L 16 KR 164/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 15 (3) KR 198/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 164/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20. Juni 2003 geändert. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am 00.00.1956 geborenen Klägerin ein Anspruch auf eine stationäre Krankenbehandlung zur Durchführung einer Mammareduktionsplastik zusteht.

Am 18.01.2000 beantragte die bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Klägerin die oben genannte Leistung unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihres behandelnden Gynäkologen Prof. Dr. M, St. D-Hospital T. Dieser hatte unter dem 11.01.2000 eine erhebliche Hyperplasie beider Mammae bei psychischer Beeinträchtigung bestätigt. Wegen der Gefahr späterer Wirbelsäulenschäden sei eine Mammareduktionsplastik mit Gewichtsreduzierung von zumindest je 700 bis 800 g medizinisch indiziert.

Frau Dr. N, Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe, konnte nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 11.02.2000 keinen krankhaften Befund der Mammae und lediglich diskrete Schultermyogelosen beidseits bei ansonsten nicht eingeschränkter Funktion der Wirbelsäule und der Gelenke feststellen. Aus den daraufhin von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen von Dr. Q, Arzt für Orthopädie aus C, sowie von Priv.-Doz. Dr. I, Leiter der Psychotherapie und Psychiatrie im St. K-Hospital in P, vom 03.05. bzw. 17.04.2000 ergaben sich rezidivierende Tendomyopathien der Schulter-Nacken-Partie und des cervicothorakalen Übergangs bei Makromastie und dadurch bedingter vermehrter kyphotischer Fehlhaltung des cervicothorakalen Übergangs sowie eine erhebliche psychische Belastung der Klägerin seit der Pubertät durch die Hyperplasie beider Mammae.

Nachdem der mit der erneuten Begutachtung der Klägerin befasste Arzt W. M1, MDK Westfalen-Lippe, wiederum keinerlei funktionelle Defizite und keine Schmerzhaftigkeit infolge orthopädischer Leiden festgestellt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik mangels medizinischer Indikation ab.

Zur Begründung ihrer am 24.11.2000 zum Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass aus gynäkologischer, orthopädischer und neuro-psychiatrischer Sicht der sie behandelnden Fachärzte zu der Mammareduktionsplastik geraten werde. Durch die eingeholten Befundberichte und das Sachverständigengutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat sie sich bestätigt gesehen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 zu verurteilen, die Kosten für eine Mammareduktionsplastik zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid als rechtmäßig erachtet. Die bestehende Mammahypertrophie stelle keine Krankheit dar. Die gemessenen Werte lägen in der Variationsbreite einer weiblichen Brust. Darüber hinaus fehle es an manifesten orthopädischen Störungen von Seiten der Hals- oder Brustwirbelsäule (BWS) bzw. der Schultermuskulatur.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Sozialgericht zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Gynäkologe Dr. L, der Orthopäde Dr. Q und der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. C haben eine Mammareduktionsplastik wegen der Makromastie beidseits sowie der seit Jahren bestehenden belastungsabhängigen Schmerzen im Bereich der Schulter-Nacken-Region und BWS, die durch Gymnastik/Muskelaufbautraining keine wesentliche Besserung erfahren hätten, sowie zur Vermeidung psychosomatischer Störungen empfohlen.

