L 20 B 16/05 SO ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SO 46/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 16/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.08.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist streitig die Stellung von Gebärdendolmetschern für die Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen zur Bundestagswahl 2005 als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.

Der Antragsteller leidet an einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit und bezieht Leistungen nach dem SGB XII. Er beantragte am 28.06.2005 die Übernahme der Kosten für Gebärdendolmetscher für seine Teilnahme an Wahlveranstaltungen aller zur Bundestagswahl 2005 zugelassenen Parteien in Höhe von (mindestens) 2780,- EUR. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 25.07.2005 ab, gegen den der Antragsteller fristgerecht Widerspruch eingelegt hat. Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 10.08.2005 hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 29.08.2005 wegen Fehlens eines Anordnungsanspruches abgelehnt. Zur weiteren Begründung wird auf den Beschluss, zu Einzelheiten des Sachverhaltes im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakten und beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 02.09.2005), ist unbegründet. Ein Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG besteht wegen Fehlens eines Anordnungsanspruches nicht. Denn der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Stellung von Gebärdendolmetschern für die Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen aller auf den Wahlscheinen erwähnten Parteien zur Bundestagswahl 2005 als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.

Zwar besteht nach der insoweit allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe am gemeinschaftlichen kulturellen Leben, zu dem auch die Teilnahme an politischen Veranstaltungen zu rechnen ist. (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. September 1985, - 5 C 113/83 - BVerwGE 72,113 ff.).

Auch gilt für Leistungen der Eingliederungshilfe der Bedarfsdeckungsgrundsatz. Sie stehen jedoch, wie alle Leistungen nach dem SGB XII, unter der Einschränkung des § 9 Abs. 2 SGB XII (Conradis in: Rothkegel, Sozialhilferecht, Kapitel 22, Rnr. 23, Seite 448), d.h. sie müssen im Einzelfall angemessen sein. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII soll Wünschen des Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII soll der Träger der Sozialhilfe in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Art, Form und Maß der im Einzelfall zu gewährenden konkreten Hilfe richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalls (Grube/ Wahrendorf, SGB XII, § 9 Rnr. 11 m.w.N.). Dabei ist die konkret geforderte Leistung zunächst auf ihre Eignung für die Verfolgung des angestrebten Zieles, dann hinsichtlich ihrer Notwendigkeit (im Sinne einer fehlenden Leistungsalternative) und schließlich hinsichtlich ihrer Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, (d.h. hinsichtlich der Vertretbarkeit der aufzuwendenden Kosten im Hinblick auf die Gewichtigkeit der Ziele des potenziell Leistungsberechtigten) zu untersuchen (Rothkegel, a.a.0. Kapitel 3, Rdnr. 15 ff, S. 147 ff).

Auch zur Überzeugung des Senat ist die Entscheidung der Antragsgegnerin nach vorstehenden Kriterien nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin durfte bei der Prüfung der Angemessenheit nach § 9 Abs. 2 SGB XII berücksichtigen, dass dem Antragsteller die im Bescheid vom 25.07.2005 im Einzelnen aufgeführten Möglichkeiten offenstehen, sich umfangreiches Informationsmaterial von den zur Bundestagswahl anstehenden Parteien zu verschaffen, und dass diese Wege der Informationsbeschaffung - einschließlich durch den vorhandenen PC und Internetzugang - deutlich kostengünstiger sind.

Dem steht nicht entgegen, dass eine Teilnahme an Wahlkampfveranstaltungen dazu dienen kann, sich z.B. einen persönlichen Eindruck von den Direktkandidaten zu verschaffen. Das durch Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Grundrecht des Antragstellers ist jedoch in seinem Kernbereich durch die vorhandenen Informationskanäle gewährleistet.

Auch nach Auffassung des Senats steht der begehrte Kostenaufwand außer Verhältnis zum Mehrgewinn an Informationen. Denn unverhältnismäßig sind Mehrkosten, "wenn die hieraus folgende Mehrbelastung des Sozialhilfehaushalts zum Gewicht der vom Leistungsberechtigten angeführten Gründe für seine Wahl nicht mehr im rechten Verhältnis steht" (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.11.1994, - 5 C 11/93, BVerwGE 97, 110 ff). Hierbei ist die Mehrbelastung des Sozialhilfehaushalts in Beziehung zu setzen zur konkreten Verbesserung der sozialhilferechtlich förderungswürdigen Situation des Leistungsemfpängers (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. September 1985 a.a.O. zur Teilnahme an auswärts veranstalteten Demonstrationen).

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass zwischen dem Bedürfnis des Antragstellers nach persönlicher Information als Wahlbürger und den Zielen des Antragstellers als Initiator der Interessengemeinschaft zur Förderung der Belange hörbehinderter Menschen zu unterscheiden ist.

Was die aktive Teilnahme des Antragstellers an Wahlkampfveranstaltungen zwecks Förderung der Interessen des Initiativkreises für Gehörlose angeht, erscheint es äußerst fraglich, auf welche Rechtsgrundlage der Anspruch insofern gestützt werden soll. Denn die Eingliederungshilfe dient der Teilhabe des einzelnen Behinderten bzw. von Behinderung bedrohten Menschen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.

Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung an das Bundessozialgericht ist nach § 177 SGG nicht möglich.
Rechtskraft
Aus
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