L 9 AL 75/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 19 AL 252/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 75/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01. März 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).

Der Kläger war bis 30.11.1998 beschäftigt. Er bezog sodann ab 01.12.1998 Alg, das ihm die Beklagte für die Dauer von 971 Tagen bewilligt hatte. Ab 01.07.1999 bis 30.04.2000 machte er sich selbstständig. Die Beklagte bewilligte ihm erneut ab 01.05.2000 Alg für die Dauer von nunmehr 759 Tagen. Der Kläger nahm sodann am 01.01.2001 eine selbstständige Tätigkeit auf, die er am 31.08.2001 beendete. Anschließend meldete er sich wieder arbeitslos und beantragte Alg, das ihm die Beklagte ab 01.09.2001 für die Dauer des Restanspruchs von 514 Tagen bewilligte. Er bezog die Leistung bis zum 02.12.2002. Zu diesem Zeitpunkt hob die Beklagte die Bewilligung auf, weil der Kläger arbeitsunfähig erkrankt und der Fortzahlungszeitraum von 6 Wochen beendet war. Der Kläger besaß noch einen Restanspruch auf Alg von 56 Tagen. Wegen seiner Erkrankung bezog der Kläger ab 03.12.2002 bis zum 13.04.2003 Krankengeld und anschließend vom 14.04. bis 02.05.2003 Übergangsgeld während einer Rehabilitationsmaßnahme.

Der Kläger meldete sich wieder am 05.05.2003 arbeitslos und beantragte die Fortzahlung des Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.07.2003 ab, weil der 1998 erworbene Alg-Anspruch am 02.12.2002 erloschen sei. Anschließend habe der Kläger keine neue Anwartschaft erfüllt. Er erhob gegen diesen Bescheid am 11.07.2003 Widerspruch und führte aus, er werde gegenüber Arbeitslosenhilfeempfängern ungleich behandelt, da sich bei diesen die Verfallfrist aus Anlass einer zwischenzeitlich aufgenommenen Selbstständigkeit verlängere. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 17.09.2003 zurück. Sie führte zur Begründung aus, die Erlöschensfrist des § 147 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - (SGB III) laufe kalendermäßig ab. Der Restanspruch könne daher nicht mehr geltend gemacht werden (abgesandt am 17.09.2003).

Hiergegen richtete sich die am 17.10.2003 erhobene Klage. Der Kläger ist zu deren Begründung bei seiner bisherigen Auffassung verblieben.

Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.03.2004 abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen dargelegt, dass der Restanspruch des Klägers auf Alg wegen des kalendermäßigen Ablaufs der Vierjahresfrist gem. § 147 Abs. 2 SGB III erloschen sei (BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 1). Es liege kein Sonderfall vor, der die Verlängerung der Verfallfrist rechtfertige (vgl. BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 2). Die Beklagte habe sich auch auf den Ablauf der Vierjahresfrist berufen dürfen. Sie habe den Kläger nicht falsch beraten, denn nicht die Zeiten seiner Selbstständigkeit vom 01.07.1999 bis 30.04.2000 und vom 01.01. bis 31.08.2001 hätten ihn gehindert, den Restanspruch rechtzeitig geltend zu machen, sondern seine eingetretene Erkrankung. Es sei auch kein Gleichheitsverstoß im Verhältnis zu Beziehern von Arbeitslosenhilfe zu erkennen. Für diese gebe es keine vergleichbare Regelung wie § 147 Abs. 2 SGB III. Soweit sich sowohl für die Begründung des Anspruchs von Alg als auch von Arbeitslosenhilfe die zu erfüllende Vorfrist um die Dauer einer selbstständigen Tätigkeit verlängere, würden die Bezieher gleich behandelt.

Gegen den am 16.03.2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 13.04.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Er ist weiterhin der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gegenüber Beziehern von Arbeitslosenhilfe vorliege. Denn bei diesen sehe das Gesetz eine Verlängerungsmöglichkeit für den Fall vor, dass der Bezug durch eine selbstständige Tätigkeit unterbrochen werde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 01.03.2004 abzuändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten - Kunden-Nr. 000 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit der Kläger auf eine vermeintliche Ungleichbehandlung mit Alhi-Empfängern im Rahmen der jeweils zu berücksichtigenden Verfallfrist des Anspruchs hinweist und damit auf eine angenommene verfassungswidrige Ungleichbehandlung, führt der Vortrag zu keinem anderen Ergebnis. Denn er übersieht insoweit bereits, dass diese Frage in seinem Fall nicht entscheidungserheblich ist. Er erfüllt nämlich nicht die Voraussetzungen des § 196 SGB III, weil er wegen fehlender Bedürftigkeit keinen Anspruch auf Alhi besitzt (vgl. BSG SozR 4-4300 § 147 Nr. 1 Seite 5).

Darüber hinaus ist die unterschiedliche Regelung der Verfallfristen in § 147 Abs. 2 SGB III und § 196 SGB III sachlich gerechtfertigt. So räumt das Gesetz für die Geltendmachung des entstandenen Alg-(Stamm)Rechts von vornherein einen Zeitraum von 4 Jahren ein. Der Alg-Bezieher hat damit die ausreichende zeitliche Möglichkeit, mit Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit den Versuch einer Rückkehr in den Arbeitsmarkt zu unternehmen, ohne alsbald nach Aufnahme der Tätigkeit den Verlust des Alg-Anspruchs befürchten zu müssen. Demgegenüber wird Alhi von vornherein lediglich jeweils für ein Jahr bewilligt, so dass jede Zahlungs- und Bezugsunterbrechung wie z.B. die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ohne Weiteres eine erheblich höhere Gefahr darstellt, den Anspruch insgesamt zu verlieren, ohne ausreichend die Tragfähigkeit einer selbstständigen Tätigkeit prüfen zu können. Es ist daher sachgerecht, dass der Gesetzgeber durch die Berücksichtigung einer Selbstständigkeitsdauer im Rahmen der Verfallfrist der Alhi in gewissem Umfang einen Anreiz dafür setzt, auf diese Weise den Leistungsbezug aufzugeben und den Versuch einer erneuten Integration in den Arbeitsmarkt zu unternehmen (vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Arbeitslosenhilfe-Reformgesetzes - Alhi RG - BT-Drucks. 13/2898 S. 6, zu Nr. 4 (§ 135)). Da dem Alhi-Bezieher insgesamt nur 3 Jahre bis zum Anspruchsende zustehen, ist der Kläger als Alg-Bezieher mit einem Zeitraum von 4 Jahren auch ohne den Verlängerungstatbestand einer Selbstständigkeit weitergehend begünstigt.

Letztlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Anspruch nicht durch die Ausübung der selbstständigen Tätigkeit verloren hat, sondern durch das Auftreten seiner Krankheit und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit. Er hat damit nicht mehr der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden und hat allein deswegen nicht mehr rechtzeitig seine Alg-Restanspruch vor Ablauf der Ausschlussfrist geltend machen können. Dies ist aber ein Risiko, dass einen Alhi-Bezieher gleichermaßen trifft - mit und ohne ausgeübter Selbstständigkeit. Auch er verliert seinen Anspruch, wenn er zum Fristende und darüber hinaus arbeitsunfähig erkrankt und wegen fehlender Verfügbarkeit seinen restlichen Alhi-Anspruch nicht mehr geltend machen kann. Es liegt somit keine Ungleichbehandlung vor.

Der Kläger kann daher seinen Restanspruch auf Alg wegen Ablaufs der Vierjahresfrist nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB III nicht mehr geltend machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved