L 19 B 48/05 AS ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 89/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 B 48/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 18.07.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidung vom 11.08.2005), ist nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch gegen die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruches, der für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Taschengeld besteht gegenüber der Antragsgegnerin nicht, weil der Antragsteller bereits länger als 6 Monate in Untersuchungshaft einsitzt und damit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) ausgeschlossen sind, § 7 Abs. 4 SGB II. Der Antragsteller ist als Untersuchungsgefangener zu behandeln, auf den das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) mit dem Regelungsanspruch auf Gewährung von Taschengeld bei Bedürftigkeit (§ 47 StVollzG) nicht anwendbar ist, (weil das gegen ihn ergangene Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Als Untersuchungsgefangener befindet sich der Antragsteller in einer stationären Einrichtung. § 7 Abs. 4 1. Altern. SGB II bestimmt, dass Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Mit der Aufnahme des Begriffs der stationären Einrichtung in das SGB II hat der Gesetzgeber zwar die Absicht verfolgt, das SGB II und das Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - SGB XII zu harmonisieren (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 7 Rn. 33), was ihm aber nur unzureichend gelungen ist.

In § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII wird zwar eine stationäre Einrichtung als eine solche definiert, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten. Nach § 98 Abs. 4 SGB XII sollen aber die Vorschriften der örtlichen Zuständigkeit, die für stationäre Einrichtungen gelten, entsprechend auf Personen angewendet werden, die sich im Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befinden, worunter auch die Untersuchungshaft fällt (s. dazu Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 98 Rn. 28). Auch wenn sich § 98 Abs. 4 SGB XII auf die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit bezieht und des Weiteren (nur) die §§ 106 und 109 SGB XII für anwendbar erklärt, ist der Begriff der stationären Einrichtung i.S. des § 7 Abs. 4 SGB II nach Sinn und Zweck in einem umfassenderen Sinn als von § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfasst zu verstehen. Damit ist auch ein durch Haft bedingter Aufenthalt gemeint / so auch Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rn. 34; Sauer in Jahn, SGB II, 2004, § 7 Rn. 31). Sowohl für Personen, die stationär nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII untergebracht sind als auch solche, die sich in Haft befinden, gilt, dass das Ziel des SGB II, eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess bei einem länger als sechs Monate dauernden Aufenthalt nicht erreicht werden kann (vgl. Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 7 Rn. 19).

Aus der Verwendung des Wortes für länger als sechs Monate ist zu schließen, dass die Arbeitsgemeinschaft als Leistungsträger eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, die hier eindeutig ist. Nach der von der JVA eingeholten Auskunft befindet sich der Antragsteller wegen sexuellem Missbrauchs von Kindern bereits seit dem 24.10.2004 in Untersuchungshaft und ist - nicht rechtskräftig - zu sieben Jahren Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung verurteilt.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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