L 19 (9) AL 11/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 17 (14) AL 50/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 (9) AL 11/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.11.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1956 geborene Klägerin war bis zum 31.03.1995 als Krankenschwester tätig. Sie meldete sich arbeitslos und bezog eine Zeit lang Arbeitslosengeld, danach Arbeitslosenhilfe. Am 12.07.1999 beantragte sie die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Sie ließ in einem ergänzenden Schreiben mit Datum vom 07.07.1999 mitteilen, dass sie über nachfolgendes Vermögen verfüge:
Gehaltskonto bei der O-bank 1.568,99 DM
Sparkonto bei der O-bank 8.174,37 DM
Sparkonto bei der Postbank 12.116,84 DM
Sparkonto bei der Sparkasse 24.682,25 DM.

Mit Bescheid vom 31.08.1999 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab, da die Klägerin über Vermögen in Höhe von 47.353,45 DM (richtig: 46.542,45 DM) verfüge, das abzüglich des Freibetrages in Höhe von 8.000,00 DM in Höhe von 39.353,45 DM verwertbar sei. Ausgehend von dem der Bewilligung zugrunde liegenden Bemessungsentgelt in Höhe von 830,00 DM ergebe sich, dass die Klägerin für die Dauer von 47 Wochen nicht bedürftig sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 13.09.1999 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass das im Schreiben vom 07.07.1999 angegebene Vermögen ihr im Enddefekt nicht zustehe. Tatsächlich sei es so, dass alle Kontoguthaben von der Mutter der Klägerin eingerichtet worden seien. Die angegebenen Vermögenswerte seien ihr danach tatsächlich nicht zuzurechnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.01.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Einlassung der Klägerin könne nicht gefolgt werden. Es sei davon auszugehen, dass das angegebene Vermögen ihr zustehe. Die Klägerin selbst habe vorgetragen, drei Freistellungsanträge gestellt zu haben.

Am 16.02.2000 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, es handele sich bei dem Sparvermögen zum großen Teil um Geld, das von ihrer Mutter stamme. Sie habe damals vorgeschlagen, die Gelder derart zusammen zu legen, dass ihr Erspartes sowie im Wesentlichen ihr Weihnachtsgeld auf diesen Sparbüchern angelegt werden sollten und diese Sparbücher auf den Namen der Klägerin ausgestellt würden. Welche Summen tatsächlich Geld der Mutter seien und welche tatsächlich ihr Geld seien, könne sie rückblickend nicht mehr genau sagen. Ihre Mutter erwarte, dass sie später einmal deren Pflege übernehmen werde, deswegen habe sie das Geld auch nie angerührt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2000 zu verurteilen, der Klägerin Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.07.1999 bis 24.05.2000 zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, dass die Klägerin nicht vorgetragen habe, in welcher Weise sie rechtlich in der Verfügung über das streitige Vermögen beschränkt sei. Außerdem hat sie darauf verwiesen, dass die Klägerin im Jahre 1998 noch fünf Freistellungsanträge bei Geldinstituten oder Versicherungen gestellt habe.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19.11.2003 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe nach § 190 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buches (III - Arbeitsförderung - (SGB III) nur, wer - neben der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen - bedürftig sei. Nicht bedürftig sei ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt sei. Nach § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV0) sei Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar sei, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar sei, jeweils 8.000,00 DM übersteige. Die Klägerin verfüge über ein Vermögen von 47.353,45 DM, das nach Abzug des Freibetrages von 8.000,00 DM in Höhe von 39.353,45 DM verwertbar sei. Dieses Vermögen stehe der Klägerin zu. Ihrem Einwand, es handele sich um Vermögen der Mutter bzw. sie sei in der Verfügung über das Vermögen beschränkt, habe das Gericht nicht zu folgen vermocht. Zum einen fehlten bereits im Tatsächlichen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Sparvermögen, das sich auf Konten befinde, die auf den Namen der Klägerin lauteten, im Innenverhältnis tatsächlich ihrer Mutter zustände oder die Klägerin das Vermögen nur für von der Mutter vorgegebene Zwecke verwenden dürfe. Aus dem Vortrag der Klägerin ergebe sich nicht, dass das Sparvermögen von ihr ganz oder teilweise nur treuhänderisch verwaltet werde. Auch ergebe sich hieraus keine Zweckbestimmung im Sinne dinglicher und schuldrechtlicher Verfügungsbeschränkungen. Es möge durchaus sein, dass es die Erwartungshaltung der Mutter der Klägerin sei, das Vermögen solle für ihre Pflege verwendet werden, ausdrücklich oder stillschweigend gegeben habe. Eine Rechtsgrundlage dafür, dass die Klägerin tatsächlich in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt sei, ergebe sich hieraus nicht. Die Klägerin könne sich auch nicht mit der Folge darauf berufen, die Verwertung des Vermögens sei nach § 6 Abs. 3 AlhiVO nicht zumutbar. Im Hinblick auf § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 dritte Möglichkeit AlhiVO fehle es auf Grund der eigenen Einlassung der Klägerin an der hiernach geforderten Zweckbestimmung. Das Vermögen habe ihrer Mutter zugute kommen sollen. Eine derartige Zweckbestimmung sei nicht geeignet, die Verwertung auszuschließen. Dass die Klägerin das Vermögen nicht für eigene Zwecke bestimmt habe, werde auch dadurch bestätigt, dass sie in den Anträgen auf Fortzahlung der Alhi in der dafür vorgesehenen Rubrik keinerlei Angaben gemacht habe. Die Verwertung des Vermögens sei auch nicht nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO ausgeschlossen.

