L 9 AL 67/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 146/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AL 67/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 22/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 13.228,71 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung des von der Beklagten an die Ehefrau des Klägers gezahlten Arbeitslosengeldes (Alg) zuzüglich der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge.

Der Kläger war Inhaber des Arbeitsmedizinischen und Sicherheitstechnischen Zentrums - ASZ - B. Neben 46 Arbeitnehmern beschäftigte er zuletzt im Jahre 1998 auch - bereits seit 01.02.1982 - seine am 00.00.1941 geborene Ehefrau als Betriebsärztin. Er schloss mit ihr am 19.11.1998 einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen dringender betrieblicher Gründe auf Veranlassung des ASZ zum Ablauf des 31.12.1998. Außerdem erhielt die Ehefrau danach eine Abfindung in Höhe von 40.000 DM. Nachdem sich diese am 04.01.1999 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hatte, bewilligte ihr die Beklagte dieses mit Wirkung ab 01.02.1999 mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 557,97 DM. Ab 01.10.2001 bezog die Ehefrau des Klägers eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 3.559,48 DM monatlich.

Die Beklagte zog den Kläger mit Bescheid vom 02.04.2002 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.05.2002 zur Erstattung der an die Ehefrau vom 14.04. bis 31.12.1999 gezahlten Leistungen (Alg, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) unter Berücksichtigung einer Arbeitnehmerzahl zwischen 40 und 60 und der damit verbundenen Kürzung um 1/3 des vollen Erstattungsbetrages von 38.809,46 DM auf nur noch 25.873,10 DM heran. Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch. Er begründete diesen damit, dass er für die Lösung des Arbeitsverhältnisses mit seiner Ehefrau einen wichtigen Grund gehabt habe. Er habe seinen Betrieb zum Jahresende 1998 nur unter der Bedingung verkaufen können, dass er das Arbeitsverhältnis mit seiner Ehefrau vorher beende. Hätte er sein Unternehmen erst im Jahre 1999 veräußert, hätte er höhere Steuern und damit erhebliche wirtschaftliche Einbußen hinnehmen müssen. Unter Berücksichtigung dieses zu erwartenden Schadens und auf Grund der ehelichen Pflichten seiner Ehefrau ihm gegenüber habe hier ein Fall der sogenannten Druckkündigung vorgelegen, der zu einer Kündigung ohne Einhaltung der Frist aus wichtigem Grund berechtigt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 05.06.2002 zurück. Sie verblieb bei ihrer Auffassung, dass der Kläger keinen wichtigen Grund zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist gehabt habe. Eine Betriebsveräußerung gehöre zum Unternehmerrisiko und berechtige nicht zu einer fristlosen Kündigung. Es liege auch kein Fall der Druckkündigung vor, da nicht von dritter Seite unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangt worden sei und der Kläger als Arbeitgeber hiermit verbunden nur die Wahl gehabt habe, den Arbeitnehmer zu entlassen oder schwere wirtschaftliche Nachteile hinzunehmen. Denn hierzu zähle keine Betriebsveräußerung (abgesandt am 06.06.2002).

