L 2 B 172/04 KR ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 40 KR 393/04 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 B 172/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 08.12.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht (SG) Dortmund nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 16.12.2004), ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht abgelehnt, einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.

Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht auf Antrag bereits vor Klageerhebung (§ 86b Abs 3 SGG) in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86a Abs 2 Nr 1 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Bei der im Rahmen des § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG erforderlichen Abwägungsentscheidung ist nach den Kriterien des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG vorzugehen (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. § 86b Rn 12c). Nach dieser Vorschrift soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Liegt ein Fall des § 86b Abs 1 SGG nicht vor, kann das Gericht nach Abs 2 dieser Vorschrift eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte oder eine solche in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich erscheint.

Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.

Es ist bereits zweifelhaft, ob das Rechtsschutzbegehren zulässig ist. Denn entgegen der Rechtsauffassung des SG und der Antragsgegnerin spricht Einiges dafür, dass das Schreiben der Antragsgegnerin vom 14.08.2004 kein Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) ist und damit kein Fall des § 86b Abs 1 SGG vorliegt. Die Antragsgegnerin hat in diesem Schreiben nur die Gründe für eine Beitragssatzerhöhung kraft Satzungsänderung mitgeteilt und lediglich beschreibend erläutert, dass der Beitragssatz von 13,4 % für den Antragsteller ab dem 01.12.2004 gelte. Sie bezeichnet ihre Ausführungen als "unerfreuliche Nachricht" und hat dem Schreiben keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Das spricht dafür, in diesen Schreiben keine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen zu sehen (zur Abgrenzung einer bloßen Mitteilung zum Verwaltungsakt, vgl. Kass-Komm-Krasney, § 31 SGB X RdNr 8 mwN). Für die Antragsgegnerin bestand zu diesem Zeitpunkt auch keine Veranlassung, gegenüber dem Antragsteller durch Verwaltungsakt zu entscheiden. In § 9 des 1. Nachtrags zu ihrer Satzung hat die Antragsgegnerin nach § 194 Abs 1 Nr 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ihre Beitragssätze zum 01.09.2004 neu geregelt. Für versicherungspflichtige Rentner galt der neue Beitragssatz vom ersten Tag des dritten auf die Veränderung folgenden Kalendermonat an (§ 247 Abs 1 Satz 2 SGB V), mithin hier ab dem 01.12.2004. Mit der am 13.08.2004 durch das Landesversicherungssamt Nordrhein-Westfalen erfeilten Satzungsgenehmigung und der anschließenden Bekanntmachung (§§ 195 Abs 1 SGB V, § 34 Abs 2 Vierfes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)) wurde der neue Beitragssatz verbindlich und verpflichtete nach den §§ 255 Abs 1, 247 Abs 1 Sätze 1 und 2, 249a SGB V den Rentenversicherungs-träger (hier: die Beigeladene zu 1)) die Beiträge unmittelbar zu Lasten des Antragstellers nach dem von der Antragsgegnerin gemeldeten neuen Beitragssatz abzuführen (vgl auch Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 11.10.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 14.01.2005). Die - geänderte - Satzung ist als geltendes Recht für die Mitglieder der Beklagten unmittelbar verbindlich. Eines gesonderten - deklaratorischen - Verwaltungsakts hätte es vor diesem Hintergrund nur bedurft, wenn erkennbar Streit über die Höhe des Beitrages bestanden hätte (Urteil LSG NRW vom 25.09.2003, Az: L 5 KR 39/03 = www.sozialgerichtsbarkeit.de). wofür - aus damaliger Sicht - keine Anhaltspunkte erkennbar sind. Eine Rechtmäßigkeitsprüfung findet erst nach Erlass eines solchen Verwaltungsakts statt.

Für eine einstweilige Anordnung nach § 86 b Abs 2 SGG ist daneben kein Raum, weil diese nur in Betracht kommt, wenn in der Hauptsache eine andere Klageart als die Anfechtungsklage statthaft ist (Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr 26). Das ist aber hier nicht der Fall. Eine allgemeine Leistungsklage (in Form der - vorbeugenden - Unterlassungsklage) oder eine Feststellungsklage kommen wegen deren Subsidiarität im Subordinationsverhältnis nicht in Betracht. Ein abstraktes Normenkontrollverfahren kennt das sozialgerichtliche Verfahren nicht (vgl LSG NRW aaO). Die Antragsgegnerin dürfte nach dieser Auffassung vielmehr zunächst verpflichtet sein, dem Antragsteller unter Beteiligung der Beigeladenen zu 1) einen gesonderten Bescheid über die Höhe des Beitragsatzes zu erteilen, gegen den dann Widerspruch eingelegt und ein Antrag nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG gestellt werden kann. Damit korrespondiert, dass dem Versicherten grundsätzlich nur beschränkt ein Recht zusteht, über seine Beitragsschuld die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane der Antragsgegnerin zu kontrollieren (vgl bereits zum Ausschluss der Überprüfung des Leistungsrechts durch Einwände auf der Beitragsseite: Urteil BSG vom 09.10.1984, Az: 12 RK 18/83 = SozR 2200 § 385 Nr 10; Beschlüsse des BVerfG vom 18.04.1984, Az: 1 BvL 43/81 = SozR 1500 § 54 Nr 60; vom 12.06.1988, Az: 1 BvR 1301/86 = SozR 1500 § 54 Nr86).