Außerdem hat das Sozialgericht gemäß § 106 SGG ein Gutachten des Arztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. (NL) T, Orthopädische Abteilung des St. N-Hospitals C, eingeholt. In seinem Gutachten vom 07.06.2001 hat der Sachverständige aufgrund körperlicher Untersuchung der Klägerin am 29.05.2001 und unter Einbeziehung eines radiologischen Zusatzgutachtens von Dr. L1 folgende Diagnosen gestellt: Makromastie beidseits, schmerzhafte Myotendinosen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) beidseits bei freier Funktion ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelreizsymptomatik sowie statisch-dynamische Beschwerden im Bereich der BWS mit Zeichen einer minimalen doppelt S-förmigen Seitverbiegung der Brust-/Lendenwirbelsäule (LWS) bei sonst un-auffälligen Befunden. Eine Mammareduktionsplastik sei medizinisch indiziert: Die deutlich vergrößerten Mammae, die eine BH-Größe von 80 E erforderten, seien im Verhältnis zu Körpergröße (156 cm) und -gewicht (56,9 kg) der Klägerin zu groß. Außerdem müsse aus orthopädischer Sicht als sehr wahrscheinlich angesehen werden, dass eine operative Verkleinerung der Brüste die statisch bedingte Beschwerdesymptomatik im Schulter-Nacken-Bereich positiv beeinflussen werde. Dies ergebe sich aus diversen Studien zur Patientenzufriedenheit nach durchgeführter Brustverkleinerung. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 03.12.2001 ist der Sachverständige unter Einbeziehung der divergierenden Stellungnahme des MDK bei seiner Auffassung verblieben.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2003 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, die Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) zu übernehmen. Dabei ist es der Argumentation des Sachverständigen Dr. T gefolgt. Wegen der Begründung wird auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen den ihr am 10.07.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 31.07.2003 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts fehle es an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung für den beabsichtigten Eingriff zu einer brustverkleinernden Operation. Im Bereich der Mammae der Klägerin liege keine behandlungsbedürftige Krankheit vor. Die orthopädischen Beschwerden seien als lediglich geringfügig einzustufen. Auch habe die Klägerin nicht den Nachweis dafür erbracht, dass sie die ambulant zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe. Zudem sei ein Zusammenhang zwischen der Größe sowie dem Gewicht der Brüste und Wirbelsäulenbeschwerden nicht nachgewiesen. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf den Abschlussbericht der bundesweiten Projektgruppe P 29 a der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung zum Thema "Plasti-sche Chirurgie - Operationen der Brust und abdominaler Fettschürzen" vom 8. Mai 2002. Sowohl der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dr. T als auch der zweitinstanzlich nach § 109 SGG tätig gewordene Sachverständige Dr. X gingen zu Unrecht davon aus, dass es insoweit beachtliche wissenschaftliche Studien gäbe. Bei den zitierten Zufriedenheitsstudien handele es sich um nicht aussagefähige Studien niedrigster Evidenzstufe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20.06.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 20.06.2003 zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihren bisherigen Vortrag. Sie trägt ergänzend vor, dass sie zwar seit 1999 keine physiotherapeutischen/krankengymnastischen Maßnahmen durchgeführt habe, jedoch seit 1994 durch vielfältige und regelmäßige sportliche Aktivitäten, wie Schwimmen, Walken und Bodyforming mehrmals wöchentlich, die Beschwerden zu bessern versuche. Es sei jedoch im Laufe der Zeit, in letzter Zeit deutlich, stattdessen zu einer Beschwerdezunahme gekommen. Wie sowohl die behandelnden Ärzte als auch die Sachverständigen Dr. T und Dr. X festgestellt hätten, bestehe eine medizinische Indikation zu der begehrten Mammareduktionsplastik. Sie schließe sich den Ausführungen der beiden Gutachter vollinhaltlich an. Dagegen weise das Gutachten von Dr. B nach § 106 SGG viele Unrichtigkeiten auf und sei insgesamt nicht nachvollziehbar.

Auf Anregung des Senats hat die Klägerin Fotos vorgelegt, die ihren Oberkörper in bekleidetem und unbekleidetem Zustand zeigen.

Der Senat hat einen weiteren Befundbericht des behandelnden Arztes für Gynäkologie Prof. Dr. M, Chefarzt der Frauenklinik des St. D-Hospitals T, angefordert. Dieser hat unter dem 03.02.2004 mitgeteilt, es bestehe von gynäkologischer wie von psychiatrischer Seite die Indikation zur Mammareduktionsplastik beidseits, nicht zuletzt auch, um somatische Schäden, z. B. im Bereich der HWS, zu vermeiden.

Ergänzend hat der Senat von Amts wegen ein fachorthopädisches Gutachten von Dr. B, Arzt für Orthopädie, Rheumatologie, Physikalische Therapie und Sozialmedizin und Chefarzt der Abteilung für Orthopädische und Rheumatologische Fachklinik S in F, eingeholt. In seinem Gutachten vom 02.07.2004, das er aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin am 12.05.2004 erstellt hat, hat dieser folgende Feststellungen getroffen: Die Mammaptose vom Typ III nach Vrebos bei beidseitiger Makromastie stelle keine Erkrankung dar. Es handele sich um eine weibliche Brustgröße (Cup-Größe 80 E), die sich in der Variationsbreite halte. Orthopädischerseits lägen lediglich eine leicht verspannte paravertebrale Nackenmuskulatur mit einzelnen Myogelosen im Nackenbereich bei ansonsten freier Beweglichkeit der HWS, BWS, LWS und der Gelenke im Bereich der oberen und unteren Extremitäten vor. Neurologisch seien keine motorischen oder sensiblen Ausfälle festzustellen. Röntgenologisch zeige sich eine diskrete Seitenausbiegung der LWS bei dezent angedeuteten degenerativen Veränderungen im BWS-Bereich, die jedoch nicht über das Altersmaß hinausgingen. Der Sachverständige empfahl neben physio-physikalischen Maßnahmen, wie Wärme, Elektrobehandlung, Rumpfgymnastik, auch eine entsprechende medikamentöse Therapie. Ein operatives Eingreifen zwecks Änderung der Brustmaße stelle im vorliegenden Fall jedoch nur eine rein kosmetisch ausgerichtete Korrektur dar. Eine Mammareduktion sei aus medizinischer Sicht weder erforderlich noch zweckmäßig, abgesehen von dem gesundheitlichen Risiko, das eine derartige Operation mit sich bringe.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat sodann ein Gutachten nach § 109 SGG von Dr. X, Chefarzt der Gynäkologischen Abteilung des St. N-Hospitals C, eingeholt. In seinem Gutachten vom 21.12.2004, das auf der Grundlage einer klinischen Untersuchung am 14.11.2004 erstellt worden ist, hat der Sachverständige eine ausgeprägte Makromastie beidseits mit beidseitiger Ptose nach Vrebus Typ III diagnostiziert. Gemessen an der Körpergröße der Klägerin und an ihrem Normgewicht seien die Mammae erheblich zu groß. Ausschließlich die Reduktion beider Mammae um je 700 bis 800 g werde langfristig zu einer Verbesserung der Beschwerdesymptomatik auf orthopädischem Gebiet führen.