Hiergegen richtete sich die am 05.07.2002 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung ergänzend vorgetragen, seine Ehefrau sei nach § 1353 Bügerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, wirtschaftliche Schäden von den Eheleuten abzuhalten und die finanziellen Lasten des Ehepartners möglichst gering zu halten. Hierzu gehöre die eheliche Pflicht, steuerliche Lasten des anderen im Rahmen des Möglichen zu minimieren. Hiervon ausgehend habe er einen wichtigen Grund besessen, im Hinblick auf die zu erwartenden steuerlichen Nachteile das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu kündigen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.02.2003 abgewiesen. Es hat zur Begründung dargelegt, dass die Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs. l Satz l Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der nach § 431 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. §§ 242 Abs. 6, 242 x Abs. 3 AFG weiterhin anzuwenden sei, dem Grunde nach erfüllt seien. Es lägen keine Ausnahmetatbestände nach § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG vor, nach denen die eingetretene Erstattungspflicht entfallen würde. § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AFG sei bereits deshalb nicht erfüllt, weil die Ehefrau des Klägers eine Abfindung in Höhe von 40.000 DM anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten habe. Die Erstattungspflicht entfalle auch nicht nach § 128 Abs. l Satz 2 Nr. 4 AFG, weil das Arbeitsverhältnis nicht durch eine sozialgerechtfertigte Kündigung beendet worden sei, sondern durch einen Aufhebungsvertrag der der Kündigung nicht gleichgestellt werden könne. Schließlich seien auch nicht die Voraussetzungen des § 128 Abs. l Satz 2 Nr. 5 AFG erfüllt. Denn der Kläger sei als Arbeitgeber nicht berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Ein wichtiger Grund habe sich nicht aus der beabsichtigten Betrieb s Veräußerung ergeben, da dem Kläger durch diese keine unzumutbaren Nachteile in Bezug auf die begründeten Arbeitsverhältnisse gedroht hätten. Denn in deren Verpflichtungen wäre gemäß § 613 a BGB der Erwerber des Betriebes eingetreten. Aus diesem Grund berechtige eine Betriebsveräußerung generell nicht zu einer außerordentlichen Kündigung. Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass der Erwerber die Übernahme des Betriebes im vorliegenden Fall davon abhängig gemacht haben solle, dass der Kläger zuvor das Arbeitsverhältnis zu seiner Ehefrau beende. Hierdurch werde kein außerordentliches Kündigungsrecht wegen einer sogenannten Druckkündigung begründet, weil deren Voraussetzungen nicht erfüllt würden. Denn der Betriebsübergang führe nicht zu einer Androhung von Nachteilen, weil sich aus § 613 a BGB ergebe, dass eine Betriebsveräußerung generell nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers gehen dürfe. Dieser Schutzzweck würde ausgehöhlt, wenn dem Arbeitgeber anlässlich einer Betriebsveräußerung das Recht zu einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers gegeben werde. Eventuelle wirtschaftliche Nachteile (steuerliche Mehrbelastungen oder Verlust eines günstigen Verkaufsangebots) müsse daher der Arbeitgeber wie hier der Kläger im Rahmen des Betriebsrisikos tragen. Auch das Gebot der ehelichen Rücksichtnahme nach § 1353 BGB berechtige nicht zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Zwar seien die Eheleute zur Minimierung der finanziellen Lasten des Ehepartners verpflichtet. Dies würde im vorliegenden Fall aber zur Verletzung eigener grundlegender Interessen der Ehefrau zu Gunsten des Ehemannes führen, weil sie auf die Erhaltung ihres Arbeitsplatzes allein deswegen verzichte, um steuerliche Mehrbelastungen ihres Ehemannes zu vermeiden. Eine derartige Verletzung der Eigeninteressen verlange § 1353 BGB aus ehelicher Rücksichtnahme nicht. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Erreichung des Schutzzweckes zu Gunsten der Arbeitnehmer nach § 613 a BGB aus Anlass eines Betriebsüberganges auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses unter Ehegatten gelte. Da die Beklagte im Übrigen die Erstattungsforderung unter Berücksichtigung einer eingetretenen Sperrzeit zu Recht festgesetzt habe, sei die Klage nicht begründet.

