L 12 AL 215/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 125/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 215/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 05.08.2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung der Arbeitslosenhilfe des Klägers ab 03.07.2003.

Der 1968 geborene Kläger stand seit Februar 1996 bei der Beklagten im Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 12.02.2001 bewilligte die Beklagte ihm Arbeitslosenhilfe unter Anwendung des § 125 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III). Die Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA) lehnte mit Bescheid vom 01.03.2001 medizinische Leistungen zur Rehabilitation wegen geminderter Erwerbsfähigkeit des Klägers ab, weil nicht zu erwarten sei, dass diese wiederhergestellt werden könne. Der Antrag des Klägers auf Rehabilitation gelte als Rentenantrag. Ab 01.05.2001 zahlte die Beklagte dem Kläger weiter Arbeitslosenhilfe, nachdem durch Beschluss des Sozialgerichts (SG) Münster vom 26.06.2001 der Vollzug des Bescheides der Beklagten vom 26.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2001 einstweilen ausgesetzt worden war. Die letzte Bewilligung von Arbeitslosenhilfe erfolgte ab 23.12.2002 durch Bescheid der Beklagten vom 23.01.2003.

Mit Beschluss vom 17.03.2003 hob das Amtsgericht Münster - 27 XVII Z 150/00 - die Betreuung für den Kläger auf, weil dieser zwar weiterhin an einer paranoiden, schizophrenen Psychose leide, es aber keinen konkreten Regelungsbedarf im Rahmen einer Betreuung gebe und der Kläger, der sich für gesund halte, jede Hilfe ablehne.

Nachdem die Beklagte von der LVA am 30.06.2003 die Mitteilung erhalten hatte, dass aufgrund ärztlicher Begutachtung im Juni 2001 beim Kläger Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, hob sie mit Bescheid vom 30.06.2003 die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 03.07.2003 auf, weil die Voraussetzungen für eine Leistung im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung gemäß § 125 SGB III nicht mehr vorlägen. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers, in dem er zum Ausdruck brachte, dass er sich nicht für erwerbsunfähig halte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2003 zurück. Zur Begründung führte sie aus, ihr sei durch Mitteilung der LVA am 30.06.2003 bekannt geworden, dass durch eine von dieser veranlasste ärztliche Begutachtung am 19.06.2001 die Erwerbsunfähigkeit des Klägers festgestellt worden sei, worüber der Kläger auch mit Widerspruchsbescheid der LVA vom 27.06.2001 unterrichtet worden sei. Auch bei Nichtanwendung des § 125 SGB III habe der Kläger keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, weil er nicht als arbeitslos gemäß § 118 SGB III gelte.

Am 06.08.2003 hat der Kläger vor dem SG Münster Klage erhoben und vorgetragen, dringend an einer Arbeit interessiert zu sein und nicht weiterhin von der Sozialhilfe leben zu wollen.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 30.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden zum Ausdruck gebrachten Auffassung festgehalten.

Das SG hat Unterlagen der LVA beigezogen und nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 05.08.2004 die Klage abgewiesen, weil die LVA laut Mitteilung vom 30.06.2003 die Erwerbsunfähigkeit des Klägers festgestellt habe. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 10.08.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.08.2004 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin geltend macht, nicht erwerbsunfähig zu sein. Er weist nochmals darauf hin, dass ihm ein Bescheid der LVA vom 27.02.2001 niemals zugegangen sei, auch im Widerspruchsbescheid der LVA vom 27.06.2001 nicht Erwerbsunfähigkeit von Mai 2000 bis Dezember 2003 bescheinigt, sondern nur eine "zur Zeit nicht vorliegende Erwerbsunfähigkeit" aufgeführt worden sei. Auch sei das richtige Datum seiner Begutachtung nicht der 19., sondern der 01.06.2001. Auf sein übriges Vorbringen wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 05.08.2004 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend und weist darauf hin, dass die LVA dem Kläger ab 01.02.2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt habe und ab 01.12.2004 laufende Zahlungen an den Kläger erfolgten.

Auf den vom Kläger in Kopie vorgelegten Rentenbescheid der LVA vom 21.10.2004 sowie den Nachzahlungsbescheid der LVA vom 04.03.2005 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2003 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat zu Recht die zuletzt mit Bescheid vom 23.01.2003 ab 23.12.2002 erteilte Bewilligung der Arbeitslosenhilfe ab 03.07.2003 aufgehoben.

Rechtsgrundlage ist dafür § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Letzteres ist der Fall, wenn die Änderung im Vergleich zur Rechts- und Sachlage bei Erlass des maßgeblichen Verwaltungsakts dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiven Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil nach der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit des Klägers durch die LVA die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe nicht mehr wie geschehen hätte bewilligen dürfen. Maßgebender Zeitpunkt ist jedoch der Zeitpunkt des Zugangs der entsprechenden Mitteilung der LVA am 30.06.2003 (vgl. BSGE 71, 12, 17 = SozR 3 - 4100 § 105 a Nr. 5 und BSG vom 14.12.1995 - 11 RAR 19/95 -).

Zur weiteren Begründung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab. Insbesondere hat auch der Senat mangels objektiver Anhaltspunkte für die Richtigkeit der gegenteiligen Behauptung des Klägers keinen Zweifel an der bei ihm vorliegenden vollen Erwerbsminderung.

Im Übrigen würde der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe auch ab 01.12.2004 ruhen, weil die LVA dem Kläger ab diesem Zeitpunkt aufgrund der ihm ab 01.02.2001 zuerkannten Rente wegen voller Erwerbsminderung laufend Rente zahlt (§ 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 SGB III).

Schließlich ist, ohne dass dies für die Entscheidung von Bedeutung ist, dem Kläger zwar zuzustimmen, dass ihm ein Bescheid der LVA vom 27.02.2001 nicht zugegangen ist, weil ein dem Kläger erteilter Bescheid dieses Datums der LVA nicht existiert. Soweit die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 10.07.2003 gleichwohl von einem Bescheid der LVA vom 27.02.2001gesprochen hat, ist ihr aber lediglich ein Irrtum unterlaufen. Gemeint war offensichtlich der Bescheid vom 01.03.2001, mit dem die LVA medizinische Leistungen zur Rehabilitation ablehnte, weil nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch eine medizinische Leistung der Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne. Richtig ist ebenfalls, jedoch für die Entscheidung gleichfalls ohne Bedeutung, dass im Widerspruchsbescheid der LVA vom 27.06.2001 nicht Erwerbsunfähigkeit von Mai 2000 bis Dezember 2003 bescheinigt worden sei. Es wurde aber auch nicht, wie vom Kläger vorgetragen, eine "zur Zeit nicht vorliegende Erwerbsunfähigkeit" bescheinigt, sondern ausgeführt, dass der Kläger vermindert erwerbsfähig und nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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