Auch wenn man mit dem SG und der Antragsgegnerin das Schreiben vom 14.08.2004 als Verwaltungsakt qualifiziert, ist die Beschwerde unbegründet. Denn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des "Bescheides" vom 24.08.2004 liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel iSd § 86a Abs 3 Satz 2 SGG bestehen nur, wenn bei summarischer Prüfung der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl näher: Beschluss des erkennenden Senats vom 17.01.2005, Az: L 2 B 9/03 KR ER = www.sozialgerichtsbarkeit.de). Diese Auslegung trägt dem vom Gesetzgeber in § 86a Abs 2 Nr 1 SGG auf den Adressaten verlagerten Vollzugsrisiko bei Abgabebescheiden Rechnung, um die notwendigen Einnahmen der öffentlichen Hand zur Erfüllung ihrer Aufgaben sicher zu stellen (vgl. auch BT-Drucks 14/5943 S 25). Bei summarischer Prüfung ist ein Erfolg des Antragstellers im Widerspruchsverfahren nicht wahrscheinlicher als ein Misserfolg. Zur Begründung verweist der Senat nach eigener Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss, § 153 Abs 2 SGG entsprechend.

Ergänzend ist lediglich darauf hinzuweisen, dass es bei der hier gebotenen summarischen Prüfung insbesondere nicht sachwidrig erscheint, mit Beitragserhöhungen im laufenden Haushaltsjahr (§ 220 Abs 2 Satz 1 SGB V) auf unerwartete, bereits quantifizierbare Mehrausgaben zu reagieren (vgl dazu KassKomm-Peters § 220 SGB V RdNr 28). Dabei kommt es nicht darauf an, ob bereits unmittelbar eine rechtliche Leistungspflicht aus der Ausgleichsordnung (AusglO) des BKK-Bundesverbandes gegeben ist (dazu: Urteil SG Aachen vom 13.07.2004, AZ: S 13 KR 20/03 = www.sozialgerichtsbarkeit.de). Maßgebend ist vielmehr, dass derartige Mehrausgaben konkret drohen und die Einnahmen aus der Beitragssatzerhöhung dem Ausgleich dieser prognostizierbaren Ausgabenerhöhungen dienen sollen. Gegenteilige Anhaltspunkte hat der Senat vorliegend nicht.

Schließlich rechtfertigen die vom Kläger behaupteten Gewinne der gesetzlichen Krankenversicherungsträger im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) vom 14.11.2003 (BGBL l 2190) keine andere Entscheidung. Zwar sollen nach § 220 Abs 4 Sätze 1 und 2 SGB V die durch dieses Gesetz bewirkten Einsparungen für Beitragssenkungen verwendet werden, in welchem Umfang dies jedoch der getroffenen Satzungserhöhung entgegensteht, ist unsicher (vgl zur Berechnung: Krauskopf, SozKV § 220 Rdnr 23). Insoweit spricht zunächst die erfolgte Satzungsgenehmigung des Landesversicherungssamtes Nordrhein-Westfalen (Genehmigungserteilung vom 13.08.2004) auch ohne Vorlage prüffähiger Unterlagen im gerichtlichen Verfahren gegen die vom Antragsteller behaupteten ernsthaften Zweifel. Zum Umfang des nach den §§ 195 Abs 1 SGB V, 34 Abs 1 Satz 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) durchgeführten Genehmigungsverfahrens gehörte eine Rechtsprüfung. Anhaltspunkte, dass der Genehmigungsbehörde von der Antragstellerin nur unvollständige Prüfungsunterlagen vorgelegt worden sind, ergeben sich nicht aus den Akten. Ebenfalls sind keine inhaltlichen Fehler erkennbar. Vielmehr sind die Gründe für die Beitragssatzerhöhung im laufenden Haushaltsjahr von der Antragsgegnerin summarisch nachvollziehbar vorgetragen worden.

Die Vollziehung des "Bescheides" führt auch nicht zu einer nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte iSd § 86a Abs 3 Satz 2 SGG für den Antragsteller. Vielmehr ist ihm zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abzuwarten.

Eine unbillige Härte liegt vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Leistung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutgemacht werden können (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 86a Rn 27). Dafür sind vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, insbesondere reicht hierfür der vom Antragsteller behauptete "faktische Sozialhilfebedarf" (§19 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB Xll)) bei monatlichen Einkünften von 2.400,65 Euro nicht aus. Allein die Höhe der Beitragsforderung und die mit der Zahlung für den Antragsteller verbundenen ökonomischen Konsequenzen führen in Anbetracht einer monatlichen Mehrbelastung von 6,76 Euro nicht zu einer solchen unbilligen Härte. Darüber hinausgehende Umstände, die eine unbillige Härte darstellen können, hat der Antragsteller nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden, § 177SGG.
Rechtskraft
Aus
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