Gegen das am 10. März 2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 07. April 2003 eingelegte Berufung des Klägers. Er verbleibt zu deren Begründung weiterhin bei seiner Auffassung, seine Ehefrau sei nach § 1353 BGB verpflichtet gewesen, dem Aufhebungsvertrag zuzustimmen, da er anderenfalls wegen des nicht möglichen Betriebsverkaufs erhebliche Steuernachteile hätte hinnehmen müssen. Wäre sie dieser ehelichen Pflicht nicht nachgekommen, hätte ihre Ablehnung einen wichtigen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung einer Frist dargestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.02.2002 abzuändern und die Bescheide der Beklagten vom 02.04.2002 in der Fassung des Anderungsbescheides vom 23.05.2002 sowie des Widerspruchsbescheides vom 05.06.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten der Beklagten - Kunden-Nr.: 000 - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Senat sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die vom Kläger in den Vordergrund gestellte Annahme einer ehelichen Verpflichtung der Ehefrau zum Abschluss des Aufhebungsvertrages erhebliche Zweifel an ihrer Arbeitnehmereigenschaft im Betrieb des Klägers aufkommen lässt. Denn danach wäre die Beschäftigung derart ausgestaltet gewesen, dass für deren tatsächliche Durchführung die familienhafte Zusammengehörigkeit ausschlaggebend und prägend gewesen sein könnte. Dieser Vortrag des Klägers spricht nämlich gegen die typische Einordnung eines Arbeitnehmers in einen Betrieb zur Erbringung einer fremdbestimmten Leistung mit seinen sich hieraus ergebenden arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerrechten. Denn die Ehefrau als Arbeitnehmerin soll danach - jedem Arbeitnehmerstatus eines Fremden im Betrieb widersprechend - verpflichtet gewesen sein, auf eine ordnungsgemäße, fristgerechte Kündigung zu verzichten und einen kurzfristigen Arbeitsplatzverlust hinzunehmen, allein um dem Arbeitgeber - hier dem Ehemann - eine erhebliche Steuerersparnis zu ermöglichen. Eine derartige unbedingte Rücksichtnahme auf seine Vermögensverhältnisse könnte der Kläger als Arbeitgeber und Betriebsinhaber - selbst wenn dies eine Rechtspflicht wäre - in dieser selbstverständlichen Form nur von seiner Ehefrau als Familienangehörige erwarten, nicht aber von einem normalen Arbeitnehmer. Das Pochen als Arbeitgeber auf diese Ehepflicht im Arbeitsverhältnis stellt somit ein großes Indiz dafür dar, dass die Tätigkeit der Ehefrau dann letztlich überwiegend durch eine solche familienhafte Rücksichtnahme geprägt wird und ein Gleichklang der familiären Interessen vorliegt - nämlich das Betreiben des Betriebes zur gemeinsamen Existenzsicherung der Familie unter Einbringung auch der qualifizierten Arbeitskraft der Ehefrau und ihrer Bereitschaft zur nicht arbeitnehmertypischen Rücksichtnahme auf Grund der ehelichen Verbindung zum Ehemann und Arbeitgeber. Im Hinblick auf diesen klägerischen Vortrag - wäre er entscheidungserheblich - wäre daher auch zu prüfen, ob die Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Alg gehabt und sie die Leistung zu Unrecht bezogen hat.

Die Kostentragungspflicht des Klägers für beide Rechtszüge beruht auf der mit Wirkung vom 02.01.2002 in das SGG eingefügten Vorschrift des § 197 a Abs. 1 SGG. Hiernach werden die Kosten in entsprechender Anwendung der §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört. Dies trifft auf die Beklagte und den Kläger als Arbeitgeber zu (vgl. Bundestagsdrucksache 14/5943 Nr. 68 Seite 28 ff). Das Verbot der Schlechterstellung schließt eine Änderung der sozialgerichtlichen Kostenentscheidung zu Ungunsten des Klägers nicht aus, weil die Rechtsmittelinstanz sowohl zu einer Ergänzung als auch zu einer Abänderung der Kostenentscheidung der Vorinstanz befugt ist. Auch ohne Anschließung des Gegners kann über die Kosten des Verfahrens zum Nachteil des Rechtsmittelklägers entschieden werden (BVerwG, Urteil vom 25.03.1980 - 1 D 14/79 - BverwGE 63, 353 bis 380 mwN). Der festgesetzte Streitwert ergibt sich aus § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14, 13 Abs. 2 GKG, wobei von der Höhe der Erstattungsforderung der Beklagten (umgerechnet in Euro) auszugehen ist.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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