslosengeldes zu Unrecht erfolgt war.

Die Entscheidung über die Beiordnung ergibt sich aus § 121 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Schwierigkeit der durch den Fall aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen Fragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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