In ergänzenden Stellungnahmen vom 11.03.2005 und 30.06.2005 sowie 24.06.2005 sind der MDK Westfalen-Lippe sowie der Sachverständige Dr. X bei ihrer jeweiligen Auffassung verblieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2003 zu Unrecht die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation zu übernehmen, weil der angefochtene Bescheid vom 21.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2000 rechtmäßig ist. Ein Sachleistungsanspruch der Klägerin auf eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Mammareduktionsplastik besteht nicht.

Da sich die Klägerin der begehrten Operation zur Brustverkleinerung noch nicht unterzogen hat, ist Gegenstand des Verfahrens immer noch der originäre Sachleistungsanspruch. Der erstinstanzlich gestellte Antrag der Klägerin war daher gemäß § 106 Abs. 1 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG entsprechend auszulegen. Die Beklagte schuldet der Klägerin die begehrte operative Versorgung nicht als Krankenbehandlung, für die die gesetzliche Krankenversicherung gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einzustehen hat. Die Leistungspflicht setzt das Vorliegen einer Krankheit voraus. Damit wird in der Rechtsprechung ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, SozR 3-2500 § 27 Nr. 11 S. 38, BSG, SozR 3-2200 § 182 Nr. 14 S. 64, jeweils m. w. N.).

Die Brustbeschaffenheit stellt bei der Klägerin keine körperliche Unregelmäßigkeit mit Krankheitswert in diesem Sinne dar. Weder die behandelnden Fachärzte noch die Sachverständigen Dr. T, Dr. B und Dr. X haben Haut- oder sonstige Veränderungen der Mammae festgestellt. Funktionsstörungen somatischer Art allein aufgrund des Brustumfangs haben die Ärzte ebenfalls nicht beschrieben. Von der Größe und Gestalt der Mammae geht auch keine entstellende Wirkung von Krankheitswert aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin und der Sachverständigen Dr. T und Dr. X kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Die Rechtsprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur anzunehmen ist, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Eine körperliche Entstellung, die als Krankheit zu werten wäre, liegt bei der Klägerin jedoch nicht vor. Die Fälle, in denen eine Entstellung angenommen wurde (Frau ohne natürliches Kopfhaar, BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 45 S. 253 f.; Narben im Lippenbereich, BSG SozR 3-1750 § 372 Nr. 1; verneinend bei Hautverfärbungen, BSG, Urt. vom 13.07.2004, Az.: B 1 KR 11/04 R, in: SozR 4-2500 § 13 Nr. 4 Rdn. 21, sowie bei einer Hodenprothese, BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 5 S. 29 f.) zeichnen sich dadurch aus, dass körperliche Auffälligkeiten erfasst werden, die sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen "quasi im Vorbeigehen" bemerkbar machen (BSG, Urt. vom 19.10.2004, Az.: B 1 KR 9/04 R, jurisweb, Reg.Nr. 26913 RdNr. 14 = SGb 2004, S 748). Derartiges hat keiner der gehörten Ärzte bescheinigt. Davon, dass eine solche, auf der Brustgröße der Klägerin bzw. auf einer Disproportion zwischen Brustgröße und den übrigen Körpermaßen beruhende Entstellung nicht vorliegt, konnte sich der Senat im Verlauf der mündlichen Verhandlung sowie anhand der eingereichten Fotos der Klägerin überzeugen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass die weibliche Brust in Größe und Form eine außerordentliche Vielfalt aufweist (BSG, Urt. vom 19.10.2004a.a.O.) und sich nicht in "regelwidrig" oder "regelrecht" kategorisieren lässt.