Das Urteil ist der Klägerin am 19.12.2003 zugestellt worden. Die Klägerin hat am 15.01.2004 Berufung eingelegt und geltend gemacht: Zwar sei es richtig, dass bei nur treuhänderisch verwaltetem Vermögen von einem verwertbaren Vermögen im Sinne der AlhiVO auszugehen sei. Der Klägerin sei aber Vermögensschutz zuzubilligen. Es müsse berücksichtigt werden, dass sie bei Eintreten der Bedürftigkeit 43 Jahre alt gewesen sei und ihre Tätigkeit als Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen habe aufgeben müssen und lange Zeit beschäftigungslos gewesen sei. Die Verwertung sei nicht zumutbar im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO. Zumutbar sei eine Verwertung nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden könne. Dabei sei auf die Position der Klägerin abzustellen, auch die Inhaberin des Vermögens - die Mutter der Klägerin - sei mit einzubeziehen. Stelle man auf die Person der Klägerin selbst ab, müsse von ihrer damaligen gesundheitlichen und beruflichen Situation ausgegangen werden und es sei ihr Vermögensschutz zu gewähren.

Nach dem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid vom 31.08.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 28.01.2000 infolge eines Rechenfehlers abgeändert hat, beantragt die Klägerin,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 19.11.2003 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31.08.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.01.2000, geändert durch Bescheid vom 25.07.2005, zu verpflichten, der Kläger Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 01.07.1999 bis 17.05.2000 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und weist darauf hin, dass allein die längere Arbeitslosigkeit der Klägerin nicht ausreiche, um ihr Vermögensschutz einzuräumen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 31.08.1999 und der Widerspruchsbescheid vom 28.01.2000 in der durch Bescheid vom 25.07.2005 geänderten Fassung sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 52 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Klägerin hatte ihr Vermögen in Höhe von 46.542,45 DM abzüglich eines Freibetrages in Höhe von 8.000,00 DM = 38.542,45 DM im streitbefangenen Zeitraum einsetzen müssen.

Anspruch auf Alhi hat nach § 190 Abs. 1 SGB III in der bis zum 01.01.2002 gültigen Fassung nur, wer - neben der Erfüllung anderer Voraussetzungen - bedürftig ist. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist (§ 193 Abs. 2 SGB III). Wie lange und mit Rücksicht auf welches Vermögen die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist, hat das SGB III der Regelung durch Rechtsverordnung überlassen. Gegen die Rechtmäßigkeit und Verfassungsmäßigkeit des hier einschlägigen § 6 AlhiVO bestehen keine Bedenken (s. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 27.05.2003, B 7 AL 104/02 R, Bundessozialgericht-Entscheidungen (BSGE) 91, 94; Urteil vom 09.12.2004, B 7 AL 30/04 R).

Auch nach Auffassung des Senats sind die auf den verschiedenen Konten befindlichen Guthaben dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen. Insoweit macht der Senat von der Möglichkeit des § 153 Abs. 2 SGB Gebrauch und verweist auf das angefochtene Urteil des SG vom 19.11.2003.

