L 7 SB 68/05

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SB 287/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 SB 68/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 02.05.2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "erhebliche Gehbehinderung" (G).

Der Beklagte stellte bei dem 1932 geborenen Kläger mit Bescheid vom 23.04.2004 einen GdB von 30 fest wegen der Behinderungen

1. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom (20)

2. Vegetative Regulationsstörungen (10)

3. Gelenkpolyarthrose (10)

4. Bluthochdruck, cerebrovaskulärer Schwindel (10)

5. Blasenentleerungsstörungen (10).

Im Anschluss an den Änderungsantrag von Juli 2004 gerichtet sowohl auf Feststellung eines höheren GdB als auch des Nachteilsausgleiches "G" lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23.07.2004 das Begehren ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Auswertung der vom Kläger eingereichten Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr. E keine wesentliche Änderung der Verhältnisse i. S. einer Verschlimmerung ergeben habe. Der beantragte Nachteilsausgleich könne nicht gewährt werden, da der GdB nicht mindestens 50 betrage. Einen weiteren Änderungsantrag von August 2004 begründete der Kläger mit "Schmerzen an der Wirbelsäule und häufigem Wasserlassen". Der Beklagte wertete diesen Antrag als Widerspruch. Der Hausarzt des Klägers, Dr. E, legte vorsorglich im Auftrag des Klägers ebenfalls Widerspruch ein mit der Begründung, es bestehe beim Kläger der Verdacht auf ein Prostata-Karzinom. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.08.2004).

Hiergegen hat der Kläger am 30.08.2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat vorgetragen, seine schweren und vielschichtigen Erkrankungen verursachten einen GdB von mindestens 50. Zur Begründung hat er auf ein Attest des Hausarztes Dr. E von Juli 2004 verwiesen, wonach er an degenerativen Leiden der Wirbelsäule, einer Refluxkrankheit, einem Prostata-Leiden und an einer "Schwerbehinderung infolge von Verfolgung- und Unterdrückungsmaßnahmen aus rassischen Gründen" leide.

Das SG hat die Akten S 24 SB 111/01, S 13 SB 52/03 und Befundberichte von Dr. E, Prof. Dr. G sowie dem Orthopäden H beigezogen.

Der Beklagte hat in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme betont, dass der Verdacht der Gewebeveränderung an der Prostata Anfang 2004 als gutartige Prostatavergrößerung diagnostiziert worden ist.

Sodann hat das SG ein Gutachten des Internisten Dr. D eingeholt. Der Sachverständige hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers einen Gesamt-GdB von 20 bis 30 festgestellt und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G" verneint. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 08.03.2005 verwiesen.

Der Kläger hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass er keinen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stellt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 02.05.2005 abgewiesen. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen das am 13.05.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.05.2005 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter. Er betont, dass er seit dem Tod seiner Ehefrau 2003 unter "häufigen depressiven Zuständen" leide.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Köln vom 02.05.2005 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 und die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches einer "erhebliche Gehbehinderung" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Entscheidung des SG.

Der Kläger hat eine Bescheinigung des Dr. E vom 30.05.2005 vorgelegt, wonach er wegen Wirbelsäulenbeschwerden, Prostataleiden mit Blasenentleerungsstörung und arterieller Hypertonie in Behandlung ist. Außerdem hat er ein Attest des Orthopäden H vom 21.06.2005 eingereicht.

Der Senat hat Befundberichte des Internisten Dr. E und des Urologen Dr. G1 angefordert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid vom 23.07.2004 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Der Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 50 und der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "G".

Gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung abzuändern, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist u. a. nur dann nach Nr. 24 Abs. 2 der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP), die wegen ihrer rechtsnormähnlichen Qualität für das Sozialgericht und das Landessozialgericht im Regelfall maßgebend sind (BSG, Urteil vom 09.04.1997, 9 RVs 4/95 m.w.N.), wesentlich, wenn der Vergleich des gegenwärtigen mit dem des verbindlich festgestellten Gesundheitszustandes des Klägers eine GdB-Differenz von mindestens 10 ergibt.

Daran fehlt es. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die einen GdB mindestens 40 bedingt, ist nicht nachgewiesen.

Im Funktionssystem "Rumpf" kommt es zu einer end- bis mittelgradigen Bewegungseinschränkung in allen Bewegungsabläufen der HWS und zu einer eingeschränkten Seitwärtsneigung und -drehung der LWS. Zudem ist das Bücken und Aufrichten des Rumpfes etwas mühsam. Unter Berücksichtigung der strengen Vorgaben der AP ist das degenerative Wirbelsäulensyndrom bei Fehlhaltung der Wirbelsäule mit einem GdB von 20 zu bewerten. Dies folgt für den Senat aus den überzeugenden Ausführungen von Dr. D. Diese Einschätzung wird bestätigt vom behandelnden Orthopäden H, der im Juni 2005 eine allseits endgradig schmerzhaft eingeschränkte HWS-Beweglichkeit um 1/3 und eine Einschränkung der LWS-Beweglichkeit um ¼ ermittelte.

Darüber hinaus liegt beim Kläger im Funktionssystem "Männliche Geschlechtsorgane" eine geringgradige Blasenentleerungsstörung mit einem Einzel-GdB von 10 vor. Der zunächst geäußerte Verdacht auf ein Prostatakarzinom hat sich nicht bestätigt; es wurde ein Prostataadenom festgestellt.

Darüber hinaus bestehen beim Kläger weitere Behinderungen, die mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind (Bluthochdruck; Polygelenkarthrose).

Im Funktionssystem "Psyche" liegt eine vegetative Regulationsstörung mit einem Einzel-GdB von 10 vor. Der Senat sah sich nicht gedrängt, ein psychiatrisches Gutachten einzuholen, da sich der Kläger weder in psychiatrischer Behandlung befindet noch die ihn behandelnden Ärzte in den Berichten psychiatrische Diagnosen aufgeführt haben. Zudem hat auch der Sachverständige Dr. D anlässlich der ambulanten Untersuchung im März 2005 keine Hinweise auf ein vegetatives Syndrom gefunden.

Nach den AP 2004 ist ausgehend von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und dass es vielfach bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 nicht gerechtfertigt ist, eine Erhöhung vorzunehmen. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (Nr. 19 AP 2004).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist kein höherer Gesamt-GdB als der vom Beklagten festgestellte GdB von 30 erwiesen.

Die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleiches "G" sind nicht erfüllt, weil ein GdB von mindestens 50 nicht erwiesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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