Eine Leistungspflicht der Beklagten ließe sich auch nicht mit einer psychischen Beeinträchtigung der Klägerin, ausgelöst durch die Größe ihrer Mammae, begründen. Insoweit kann der Senat offen lassen, ob eine psychische Erkrankung bei der Klägerin überhaupt vorliegt. Jedenfalls rechtfertigte sie keinen operativen Eingriff auf Kosten der Krankenversicherung (so ständiger Rechtsprechung, zuletzt BSG, Urt. vom 19.10.2004, Az.: B 1 KR 9/04, B 1 KR 3/03 und 23/03 m. w. N., SGB 2004, S 747 f.). Mögliche psychische Beeinträchtigungen wären ausschließlich mit Mitteln der Psychotherapie bzw. Psychiatrie zu bekämpfen.

Eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Mammareduktionsplastik ist auch nicht erforderlich, um Schäden der Wirbelsäule bzw. des Halteapparates und Muskelverspannungen zu behandeln, so dass dahinstehen kann, welche Anforderungen an die Notwendigkeit von operativen, substanzverändernden Eingriffen an einem gesunden Organ zur mittelbaren Behandlung von anderweitigen Krankheitserscheinungen zu stellen sind (vgl. Urt. des erkennenden Senates vom 28.04.2005, Az.: L 16 KR 87/03, m. w. N.). Die beiden orthopädischen Sachverständigen Dr. T und Dr. B haben - insoweit übereinstimmend - nicht einmal mittelgradige, geschweige denn schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Klägerin auf orthopädischem Gebiet feststellen können. Sie haben schmerzhafte Myotendinosen im Bereich der HWS und BWS bei freier Funktion der HWS und ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelreizsymptomatik beschrieben. Neurologisch hat Dr. B, ebenso wie Dr. T, keine motorischen oder sensiblen Ausfälle festgestellt. Die von Dr. T beschriebene doppelt S-förmige Seitverbiegung der BWS/ LWS hat auch Dr. B nur als diskrete Seitenausbiegung der LWS bei dezent angedeuteten degenerativen Veränderungen im BWS-Bereich gesehen, die noch nicht über das Altersausmaß hinaus gehen. Hieraus folgt nur eine geringfügige Beeinträchtigung. Dies wird bestätigt durch das röntgenologische Zusatzgutachten von Dr. L1, der Veränderungen nur im Minimalbereich bescheinigt hat.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Gebiet der Behandlung durch Krankengymnastik und Physio- sowie Schmerztherapie zugänglich sind und es zumindest gegenwärtig keiner Mammareduktionsplastik bedarf. Insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. Die Klägerin, die in keiner regelmäßigen fachorthopädischen Behandlung steht, hat seit mehreren Jahren weder Krankengymnastik noch Physiotherapie verordnet bekommen. Auch wenn ihr sportlicher Einsatz ohne Zweifel lobenswert ist, sind zur Überzeugung des Senates die Möglichkeiten einer unmittelbar bei den orthopädischen Leiden ansetzenden Behandlung bei weitem nicht ausgeschöpft. Dass die Sachverständigen Dr. T und Dr. X auch einem - ihrer Auffassung nach trotz der sportlichen Aktivitäten der Klägerin noch möglichen - gezielten Aufbautraining der Muskulatur keine Erfolgsaussichten beimessen, vermag nicht zu überzeugen, da es bereits an einer tragfähigen Begründung fehlt. Während der Sachverständige Dr. T auf eine Begründung seiner Einschätzung ganz verzichtet, stellt der Sachverständige Dr. X auf seine Erfahrungen als Operateur sowie auf Studien ab, die auf der Basis der Zufriedenheit der operierten Patientinnen basieren. Abgesehen davon, dass zumindest nicht auszuschließen ist, dass die Zufriedenheit der Patientinnen auch durch das kosmetische Ergebnis der Operation mitbestimmt wird, weisen die Studien weder Vergleichsgruppen auf noch stellen sie auf Langzeitergebnisse ab. Insoweit folgt der Senat den nachvollziehbaren und gut begründeten Stellungnahmen des MDK u. a. vom 15.03.2005, auf die er Bezug nimmt. Solange im Falle der Klägerin nicht der Versuch unternommen worden ist, konsequent alle orthopädischen Therapiemöglichkeiten auszuschöpfen, kann die Notwendigkeit eines - mit Risiken verbundenen - Eingriffs in ein gesundes Organ nicht als nachgewiesen angesehen werden.

Schließlich kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf die Annahme stützen, die Mammareduktionsplastik beuge zu befürchtenden Wirbelsäulenschäden vor. Da das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nur in - hier nicht gegebenen - Ausnahmefällen Leistungen zur Verhütung von Krankheiten vorsieht, vgl. §§ 20 ff. SGB V, kann der Senat offen lassen, ob Beschwerden der Klägerin auf orthopädischem Gebiet nach einer operativ durchgeführten Brustverkleinerung in Zukunft vorgebeugt werden konnte. Daran bestehen im Hinblick auf die Studie der Projektgruppe 29 a zumindest erhebliche Zweifel.

Die Berufung der Beklagten musste daher mit der aus § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung Erfolg haben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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