Die Verwertung der auf den verschiedenen Konten vorhandenen Guthaben in Höhe von 38.542,45 DM kann der Klägerin zugemutet werden.

Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AhliVO ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Nach Absatz 3 Satz 2 ist die Verwertung insbesondere nicht zumutbar (Nr. 3) von Vermögen, das für eine alsbaldige Berufsausbildung, zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist. Die Sparguthaben sind nicht geschützt, weil sie nicht zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt sind. Für das Kriterium der Zweckbestimmung ist zu fordern, dass das Vermögen subjektiv und objektiv zweckbestimmt zur Alterssicherung sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 27.05.2003 B 7 AL 104/02 R). In subjektiver Hinsicht ist zu prüfen, ob die Klägerin beabsichtigt hat, mit dem Vermögen eine Alterssicherung aufrecht zu erhalten und objektiv, ob die äußeren Umstände der Geldanlage (Fälligkeitszeitpunkt, Auszahlungsmodalitäten) dafür sprechen, dass mit dem Vermögen eine Alterssicherung bezweckt ist. Hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Die Klägerin verfügt über eine Lebensversicherung, die frei gelassen worden ist und Rentenansprüche aus ihrer Berufstätigkeit. Die Guthaben selbst sind jederzeit verfügbar, so dass auch in zeitlicher Hinsicht kein Bezug zu einer eventuellen Alterssicherung besteht.

Das vorhandene Vermögen ist auch nicht zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage bestimmt. Vermögen mit dieser Zweckbestimmung bildet das Fundament für eine darauf aufbauende angemessene Lebenshaltung (vgl. Krauß in Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung Praxiskommentar, 2. Auflage 2004 § 193 RN 84). Ob das Vermögen dem Aufbau oder der Sicherung einer angemessenen Erwerbsquelle zu dienen bestimmt ist, aus der in Zukunft Einkommen bezogen werden kann, ist nicht abstrakt, sondern jeweils bezogen auf den konkreten Fall zu beurteilen. Dass die Klägerin das Vermögen mit der genannten Zweckrichtung verwenden will, hat sie nicht vorgetragen. Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, dass durch den Einsatz des Vermögens für ihre Zwecke die angemessene Lebensgrundlage ihrer Mutter beeinträchtigt sein könnte. Derjenige, der hier als verdeckter Treuhänder zumindest den Rechtschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, muss sich hieran auch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung durch die Beklagte festhalten lassen. Zwar wird der Treuhänder hierdurch gezwungen, dass ihm zur Verfügung gestellte Treugut für seinen Lebensunterhalt zu verwerten, weshalb er möglicherweise wirtschaftlich außer Stande gesetzt wird, den Anspruch des Treugebers nach § 667 BGB zu befriedigen. Es entspricht jedoch der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.08.2002, L 12 AL 247/01; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.02.2005, L 1 AL 84/03).

Auch der Auffangtatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO liegt nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.06.1996, 7 RAr 116/95, SozR 3 - 4100 § 137 Nr. 6), der sich der Senat anschließt, handelt es sich bei der Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiVO um eine Generalklausel, mit der den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen ist. Bei dieser wertenden Betrachtungsweise sind Zumutbarkeitsgesichtspunkte wie z. B. Alter, Dauer der Arbeitslosigkeit, Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Ausgleich eines nicht im Verdienstausfall liegenden Schadens zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 19.06.1996, a. a. O.). Allein auf den Umstand längerer Zeit der Arbeitslosigkeit kann sich die Klägerin nicht berufen. Die Klägerin war im streitrelevanten Zeitraum erst 43 Jahre alt. Sie verfügte über eine Ausbildung zur Krankenschwester und hat sich zusätzlich zur Zahntechnikerin qualifiziert. Angesichts dessen kann von geringeren Chancen auf eine ihrer Ausbildungen entsprechenden Erwerbstätigkeiten nicht die Rede sein. Anhaltspunkte im Sinne der dargelegten besonderen Zumutbarkeitsgesichtspunkte, die eine Verwertung als unbillig erscheinen lassen, sind von der Klägerin im Übrigen nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anhaltspunkte für die Revisionszulassung sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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